Wir schreiben das Jahr 2023. Also das Jahr, in dem die Stadt Düren laut Koalitionsvertrag „Zukunft Düren“ zur „Fahrradfreundlichen Stadt“ werden soll. Allerdings gibt es in Düren bis heute (Juli 2023) beispielsweise noch keine einzige Fahrradstraße. Eine offiziell „Fahrradfreundliche Stadt“ ohne jegliche Fahrradstraßen, ohne einen einzigen Radschnellweg aber mit jeder Menge Schutzstreifen, die oftmals noch nicht mal den rechtlichen Vorgaben entsprechen? Kann das ohne Etikettenschwindel funktionieren?

Abhilfe soll bekanntlich das Rad-Vorrangrouten-Konzept (RVRK) bringen, das sage und schreibe 31 Kilometer Fahrradstraßen im Stadtgebiet vorsieht. Alles voller Fahrradstraßen! Allerdings weiß niemand, wann und ob die überhaupt eingerichtet werden. Denn es gibt (meines Wissens) keinen Zeitplan für die Umsetzung. Außerdem steht jede einzelne Rad-Vorrangroute, die einmal als Fahrradstraße ausgewiesen werden soll, unter dem Vorbehalt, dass sämtliche Einzelmaßnahmen nochmals durch alle möglichen Gremien gejagt werden müssen, in denen sie erfahrungsgemäß eher wieder verwässert als konsequent in Ausführungsbeschlüsse umgesetzt werden. Dies durften wir bereits an der Parkplatz-Planung Valencienner Straße beobachten.

Vollkommen in den Sternen steht, wann die Umsetzung des RVRK abgeschlossen sein soll und wann es mit der Umgestaltung der Strecken, die die „Kern-City“, also den Innenstadtbereich betreffen, losgehen soll. Auch in Nord-Düren fragt man sich das offensichtlich – bzw. wünscht sich eine schnelle Umsetzung der dortigen Rad-Vorrangroute aka „Fahrradstraße Neue Jülicher Str.“ Im Februar hat sich die Stadtteilvertretung deshalb an den Bezirksausschuss gewandt:

…hiermit bitten wir den Bezirksausschuss Nord-Düren um Prüfung, ob die Umsetzung der Rad-Vorrang-Route auf der Josef-Schregel-Straße und Neuen Jülicher Straße (vom Hauptbahnhof bis Neue Jülicher Straße 92) gemäß der Beschlussvorlage 2022-0159 und der durch das Planungsbüro empfohlenen Priorisierungsempfehlung unmittelbar nach Fertigstellung der Kanalbauarbeiten auf der Veldener Straße erfolgen wird. Die Stadteilvertretung Nord-Düren sieht die frühestmögliche Umsetzung dieses Streckenabschnitts der Rad-Vorrang-Route als sehr wichtig, da die Verkehrssituation von vielen Bewohnern des Stadtteils und Nutzern des Straßenraums als gefährlich eingeschätzt wird.

Antrag Stadtteilvertretung 08.02.2023

Die Falschparker-Straße soll bekanntlich und angeblich zur Fahrrad-Straße werden. Irgendwann…

Der Plan: Steckbriefe RVR, S. 123

In der Stellungnahme, die am 08.03.2023 auf die Anfrage aus Nord-Düren folgte, weist das Fachamt darauf hin, dass es bereits einen Beschluss für die Umsetzung der ersten Rad-Vorrang-Route gibt, von dem nicht abgewichen werden könne:

Gemäß Beschluss zu Vorlage Nr. 2022-0159 des Rates der Stadt Düren ist ein Rad-Vorrang-Routen- Konzept mit insgesamt zehn aus den Stadtteilen in die Innenstadt führenden Einzelrouten in den kommenden Jahren sukzessive planerisch und anschließend baulich in Umsetzung zu bringen.
Gemäß vorgenannter Beschlussfassung erfolgt priorisiert derzeit die planerische Ausarbeitung der RVR Nr. 2 von Lendersdorf ins Stadtzentrum.
Eine von v.g. Bearbeitungspriorisierung abweichende Bearbeitung des RVR-Konzepts lässt die aktuelle personelle Situation im Team „Nachhaltige Mobilität“ des Amtes für Tiefbau und Grünflächen nicht zu.
Eine im Zusammenhang mit der gewünschten Verbesserung der Verkehrssituation im Bereich der Neuen Jülicher Straße zu erwähnende Baumaßnahme ist unter TOP 4 Vorlage Nr. 2023-0001 „Verbesserung Überquerungssituation Neue Jülicher Straße (Nordpark)“ beschrieben.
Im Anschluss an die Kanalbauarbeiten Veldener Straße ist vorgesehen, die damalige errichtete Protected Bike Lane gemäß bestehender Beschlusslage wiederherzustellen und weiter auszubauen.

