Mitten in der City zu wohnen stelle ich mir ziemlich belastend vor. Allein die Lärmkulisse, die einen ständig begleitet… Zumindest tagsüber, wenn die Straßen voll sind und sich ein stetiger Strom knatternder Kisten durch die Innenstadt zwängt – ständig auf der Suche nach einer Parkmöglichkeit.
Schön, wenn die Stadt dann nachts zur Ruhe kommt. Besonders wenn man berufstätig ist und früh raus muss, also irgendwann auch mal ein wenig Schlaf braucht. Scheiße, wenn man zufällig an der Bushaltestelle Kaiserplatz (Wilhelmstraße) wohnt. Da gibt es nämlich keine Nachtruhe (insbesondere an Wochenenden).
Denn dann verwandelt sich die Bushaltestelle in einen Taxifahrer-Treffpunkt und (in)offiziellen Taxistand. Ach – was erzähle ich. Schon tagsüber stehen sie die ganze Zeit da. Und warten. Und warten. Und warten. Fällt einem tagsüber eigentlich kaum auf (Falschparker erwartet man ja an jeder Ecke) – außer wenn sie mal wieder bis auf den Zebrastreifen parken oder minutenlang nebeneinander stehen, um sich durch geöffnete Fensterscheiben gegenseitig anzubrüllen, während man sich das Schauspiel dahinterstehend und wartend anschauen darf.
Aber Moment mal. Dürfen die da eigentlich stehen? Soll das so? Gibt´s für Taxen nicht extra Stellplätze? Wie schön, dass wir in Deutschland für alles eine passende Vorschrift haben und das Halten und Parken (auch auf Busspuren) klar geregelt ist:
Taxen haben das Recht zum Halten an Taxihalteplätzen, auch Taxenstände genannt. Andere Verkehrsteilnehmer dürfen an diesen Taxihalteplätzen nicht halten (§ 41 i.V.m. Anlage 2 Ziffer 15 – Zeichen 229 – StVO).
Quelle: TAXIPEDIA
OK, da dürfen die also parken&halten. Macht Sinn. Und auf Bushaltestellen und Busspuren?
Taxifahrer dürfen die Busspur benutzen. Offiziell ist das die Berechtigung zur Mitbenutzung sogenannter Sonderfahrstreifen für Omnibusse des Linienverkehrs („Busspurmitbenutzung“). Allerdings muss dies durch das Zusatzschild „Taxi frei“ angezeigt werden (§ 41 i.V.m. Anlage 2 Ziffer 25 – Zeichen 245 – StVO). (…)
Die Nutzung der Busspur ist einer der wichtigsten Vorteile des Taxis. So können Fahrgäste auch in Innenstadtbereichen mit viel Verkehr und entsprechenden Staus deutlich schneller voran kommen als dies im privaten Individualverkehr möglich wäre.Insofern hat das Taxigewerbe dieses Privileg insbesondere durch Unterlassung jedweder Störung des Linienverkehrs zu pflegen. (…)
Den Taxen, welche die Busspur berechtigt mitbenutzen, ist das Halten darauf verboten. Ausgenommen sind freie Bushaltestellen zum sofortigen Ein- bzw. Aussteigenlassen von Fahrgästen (Erläuterung zu Zeichen 245 StVO).Nähert sich ein Linienbus der Haltestelle, hat das Taxi unverzüglich Platz zu machen.
