„Fahrplan Zukunft“ – Eine Politik für das Auto und gegen jegliche verkehrswissenschaftliche Expertise, kommunale Forderung sowie den gesunden Menschenverstand!

Erneut lotet die Spaßpartei FDP die Grenze zur Realsatire aus. Während vor Kurzem dank längst überfälliger StVG- und StVO-Updates mehr Spielraum für Länder und Kommunen geschaffen wurde, um bspw. „die Bereitstellung angemessener Flächen für den fließenden und ruhenden Fahrradverkehr sowie für den Fußverkehr“ zu ermöglichen, steigen die Liberalen in die Zeitmaschine und drücken verkehrspolitisch auf „1959“.

1959 ist das Erscheinungsjahr des Buchs „Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos“ des Architekten und NSDAP-Mitglieds Hans Bernhard Reichow, über den Wikipedia weiß: „Während des Zweiten Weltkriegs war er Mitarbeiter am Generalplan Ost, der ein zentraler Baustein der deutschen Kolonialisierungs- und Vernichtungspolitik in Mittel- und Osteuropa war. Historiker haben die Planer des Generalplan Ost als „Vordenker der Vernichtung“ bezeichnet.[2]Der Plan sah die Ermordung bzw. Umsiedlung größerer Bevölkerungsgruppen in den besetzten Gebieten Polens, der Ukraine sowie Russlands und eine „Kolonisierung“ der so freigewordenen Gebiete durch deutsche Siedler vor.[3] 1944 war er zudem beratendes Mitglied des von Rüstungsminister Albert Speer geleiteten Arbeitsstabs für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte.[4]



Ganz im Geiste dieses „Vordenkers der Vernichtung“ zeichnen die Liberalen (Libertären?) nun ihr Bild von dem, was wir mal „Mobilitätswende“ genannt haben. Und womit könnte man das Ziel, also die Zerstörung aller Mobilitätswende-Ansätze, besser erfüllen als mit dem Auto? Dieses arme, systemrelevante Blech-Ding, das 23 Stunden pro Tag ungenutzt in der Gegend herumsteht, dabei ständig politisch gegängelt wird, und trotzdem immer von allen gebraucht wird.

Garstigerweise erdreistet sich der eigene Koalitionspartner, eine höchst verkehrswissenschaftsideologische Kampagne, ja einen „Kampf gegen das Auto“ zu fahren. Bisher zwar ohne Erfolg, aber immerhin… Das Feindbild ist geschaffen. Wer ist dieser interne Staatsfeind Nr. 1? Ihr könnt es Euch denken:


Dass bald Landtagswahlen in Ostdeutschland anstehen, passt den verkehrslibertären Laissez-faire-Liberalen dabei ziemlich gut ins Konzept. In Ermangelung wichtigerer und/oder populistischerer Themen für Brandenburg, Thüringen und Sachsen wird die gute alte Autolobby-Karte gezogen. Die zieht im Mutterland der Petrolheads doch immer. Was sagt eigentlich die Autolobby zu den „Zukunfts“plänen der FDP? Und die Kommunen, in deren Raum der feuchte FDP-Traum verwirklicht werden soll? Dazu unten mehr…

Zuerst schauen wir mal, wie sich die Libertären die schöne neue Autowelt vorstellen – also ob wir das nicht längst wüssten. Allerdings mag ich den autonormativen Bullshit der Spaßpartei hier nicht Stück für Stück zitieren und ihm damit Raum geben, den er nicht verdient. Belassen wir es heute also mal beim folgenden Video und Zitat sowie der Liste der Unterpunkte des FDP-Autoplans. Wer´s spaßig genug findet, kann ja selbst mal in die konterrevolutionäre Streitwagenschrift rein gucken.



Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto

Quelle: fdp.de


Beschluss des Präsidiums

  • Die Straße ermöglicht individuelle Mobilität.
    Und sie gehört ausschließlich dem motorisierten Individualverkehr. Andere Fortbewegungsmittel als das Auto ermöglichen sowieso keine individuelle Mobilität. Und falls doch, dann sorgen wir dafür, dass sich das wieder ändert!
  • Kostenloses Parken und Aus für den Dschungel an Parktarifen.
    Jeder Parkplatz schafft und erhält bekanntlich drei Arbeitsplätze, Umsätze werden nur durch Auto-Abhängige erzielt, verarmte Fußgänger, Radfahrer-Rowdys und asoziale ÖPNV-Nutzer sind der Tod unserer Innenstädte, blablabla…
  • Kein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen.
    Dafür haben wir weder ausreichend Verkehrsschilder (#Schildermangel), noch irgendwo auf der Welt Vorbilder, bei denen sich das irgendwie hinsichtlich Unfallzahlen oder Klimaschutzaspekte positiv ausgewirkt hätte…
  • Mehr Freiheit mit dem Führerschein ab 16.
    Da wir uns jeglicher anderer Verkehrsformen verweigern und noch nicht mal für einen ordentlichen ÖPNV sorgen wollen, müssen wir zukünftige Auto-Junkie-Generationen möglichst frühzeitig an ihre Droge heranführen und gewöhnen… (Sonst gibt´s Ärger mit der Öl- und Autolobby!)
  • EU-Pläne zur Stilllegung von Diesel-Autos stoppen.
    Wer soll denn sonst die Milliarden Hektoliter hocheffizienter E-Fuels tanken, die wir durch unsere Technologioffenheitsoffensive demnächst zur Verfügung haben werden?
    (Pssst – nicht weitersagen: Dass die EU Millionen Autos stilllegen will, ist eh nur FakeNews, um einen auf Autofahrer-Verteidiger zu machen.)
  • Anbindung stärken, Wohnqualität erhalten.
    Von dem Gedanken, die Wohnqualität zu verbessern, haben wir uns eh längst verabschiedet. Wir können froh sein, sie zu erhalten. Wenn demnächst auch das letzte Fleckchen öffentlicher Raum mit SUV (und unseretwegen auch e-bolidigen Tesla-Cybertrucks) zugepflastert ist, stellt sich die Frage nach der Wohnqualität sowieso nicht mehr… Also was soll´s?
  • Grüne Welle durch Digitalisierung.
    Dass keiner so gut Digitalisierung kann wie wir, ist eine Binsenweisheit. Das haben wir nun wirklich schon so oft praktisch bewiesen, dass Ihr uns da jetzt einfach mal glauben und vertrauen müsst. Passt mal auf, wie wir den Innenstadtverkehr verflüssigen werden, wenn erstmal so viele so fette, allein für Pkw vorbehaltene Straßen und Parkplätze vorhanden sind, dass nie wieder ein Park- oder Abbiegevorgang den heiligen (Pkw-) Verkehrsfluss beeinträchtigen wird. Dazu noch ein paar mit KI vollgestopfte Ampeln und Parkplatz-Leitsysteme und der Drops ist gelutscht. (Siehe unten: Autonomes Fahren.)
  • Baustellen, auf denen gebaut wird.
    Hierbei haben wir unter all den FDP-Regierungsbeteiligungen ähnlich viel auf die Reihe bekommen wie beim Thema „Digitalisierung“. Deshalb solltet Ihr auch hier unbedingt darauf vertrauen, dass das zukünftig astrein laufen wird. Schließlich sagen wir den ganzen Bahn-Ausbau ab, verzichten auf die gesetzlich vorgeschriebenen barrierefreien Bushaltestellen, bauen weder Geh-, noch Radwege und scheißen zukünftig auch komplett auf Fußgängerzonen, die extrem aufwendig zu unterhalten sind und die eh niemand haben will. Wir bauen nur noch Straßen, auf denen nur noch Pkw fahren!
    Bis zum vollendeten Tür-zu-Tür-Autoland.
  • Autonomes Fahren als Chance begreifen.
    Ähnlich geil und professionell, wie wir uns Straßenbau und Verkehrsverflüssigung widmen (s.o.), machen wir auch beim Thema „selbstfahrende Fahrzeuge“ Butter bei die Fische. Hier ein paar Sensoren, da ein paar „intelligent“ miteinander kommunizierende Fahrzeuge, dann läuft das schon. Natürlich nicht nur beim Fahren, sondern auch beim Parken. Mehr Parkraumangebote werden zu weniger Parksuchverkehr führen. Ungefähr so, wie die neue B 399n in Düren durch mehr Verkehr in der Innenstadt zu weniger Verkehr in der Innenstadt führen wird.
  • Formel 1 als Innovationsmotor.
    Ohne den heldenhaften, patriarchalisch-kommerziellen Rennsport-Zirkus wären die dummen deutschen Wissenschaftler und Ingenieure niemals auf die vielen Erfindungen gekommen, die unseren Normalo-Pkw-Verkehr heutzutage so attraktiv und unentbehrlich machen: Carbonfaser-verstärkte Chassis, das 3 Liter-Auto, das E-Auto, die Hupe, der Sicherheitsgurt, Bierdosen-Halterungen, multifunktionale Zigarettenanzünder, Abschaltautomatiken beim An-der-Ampel-Herumstehen, Arschheizungen… You name it.

