Nach wie vor traut sich niemand mal zu schauen, wie sich der Verkehr in der Dürener City überhaupt verändert hat. Seit das Wort „Modal Split“ in das zentrale Mobilitätskonzept der Stadt reingeschrieben wurde, wird es politisch tabuisiert. Obwohl es zwischenzeitlich dank Klimaschutzgesetz BRD, Nahmobilitätsgesetz NRW und diversen Katastrophen irgendwie wieder aktuell (oder sagen wir opportun) wurde, sich damit zu beschäftigen. Eher konzeptionell, in Gremien, hochglänzenden Veröffentlichungen und „Beschlüssen“ natürlich. Nicht in der tatsächlichen Umsetzung – aber immerhin.
Die Wende?
Oder tut sich vielleicht doch endlich mal etwas, das wirklich wirksam wird in Richtung Mobilitätswende?
Im Mobilitäts-Konzept der Stadt wird ziemlich viel Wert auf die Einrichtung von Fahrradstraßen gelegt. Schon 2014/15 war das allen total wichtig und wurde fraktionsübergreifend beschlossen. Fahrradstraßen sollten und sollen ein wichtiges Instrument dafür sein mehr Leute zum Radfahren zu bewegen.
Ziel ist, dass der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen (Modal Split) erhöht wird. Um das zu erreichen, muss das Radwegenetz dichter, sicherer und attraktiver werden.
Auf einer Fahrradstraße hat der Radfahrer Vorrang. Die Stadt soll Erfahrung mit dieser Art eines Radweges sammeln.
Antrag AmpelPlus, 16.5.2019
Bereits am 3.7.2019 lieferte das zuständige Fachamt eine (weitere) entsprechende Mitteilungsvorlage:
Die Einrichtung einer Fahrradstraße in der Goethestraße wurde bereits in der Vorlage 2019-0127 durch das Fachamt empfohlen.
Für das Jahr 2021 ist eine kombinierte Straßen- und Kanalbaumaßnahme in der Goethestraße geplant.
Die Einrichtung einer Fahrradstraße wird in die entsprechende Straßenplanung eingearbeitet.
Mitteilungsvorlage 2019-0264/1
Alles klar! Dann hätte der allerersten Fahrradstraße Dürens doch eigentlich nichts mehr entgegen stehen können, oder? Offenbar doch, denn sonst hätten wir sie heute. Haben wir aber nicht. Es gibt ja auch viel zu wenig Radler (aus Gründen?), um so etwas irgendwie zu rechtfertigen. Das ist weder politisch noch gesetzlich möglich! Die Henne, die bisher nicht aus dem nie gelegten Ei schlüpfen konnte. *System_Error*
Obwohl – das, was im aktuellen Koalitionsvertrag mal „Gutachten zur fahrradfreundlichen Stadt“ hieß und der „Maßstab neuer Maßnahmen“ sein sollte, soll ja demnächst, kurz-, mittel- und langfristig umgesetzt werden. Der nächste große, stattlich staatlich geförderte Wurf mit Maßnahmen- und Prioritäten-Listen. Das nächste große (Teil-)Konzept, das droht „grundsätzlich“ umgesetzt zu werden:
Auch das liest sich mal wieder (größtenteils) ziemlich schön. Was da wieder alles kommen soll! Acht Jahre nach Beschluss des Klimaschutzteilkonzepts sind schon wieder Fahrradstraßen geplant. Und diesmal ganz viele in ganz kurzer Zeit! Phantastisch! Nach der „Scbutz“- und Mehrzweckstreifen-Kampagne kommt jetzt die Fahrradstraßen-Offensive!
Auf insgesamt 58 Kilometern sollen Rad-Vorrang-Routen entstehen, in denen gewisse Qualitäts-Kriterien (mehr oder weniger) *hüstel* eingehalten werden sollen. Und der Großteil davon (rund 31 km) werden Fahrradstraßen. Nochmal in fett:
Düren bekommt 31 Kilometer Fahrradstraßen!
Wir werden uns also bald kaum noch retten können vor Fahrradstraßen. Siehe all die grünen Striche hier im Plan.
Ziel sollte es insb. auch sein, größere zusammenhängende Abschnitte von Rad-Vorrang-Routen oder sogar ganze Routen umzusetzen, um Erfolge präsentieren und eine Qualitätskontrolle durchführen zu können.
Quelle: Rad-Vorrang-Routen-Konzept, Stadt Düren
Schnelle Umsetzung und Controlling – so wie beim Klimaschutzteilkonzept. Man darf gespannt sein. *Hüstel* Die vielen Kreuzungen werden natürlich auch angegangen. Irgendwann. Irgendwie.
