Dürener Delegation besucht die Fahrradstadt Utrecht

Anfang Oktober vergangenen Jahres hatte ich hier darüber berichtet, dass die Mitglieder des städtischen Mobilitäs- und Klimaschutz-Ausschusses eine Exkursion in die Niederlande planen.

Gestern war es soweit. Die Reise ging nach Utrecht, in die viertgrößte Stadt der Niederlande (375.000 EW), die es in Sachen Fahrrad-Förderung so weit getrieben hat, dass sich mittlerweile die Fußgänger (vollkommen zu recht) darüber beschweren, zu Verkehrsteilnehmern zweiter (bzw. dritter) Klasse degradiert worden zu sein. Die Zeit berichtete (Paywall).

Wieso weshalb warum das selbst für niederländische Verhältnisse extreme Pro-Rad-Beispiel Utrecht als Ziel ausgewählt wurde, ist mit nicht bekannt. Für mich hätten auch deutlich näher liegende Städte wie Eindhoven (siehe ebenfalls hier) vollends gereicht. Wahrscheinlich wollte man sich das krassest mögliche Kontrastprogramm zu Düren geben – vielleicht auch keine schlechte Idee.

Glücklicherweise war neben unserem „ordentlichen ADFC-Vertreter“ noch Platz im Bus und so wurde mir (als Nicht-Ausschussmitglied) die Ehre zuteil, ebenfalls mitfahren zu dürfen. Nach Utrecht wollte ich immer schon mal. Vielen Dank für die Einladung und die Gelegenheit, die City sogar mit den Guides der Dutch Cycling Embassy erkunden zu können! Vielen Dank auch an das Organisations-Team der Verwaltung für die sehr gute Planung! 👍



Rund um den Bahnhof


Um 7 Uhr ging´s per Reisebus los in Richtung Utrecht. Dort erwarteten uns fröhlich-freundlich die deutsch-niederländischen Fahrradexpert*x, die uns über den Tag begleiten sollten.

PARKRAUM-MANAGEMENT!
Zuerst ging es ins größte Fahrradparkhaus der Welt, das sich die Stadt Utrecht (Betreiber ist allerdings die Bahngesellschaft in Kooperation mit xyz) mal eben gegönnt hat. Mehr als 12.000 Abstellplätze direkt unter dem Hauptbahnhof. Die ersten 24 Stunden sind kostenlos, eingecheckt wird per Mobilitäts-Karte, die auch für den ÖPNV gilt. Alle Parkplätze werden videoüberwacht die Standzeiten per KI erfasst, zu lange parkende Räder aussortiert, die Gebühren automatisch berechnet und eingezogen usw. Das Parkhaus ist 24/7 geöffnet und personell besetzt. Nebenbei gibt es diverse Services rund ums Rad, zum Beispiel Fahrradverleih oder die Möglichkeit, sein kaputtes Rad morgens in der Werkstatt abzugeben und nach der Arbeit repariert wieder abzuholen, Lastenrad-Stellplätze, E-Bike-Ladezonen…

Leider haben wir uns nur den (einen) Eingangsbereich des Parkhauses angeschaut. Im verfluchten Internetz findet man aber diverse Videos, die einen ganz guten Eindruck davon vermitteln, wie ein Fahrradparkhaus aussehen kann. Hier eins davon:



Siehe auch hier. Neben diesem gibt es noch einige weitere Fahrradparkhäuser im Stadtgebiet, sodass insgesamt rund 35.000 Stellplätze (…oder waren es 50.000 sichere, überdachte, überwachte, i.d.R. mit Service-Angeboten versehene…?) zur Verfügung stehen. Das entspricht einer Fahrradparkplatz-Einwohner-Quote von 1:10 in Utrecht (3770 Einwohner/km2). Dazu kommen noch die unzähligen Abstellplätze im Freien…

