Wer täglich mit dem Rad in Düren unterwegs ist, erlebt Situationen wie diese andauernd: Autofahrer, Busfahrer, Lkw-Fahrer und sonstige Motorisierte halten sich nicht an den notwendigen und vorgeschriebenen Sicherheitsabstand beim Überholen.
Eine nicht nur extrem unangenehme Situation, die dazu führt, dass Radfahren in Düren wenig Spaß macht. Situationen wie diese sind auch extrem gefährlich, wie das Video wohl selbsterklärend darstellt.
Man stelle sich nur mal vor, hier wäre gerade nicht ein geübter, einigermaßen unerschrockener Radler unterwegs, der den nahenden Lkw schon im Rückspiegel wahrgenommen hat, sondern ein 11-jähriges Schulkind, das (laut StVO) auf der Fahrbahn fahren muss. Oder eine Seniorin, die leicht schreckhaft veranlagt ist. Oder eine Mami mit Kids in ihrem breiten Lastenrad oder Fahrradanhänger…
Ein kleiner Windstoß von rechts, eine kleine (ggf. durch einen tonnenschwer herbei donnernden Lkw verursachte?) Unachtsamkeit, ein kleiner Lenker-Schlenker…

Vier Jahre ist es her, da habe ich das erste Mal bei Landrat Wolfgang Spelthahn als Chef der Kreispolizeibehörde nachgefragt, wie es mit Kontrollen von Überholabständen in Düren aussieht. Anlass war die Novellierung der Straßenverkehrsordnung, mit der im April 2020 ein Sicherheitsabstand von mindestens 1.5m innerorts und 2.0m außerorts festgeschrieben wurde.
(Übrigens sahen verschiedene Oberlandesgerichte schon 2017, dass „in besonderen Situationen, wie an Steigungen, wo Radfahrer eher ins Schlingern geraten, oder bei Radlern mit Kind „an Bord“, (…) zwei Meter Abstand erforderlich (OLG Frankfurt/Main, Az. 2 Ss 478/80 und OLG Karlsruhe, 10 U 102/88) (sind).“ Siehe hier.)
Ich hatte gehofft, dass neue Regeln auch irgendwie überwacht und kontrolliert würden, damit sich Autofahrer & Co. an sie „gewöhnen“ können bzw. überhaupt erst von ihnen Kenntnis nehmen. Doch daraus wurde nichts.
Die Antwort des Landrats bzw. der Polizei war ziemlich enttäuschend. Kontrollen seien aus verschiedenen Gründen (technisch, datenschutzrechtlich, whatever…) leider vor Ort in Düren überhaupt nicht möglich, hieß es. Aber…