Quelle: TAXIPEDIA
Verstehe ich das richtig? Man räumt den Taxifahrern besondere verkehrsrechtliche Privilegien ein, erwartet aber dafür im Gegenzug von ihnen, dass sie sich penibel an die Regeln halten. OK. Ist vielleicht ein Deal, mit dem man leben kann. Im Paragraph 1 der StVO ist außerdem, über allem stehend, kategorisch die gegenseitige Rücksichtnahme geregelt:
§ 1 Grundregeln
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. (…)
§ 12 Halten und Parken(2) Wer sein Fahrzeug verlässt oder länger als drei Minuten hält, der parkt. (…)
Quelle: dejure.org
Ziemlich klare Sache also. Genauso klar wie die Tatsache, dass viele Taxifahrer einen Scheiß darauf geben. Und dass ihnen dabei freie Hand gelassen wird. Denn Ordnungsamt und Polizei kümmert´s nicht die Bohne…
Ja, Taxifahrer sind nicht gleich Taxifahrer, das eine Unternehmen ist da progressiver aufgestellt als das andere. Vielleicht… Vielleicht aber auch nicht. Denn meine tagtäglichen Er-Fahrungen per Velo zeigen mir leider, dass es um ein strukturelles Problem geht, das nicht nur den (bereits verkehrsrechtlich privilegierten) privatwirtschaftlichen Personenbeförderungsverkehr betrifft, sondern genau so den gesamten Waren-Lieferverkehr sowie den MIV.
Falschparken scheint bei diesem Berufsstand leider zum antrainierten Standard-Verhalten zu gehören. Behaupte ich jetzt mal ganz dreist – auch, wenn ich da Gefahr laufe ganz böse zu verallgemeinern. Aber wo hören bedauerliche Einzelfälle auf und wo fangen systemische Probleme an? Gibt es überhaupt Zahlen zu diesen tagtäglichen Verstößen? Und wie hoch ist die Dunkelziffer?
Was mich wirklich ärgert, ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Taxifahrer ihre Probleme “vergesellschaften”, also einfach auf andere übertragen. Und das obwohl sie doch aufgrund ihrer Privilegierung dazu verpflichtet sind, sich strikt an die Regeln zu halten. Das passt vorne und hinten nicht zusammen.
Die Regel ist klar: Taxen dürfen auf der Busspur kurz halten, um Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen. Parken ist auf Busspuren und an Bushaltestellen grundsätzlich verboten. Das Fahren, Halten und Parken auf Fahrrad-Schutzstreifen ist eh verboten. Das hat sich ja inzwischen herumgesprochen. LOL!
Die Realität sieht komplett anders aus. Andauernd stehen 1-3 Taxen auf der Bushaltestelle, teilweise bis vorne auf den Gehweg und Zebrastreifen. Von sofortigem Ein- und Aussteigen irgendwelcher Fahrgäste kann überhaupt keine Rede sein. Hier wird geparkt. Und dabei selbstverständlich dauerhaft der Motor angelassen.
Ob da jetzt gerade ein Bus kommt oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Die Busfahrer scheinen sich eh damit abgefunden zu haben bzw. meinen, das sei total normal, weil es ja andauernd so ist. (Und weil ihnen vielleicht die Regeln nicht ganz so präsent sind – ähnlich wie Abstands- und Radwegebenutzungspflicht-Regeln *Zwinkersmiley*).
Als Busfahrer reiht man sich einfach fein hinten ein. ÖPNV hat in Düren Nachrang! Selbstverständlich!
In total seriösen Internetzforen liest man von Taxifahrern, die sich bitterlich über busfahrende Kollegen beschweren, die sie andauernd von der Busspur weg hupen. Habe ich in Düren noch nicht erlebt. Spricht man mal einen Busfahrer darauf an und fragt, warum er das auf seiner Haltestelle parkende Taxi nicht weg hupt, blickt man nur in ein Gesicht voller Fragezeichen.
Ich habe auch mal freundlich falsch parkende Taxifahrer angesprochen. Deren Reaktion ist meist die Standard-08/15-Falschparker-Reaktion – egal wo sie gerade stehen: “Wo soll ich denn sonst stehen? Ich bin ja gleich wieder weg. Ich halte ja nur mal eben ganz kurz…” Ja, nee… Ist klar.
Während man gemütlich mit dauerhaft laufendem Motor auf der Bushaltestelle parkt, lässt sich dann auch wunderbar mit Kollegen plauschen, mal ein bisschen die Beine auf der Straße vertreten, ein paar Zigaretten rauchen, einen Snack für unterwegs besorgen und im besten Fall einen Fahrgast aufgabeln, um Platz zu machen für das nächste nachrückende Bushaltestellen-Taxi.