In Düren (1097 Einwohner je km2) wird ebenfalls eine neue Fahrradstation am Bahnhof errichtet. Hier wird mit 700 Stellplätzen geplant. Nimmt man die bereits vorhandenen städtischen Fahrradabstellanlagen hinzu und ignoriert man dabei völlig, dass diese i.d.R. weder überdacht & überwacht, noch mit irgendwelchem Service o.Ä. versehen sind, kommen wir in Düren auf eine (von mir geschätzte) Quote von höchstens 1:100. Ein ähnliches Verhältnis darf man annehmen, würde man sich mal die städtischen Ausgaben für den Radverkehr pro Kopf ansehen… Und vielleicht ein Verständnis für Verhältnismäßigkeit zwischen den „gleichberechtigten Verkehrsformen“ entwickeln, wenn man diese den Ausgaben für den motorisierten Individualverkehr gegenüberstellen würde.


Wieder ein paar Pkw-Parkplätze weniger, weil mit ihnen keine sinnvolle Nutzung des wertvollen öffentlichen Raums möglich ist. In Utrecht werden Pkw-Parkplätze reihenweise umfunktioniert, um die Lebensqualität u.a. durch mehr Grün sowie nachhaltigeres Wasser- und Hitze-Management zu steigern und Möglichkeiten vernünftigerer Bebauung und Flächen-Nutzung zu schaffen. Nachhaltigkeit – Wirtschaftlichkeit – Resilienz…

Vorträge und Diskussion


Nach dem kleinen Bummel über das Bahnhofsgelände ging es ins „The Green House“, wo die Vorträge stattfanden und wir noch einen kleinen Snack zu uns nehmen konnten, bevor es auf die kleine Rad-Tour durch Utrecht nach Houten ging.



Die Inhalte der Vorträge und die Nachfragen & Inputs seitens der Dürener Delegation will ich hier gar nicht groß wiedergeben. Das würde textlich ausufern und bringt aus meiner Sicht auch keine wirklich neuen Informationen.

Minimalistisch zusammengefasst: Die deutsch-niederländischen Expert*x erzählten und veranschaulichten genau das, was wir privat und als ADFC & ProRad Düren seit Jahren erzählen und fordern – nochmals hinterlegt mit jeder Menge praktischem Erfahrungswissen, wissenschaftlichen und gemessenen Fakten und so weiter und so fort… Das mag zwar für die eine oder den anderen Exkursions-Teilnehmer*x neu, überraschend oder beeindruckend gewesen sein. Als Rad-Lobby-Vertreter alles ziemlich alte Hüte – ohne das in irgendeiner Form den vortragenden Expert*x gegenüber abwertend zu meinen! Ganz im Gegenteil. Wir mussten uns dank der Vorträge und Expertise zwangsläufig extrem in unserer Arbeit bestätigt fühlen, waren aber wohl weniger „überwältigt“ von den niederländischen Ansätzen in Sachen innerstädtischer Verkehrsplanung.

Allerdings nutzten wir die Gelegenheit auch, um bei ein paar Sachen doch nochmal nachzufragen, weil wir die Widersprüche zwischen dem, was sein kann und gewollt ist (Utrecht) und dem, was zwar (angeblich) nicht gewollt aber scheinbar unveränderlich ist (Düren), besser verstehen wollen. Beispielsweise beim Thema Monitoring & Evaluation. Warum ist das den Niederländern so wichtig und was fangen die damit an? Warum scheren wir uns einen Dreck darum und was hat das für Folgen?

Die Präsentationen sollen den Teilnehmenden zur Verfügung gestellt werden – vielleicht findet man diese also demnächst auch im Ratsinformationssystem – inklusive fahrradfreundlichem Gruppenfoto… Oder hier im Blog.

