Im Ausschuss für Mobilität, Umwelt und Klimaschutz (MUK) stand gestern ein Bericht zu den Ergebnissen des ADFC-Fahrradklima-Tests auf der Tagesordnung.
Da leider zu erwarten ist, dass das Protokoll zum Tagesordnungspunkt “Ergebnisse des Fahrradklima-Tests und Sachstandsbericht zum Radverkehr 2020-2021 (mündlicher Bericht)” sehr kurz ausfallen wird, stelle ich hier mal meine Mitschrift und ein paar Gedanken dazu zur Verfügung.
Mitschrift MUK, 7.6.2023, 17h, TOP Ö 2.2
Bericht Fahrradklimatest
Herr Savelsberg (Amtsleitung Amt 66) berichtet, dass es der Verwaltung anlässlich der Ergebnisse des FKT ein Anliegen sei, genauer zu berichten – zu den Ergebnissen des FKT einerseits und zur Vielzahl kleiner durchgeführter Maßnahmen andererseits.
Frau Collet (Mobilitätsmanagerin Team Nachhaltige Mobilität) berichtet:
- Grundsätzliche Relativierung der FKT-Ergebnisse mit Hinweis auf Nicht-Repräsentativität der Umfrage (Teilnehmendenzahl: 392).
- Hinweis auf relativ schlechten Durchschnitt auch anderer ähnlich großer Kommunen.
- Relativ positiv: Fahrradförderung letzter Zeit deutlich zugenommen, auch Werbung für Radfahren “deutlich hervorgehoben” und Wegweisung vergleichsweise positiv bewertet.
- Besonders negativ, wie in den Jahren zuvor: Fehlender Fahrradverleih & Fahrraddiebstahl.
- Abschließbare Abstellanlagen werden immer wichtiger (muss sich Fachamt auf die Fahnen schreiben und geeignete Flächen finden).
- In Einzelbewertung wurde die Erreichbarkeit des Stadtzentrums “relativ positiv” bewertet.
- Auch die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr ist positiv bewertet worden.
- Sehr negative Bewertung bei “Führung in Baustellenbereichen”.
Frau Collet beendet ihren Bericht zu den Ergebnissen des ADFC Fahrradklima-Tests und kommt zu den in 2021-2022 durchgeführten Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs.
Bericht Maßnahmen 2021/22
- Letztes Jahr ist der städtische Lastenradverleih nicht unbedingt zur besten Zeit (September) gestartet. Zwei Räder stehen zur kostenlosen Ausleihe beim Biomarkt Denns und im Rewe-Center an der Hauptpost zur Verfügung. Das Team Nachhaltige Mobilität ist neugierig, wie das Projekt weiter angenommen wird und wie es ggf. (auch dank vorhandener Förderprogramme) mit weiteren Kooperationspartnern ausgebaut werden kann. Die aktuellen Auslastungszahlen sind sowohl in der Woche als auch am Wochenende “sehr hoch”.
- Fahrrad-Abstellanlagen: Schloss Burgau letztes Jahr (Service-Station) und “Haus der Stadt” werden als größere Anlagen beispielhaft genannt. Weitere Abstellanlagen Innenstadt und Schulen werden folgen (Sommerferien).
- Fahrradflundern sind wichtiger Teil des Abstellanlagen-Programms. Wichtig zu schauen, ob Bedarf da ist. Deshalb sollen Flundern mehrere Monate pro Standort stehen bleiben.
- Markierungsarbeiten: Schutzstreifen Großes Tal, Rot-Markierungen an Knotenpunkten und Gefahrenstellen.
- Schoellerstraße: Durch die Neuordnung der Pkw-Parkplätze können zukünftig Dooring-Unfälle in den Seitenräumen vermieden werden.
- Radweg-Lückenschluss Binsfeld – Wirtschaftsweg “Im Rossfeld”.
- Frau Collet präsentiert Fotos von Rotmarkierungen und Einmündungen, die “gewisse Verkehrssicherheit generieren”.
- Über die Billigkeitsrichtlinie für kommunalen Klimaschutz gefördert: Neue Deckenüberzüge Radweg Merken-Hoven, Radweg Mariaweiler – Zufahrt Badesee, Radwege Derichsweiler.
Herr Schmitz dankt dem personell eingeschränkten Team für Nachhaltige Mobilität für alles, was “trotz schwieriger Voraussetzungen” in Sachen Fahrradförderung geleistet wurde.
Diskussion:
- Frau Karow (Grüne) hebt den FKT-Kritikpunkt “Falschparker auf Radwegen” hervor und appelliert an die Verwaltung verstärkt Kontrollen durchzuführen.