Siehe hier.
Es folgten diverse Nachfragen und Bitten um entsprechende Kontrollen bzw. um deren Ermöglichung – auch bei politischen Gremien und Entscheidungsträgern. Die sogenannten „Verkehrspolitiker“ zeigten jedoch (mit der einen üblichen Ausnahme) das übliche Desinteresse. Es ging ja schließlich nur um die Sicherheit von Radfahrern – und damit um die Umsetzung städtischer Verkehrskonzepte… Langweilig! Und man würde ja wieder den armen, ach so benachteiligten aber gleichzeitig so systemrelevanten Autoverkehr „gängeln“ – nur um etwas Verkehrssicherheit und Regelkonformität herzustellen. Pfui! Die „Vision Zero“ gibt´s halt nur auf Papier und in aalglatt gegreenwashten Sonntagsreden…
Die letzte Rückmeldung der Polizei erhielt ich dann im August 2021. Dort hieß es:
Die Überwachung des seitlichen Sicherheitsabstandes von Radfahrenden gestaltet sich nach wie vor schwierig.
Es existieren keine technischen Verfahren zur Überwachung des Seitenabstandes von Radfahrenden, die in Nordrhein-Westfalen zugelassen sind.
Auch der vom Verkehrsdienst angedachte Einsatz von Videotechnik kommt aufgrund der zu beachtenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht in Betracht.
Verfahren einer Vermessung und Markierung von Fahrbahnteilen sind hier hinlänglich bekannt, finden jedoch aufgrund wenig geeigneter Überwachungsörtlichkeiten keine Anwendung.
Der Verkehrsdienst überwacht Verstöße wegen unzureichenden Seitenabstandes im Rahmen der Streifentätigkeiten, belässt es jedoch bei mündlichen Verwarnungen und verkehrsdidaktischen Gesprächen.
Quelle: Kreispolizei Düren, 06.08.2021, siehe hier:
So weit, so schlecht…
Nun, schlappe vier Jahre später, ist endlich Bewegung in die Sache gekommen. Offensichtlich wurden inzwischen sowohl die Datenschutzbedenken ausgeräumt, als auch geeignete „technische Mittel“ (Hightech-Zeug wie eine Schablone, etwas Sprühfarbe und eine Videokamera) gefunden, die eine rechtssichere Kontrolle von Überholabständen ermöglichen. Wow!
Bspw. in Hannover wurde bereits 2021 mit genau derselben Methode (die ich in meinen Schreiben mehrfach aufgeführt habe) gearbeitet.
Der Verkehrsdienst der Polizei Hamm hat ein technisches Verfahren entwickelt, mit dem die Unterschreitung dieses Abstands kontrolliert werden kann. Auch die Polizei Düren nutzt nun dieses Verfahren. Entsprechende Sprühmarkierungen zur Vorbereitung der Aktion dürften Verkehrsteilnehmenden auf der Rütger-von-Scheven-Straße, wo die Aktion am Donnerstag starten soll, bereits aufgefallen sein. Anhand dieser Markierungen lässt sich der Abstand zum Fahrrad beweissicher bestimmen.
Pressemitteilung, Stadt Düren, 10.07.2024
Naja. Die Frage, weshalb es über vier Jahre gedauert hat, bis auch unsere Polizei dazu befähigt wurde, (inzwischen gar nicht mehr) „neue“ Regeln zu überwachen, erspare ich mir/uns trotz der extrem simplen Lösung, die sich herausgestellt hat (bzw. die kopiert wurde), an dieser Stelle mal…
Hauptsache es wird endlich mal kontrolliert!
Und zwar auf der Rütger-von-Scheven-Straße, auf der der „Schutz“streifen zumindest mit einem kleinen Trennstreifen zu den Parkzeugen gesichert ist. Dass diese Sicherheitszone zu den parkenden Pkw längst nicht mehr dem heute vorgeschriebenen Mindestmaß (75cm) entspricht, sei hier nur am Rande erwähnt. Genau wie die Tatsache, dass es etliche „Schutz“streifen und „Mehrzweckstreifen“ in Düren gibt, die gar keine Sicherheitszone haben, dafür aber auch nicht den regulären Mindestbreiten für „Schutz“streifchen entsprechen… 🥳
Wie dem auch sei, die Kontrollen haben begonnen:





Auch die Dürener Zeitung berichtete:

Noch ohne Paywall – Stand 12.07.2024
Ein, wie ich finde, guter Artikel – insbesondere die Äußerungen der Polizei haben Hand und Fuß.
Allerdings wird seitens der städtischen Verwaltung eine zwar in vieler Augen kleine, aus meiner Sicht jedoch ziemlich folgenreiche Ungenauigkeit bzw. Falsch-Information veröffentlicht. Die wird den meisten Lesenden wahrscheinlich gar nicht aufgefallen sein, verfestigt aber leider einen Irrglauben, der bspw. dazu führt, dass sich Radler immer wieder an sich stauenden Blechbüchsen vorbeischlängeln müssen. Obwohl sie sich auf einem Fahrrad-„Schutz“streifen befinden.

„Schutzstreifen“, erklärt Jeanette Collet vom städtischen Tiefbauamt, „dürfen von Autos befahren werden, Radfahrstreifen nicht.“
Dürener Zeitung, 12.07.2024
Durch diese Aussage wird leider der falsche und folgenschwere Eindruck erweckt, mit dem Pkw auf „Schutz“streifen zu fahren sei der offiziell erlaubte Normalfall. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Das Befahren durch Pkw soll eigentlich nur der absolute Ausnahmefall sein! Zumindest wenn man den Regelwerken Glauben schenkt:
Wer ein Fahrzeug führt, darf auf der Fahrbahn durch Leitlinien markierte Schutzstreifen für den Radverkehr nur bei Bedarf überfahren, insbesondere um dem Gegenverkehr auszuweichen. Der Radverkehr darf dabei nicht gefährdet werden.
Quelle: Anlage 3 StVO, Zeichen 340 (Leitlinie):
Ich gehe davon aus, dass ein „Bedarf“ erst gegeben ist, wenn zwei sich entgegenkommende Fahrzeuge nicht mehr vernünftig aneinander vorbei kommen, ohne dabei einen „Schutz“streifen überfahren zu müssen. Besteht dieser Bedarf nicht, darf ein „Schutz“streifen eben nicht befahren werden! Tatsächlich beobachte ich unter anderen auch das städtische Ordnungsamt wiederholt dabei, wie es vollkommen bedarfslos auf Fahrrad-„Schutz“streifen unterwegs ist – per Pkw.
Parken und Halten auf „Schutz“streifen ist übrigens sowieso grundsätzlich verboten. Das scheint vielen Motorisierten auch nicht bekannt zu sein. Oder es ist ihnen bekannt, aber halt auch scheißegal.
Ob die paar Plakate, die zur Zeit in Düren hängen, um auf den vorgeschriebenen Überholabstand hinzuweisen, irgendeine Wirkung haben, wird sich zeigen. Oder auch nicht – wir evaluieren ja grundsätzlich nichts in Düren…