Vielleicht nur dies als kleines Schlaglicht aus dem Vortrags-Teil der Exkursion:
Ein deutlich vernehmbares Raunen ging durch den Raum, als meine Frage nach den innerstädtischen Parkgebühren für Pkw und den von Parkplatz-Push&Pull-Maßnahmen zu erwartenden Effekten beantwortet wurde. Als ich die roundabout 1,20€ pro Stunde Parkzeit im Herzen der Dürener Innenstadt nannte, mussten die niederländischen Verkehrsexperten lachen. „Das ist natürlich viel zu billig“ und macht das Pkw-Parken und Pkw-Fahren durch die Innenstadt sehr attraktiv. Genau so soll es sein, wenn man möglichst viel Autoverkehr in der City haben will. Funktioniert auch ziemlich gut – wie wir tagtäglich zuhause beobachten dürfen/können/müssen. Ist aber leider zum Glück nicht das, wo wir zukünftig mal hin wollen…

Die aktuelle Park-Gebührenordnung der Stadt Utrecht findet man hier:



Nach den Vorträgen konnten wir dann endlich aufsatteln, um das, was wir theoretisch längst aus unseren Konzepten, politischen Sonntagsreden, Wissenschafts- und Experten-Meinungen sowie Niederlande-Urlauben kennen, ganz praktisch selbst zu erFAHREN. Die Rad-Tour nahm leider nur einen kleinen Teil der Exkursion ein, aber die paar Kilometer von und durch Utrecht nach Houten reichten aus, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie weit die Niederlande heute „schon“ von dem entfernt sind, was wir uns gerade erst anfangen vorzunehmen.

Ein paar Beispiele…



Wasserweg für alle statt Autostraße für den MIV
Vor einiger Zeit war dieser Kanal noch eine Straße, die als Autobahn jede Menge Pkw-Verkehr in die Utrechter Innenstadt geführt hat. *B 399n-Hüstel* In den Vorträgen wurde u.a. betont, dass man fähig und willens sein müsse aus den eigenen Fehlern zu lernen. Dies wurde hier konsequent durchgezogen – gestützt von einem Einwohner-Referendum (2002), in dem beschlossen wurde, Pkw-Wege durch Wasser-Wege zu ersetzen. Und damit den eigentlichen Zustand wieder herzustellen, denn ursprünglich war dieses Stück Straße mal ein Teil des Kanal-Rings, der die Innenstadt umfloss. Heute ist der Wasser-Kreislauf wieder geschlossen. Im Sommer, erzählten uns die Scouts, ist der Kanal voll mit Booten, in denen es sich Einheimische und Touristen gut gehen lassen.

Die Aufenthalts- und Lebensqualität für alle Stadtbewohner und -benutzer hat sich dramatisch verbessert. Das wissen die Niederländer übrigens ziemlich genau, weil sie jede Maßnahme monitoren und evaluieren – ganz anders als wir. Mit diesem Monitoring und belastbaren Zahlen, Daten, Fakten aus den Evaluationen – kombiniert mit konsequenter Umsetzung – scheint es ziemlich gut zu gelingen, die „Leute mitzunehmen“ und Dinge vom Konzept-Papier auf die Straße zu bringen.

Die Wiederherstellung der Stadsbuitengracht (Außenstadtkanal) wird als Korrektur eines historischen Fehlers angesehen.

The Guardian / EHT


Der Mythos vom fehlenden Platz
Während der Tour und auch während der Vorträge war von Dürener Seite immer mal wieder zu hören, dass Utrecht und Düren nicht vergleichbar seien. So viel Fläche wie in Utrecht hätte man in Düren (ein Drittel der Bewohnerdichte Utrechts) gar nicht. Bei uns ist ja angeblich alles so eng, dass der Stadt gar keine Möglichkeiten bleiben, irgendwo mal irgendwas zu verbessern. (Siehe aktuell bspw. unseren Bürgerantrag zur Verlängerung des geschützten Radstreifens.)

