Stadtradeln? Immer! Aber nicht so…

Morgen startet die nächste Runde des alljährlichen „Stadtradelns“. Bürgermeister und Verwaltung laden erneut alle Dürener/innen dazu ein, während des dreiwöchigen Aktionszeitraums möglichst viele Kilometer mit dem Fahrrad zurückzulegen – nicht zuletzt um einen Beitrag zur Einsparung von CO₂ zu leisten.

„Wer mitmacht, tritt 21 Tage lang für den Klimaschutz in die Pedale und fördert den Radverkehr. „Der Wettbewerb bietet eine gute Gelegenheit, sich von den Vorteilen des Radfahrens zu überzeugen. Radfahren ist gesund, verbessert die Luft wie auch den Lärm und nimmt damit einen wichtigen Baustein für unsere Stadt von morgen ein“, sagt Bürgermeister Frank Peter Ullrich. „Mit dem Rad kann jeder seinen persönlichen Beitrag dazu leisten, Düren weiterhin attraktiv und lebenswert zu gestalten.““

Pressemitteilung der Stadt Düren, 12.05.2023

Warum eigentlich nur drei Wochen pro Jahr und ausschließlich in Form eines Wettbewerbs, frage ich mich. Was ist mit den übrigen paar Hundert Tagen? Und wie genau fördere ich den Radverkehr durch meine Teilnahme?



Wären Fahrradstraßen, Radschnellwege, Falschparker-freie Geh- und Radwege nicht viel besser geeignet, um “sich von den Vorteilen des Radfahrens zu überzeugen”? Von diesen Infrastruktur-Dingern und dem sogenannten “Paradigmenwechsel in der Verkehrsplanung” spürt und sieht man leider wenig in Düren. Ab und zu liest man davon, wenn man verrückt genug ist, sich beschlossene Konzepte oder verkehrspolitische Sonntagsreden anzuschauen.

Ansonsten muss man eigentlich eher einen Rückschritt in Sachen verkehrswendeförderlicher Kommunikation (und Aktion) in den letzten Jahren beobachten. Die Zeiten der Lokalen Agenda 21 mit Beteiligung an Aktionen wie “In die Stadt ohne mein Auto” sind Geschichte. Heute winkt einem der Bürgermeister auch nicht mehr Fahrrad fahrend entgegen, wenn man eine falsche Seite auf dueren.de ansteuert.

Allerdings wird gerade ein (noch nicht ganz kritikfreies) Rad-Vorrangrouten-Konzept umgesetzt, das nicht weniger als 31 Kilometer längst überfällige Fahrradstraßen und diverse andere fahrradförderliche Maßnahmen vorsieht. Daumen hoch – falls die Umsetzung konsequent und zeitnah erfolgt. Bei der allerersten Umsetzung an der Valencienner Straße hat das so la la geklappt.

Vor zwei Jahren noch wies unser Bürgermeister anlässlich des Stadtradelns darauf hin, dass er „bekennender Autofahrer” sei und dass sich Radfahren bei seinem dicht gedrängten Terminkalender zeitlich nicht rechnen würde (Dürener Zeitung, 11.06.2021). Die Stadt der kurzen Pkw-Wege… Naja, vielleicht lässt er sich ja ab diesem Jahr (wenigstens für drei Wochen) auch dank der vielen neuen Fahrradstraßen, die bald kommen werden, von seinen eigenen Worten überzeugen:

„Der Wettbewerb bietet eine Gelegenheit, sich von den Vorteilen des Radfahrens zu überzeugen. So ist es möglich, die alltäglichen Wege schneller als mit dem Auto zurückzulegen, da die Parkplatzsuche sowie der erhöhte Stressfaktor durch Staus während des Radelns entfallen. Außerdem wirkt sich die aktive Mobilität positiv auf die Gesundheit aus, verbessert die Luft wie auch den Lärm und nimmt damit einen wichtigen Baustein für unsere Stadt von morgen ein. Aus diesem Grund sollen für das STADTRADELN möglichst viele Menschen im Zeitraum des Wettbewerbes für den Umstieg auf das Fahrrad motiviert werden. (…)“.

Ein Chatbot Ihrer Wahl Flyer Stadtradeln Düren 2023

Es hätte noch ergänzt werden können, dass sich mit jedem Umstieg vom Pkw aufs Rad sowohl Pkw-Verkehr als auch „Parkdruck“ reduzieren lassen. Radfahrer sind gut für Autofahrer, könnte man sagen. Leider wird auch vergessen zu erwähnen, dass die Senkung des Stressfaktors „Stau“ beim Radfahren in Düren leider immer noch mit dem Stressfaktor Überleben auf gefährlichen “Schutz”streifen und mangelhafter Infrastruktur einhergeht. “Bekennende Radfahrer” und Allzeit-Stadtradler kennen diese Perspektive.