- Herr Weschke (CDU) will nicht nachfragen, ob Erkenntnisse vorliegen, dass die Neuaufteilung der Fahrspuren Schoellerstraße zu signifikant mehr Radverkehr geführt hat. Das Thema “Sicherheit” sei nach wie vor ein sehr virulentes Thema – also die Frage danach, ob mein Rad geklaut wird, wenn ich es irgendwo abstelle. Ihm selbst sei ein Fahrrad geklaut worden, jedoch habe er es sich mit viel Eigeninitiative innerhalb von zehn Minuten wieder zurückholen können. “Aber das gelingt natürlich nicht immer und nicht jedem.” Falls man mehr Radverkehr haben wolle, müsse man “vielleicht doch nochmal” einen Blick auf die Abstellmöglichkeiten werfen und das Thema auch mit den “Beschäftigungsträgern” in den Fokus nehmen.
Ferner weist Herr Weschke ausdrücklich darauf hin, dass “fast die Hälfte der Radfahrer (ist so sein Gefühl – vielleicht seien es auch ”nur ein Drittel”) ohne Licht unterwegs seien. Er wünscht sich vom (personell maximal unterbesetzten) Team Nachhaltige Mobilität eine “Aufklärungskampagne” und appelliert an die “Fahrrad-Nutzer”, sich nur verkehrssicher “in den Verkehr zu stürzen”. - Frau Collet ergänzt ihren Vortrag: Acht Fahrradboxen an den Rurtalbahn-Haltestellen Tuchmühle und Großes Tal wurden endlich erfolgreich ans Backend angeschlossen und sind jetzt in Betrieb.
- Herr Savelsberg geht nochmal kurz auf einige Punkte ein und betont, was schon (unter den gegebenen personellen Voraussetzungen) getan wurde. Auf die Frage bzw. Nicht-Frage von Herrn Weschke bzgl. Modal Split Schoellerstraße, erklärt Herr Savelsberg, dass ihm zwar keine Erkenntnisse über mehr Radfahrer vorlägen, jedoch ebenso keine Erkenntnisse darüber, dass der motorisierte Individualverkehr zusammengebrochen sei.
Herr Schmitz (Grüne, MUK-Vorsitzender) beendet das Geplänkel und fasst eine Stellungnahme der Bürgerinitiative ProRad Düren zusammen, weil deren offizielle Vertretungen nicht anwesend sein konnten. Die anwesende (inoffizielle) Vertretung hatte kein Rederecht.
In Stichpunkten:
- Der Fokus auf Schutzstreifen auch auf viel befahrenen Straßen ist nicht geeignet, um den Radverkehrsanteil oder das subjektive Sicherheitsgefühl der Radfahrenden zu steigern. Hinweis auf die schlechten FKT-Ergebnisse in Sachen “Sicherheit”.
- ProRad wünscht sich, dass Maßnahmen aus dem Klimaschutzteilkonzept “Klimafreundliche Mobilität in Düren” schneller umgesetzt werden: Fahrradstra0en, Radschnellwege, Abstellmöglichkeiten…
- Falschparken und fehlende Kontrollen des Ordnungsamts werden regelmäßig angesprochen.
- Ausdrückliches Lob gibt es laut Herrn Schmitz für die “Praxis des Ausprobierens” – beispielsweise beim Testen von möglichen Abstellplätzen mit Fahrradflundern, beim Verkehrsversuch Aachener Str. (unabhängig vom Ergebnis), beim Kreisverkehr Europaplatz (Änderung Vorfahrtsregelung).
- Die Bürgerinitiative wünscht sich fundierte, mutige Entscheidungen unter Einbezug der Öffentlichkeit.
Herr Schmitz berichtet von Überlegungen zu einer ganztägigen MUK-Zusatzsitzung mit Vor-Ort-Termin im niederländischen Utrecht am 8. September.
Ein paar persönliche Gedanken zur MUK-Sitzung:
Dass Frau Collet ausdrücklich auf die geringe Teilnehmerzahl beim FKT hinweist, macht absolut Sinn. Allerdings war die Auswahl ihrer Stichpunkte extrem selektiv und hatte wenig mit einer Analyse der Ergebnisse zu tun. Deren Repräsentativität mal beiseite gelassen. Vielmehr entstand bei mir der Eindruck, dass es im Vortrag hauptsächlich darum ging, nur die (bitter-süßen) Rosinen aus den Ergebnissen herauszupicken. Die eigentlichen Kernaussagen der FKT-Ergebnisse wurden noch nicht mal erwähnt.
Ich hatte das in meiner minimalistischen Zusammenfassung so beschrieben:
Nach der MUK-Sitzung muss man hinsichtlich des ADFC-Fahrradklima-Tests leider auch feststellen:
Die wichtigsten Themen erhalten die wenigste städtische Beachtung.
Das wird ziemlich deutlich, wenn man den “Index der Wichtigkeit” mit den Stichpunkten der FKT-Ergebniszusammenfassung im MUK vergleicht.