Dass das mit dem angeblich fehlenden Raum schon augenscheinlich kompletter Unfug ist, wird deutlich, wenn wir uns unseren öffentlichen Raum mal hinsichtlich seiner Verteilung auf die verschiedenen Verkehrs- und Nutzungsformen anschauen. Ja, das ist alles ziemlich eng! Warum? Weil wir beschlossen haben, dass überall Autos fahren und parken sollen und ihnen den absoluten Großteil des einstmals öffentlichen Allgemein-Raums zugesprochen haben. Dafür haben wir Platz für Gehwege, Radwege, Parks und Grünflächen radikal zurückgebaut. Jahrzehnte lang und mit all den Folgen, die wir heute beklagen, und wegen derer wir all die hübschen Verkehrswende-Konzepte erstellt haben, die wir nicht umzusetzen gedenken… Weshalb haben wir also „nicht genügend Platz“ und wieso sollte man das nicht ändern bzw. wieder umkehren können? Sind wir etwa nicht fähig, aus historischen Fehlern zu lernen und einfach mal umzudenken?

Der Ausweg aus der selbst erzeugten Unmündigkeit und Paradoxie ist so radikal simpel und liegt so dermaßen offensichtlich auf der Hand, dass man lachen oder weinen möchte – je nachdem ob man in Utrecht oder in Düren lebt. Einfach wieder umverteilen – aber diesmal in die richtige Richtung! Platz dafür ist massig vorhanden. Heißt heute noch Pkw-Fahrspur und Pkw-Parkplatz…

Utrecht macht das nicht nur mit den Wasserwegen. Im Bild über diesem Textblock sieht man einen kleinen Park, der bis vor ein paar Jahren noch eine Straße war. Hat die Stadt einfach umgebaut. Weil: Es sollen ja weniger Leute mit dem Auto in die City kommen und die, die das trotz besserer Alternativangebote immer noch meinen zu müssen oder wirklich müssen, haben immer noch die Möglichkeit dazu. Inklusive verschiedener inklusiver Zusatz-Angebote für Behinderte! Die Anwohner freuen sich heute über weniger Lärm, Abgase und Sicherheitsrisiken, keine einzige Fahrt per Pkw in die City musste „verboten“ werden. Nur ein bisschen Push & Pull…


Mehr als 30.000 Radfahrer queren diese Kreuzung – jeden Tag!
Danke für das Video, @Georg!


Ein weiteres Beispiel für die kommunale Handlungsfähigkeit und Flächenverfügbarkeit: Zwischen diesen Bäumen (Bild unten) führte vor einiger Zeit noch eine (zusätzliche) Straße hindurch, obwohl die dahinter liegenden Einrichtungen samt dazugehörigen Parkplätzen schon durch die Straße direkt vor den Gebäuden erreichbar waren. Wieder eine Chance gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Pkw-Verkehr entschleunigen und bei gleicher grundsätzlicher Erreichbarkeit unkomfortabler machen, dafür die Lebensqualität stadtplanerisch für alle verbessern. Wer – außer verbohrten Ideologen – könnte etwas dagegen haben?

Kein Raum für irgendwas anderes als Pkw-Verkehr? Lächerlich! Jede Menge Platz für zukunftsgerichtete Umgestaltung dank massenweise Pkw-Parkräumen und -Fahrflächen – so sieht´s nüchtern betrachtet aus! Falls man zum Perspektiven- und Paradigmenwechsel fähig und willens ist…


Danke für das Foto @Georg!

Das Behinderten-Scheinargument
Neben dem angeblich fehlenden Platz in Düren wurden auch Behinderte als Argument dafür ins Feld geführt, dass man den innerstädtischen Pkw-Parkraum und die Erreichbarkeit der Innenstadt für den motorisierten Individualverkehr nicht wirklich verknappen könne. Dem konnte der Dutch Cycline-Experte nicht folgen. Er verwies u.a. darauf, dass sich viele Behinderte sehr wohl auch auf zwei- und dreirädrigen Fahrrädern (ggf. elektromobilisiert – ich habe einige gesehen, aber nicht fotografiert) bewegen können – und wollen! All diese Behinderten profitieren extrem von der Fahrradinfrastruktur, die sie unabhängig und mobil macht. Viele weitere Behinderte profitieren vom sehr guten ÖPNV, verschiedenen Sonderregelungen und dem allgemein hohen Standard an Barrierefreiheit. De facto haben die Utrechter Behinderten deutlich mehr Mobilitätsfreiheit und -angebote als die Dürener Behinderten – trotz, nein wegen (!) des Konzepts private Pkw weitestgehend aus der Innenstadt heraus zu halten.

