Nachdem ich über ein Jahr lang sehnsüchtig aber vergeblich auf eine Antwort des Landrates bzgl. meiner Rückfragen gewartet hatte (siehe hier), kam die Antwort auf mein neuerliches Schreiben (siehe hier) sehr schnell. Vielen Dank dafür!
Inhaltlich hat sich offensichtlich jedoch nicht viel an der Unfähigkeit der nordrheinwestfälischen Behörden bzgl. der Kontrolle aller möglichen Verstöße rund um die bei Nicht-Radfahrern so beliebten „Schutz“streifen, getan.
Insofern gibt das Schreiben des Landrates nicht viel her, ist aber doch recht interessant, wenn man mal versucht, ein wenig zwischen den Zeilen zu lesen.
Ich interpretiere…
Die Überwachung des seitlichen Sicherheitsabstandes von Radfahrenden gestaltet sich nach wie vor schwierig.
Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), 6.8.2021
Es existieren keine technischen Verfahren zur Überwachung des Seitenabstandes von Radfahrenden, die in Nordrhein-Westfalen zugelassen sind.
Dass sich die Überwachung für unsere Polizei nach wie vor als „schwierig“ darstellt, habe ich inzwischen mitbekommen. Obwohl ich ein Jahr vergeblich auf Antwort gewartet habe. Dass es gar keine nennenswerten Kontrollen gibt, merkt man als Radfahrer nämlich jeden Tag. Es wird ja nix besser. Ganz im Gegenteil. Gerade schleifen sich die unkontrollierten Gewohnheiten ganz gemütlich ein.
Sehr schade, dass Herr Spelthahn überhaupt nicht auf mein konkretes Beispiel der Polizei Hannover eingegangen ist. Oder auf andere konkrete Fragen. Über eine kurze Beschreibung der angeblich unlösbaren „Schwierigkeiten“, die NRW immer noch nicht fähig ist zu meistern, die KollegiX in Niedersachsen aber sehr wohl (mit Zollstock, Sprühkreise und Kamera), hätte ich mich beispielsweise gefreut.
Quelle der Fotos: Polizeidirektion Hannover – siehe nochmal hier und hier.
Da fällt uns im “Future Mobility Innovation & Expansion Valley“ echt nix Besseres ein als „Können wir nicht“? Mal ehrlich: Der Landrat plant eine Wachstumsoffensive und will möglichst viele junge Familien (mit Kindern?) in den Kreis holen, er dekarbonisiert gleichzeitig nebenbei den Kreis innerhalb von dreieinhalb Minuten und setzt eine maximal innovative Wasserstoffstrategie in Gang, sammelt fleißig Zukunftsagentur-Sternchen, kümmert sich um die Touris auf dem Ruruferradweg und vieles, vieles mehr…
Aber für das simple Kontrollieren standardmäßiger Verstöße, die Radfahrer schon heute minütlich betreffen, soll es weder bei uns noch in den ganzen Städten und Kreisen NRWs eine einzige Idee geben, die man mal umsetzen könnte wie andernorts auch? In ganz NRW nicht? Spricht man über solche Sachen eigentlich mal bei Städtetagen usw.? Hat mal jemand in Hannover angerufen, ein Fax geschickt oder einen berittenen Boten entsandt?
Oder male ich da ein Problem an die Wand, das es gar nicht gibt? Wird ja nicht statistisch erfasst. Wie auch? *syntax_error*
Sorry, aber einfach lapidar zu behaupten, es gäbe keine zugelassenen Verfahren, und es damit auf sich beruhen zu lassen, finde ich sehr schwach – besonders mit Blick auf das ganze Verkehrswenden- und Paradigmenwechsel-Blabla, das man allparteilich (außer von AfDP) hört. Selbst von CDU-Seite, die sich ja auch sehr für getrennte Infrastruktur, Law&Order usw. ausspricht. *Hüstel*
Auch der vom Verkehrsdienst angedachte Einsatz von Videotechnik kommt aufgrund der zu beachtenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht in Betracht.
Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), 6.8.2021
Aber immerhin: Angeblich hat der Verkehrsdienst zumindest mal „angedacht“ sogar Videotechnik einzusetzen. Hört, hört! Doch Vorsicht: Hightech-Science-Fiction-Tools! Noch mehr Vorsicht: Datenschutz! Anscheinend gelten im benachbarten Niedersachsen grundsätzlich andere Datenschutzbestimmungen als bei uns in NRW. Auf jeden Fall schafft es unsere Polizei bzw. Politik & Verwaltung nicht wie die Hannoveraner, eine datenschutzkonforme Kontrollsituation zu ermöglichen.