Schöne Worte – wenig Taten

Nichtsdestotrotz… Hübsch, dass einige wenige Vorteile des Radfahrens wenigstens anlässlich der alljährlichen Franchising-Aktion „Stadtradeln“ wieder aus der Mottenkiste geholt werden. Von denen hört man sonst ja wenig genug. Nach 22 Jahren Nationaler Radverkehrsplan, 16 (?) Jahren „Stadtradeln Düren“, acht Jahren „Klimaschutzteilkonzept Klimafreundliche Mobilität“, drei Jahren Koalitionsvertrag „Zukunft Düren“, anderthalb Jahren Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW inkl. Aktionsplan hat es vielmehr den Anschein, als müssten alle verkehrspolitischen Diskussionen immer wieder aufs Neue geführt werden – spätestens wenn sie irgendwie unsere Gewohnheits-Grundrechte als Dürener Autofahrer betreffen könnten. An dieserStelle hört jegliches “Stadtradeln” ganz schnell wieder auf.

In der Dürener Kakophonie verkehrspolitischer Widersprüchlichkeiten spielt das Stadtradeln wahrscheinlich noch eine eher positive Rolle. Ich bin da diffus unentschlossen und pendle irgendwo zwischen grundsätzlicher Unterstützung einerseits (besser als nix) und konkreter Abneigung andererseits (Greenwashing-Alibi-Instrumentalisierungs-Aktion-Geschmäckle). Dafür, dagegen, irgendwas!

Wenn die Sache wenigstens konsequent, nachhaltig und in ein Gesamtkonzept eingebunden von statten gehen würde. Dem ist aber längst nicht so.


Beispiel RADAR!-App:

Die Meldeplattform RADar! ist ein onlinebasiertes Bürgerbeteiligungs- und Planungsinstrument des Klima-Bündnis. RADar! bietet Kommunalverwaltungen sowie Bürger*innen optimale Möglichkeiten, gemeinsam den Fahrradverkehr in ihrer Kommune zu verbessern.

Radelnde machen die Kommunalverwaltungen über die STADTRADELN-App oder via Internet auf störende und gefährliche Stellen im Radwegeverlauf aufmerksam: Einfach einen Pin inkl. dem Grund der Meldung auf die Straßenkarte setzen, schon wird die Kommune informiert und kann weitere Maßnahmen einleiten

Stadtradeln FAQ

Hört sich (mal wieder) gut an. Es war sogar mal von “Heatmaps” die Rede, die mit Hilfe der Stadtradeln-Daten zeigen sollten, wo wieviele Radler unterwegs sind. Wow! Hightech vom Feinsten. Exzellente Daten für die Stadtplanung. Und bis heute immer noch Zukunftsmusik, die wir wahrscheinlich nie hören werden. Oder wurden je irgendwelche Daten erhoben? Und falls ja: Was ist mit ihnen passiert?

Was ist eigentlich inzwischen mit den vielen RADAR!-Meldungen geschehen, die es gab, als die RADAR!-App beim Dürener Stadtradeln noch genutzt werden konnte? Und welchen Erkenntnisgewinn brachten die MOVEBIS-Daten?

Werden die Teilnehmenden diesmal wieder die Möglichkeit haben, üble Infrastruktur per RADAR!-App zu melden? Sieht nicht danach aus. Kreuzau ist dabei, Düren offenbar wieder nicht. Im “Innovation Valley” haben wir aber auch echt andere Sachen in Sachen Verkehrsdigitalisierung um die Ohren. Die nächste konsequent und (eventuell) in wenigen Lichtjahren umgesetzte Maßnahme ist bereits auf dem Weg: Das Mobilitätsdashboard! *Tusch*



Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass wegen des alljährlichen Stadtradeln-Wettbewerbs irgendjemand (dauerhaft/nachhaltig) vom Pkw aufs Rad umsteigt, während die ursächlichen und grundsätzlichen Probleme, die Radfahren in Düren gefährlich, unkomfortabel und für manche Eltern und Ältere inakzeptabel machen, immer noch omnipräsent sind?

Hier von “Glauben” zu sprechen, trifft es ziemlich gut, denn es wird ja so gut wie nichts evaluiert bei uns. Weder das zentrale Verkehrskonzept mit seinen zentralen Zielen (Modal Shift), noch “Kleinigkeiten” wie die prognostizierte Innenstadt-Pkw-Entlastung um “knapp die Hälfte” durch die B 56n. Wäre ja auch blöd, wenn es irgendwelche Evaluationsergebnisse gäbe. Dann müsste man die im schlimmsten Fall auch noch veröffentlichen und in politischer Kommunikation und Entscheidungsfindung berücksichtigen. Der absolute Horror für eine Auto-affine Stadt, die panische Angst vor Veränderung hat.

Vielleicht soll das Stadtradeln aber auch das Image von Radfahren und Radfahrenden fördern und deren Akzeptanz im Dürener Straßenverkehr steigern? Man will ja die Hoffnung nie aufgeben. Solange Aktionen wie “Stadtradeln” Eintagsfliegen im städtischen Terminkalender sind und ein echtes Bekenntnis für die Umsetzung der Mobilitätswende noch nicht mal öffentlich wahrnehmbar ist, sind leider Zweifel angebracht.

Obwohl ich persönlich keinen dreiwöchigen Aktionszeitraum und keine Jagd nach gefahrenen Kilometern brauche um stadtzuradeln, bin ich diesmal auch wieder mit dabei. Wie gesagt – ich bin da hin und her gerissen…

Stress- und unfallfreie Fahrten allerseits – an mindestens 365 Tagen pro Jahr!


Stadtradelnartikelchronik