Stellungnahme Fachamt, 08.03.2023

Tags darauf veröffentlichte das Amt für Tiefbau und Grünflächen einen „Sachstandsbericht zur aktuellen Bearbeitungssituation der prioritären Projekte im Bereich des Teams Nachhaltige Mobilität im Amt für Tiefbau und Grünflächen“. In dem wird die desolate Personalsituation beschrieben, mit der das Team Nachhaltige Mobilität derzeit klar kommen muss:

Von v.g. vier Planstellen sind zwei Stellen aktuell nicht besetzt (jeweils 1,0 Vollzeitäquivalent = VZÄ). Somit verbleiben zur Bearbeitung der Vielzahl von Projekten des Teams Nachhaltige Mobilität
– zwei Vollzeitkräfte (jeweils 1,0 VZÄ)
– eine Teilzeitkraft (0,15 VZÄ)
Durch den Ausfall von 2,0 VZÄ stehen prozentual ausgedrückt von regulär 4,15 VZÄ aktuell lediglich 2,15 VZÄ zur personellen Disposition im Bereich der Projektbearbeitung. Prozentual fehlen aktuell ca. 48 % des regulären Personalbesatzes. Mittelfristig konnten im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens zur unbefristeten Wiederbesetzung zwei geeignete Kandidaten welche vs. ab ca. Mitte des Jahres zur Einarbeitung zur Verfügung stehen, gefunden werden. (…)

Sachstandsbericht zur aktuellen Bearbeitungssituation der prioritären Projekte im Bereich des Teams Nachhaltige Mobilität im Amt für Tiefbau und Grünflächen, 09.03.2023

Trotz des desolaten Personalzustands im Fachamt gibt es aktuell übrigens keine entsprechende Stellenausschreibung. Und von neuen Mitarbeitenden hat man auch nichts mitbekommen. Seltsam. Soll aber wohl nach den Sommerferien wieder etwas kommen. Man munkelt…

Seltsam auch, dass unser Bürgermeister den Nord-DürenerInnen Anfang Februar noch in Aussicht stellte, dass sie ihre Fahrradstraße „hoffentlich“ im Mai bekommen könnten – also vor zwei Monaten.


Stadtteilzeitung Nord-Düren, Ausgabe März 2023

Aber wie hätte der Verwaltungs-Chef auch schon Anfang Februar wissen können, was sein Fachamt ein paar Wochen später öffentlich mitteilen wird? Der personelle Notstand scheint dem Bürgermeister nicht bekannt gewesen zu sein, muss also alles sehr kurzfristig und unerwartet passiert sein. Bis dato gab es offenbar keine Personalprobleme im Team Nachhaltige Mobilität. *Hüstel*

Was hat die Fertigstellung der PBL Veldener eigentlich mit der Fahrradstraße Neue Jülicher zu tun? Zeitlich gesehen? Kann man die nicht parallel in Angriff nehmen, um die Gesamtwirkung auf den Stadtteil zu vergrößern? Und inhaltlich? Im Radvorrangroutenkonzept heißt es, Tempo 30 und damit auch die Fahrradstraße Neue Jülicher sei aufgrund der „verkehrlich bedeutenden“ Veldener Straße möglich. Hä. Kapiere ich nicht. Die wird doch dank der PBL weniger verkehrlich bedeutend, hoffe ich mal. Noch besser wäre natürlich, wenn mit „Verkehr“ endlich mal nicht nur der motorisierte Individualverkehr gemeint wäre, sondern auch der hoffentlich immer mehr werdende Rad- und Fußverkehr.

Für die Baustelle Protected Bike Lane scheint es zumindest so etwas wie einen Zeitplan zu geben:

Eine bauliche Umsetzung der Maßnahme wird in 2022 nach Abschluss der seitens der Stadtentwässerung Düren im Vorfeld durchzuführenden
Sanierung der Kanalisation im Teilbereich der Veldener Straße zwischen dem Fritz-Erler-Straße und der Johanniterstraße angestrebt.

Ursprüngliche Beschlussvorlage, 13.04.2021

Daraus wurde dank Kanal-Mehrfachsanierung nichts. In ihrer unlängst veröffentlichten Zwischen-Bilanz, fasst die Koalition Zukunft nochmal ein paar weitere „Fahrrad-Fördermaßnahmen“ zusammen und spricht nunmehr von 2024..Ziemlich viel noch nicht gespielte Zukunftsmusik für eine Halbzeit-„Bilanz“…

Die Euskirchener Straße wird zwischen Kreisverkehr und Oststraße erneuert und erhält nach Kanalsanierung dann auch sichere Fahrradwege und Bäume. Zum Nutzen der Anwohner*innen und Radfahrer*innen wurde die Schoellerstraße umgestaltet. Die Aachener Straße wird nach langer Diskussion sicherer für Radfahrer umgebaut. Die Valencienner Straße erhält im Bereich Willy-Brandt-Park sichere Radwege. Ein Radvorrang-Routen-Konzept mit 10 Routen liegt vor und die Detailplanung der Route 2 hat begonnen. Eine Protectet-Bike-Line (oder auch geschützter Radfahrstreifen) an der Veldener Straße wird nächstes Jahr nach Abschluss der Kanalsanierung ausgeführt. 

Halbzeit der Ratsperiode, Koalition Zukunft Düren 2020-2025, 06/2023

Mit der Protected Bike Lane (PBL) ist also zwei Jahre später zu rechnen, als ursprünglich geplant bzw. angestrebt. Was die Fertigstellung der PBL für die Verkehrssituation auf der Neuen Jülicher Str. und die Umsetzung der dortigen Fahrradstraße bedeutet, bleibt trotz Bürgermeister-„Prognose“ ein großes Fragezeichen, welches durch die Dauer-Prüfung und Nicht-Entscheidung in Sachen B 399n (bzw. RS 399n) nicht gerade kleiner wird.


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