Was wir allerdings auf gar keinen Fall wollen, ist eine „ideologische Mobilitätspolitik“ und den Kultur-Kampf gegen eine einzige, eh schon über alle Maßen gegängelte Mobilitätsform. Deshalb kämpfen wir vollkommen ideologiefrei gegen alle Mobilitätsformen, die nicht Auto sind!



Alle Jahre wieder…

Und das ist nun wirklich nichts Neues: Am 6. Februar 2023 beschloss das FDP-Präsidium bereits, man müsse die…

Individuelle Mobilität stärken – Vielfalt bei Mobilitätsangeboten ausbauen statt Autos ideologisch bekämpfen

Damals noch mit ein wenig neusprechlichem ÖPNV-Förder-Blabla, um die verkehrsfaschistische „Auto, Auto über alles“-Attitüde freundlich zu kaschieren. Ein bisschen Greenwashing gehört halt immer mit dazu heutzutage. Man will ja schließlich selbst als Libertärer nicht als Klimawandel-Leugner dastehen. Zumindest nicht auf dem Papier oder in den 20 Uhr-Nachrichten.

E-Fuel-Hoax

Ach komm, lass uns zwischendurch mal noch eine Nebelgranate durch die Gegend werfen. Die mit dem angeblichen EU-Auto-Stillegungs-Dingens hat schon so gut funktioniert, da geht noch was. Wie wär´s hiermit:

Klimafreundlicher Verkehr der Zukunft – dank E-Fuels!

LOL! Darüber lachen allerdings selbst die Wasserstoff-Apologeten unter den Petrolheads. All jenen, die eher an die Hauptsätze der Thermodynamik als an die Glaubenssätze lobbygesteuerter Berufs“politiker“ glauben, ist das Lachen allerdings längst vergangen…

Verkehrsminister Dr. Volker Wissing hat mit internationalen Partnern die Berliner Erklärung für die Förderung von E-Fuels unterzeichnet.



Und Wissing hat nebenbei auch noch einen neuen Fachbegriff geprägt:

Wissingschaft!



Nun denn… Ist doch nur der ideologisierte Klumpatsch einer missverstandenen Satire-Partei. Könnte man meinen. Allerdings mutet es in der aktuellen Ampel-Koalition so an, als sei der kleinste Koalitionspartner nicht nur das Zünglein an so manch einer (nicht nur verkehrspolitischen) Waage, sondern vielmehr allzuoft der Schwanz, der mit dem Hund wedelt. Und als meine er das alles wirklich ernst.

Naja… Die Hoffnung bleibt: Vielleicht erledigt sich das libertär-liberale Problem ja demnächst „von selbst“. In der aktuellen Sonntagsfrage zur Bundestagswahl dümpeln die angeblich „freien“ (jedoch zutiefst lobby- und machtgeilheits-indoktrinierten) Demokraten haarscharf an der 5 Prozent-Hürde herum. Eigentlich nicht der Rede wert der konkurrierende Satire-Verein. Abhaken unter „Realsatire“… Ich bleibe lieber bei der echten Satire. Wir sehen uns an der 5%-Hürde…



Upps – jetzt habe ich doch glatt das Feedback vergessen, das die Möchtegern-Populär-Libertären zu Ihrem Pro-Pkw-Papier erhalten haben. In aller Kürze, der folgende BR24-Artikel-Ausschnitt fasst es einigermaßen gut zusammen::