Das DSGVO-Gedöns ist sowwieso ziemlich erstaunlich. Ich hätte gedacht, der Polizei stünden da mehr Möglichkeiten zur Verfügung als den Opfern. Ich frage mich, ob auch Autobahnpolizei, Streifendienste, Ordnungsamt, Veterinäramt etc. überhaupt keine anlassbezogenen Bildaufnahmen machen dürfen. Was bedeutet das für all die Bodycams und so? Ist das das Aus für alle Scripted Reality Shows? Oder gilt das nur für Schmutzstreifen?
Und was heißt eigentlich „angedacht“? Mal kurz bei einer Kaffeepause drüber gesprochen oder gibt es da Korrespondenzen und Protokolle? Bestimmt alles top secret!
Einschub:
Oh, da hat jemand in Aachen schon mal nachgehakt. Könnte man ja mal copy & pasten und ohne großen Aufwand mit ein paar zusätzlichen Fragen auf den Weg bringen. Dazu scheint das Gesetz ja da zu sein. Und Transparenz mögen Politik & Verwaltung sowieso immer sehr! 😉 Quelle: Frag den Staat
Verfahren einer Vermessung und Markierung von Fahrbahnteilen sind hier hinlänglich bekannt, finden jedoch aufgrund wenig geeigneter Überwachungsörtlichkeiten keine Anwendung.
Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), 6.8.2021
Hä? Verstehe ich das richtig? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich Herr Spelthahn hier auf die Punkte „Fahren und Parken auf sogenannten „Schutz“streifen“ bezieht. Wahrscheinlich ja, denn auf diese Themen geht er sonst überhaupt nicht ein. Und die Kontrolle der Sicherheitsabstände war ja auch schon kategorisch abgehakt bzw. abgelehnt (Außerirdische Hyperraum-Technik + europäischer Datenschutz = Ding der Unmöglichkeit).
Aber das Folgende kann dann doch wohl nur satirisch oder als (sehr schlechter) Witz gemeint sein: Es gibt in Düren nicht ausreichend Orte, an denen man die diversen Schutzstreifenverstöße kontrollieren könnte? Selbst wenn man dazu willens und in der Lage wäre? LOL! Ich gucke nochmal auf das Datum des Schreibens – nein, nicht vom 1. April.
Hier mal die „kleine“ Liste der Schmutzstreifen, die allein zwischen 2016 und 2019 dazu gekommen sind. Das ist das, was vom zum damaligen Zeitpunkt noch recht ambitionierten Klimaschutzteilkonzept übrig geblieben ist. Siehe „Maßnahmenprogramm“ oben links. Und da lässt sich tatsächlich nirgendwo irgendwas kontrollieren? Es gibt keine geeigneten Stellen? Oooookaaaaayyyyyy!
Warum eigentlich nicht? Und was muss eigentlich großartig vermessen werden, wenn ich einfach nur kontrollieren will, ob jemand einen Schutzstreifen überfährt oder gefährlich darauf parkt? Oder zu dicht überholt? Müssen da erst staatlich anerkannte Vermessungstechniker mit geeichten Messgeräten hinzu gerufen werden? Drohnen, die GPS-getrackt die Abstände zu entgegen kommenden Fahrzeugen dokumentieren?
Und falls dem echt so sein sollte: Hätte man sich darüber nicht mal ein paar Gedanken machen können, bevor man die jahrelange Schmutz- und Mehrzweckstreifen-Offensive durchgezogen hat? Sich da jetzt einfach gemütlich achselzuckend auf den Standpunkt der Unmöglichkeit zurückzuziehen und die Hände in den Schoß zu legen, ist angesichts der Häufigkeit und Gefährlichkeit der Verstöße ziemlich seltsam. Vor allem mit Blick auf Hannover & Co.
Dabei steht die Politik doch so auf Prävention und „Vision Zero“. Müssen sich halt nur andere – am besten die Betroffenen – irgendwie selbst drum kümmern. Ach nee, geht ja nicht – Datenschutz und so. Vielleicht durch massenweise Umstiege vom Rad aufs Auto? Wäre wahrscheinlich am sichersten. Und ist ja auch politisch offensichtlich so gewollt. Ich sehe schon die nächste „Öffentlichkeitskampagne“ (drei Banner, vier Plakate, fünf Wochen) unter dem Motto, mit dem man endlich auch Jugendliche als die zukünftige Autofahrergeneration besser erreichen will:
Sei kein Opfer, Du Opfer! Werde Mit-Täter!
Die Community wächst jeden Tag!