Das „Behinderten-Argument“, wird paradoxerweise gerne zur Verhinderung der behinderten-förderlichen Verkehrswende reproduziert und bleibt leider meist unwidersprochen im Raum stehen. Dabei entpuppt es sich bei genauerer Betrachtung als populistische Farce und/oder ideologischer Irrsinn.


Die wirklich und im Wortsinn geistig Behinderten!
Hierzu mal ein von der Exkursion unabhängiger persönlicher Gedanke: Kann es sein, dass es sich bei dem immer wieder aufgeführten „Argument“ Behinderte bräuchten unbedingt eigene Autos, um sich fortbewegen zu können, um eine reine Schein-Debatte handelt? Ich würde sogar sagen: Die Schein-Argumentation geht so weit, dass sie nicht nur statistisch irrelevant ist, sondern dazu führt, dass sich die Mobilitätsqualität für Behinderte sogar eher verschlechtert als verbessert!

Wieso sollten Behinderte schlechter mobil sein, wenn Pkw-Parkplätze und Pkw-Verkehr in den Innenstädten verknappt und verteuert werden? Es geht ja überhaupt nicht darum, gar keine Autos mehr in die Innenstädte zu lassen. Das behaupten die Ideologen, die die autogerechte Innenstadt verteidigen, zwar ständig, aber nur um ungeschickt zu verschleiern, dass ihnen außer ideologisierten Floskeln keine Argumentationslogik zur Verfügung steht. Denn das genaue Gegenteil ist der Fall:

Gibt es deutlich weniger öffentliche Parkplätze, dann nimmt nicht nur der Parksuchverkehr ab (macht aktuell rund 30% des Innenstadtverkehrs aus), sondern es entstehen auch ganz viel neue Räume und Optionen – bspw. für Behinderten-Parkplätze. Und für Ladezonen, für den ÖPNV, für sichere Korridore für Rettungswagen.. (Übrigens nutzt die Utrechter Müllabfuhr heutzutage den oben erwähnten Kanal und entlastet damit die Innenstadt-Straßen.) Eingebettet in ein vernünftiges und konsequentes Parkraum-Management á la Niederlande würden Behinderte – egal ob sie auf einen eigenen Pkw angewiesen sind oder nicht, viel mehr profitieren, als das irgendein Motonormativity-Ideologisierter kognitiv erfassen geschweige denn jemals zugeben würde.

Hinzu kommt das, was ich eben mit „statistisch“ meinte. Wenn man sich das mal realistisch anschaut: Über welche und wieviele Behinderte reden die Verfechter der innenfreien Autostadt eigentlich? Beispielsweise bei uns in Düren mit dem hohen Anteil an Sehbehinderten? Wieviele Behinderte sind tatsächlich auf das Fahren des eigenen Pkw angewiesen? Wenn denen allen auch noch ein ÖPNV zur Verfügung stünde,

  • der mit barrierefreien Haltestellen (gesetzlich vorgeschrieben, Frist abgelaufen, Umsetzung vor Ort dauert noch Jahre/Jahrzehnte) aufwarten würde,
  • dessen Taktung und Strecken so benutzerfreundlich wären, dass es viel umständlicher wäre, mit dem Auto in die Stadt zu fahren,
  • der dazu auch noch deutlich billiger und einfacher wäre als der Trip per Pkw,
  • der zusätzlich begleitet würde von einer sicheren, komfortablen und zusammenhängenden Infrastruktur für (Behinderten-)Fahrradfahrer und Fußgänger,
  • der zusätzlich außerdem von besonderen Behinderten-Mobilitätsangeboten wie Rufbussen, Shuttles u.Ä. begleitet würde…

Wie viele Behinderte wären dann immer noch „gezwungen“ mit dem eigenen Pkw in die Innenstädte fahren zu müssen? Und wieviel leichter würde ihnen das fallen, wenn der (Parksuch-)Verkehr deutlich abgenommen hätte, während der Anteil an Behinderten-Parkplätzen am Gesamt-Parkplatzvolumen deutlich zugenommen hätte?