Den FKT-Befragten sind offenbar sicherheitsrelevante Themen wichtig (Wer hätte das gedacht?), während die Verwaltung den Fokus ausschließlich auf all die eher unwichtig gewerteten Dinge legt: Fahrradverleih, Öffentlichkeitsarbeit, Öffnung Einbahnstraßen, Führung an Baustellen, Fahrraddiebstahl. Mit einer Analyse des FKT hat das wenig zu tun.
Dass die Sicherheit der abgestellten Fahrräder offenbar wichtiger ist als die Sicherheit der Menschen, die die Räder bewegen, ist erstaunlich und bezeichnend. Siehe auch Herrn Weschkes Einlassungen dazu.
Das Thema “Falschparken auf Rad- und Gehwegen” kam beispielsweise nur dank der Wortmeldung von Frau Karow zur Sprache. “Konflikte mit Kfz” wurden nicht weiter thematisiert, ebenso wenig das subjektive Sicherheitsgefühl oder die Akzeptanz von Radfahrenden.
Bezeichnend auch, dass die Zusammenfassung der FKT-Ergebnisse in knapp vier Minuten abgehandelt wurde. Für die Schilderung der vielen “kleinen Maßanhmen”, die 2021/22 durchgeführt wurden, nahm man sich sechseinhalb Minuten (plus Nachrede) Zeit.
Die ebenfalls geäußerte Relativierung der Relativierung der Dürener Ergebnisse im Vergleich zu denen vergleichsgroßer anderer Kommunen, spricht auch für sich. “Die anderen sind ja mit ihrer durchschnittlichen Note 3,8 auch nicht viel besser”, hieß es sinngemäß. Äh ja. Welche Schlussfolgerung wird daraus gezogen? Weiter so?
Auf das Radvorrangrouten-Konzept gab es keinen Hinweis. Wahrscheinlich weil dieses erst seit 2023 (auf Sparflamme) und mehr schlecht als recht umgesetzt wird. Allerdings gab es auch keinen Hinweis darauf, was die Umsetzung des Radvorrangrouten-Konzepts für so manche ausdrücklich gelobte Maßnahme bedeutet. Aus meiner Sicht nämlich, dass viele genau dieser Maßnahmen wieder zurückgenommen bzw. überbaut und ganz neu gedacht werden müssen, wenn aus der bisherigen Schutzstreifen-Strategie eine echte Fahrradstraßen-Strategie werden soll. Siehe hier. Was dann mit so mancher hoch gelobter Rot-Markierung passiert, wird sich zeigen…
Als durchaus repräsentativ für die Dürener Verkehrspolitik im Allgemeinen und die der CDU-Stadtratsfraktion im ganz Besonderen werte ich Herrn Weschkes Einlassungen. Anlässlich der Diskussion der ADFC-Fahrradklima-Test-Ergebnisse ausdrücklich auf mindestens 30 bis 50 Prozent Radfahrende hinzuweisen, die sich ohne Licht “in den Verkehr stürzen”, war genau so erwartbar wie bezeichnend. “Vision Zero” scheint die CDU als Vision für zukünftig Null Radverkehr und (un)endlich freie Fahrt für freie Autofahrer zu interpretieren. Ich mutmaße. Dafür spricht zumindest Herrn Weschkes ausführliche Einlassungen zum Thema Sicherheit abgestellter Fahrräder bei absoluter Nicht-Erwähnung der Sicherheit der dazugehörigen Menschen.
Auch seine neckische Frage hinsichtlich des Modal Shifts auf der Schoellerstraße ist bemerkenswert – zumindest wenn man sich fragt, warum sich die CDU (sowie alle anderen Parteien im Stadtrat) seit Jahren kein bisschen für das Thema Modal Split bzw. Modal Shift interessieren. Die Frage danach, wie viele Wegstrecken eigentlich mit welchem Verkehrsmittel zurückgelegt werden, spielt in Düren doch überhaupt keine Rolle. Herr Weschkes Frage nach der Schoellerstraße lässt die Frage nach dem offensichtlichen Desinteresse an so ziemlich jeglicher Evaluation – wie bspw. in Sachen Verkehrsentlastung durch die B56n (prognostiziert: bis zu 50%, die maßgeblich für die innerstädtische Radverkehr-Förderung genutzt werden sollen) – vermissen.
Die ganze Veranstaltung bzw. der ganze Tagesordnungspunkt wurde im Ausschuss sehr selektiv behandelt und es drängte sich (nicht zuletzt deshalb?) der Eindruck auf, dass sowohl der ADFC-Fahrradklima-Test als auch das Thema Radverkehrsförderung eher Langweile und Desinteresse als Begeisterung und Aufbruchstimmung bei den Anwesenden hervorriefen. Läuft ja alles bestens soweit…
Meine persönliche Schulnoten-Bewertung für die Behandlung dieses Tagesordnungspunkts:
4,3. Höchstens! 😉
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