Total beliebt unter Taxifahrern ist diese besondere Form der Kommunikation: Nebeneinander halten/parken, Fenster runter und los geht das Geschrei. So steht man dann halt so lange, bis wieder jemand von hinten angefahren kommt. Dann wird ne Runde ums Karree gedreht und das plauschige Straßengespräch kann fortgesetzt werden. In Zeiten von Smartphone, mobilen Daten-Flatrates, Messenger und Freisprecheinrichtungen eine echt innovative Kommunkationsform. Back to the roots. Occupy the streets with Geschrei – toll!
Nachts ändert sich eigentlich nichts. Außer dass keine Busse mehr unterwegs sind und die Taxifahrer ihre Stellplätze an der Bushaltestelle nun ganz alleine für sich haben.
Vor einiger Zeit war ich mal wieder bei einem Kumpel zu Besuch, der just über diesem illegalen Taxistand wohnt und jede Nacht mitbekommt, was direkt vor seiner Haustür los ist. Im Sommer macht man ja nachts gerne mal das Fenster auf. Es ist echt krass!
Andauernd stehen Cobra & Co mit mehreren Taxen mitten in der Nacht auf der Bushaltestelle. Selbstverständlich laufen die Dieselmotoren die ganze Zeit. Auch wenn die Fahrer neben ihren Kisten stehen und sich angeregt über Gott und die Welt unterhalten.
Nix hilft: Freundliche Ansprachen, unfreundliche Ansprachen, Ordnungsamt, Polizei…
Ich habe mir mal den Spaß erlaubt, in einer der Taxizentralen anzurufen, als ich vor Ort war und mal wieder drei Kisten samt Kutscher vor der Tür wegelagerten. Auf meine freundliche Nachfrage, ob es möglich wäre, den Kollegen Bescheid zu geben, dass sie da bitte wegfahren sollen, weil die Anwohner nicht schlafen können und sich gestört fühlen, bekam ich eine Reaktion, die so dermaßen abweisend und verständnislos war, dass sofort klar war: Interessiert uns nicht. Ist ja schließlich nicht unser Problem.
Auf meine Nachfrage, ob das denn überhaupt legal sei, dort die ganze Zeit zu stehen und ob man nicht zumindest die Motoren abstellen könnte, wurde ich erstmal unfreundlichst gebeten, nochmal meinen Namen anzugeben, damit man sich diesen notieren könne. Gerne geschehen. Tatsächlich fuhren daraufhin Taxis weg vom illegalen Taxistand. Und es dauerte ganze drei Minuten bis die nächsten Kollegen den nächtlichen Plauder-Platz wieder in Beschlag genommen hatten.
Genau das passiert auch, wenn man die Taxifahrer direkt anspricht. Im besten Fall (wenn sie sich unter Kontrolle haben und normaler Ansprache sowie Argumenten zugänglich sind) fahren sie tatsächlich weg. Es dauert aber nie lange bis der nächste kommt. Die Cobra- äh, Hydra hat unendlich viele Köpfe.
Ich habe natürlich auch schon erlebt, dass sich Taxifahrer total einsichtig gezeigt haben – besonders wenn es um den ständig laufenden Motor ging. Und ist ja auch echt ätzend, die ganze Nacht irgendwo im Auto rumsitzen zu müssen ohne groß Unterhaltung. Und im Winter muss ja auch die Heizung mal laufen usw. Trotzdem: Es kann ja wohl nicht sein, dass Anwohner andauernd keinen Schlaf finden, weil es sich Taxifahrer entgegen der Regeln irgendwie möglichst bequem machen wollen.