Liegt die eigentliche „geistige Behinderung“ in Wirklichkeit vielleicht bei denen, die progressive, behindertenfreundliche Veränderung durch ihre automobilzentrierte Ideologie verunmöglichen, weil sie noch nicht mal gedanklich in der Lage sind, die Perspektive zu wechseln oder einfach mal nach vorne zu schauen?



Denk-Unfähigkeit führt zu Umsetzungs-Unfähigkeit
Das führt mich zu einem Grund-Problem, das mir auch während der Exkursion wiederholt aufgefallen ist: Die deutsche Denke ist des Paradigmenwechsels nicht fähig!

Wir denken immer noch immer zuerst daran, was vielleicht „verloren“ und „eingeschränkt“ würde, wenn wir uns endlich mal verkehrsevolutionär weiterentwickeln würden. Dabei nehmen wir als Bewertungsgrundlage das zum Maßstab, was wir aktuell vorfinden: Jede Menge Parkplätze und Pkw-Fahrbahnen, die jede Menge Pkw-Verkehr erzeugen.

Auf die Idee, dass genau das eigentlich der Grund sein müsste, die ganze Sache ganz anders zu denken, kommen wir gar nicht. Obwohl wir genau wissen (müssten), dass wir all das so ja zukünftig gar nicht mehr haben wollen, die Basis für Verkehrsplanung, politische Debatte und Öffentlichkeitsarbeit also die „Vision für die Zukunft“ sein müsste. Nicht „wo stehen wir“, sondern „wo wollen wir mal hin“. Nur so ist sach- und zukunftsgerichtetes Denken überhaupt möglich.

Das gilt genauso auch für das Thema „Parkplätze“. Wer heutzutage noch behauptet wir hätten „zu wenige Parkplätze“, anstatt die Frage zu stellen ob wir nicht zu viele Pkw haben, entpuppt sich als des Paradigmenwechsels nicht fähiger, ideologisierter Zukunfts-Verachter. Aber das ist nur meine persönliche Sicht. Ich lasse mich durch entsprechende Argumente, Zahlen, Daten und Fakten gerne eines Besseren belehren. Her damit, die Kommentarfunktion ist freigeschaltet…


Houten
Die Fahrt von Utrecht nach Houten verlief auch außerorts auf Wegen, nach denen man in Düren verzweifelt und ergebnislos suchen muss. Wo immer möglich hat der Radverkehr eigene (fast durchgehend rote) Spuren und wird um, über oder unter dem Autoverkehr herum geführt. Durch das nahtlose und umfassende Radverkehrsnetz stehen überall auch noch „gemütlichere“ Alternativ-Strecken zur Verfügung. Die Guides erzählten, dass viele Radpendler morgens die direkte und schnelle Strecke entlang der Haupt-Achsen bevorzugen. Abends würden viele dann auf die noch ruhigeren und noch einladenderen Nebenstrecken ausweichen.


Einschub: Und bei uns so? Wir dürfen mal wieder und noch immer mitverfolgen, wie darüber diskutiert wird, den Radverkehr auch zukünftig möglichst von den direktesten, praktischsten und schnellsten Routen und Hauptachsen zu verdrängen (Aachener Straße, Zollhaus-/Nordstr. …). Da sollen am liebsten nur noch Autos unterwegs sein! Natürlich alles nur im Sinne der Radverkehrs-Sicherheit! *Hüstel* Die kann man in Düren nur verbessern, indem man möglichst viele Pkw-Privilegien und die Dominanz des MIV erhält! Diese sind nämlich vollkommen alternativlos und systemrelevant – zumindest so lange wir den autozentrierten Staus quo konservieren wollen und des Paradigmenwechsels unfähig sind…


Einen guten Eindruck von Houten vermittelt das folgende Spiegel-TV-Video (3:37 Min.):


Muss man nicht mehr viel zu erzählen. Lieber noch ein paar Bilder zum Schluss… Bitte nicht wundern: Die niederländischen Fahrradparkhäuser in Houten, Utrecht und sonstwo sind natürlich so voll, weil der Einzelhandel wegen der bescheuerten Fahrradförderung am Boden liegt und die Innenstädte von Maastricht & Co deshalb jämmerlich verwaisen. Schaut Euch einfach mal die Immobilienpreise an oder fahrt mal hin…



Danke für das Video, @Georg!


Zurück in Düren
“Lustige“ Neben-Beaobachtung am Rande/Ende: Als wir gegen 20h wieder am Hoeschplatz in Düren ankamen, musste sich unser Busfahrer ins absolute Halteverbot stellen, um uns aussteigen zu lassen. Zum Glück war niemand vom Ordnungsamt mit dabei. Sämtliche Parkplätze, auch die für Busse, waren mit Pkw belegt, die dort zu dieser Uhrzeit keinen Cent Parkgebühr bezahlen. Legal? Illegal? Scheißegal!

Um dennoch positiv zu schließen: Nicht nur die Gespräche mit den Menschen aus Politik & Verwaltung waren sehr angenehm bis lustig. Positiv überrascht war ich davon, dass so viele Leute mitgefahren sind – immerhin hieß das für viele, sich einenTag Urlaub nehmen zu müssen und 6 Stunden Busfahrt für ein Thema in Kauf zu nehmen, das vielleicht gar nicht zu den Lieblingsgerichten gehört. Auch der Busfahrer der Fa. Siepen, der uns mit betont schlankem 1 Liter Diesel pro Person und hundert Kilometer durch die Gegend kutschiert hat, war sehr sympathisch – nicht zuletzt, weil er seine Reisegruppe darin bestärkt hat, sich intensiv für mehr menschenfreundliche statt autofreundliche Städte zu bemühen.

Positive Tipps der deutsch-niederländischen Expert*x:

  • Unsere Einzelhändler auf eine ähnliche Exkursion schicken.
  • Mutig sein und Sachen ausprobieren, damit sie wirklich erlebbar werden.
  • Mit Widerstand und Misserfolgen rechnen.
  • Mit Zustimmung und Erfolgen rechnen und darauf hin denken & planen.
  • Aus Fehlern lernen.
  • Lernfähig und experimentierfreudig sein.
  • Die Chancen der Regeln und Gesetze sehen und Spielräume nutzen. Ermöglichungswerkzeug statt Verhinderungswerkzeug.
  • Konsequent Daten sammeln um vergleichen und argumentieren zu können.
  • Die Leute mitnehmen indem man sie informiert und ihnen zeigt, was sie gewinnen.
  • Gewinne für alle betonen (Lebensqualität, Gesundheit, Mobilität, Klimaresilienz & Nachhaltigkeit…) statt (potenzielle) „Verluste“ für unerwünschte Problemverursacher gedanklich, planerisch & kommunikativ überzubewerten.
  • Ganzheitlich, langfristig und sachlich fortschrittlich denken und planen.

Was von der ganzen Aktion, den vielen Eindrücken und all den geschossenen Handy-Fotos übrig bleibt und welchen Einfluss das wiederum auf die Denke und Entscheidungen der Entscheidenden haben wird? Paradigmenwechsel in der Verkehrsplanung? We´ll see…

Die Grünen haben übrigens auch schon berichtet. Nochmals Dankeschön @Georg!



Fortsetzung der Fortsetzung folgt…