Was soll´s… Die beScheuerten Gefahrenstreifen kann man ja jetzt wieder nach und nach abrubbeln anstatt sie mal zu kontrollieren. Und dann ersetzen wir sie durch…??? Egal. Hauptsache durch irgendwas, auf dem möglichst viele Pkw unterwegs sein können und etwas, das man nicht kontrollieren muss. Dann passt das schon.
Der Verkehrsdienst überwacht Verstöße wegen unzureichenden Seitenabstandes im Rahmen der Streifentätigkeiten, belässt es jedoch bei mündlichen Verwarnungen und verkehrsdidaktischen Gesprächen.
Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), 6.8.2021
Das ist sehr vernünftig, denn eine Handhabe für ein “pädagogisch“ vielleicht nachhaltigeres Bußgeld, ist ja überhaupt nicht gegeben. Dazu fehlen unseren Behörden ja angeblich sowohl die rechtlichen Voraussetzungen als auch die technischen Kompetenzen. Wie gerne würde ich einem solchen (garantiert stündlich stattfindenden) „verkehrsdidaktischen“ Gespräch lauschen. Da scheint man sich ja richtig Gedanken über ein „didaktisches“ Gesprächskonzept gemacht zu haben. Von mir aus hätte man den Aufwand lieber hinsichtlich DSGVO- und Technik-Möglichkeiten betreiben können. Aber miteinander sprechen ist ja auch immer gut.
Sehr gefreut habe ich mich auch über den sachdienlichen Hinweis auf die äußerst informative Website zur gegenseitigen Rücksichtnahme und Sicherheit für Radfahrende. Die ist vielleicht aber mal ein extra Artikelchen wert. Denn auch hier zeigt sich sehr schön, aus welcher Perspektive „Verkehr“ nach wie vor gedacht wird. Das gleiche gilt für die Polizei-Pressemitteilungen und deren Sprache. Ganz spannend, sich das mal genauer anzuschauen. Wie Autofahrer andauernd ganz aus Versehen meist dunkel gekleidete, keinen Helm tragende Radfahrer „übersehen“ und „zu spät wahrnehmen“ und dann „touchieren“ und so weiter… Während Radfahrer Sicherheitsabstände und gleichzeitig Rechtsfahrgebote nicht einhalten, Vorfahrten missachten, sowieso meistens selbst (teil)schuld sind, weil sie keine neongelbe Weste oder Helm tragen und so weiter und so fort…
Was soll ich jetzt mit all dem anfangen?
Mich weiter von Pontius zu Pilatus schicken lassen, um immer wieder lesen und hören zu müssen „Können wir nicht, dürfen wir nicht, machen wir nicht!“ Neusprech für: “Wollen wir nicht!“
Einfach ignorieren und mich auf den „Paradigmenwechsel“ in Politik & Verwaltung sowie auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Pkw-Chaoten verlassen? Wird schon nix passieren? Alles wird gut – von ganz alleine.
Meinen Frust weiter hier im Blog darniederschreiben, um damit vier Personen aus der eigenen Filterblase zu erreichen? Vielleicht noch mit ProRad den einen oder anderen Anlauf per Anschreiben und persönlicher Gespräche wagen? Die (wir) haben da ja sonst eh keine Themen… LOL! Mit der Aussicht auf die üblichen Erfolgs-Chancen?
Oder einfach mal andere die Arbeit machen lassen und die Sache outsourcen? Mal versuchen ein wenig mehr Öffentlichkeit zu schaffen und mal eine Mail an extra3@ndr.de schicken?
Da fällt mir gerade auf, dass mein Blog den Untertitel „Der ganz normale Wahnsinn…“ trägt. Passt doch ganz hervorragend. 😉
…Fortsetzung folgt demnächst in Eurem TV?
Lasst Euch überraschen! 😉
Sammelsurium:
- Abstand messen Köln
- OpenBikeSensor,Zweirat Stuttgart
- Radmesser Berlin – Spurensicherung, Tagesspiegel
- Radmesser Berlin: Die Methodik
- Dashbike, die angeblich erste, rechtssichere Dashcam für Radfahrer
- Salzburgweite Verkehrssicherheits-Aktion 2017 für mehr Sicherheit für Radfahrende
- Abstand Auto – Fahrrad: Polizei testet Messgerät
- Abstandsmessung mit Arduino-System
- Arduino-Bauanleitung
- Abstandskontrollen bei Pkw und Fahrrädern
- Codaxus-Abstands-Messgerät
- Projekt „Sicher überholt“
- Video: Cops undercover (as cyclists) to catch close-pass drivers
- Texas police department implements distance measuring radar device to catch close passers
- 3 feet or else: Chattanooga police use ultrasound technology to enforce law for cyclist safety, siehe auch hier.
- Montreal police using ultrasonic equipment to ensure drivers leave space for cyclists
- #OpClosePass
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