Kurzfristig empfiehlt das Radvorrangroutenkonzept aka „Gutachten zur fahrradfreundlichen Stadt“ folgende Radvorrangrouten (Zitat):
Rad-Vorrang-Route II (fast durchgängige Umsetzung möglich)
Abschnitt zwischen Aachener Straße und Innenstadt im Rahmen des Umbaus Goethestraße
und Rurdammweg umsetzen
Fast ausschließlich Markierung und Beschilderung von Fahrradstraßen in den Bereichen Dr.- Overhues-Allee, An Gut Boisdorf, Samlandweg und Gerichstweg
Rad-Vorrang-Route VI (insb. Innenstadt bis Kreisbahntrasse)
Markierung / Beschilderung der Josef-Schregel-Straße sowie der Neuen Jülicher Straße als Fahrradstraße
Möglicherweise Provisiorium zur Überleitung auf die Veldener Straße / Verbreiterung des Seitenraums für eine Führung des Radverkehrs im Zweirichtungsverkehr
Kurzfristige Weiterführung über RVR VII sicherstellen
Rad-Vorrang-Route VII (Abschnitt im Ortsteil Birkesdorf zwischen Kreisbahntrasse bis Weidenpesch)
Ausbau des Trampelpfades, um von der Fahrradstraße Neue Jülicher Straße anzuschließen (auch in reduzierter Breite möglich)
Markierung und Beschilderung der Fahrradstraßen (mit temporärer Geschwindigkeitsreduzierung am Weidenpensch)
Anbindung in Richtung Innenstadt über RVR VI sicherstellen Rad-
Vorrang-Route VIII (Abschnitt zwischen Heerweg in Richtung Niederzier/ Jülich)
Planung und Umsetzung werden aktuell durch den Kreis Düren im Rahmen der Rad-Vorrang- Route Düren-Jülich forciert
Kurzfristige Verlängerung über Arnoldsweilerweg bis Schoellerstraße
Rad-Vorrang-Route IX (Abschnitt Innenstadt bis Yorckstraße)
Markierung eines Sicherheitstrennstreifens auf der Roonstraße und Anordnung von Tempo 30
Einrichtung der Fahrradstraße durch die Roonstraße / Yorckstraße
Rad-Vorrang-Route 0 (fast durchgängige Umsetzung möglich)
Markierung / Beschilderung der Fahrradstraße Miesheimer Weg
Durchgängige Führung in Richtung Innenstadt durch Markierung / Beschilderung der Fahr- radstraße Oberstraße (RVR 1 sicherstellen)
Mittel- und langfristig geht´s dann so richtig rund! Hier die Steckbriefe aller Routen (219 Seiten).
Das geschieht jetzt also alles ziemlich zügig und wie immer möglichst unbürokratisch. Und natürlich entsprechend der empfohlenen Prioritäten. So wie bei der konsequenten Umsetzung des Klimaschutzteilkonzepts sowie des Koalitionsvertrags.
Wir streben in den nächsten drei Jahren an, Fahrradfreundliche Stadt Düren zu werden.
Alle vierspurigen und überbreiten Straßen sollen auf zwei Fahrspuren für den motorisierten Verkehr für sichere Fahrradwege zurückgebaut werden.
Die Achse August-Klotz Straße bis Birkesdorf, die Stürtzstraße und die alte B56 werden zuerst in Angriff genommen.
Wir werden vermehrt Fahrradstraßen in der Innenstadt schaffen.
Koalitionsvertrag „Zukunft Düren“ 2020-2025
Dafür dass die Ämter, die das alles umsetzen sollen, entsprechend gut ausgestattet sind, wurde natürlich vorausschauend gesorgt.
Nebenbei:
Radschnellwege
By the way… Fast noch wichtiger als die niemals gebauten (aber demnächst plötzlich massenhaft vorhandenen Fahrradstraßen) sind der Verkehrspolitik und -planung jedoch die Radschnellwege. Denn die haben nochmal viel mehr Potenzial zur Veränderung des Modal Splits – über den leider niemand sprechen möchte.
Die (sechs) Radschnellwege, von denen im KSTK zu lesen ist, genießen dort übrigens eine „leicht“ höhere Priorität als bspw die MIV-E-Mobilitätsförderung usw. Komisch, dass man irgendwie nichts von Radschnellwegen hört und liest, von der E- und „Öko“-H2-ParkzeugFörderung in Stadt & Kreis aber jede Menge und andauernd.
Doch, da war mal was in irgendeinem Innenstadtforum samt wegweisendem Vortrag. Oder besser schutzstreifenweisendem Vortrag? Ging´s da üerhaupt um Radschnellwege? Ich gehe ja nach wie vor davon aus, dass der RS399 „bald“ zusammen mit der B399n kommen wird. Kann sich nur um weitere Jahrzehnte handeln. Bin auf die Pläne gespannt. Währenddessen wird der Premium-Rurufer-Radweg einigermaßen befahrbar gemacht und auch der RS DN-JÜL ist wieder im Gespräch. Passt irgendwie gut zur Kreisnamens-Debatte. *Tusch!*
27. November 2022 um 16:34 Uhr
Huhu,
ich habe heute den blog entdeckt und bin sehr froh drum.
In Einbeck setzen wir uns seit 2 Jahren für mehr Platz für Rad und Mensch ein. aus dem Nahmobilitätskonzept für die Stadt, welches Sommer 21 rauskam und ohnehin ein niedriges Niveau aufweist, wurden sich bei der letzten Bauausschusssitzung um die Umsetzung einer Fahrradstraße bemüht, ohne dass die Verwaltung sich je damit beschäftigt hat was das eigentlich bedeutet. Dass ein Straßenschild mit dem Hinweis zur Fahrradstraße ohne gleichzeitige Einschränkung des MIV eher einem dezenten Hinweis gleicht hat keine interressiert. Zumindest ist die Verwaltung ehrlich, wenn sie für die weitere Umsetzung um die Mithilfe engagierte Bürger*innen einsetzt. Eine Fortbildung zu sozial-ökologischer Mobilität ist wohl aber zu viel verlangt..
27. November 2022 um 18:19 Uhr
Danke für die Rückmeldung. Bleibt einem ja kaum etwas anderes übrig als dran zu bleiben. Oder halt aufgeben und das Weiter-so von Politik&Verwaltung zu akzeptieren. Das muss ja nicht sein. 😉
7. Oktober 2022 um 09:47 Uhr
Tja, wegen der Vielzahl von Konzepten, ist die Umsetzung diese Konzepte völlig konzeptlos.
Wünschenswert ist ein verbindlicher Zeitplan…. aber Zeitpläne sind in der Verwaltung leider ein Fremdwort