Auftakt-Tag!

Sehr geehrter Herr Schiffer,

heute früh auf dem Weg zur Arbeit habe ich auf Ihrer “Yeti-Strecke” Veldener Straße eine Entdeckung gemacht, die Sie überraschen und entzücken wird. Halten Sie sich fest:

Radfahrerinnen und Radfahrer!

Total unnormal und unerwünscht:
Radfahrer auf der Veldener Straße!

Total normal, toleriert und dank selektiver Pkw-Wahrnehmung aussortiert:
Falschparker, Raser, Eng-Überholer…

Äh, Moment…

Ich wollte doch eigentlich kurz über den Stadtradeln-Start berichten. Mails an Herrn Schiffer werden ja eh nicht beantwortet. Kann ich mir (nicht nur deshalb) sparen…

Alle folgenden Screenshots von stadtradeln.de!

Stadtradeln fing eigentlich an wie immer: Mit dem Weg zur Arbeit, einmal durch die City und später wieder zurück. Fünf komma irgendwas Kilometer.

Stand abends.

Inzwischen steigen auch die Anmeldezahlen. Sah gestern noch ziemlich mau aus, scheint aber langsam zu werden. Die gefahrenen Kilometer interessieren mich in der Summe eigentlich gar nicht groß. Auch nicht die eigenen. Ich fahre eh wie immer – Stadtradeln hin oder her… Vielleicht sind aber die Parlamentarier-Kilometer ganz nett anzusehen im kommunalen Vergleich. Dafür gibt´s ne eigene Berechnungsformel:

Viel interessanter ist die Auswertung der Daten nach gefahrenen Strecken. Wo sind viele Radfahrer unterwegs, wo nicht? Und was schließen wir ggf. daraus?

Und mindestens so interessant ist, was die Radfahrer beim Stadtradeln so alles hautnah erleben, wenn sie dem Rat der Stadt (wohl eher dem Ratschlag) folgen und möglichst viele Kilometer per Velo durch die Stadt zurücklegen.

Ich gehe mal davon aus, dass die städtischen Planer dieses Stimmungsbild gerne für weitere Planungen, die ja gerade massig und ganz konkret anstehen, nutzen wollen. Bürgerbeteiligung wird ja ganz groß geschrieben und super ernst genommen – so wie beim ADFC-Fahrradklima-Test und bei der Radvorrangrouten-Online-Befragung. *Zwinkersmiley*

Bitte-Biite-Banner anstatt Kontrollen an der Veldener Straße

Die ersten 5,8 Kilometer

Es ist zum Kotzen! Man kann es nicht anders sagen. Man kann wirklich keine 200 Meter, keine zwei Minuten mit dem Rad durch Düren fahren, ohne – um es mal im StVO-Sprech zu sagen – gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt zu werden.



Anders ausgedrückt: Überall fahren und stehen motorisierte Chaoten rum, die sich nur an die Regeln halten, die ihnen gerade passen. Wenn überhaupt. Ich bin inzwischen ziemlich überzeugt davon, dass wir all den motorisierten Mist auf unseren Straßen gar nicht mehr bewusst wahrnehmen, weil er schon so zum Standard geworden ist, dass wir uns ein Leben ohne allgegenwärtige StVO-Verstöße von Autofahrern gar nicht mehr vorstellen können. Bzw. nicht sehen wollen und diese lieber ausblenden und relativieren, wo immer es geht (es keine Verletzten gibt).

Zollhausstraße/Nordstraße Birkesdorf

Keine einzige Fahrt durch Birkesdorf, ohne dass ich viel zu schnell oder viel zu eng überholt werde. Ohne dass die empathischen Autofahrer dadurch groß Zeit gewinnen würden. Sie können es anscheinend einfach nicht ertragen, mal ein paar Meter bei Tempo 30 hinter einem 20-25 km/h fahrenden Radfahrer zu bleiben.

Veldener Straße

Auf der Veldener Straße kann man jeden Tag erleben, wie schlechte Infrastruktur zu unschönen, unnötigen Situationen führt. Andauernd und immer wieder. Bis vielleicht mal was passiert und der große Aufschrei kommt? Überbreite Straße mit lächerlichem Mehrzweckstreifen. Auf einer Hauptachse für Schüler und Pendler. Geht gar nicht! Naja, hier wird ja der beidseitige geschützte Radstreifen kommen, über dessen konkrete Ausgestaltung noch gefeilscht wird. 2022 soll der fertig werden. Ein Leuchtturmprojekt und Maßstab für Zukünftiges? Oder wieder möglichst kleingeplant und pkw-konform gestaltet? We´ll see…

Schade, dass die RADar!-App nicht funktioniert und man all die Dinge, die man minütlich erlebt, nicht über die dafür vorgesehene Plattform melden kann. Böse Zungen spekulieren im Internetz, da wolle sich jemand Arbeit ersparen oder sei an solchen Rückmeldungen gar nicht interessiert. *Zwinkersmiley*


Alles nur Gerüchte… Die Grünen wollen sich drum kümmern und ich habe den Mobilitätsmanager auch schon darauf hingewiesen. Kann sich nur um Stunden handeln, bis das Ding läuft! An der Finanzierung wird´s wohl nicht gescheitert sein.