Macht das doch mal vor dem Schlafzimmer-Fenster unseres Bürgermeisters oder der Ordnungsamtsleitung! Mal sehen, wie lange das gut geht… *Zwinkersmiley*
Das passt doch irgendwie so gar nicht ins Bild, das sich die Stadt gerade geben möchte bzw geben muss. Ich erinnere nur mal an Luftreinhalte- und Lärmaktionsplan, Klimaschutz-Teilkonzept, Masterplan Innenstadt, Masterplan Green City Mobilty und so weiter. Wie passen da die ständig und überall falsch parkenden Taxen rein, die die City durch ihren ständigen Lärm (inkl. nächtliche Gespräche) und ihre Dauer-Abgase extrem lebensunwert machen? Speziell an dieser Stelle? Und warum tut sich nichts, obwohl den Behörden das Problem doch längst bekannt sein müsste?
Könnte es daran liegen, dass das Thema nur den konkret betroffenen Anwohnern den Schlaf raubt (im wahrsten Sinne…), nicht aber den dafür Zuständigen?
Wobei… Zuständigkeiten… Für den ruhenden Verkehr ist ja angeblich nur das Ordnungsamt zuständig. Die Polizei ist fein raus und braucht sich nicht zu kümmern. Und beim Ordnungsamt kümmert sich auch nur die Abteilung Verkehr. Wobei die nachts wahrscheinlich auch eher selten kontrollieren. Eine andere Abteilung käme wohl auch nicht auf die Idee, so Geschichten intern weiterzugeben, damit sich mal jemand kümmert. “Dafür sind wir nicht zuständig!” reicht.
Ja, mag sein. Vielleicht kann man sich aber trotzdem für etwas verantwortlich fühlen, auch wenn man selbst nicht unbedingt zuständig ist? Wäre das nicht auch im Sinne eines städtischen Beamten ziemlich sinnvoll, wenn dieser auch irgendwie die stringente städtische Politik in Richtung “lebenswerte Stadt” repräsentieren soll? Dieses “Ist mir doch scheißegal”, das bei dem “Dafür sind wir nicht zuständig” oft mitschwingt, steht städtischen Beamten nicht besonders gut, finde ich.
Aber der Fisch stinkt vom Kopf her, weiß der Volksmund. Was willste auch machen als Ordnungsamt? Bei der ständigen Unterbesetzung, den verstoßwidersprüchlichen Arbeitszeiten, den ständig neuen Regeln und vor allem der nicht mehr zu beherrschenden Vielzahl an Verstößen durch motorisierte Verkehrsteilnehmer. Keine Chance! Da ist Kopf-in-den-Sand vielleicht echt die (aus Amtssicht) effektivste Strategie.
Und was tun als Betroffener, wenn sich die eigene Stadt nicht kümmern mag, kein Interesse zeigt und/oder keine Kapazitäten hat? Es datenschutzkonform dokumentieren und das Ordnungsamt so lange nerven, bis sich vielleicht mal etwas ändert? Immer wieder mit den Taxifahrern und -unternehmen sprechen und um Einsicht und Einhaltung der Regeln bitten? Die Lokalpolitik ansprechen und um Hilfe betteln? Einen Bürgerantrag stellen? Einen Leserbrief (und Blogbeitrag) schreiben und an die Öffentlichkeit gehen? Sich lustige Aktionen gegen die täglichen und nächtlichen Belästigungen einfallen lassen? Selber Taxifahrer oder -unternehmer werden und das System von innen unterwandern? Kapitulieren und sich einfach immer weiter um den Schlaf bringen lassen? Sich in die Philosophie flüchten und behaupten, das sei eh alles nur Illusion? Solipsismus oder Suizid?
Nur so nebenbei…
Über Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholabstände, Schutzstreifen, rote Ampeln, durchgezogene Linien, Geh- und Radwege etc. haben wir noch nicht gesprochen, oder?
Ein andern mal vielleicht… 😉
Nur noch eine Frage: Was passiert eigentlich, wenn ich mich mit meinem Pkw – oder gar mit meinem Rad – auf einen offiziellen Taxistand stelle? Ich hab´s noch nicht probiert. Wäre vielleicht mal einen Versuch wert…
Fortsetzung folgt…
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