Davon, dass die polizeilichen Kontrollen Wirkung zeigen – erst recht, wenn sie auch mit Bußgeldern einhergehen – bin ich jedoch einigermaßen überzeugt. Nicht in der Masse, aber immerhin individuell, vermute ich. Das ist schon mal viel besser als das, was bisher geschah – nämlich nichts!
Dass die Kontrollen der Polizei den obligatorischen, drollig-trolligen Anti-Fahrrad-Aufschrei in den asozialen Medien erzeugen, war natürlich absolut absehbar. In diversen lokalen Hatebook-Gruppen offenbaren die automobil-indoktrinierten Schreihälse nicht nur ihre Aversion gegen Regeln der deutschen Rechtschreibung und Grammatik, sondern auch die gegen die Straßenverkehrsordnung – und natürlich gegen alles, was irgendwie mit Radfahrern zu tun haben könnte.
Die Petrol-Heads sind sich dabei nicht zu schade, ihre uninformierte Dummheit mit Forderungen nach mehr Fahrrad-Kontrollen, Kennzeichenpflicht für Fahrräder, Steuern für Radfahrende und sonstige Whataboutisms ohne jeglichen Kausalzusammenhang, öffentlich zur Schau zu stellen. Eigentlich ganz niedlich. Aber nur solange man sich nicht vor Augen führt, welche Folgen die Dummheit, Ignoranz und gelebte Antipathie für die 11-jährige Radalerin auf (bspw.) der Zollhausstraße und all die anderen radelnden Dürener bedeutet.
Um mal wieder halbwegs positiv zu schließen:
Meiner Beobachtung bzw. ErFAHRUNG nach, hat sich (vielleicht auch dank der städtischen „Kampagnen“) ein wenig was getan in Sachen Einhaltung der Überholabstände. Im Vergleich zu früher werde ich an Stellen, an denen genügend Platz zum sicheren Überholen gegeben ist, deutlich seltener zu eng überholt, als das noch vor ein paar Jahren üblich war.
Allerdings gilt das überhaupt nicht für Stellen und Situationen, bei denen ein sicheres Überholen nicht möglich ist. Sobald es dazu kommt, dass Autofahrer mal kurz hinter mir als Radfahrer bleiben müssten, sind alle Regeln wieder vergessen oder irrelevant. Kaum zu glauben, aber ein paar Sekunden befürchteter Fahrtzeitverlust führen dazu, dass jegliche Empathie, Rücksichtnahme oder einfach nur Regelkenntnis bzw. -anwendung komplett ausgeschaltet wird.
Dass dieses asoziale Verhalten in der Innenstadt normalerweise noch nicht mal einen minimalen Zeitgewinn bringt (vor der nächsten Ampel überhole ich die Zu-eng-Überholer i.d.R. wieder), ist ebenfalls irrelevant. Autofahrer können es offenbar nicht ertragen, mal ein paar Meter vom Gas zu gehen – und erst recht nicht, hinter einem Radfahrer herzufahren.
Bin ich selbst als Autofahrer unterwegs, praktiziere ich die Einhaltung des Mindestabstands beim Überholen von Radlern rigoros. Denn Blick in den Rückspiegel gönne ich mir in solchen Situationen nur aus Unterhaltungsgründen.

Die Ergebnisse der Kontrollen schauen wir uns an, sobald sie vorliegen.
Schreibe einen Kommentar