Ich muss mich da mal schlau machen, welches Abo-Modell Düren nutzt – falls überhaupt. Die paar Piepen pro Jahr sollte unserer Stadt ein dauerhaftes Meldesystem doch wert sein, oder? Was hat eigentlich die Installation der Online-Melde-Plattform “Fahrradabstellplätze” (PlanPortal) gekostet?

Keine RADar!-Melde-Plattform für Düren? Ist doch während des Stadtradelns sogar kostenlos.


Es ist also, wie es ist: Stadtradeln ändert erst mal nichts am mangelhaften Zustand unserer Radinfrastruktur. All die Jahre Stadtradeln-Teilnahme haben nicht zu besseren Ergebnissen bspw. beim ADFC-Fahrradklima-Test geführt. Oder zu einem höheren Radfahrer-Anteil im Verkehrs-Mix (nehme ich an, Zahlen gibt´s ja nicht).

Aber vielleicht steigt der Eine und die Andere anlässlich des Franchisings “Stadtradeln” ja doch mal etwas öfter auf´s Rad und nimmt die Stadt so mal aus der unmotorisieren Perspektive wahr. Das könnte schon was bringen…

Vielleicht ja sogar unser Bürgermeister, der im Presseartikel anlässlich des Stadtradeln-Starts ausdrücklich auf seine Auto-Affinität hinweist. (Warum auch immer!?)

„Das ist die richtige Aktion zum richtigen Zeitpunkt“, betont Dürens Bürgermeister Frank Peter Ullrich. Jetzt, wo nach dem Ende des Corona-Lockdowns wieder mehr Menschen in die Innenstadt strömen, sei das Fahrrad sicherlich das geeignete Verkehrsmittel. Dabei verwies Ullrich auf die Anstrengungen der Stadt, die Radinfrastruktur mit Blick auf den Klimaschutz weiter zu verbessern, unter anderem mit der Planung sogenannter Radvorrangrouten. Er selbst sei zwar bekennender Autofahrer und habe in der Regel einen so dicht gedrängten Terminkalender, dass sich Radfahrern schon allein zeitlich nicht rechne, werde aber in der kommenden Wochen mit seiner Frau Iris in der Freizeit so oft wie möglich aufs Rad steigen.

Dürener Nachrichten, 11. Juni 2021

Interessante Begründung: Mit genau demselben Argument hat Verena Schloemer von den Grünen beim Forum Politik argumentiert, dass sie lieber Rad fahre. Damit sei sie meist viel schneller am Tagungsort als ihre KollegInnen. Was rechnet sich außerdem nicht am Radfahren? Hmmm… Und was genau ist eigentlich ein “bekennender Autofahrer”?

Welche “besondere Förderung des Radverkehrs” dürfen wir eigentlich nach dem BM-Wechsel von einem “bekennenden Radfahrer” zu einem “bekennenden Autofahrer” erwarten? Es bleibt spannend! *Zwinkersmiley*

Screenshot: EPaper DN Nachrichten.
Zur Original-Pressemitteilung.

Nicht sonderlich Teilnahme-motivierend mag die Pressemitteilung der Polizei gewirkt haben, die direkt unter dem Stadtradeln-Artikel abgedruckt war. Bestätigt aber meine jahrelangen, nicht auf einen “Aktionszeitraum” begrenzten “Stadtradeln-Erfahrungen”…


Critical Mass

Versöhnlicher Abschluss am Abend: Endlich wieder Critical Mass. Bei bestem Wetter und mit rund 40 Leuten. Natürlich durften auch die üblichen, straßenverkehrsuntauglichen Pkw-Prolls, die andere bewusst und vorsätzlich gefährden und sich dabei extrem lächerlich machen, mal wieder nicht fehlen. Geschenkt…

Bei Gelegenheit folgen vielleicht auch noch ein paar mehr (bewegte) Bilder von der 79. CM.


Fortsetzung folgt…