(…) In Parkplätzen und Erleichterungen für Autofahrer allein kann aber nach Ansicht von Bernd Ohlmann, Pressesprecher vom Handelsverband Bayern, nicht die Lösung liegen. Für die Städte müssten individuelle Konzepte gefunden werden, unter Einbindung aller Akteure – Gastronomie, Politik, Anwohner und Verwaltung. Geschäfte müssten zwar erreichbar sein, so Ohlmann gegenüber dem BR, aber es zähle für Innenstädte und Fußgängerzonen auch, dass die Menschen sich wohlfühlen und die Aufenthaltsqualität hoch sei. 

Es sei auf der einen Seite zwar falsch, Autofahrer an den Pranger zu stellen, so Ohlmann. „Aber auf der anderen Seite, kann man nicht einfach nach dem Gießkannenprinzip sagen, jetzt Schleusen auf, alle Autofahrer wieder rein in die Innenstädte, Fußgängerzonen werden zurückgebaut und zack sind alle Probleme der Innenstädte gelöst. Das geht natürlich auch nicht.“ Der „Königsweg“ müsse Erreichbarkeit und Wohlfühlfaktoren vereinen, auch wenn die Menschen „am liebsten an der Kasse parken“ möchten. (…)

Beim Bayerischen Städtetag jedoch stoßen die Forderungen auf Kritik. Der FDP-Plan würde weder für städtische noch ländlich geprägte Gegenden Lösungen aufzeigen. „Er erinnert an die autogerechte Stadt der 1960er-Jahre“, sagt das geschäftsführende Vorstandsmitglied Bernd Buckenhofer auf BR-Anfrage. Es würden weder das veränderte Mobilitätsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger noch die Belange der Anwohner berücksichtigt. Verkehrswende bedeute in verdichteten Räumen auch, öffentlichen Raum zu Gunsten des Fahrrads, der Fußgänger und des ÖPNV zurückzugewinnen. Dafür bräuchten die Städte mehr Handlungsspielraum. (…)

Der ADAC lobte zwar den FDP-Vorschlag zum begleiteten Fahren ab 16, übte aber auch Kritik. „Fahrradstraßen dagegen leisten einen guten Beitrag, die Verkehre stärker zu trennen und so die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen“, sagte eine ADAC-Sprecherin der Nachrichtenagentur AFP. Anziehungseffekte für Autos sollten „vermieden werden, um bestehende Verkehrsprobleme nicht zu verschärfen“.

Quelle: BR24

Mehr Reaktionen auf die Vorschläge der Knapp-5%-Spaßpartei:

  • „Absolut deprimierend“ – Scharfe Kritik an FDP-Auto-Programm, handelsblatt.com
  • Mehr Auto, weniger Staat, tagesschau.de
  • Die FDP ist nicht zukunftsfähig, taz.de
  • ADAC kritisiert Auto-Pläne der FDP, taz.de
  • Fahrzeug-Initiative der FDP: Warum Städte und sogar der ADAC dagegen sind, merkur.de
  • Pro-Auto-Plan der FDP: Kritik vom Städte- und Gemeindebund, swr.de
  • Billiger parken, weniger Fahrradwege – Der große Pro-Auto-Plan der FDP: „Das hilft nicht einmal den Autofahrern“, focus.de
  • „Falsch abgebogen“: FDP-Kommunalpolitiker kritisieren Auto-Plan der Bundespartei, tagesspiegel.de
  • Update  Weniger Fußgängerzonen, dafür mehr kostenloses Parken: Grüne und SPD empört über „Auto-Plan“ der FDP – „gefährlicher Irrglaube“, tagesspiegel.de
  • Kommunen nennen FDP-Pläne „Forderungen von vorgestern“, stern.de
  • In der FDP wächst die Kritik am Autopapier der Parteispitze, spiegel.de
  • Pro-Auto-Plan der FDP reizt die Grünen, tagesschau.de
  • Auch Union kritisiert „Pro-Auto-Programm“ der FDP, deutschlandfunk.de
  • FDP stößt mit autofreundlicher Politik auf Kritik aus RLP, swr.de

Etwas Hintergründiges und eine Buchempfehlung: