Wir erinnern uns: Im Oktober 2021 hatte die Koalition „Zukunft Düren“ die Überarbeitung des Konzeptes zu Tempo 30 – Zonen beantragt. Darin schlägt sie eine Ausweitung der Tempo 30-Zonen vor, nach der alle „dörflich strukturierten Ortslagen von Düren“ sowie die allgemeinen Wohngebiete „möglichst komplett zu Tempo 30 Zone werden“.

Im darauffolgenden Januar erfolgte eine Beschlussvorlage der Verwaltung (21.01.2022) zum Anschluss an die Initiative „Lebenswerte Städte durch angepasste Geschwindigkeiten“, in der ein grundsätzliches Problem der Kommunen bei der Umsetzung von Pkw-Verkehrsberuhiungsmaßnahmen abermals verdeutlicht wurde: Den Kommunen fehlen schlichtweg die rechtlichen Möglichkeiten, um den politischen Willen *hüstel* nach mehr Geschwindigkeitsbeschränkungen umzusetzen.



Denn die Pkw-zentrierten Regelwerke schränken die Kommunen in ihrem verkehrsplanerischen Handlungsspielraum (und ach so progressiven Konzeptumsetzungen) immer noch massiv ein – nicht zuletzt beim Thema Geschwindigkeitsreduzierung. Seltsamerweise scheinen die Kommunen allerdings jede Menge Spielraum bei der Anlage regelwidriger „Schutz“streifen zu haben, den sie regelmäßig voll auskosten…

Die eingeschränkte kommunale Handlungsfähigkeit hatte bekanntlich zur Gründung der stetig wachsenden Initiative „Lebenswerte Städte durch angepasste Geschwindigkeiten“ geführt, der inzwischen (Stand heute) 900 Städte, Gemeinden und Landkreise beigetreten sind, die sich für mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von Tempolimits aussprechen.


Stand: 06.08.2023

Darunter mittlerweile auch die Stadt Düren. (Siehe: Anschluss an die Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ (21.01.2022).) Allerdings ist es bei uns kein politischer Konsens, dass man sich auf kommunaler Ebene für mehr kommunale Entscheidungsfreiheit einsetzt. Obwohl wir vor Ort am besten wissen (sollten), was unsere lokalen Bedürfnisse und Ansprüche sind und welche Maßnahmen wir benötigen, um ihnen gerecht zu werden, sperrt sich ein Teil der Lokalpolitik gegen mehr kommunale Selbstbestimmung.

Anschluss an die Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“

Herr Weschke (CDU) begründet die Ablehnung der Umsetzung wie folgt:

1. Schleichverkehr durch die Wohngebiete könnte entstehen, da es sich nicht mehr lohne,
die Hauptverkehrsstraßen zu nutzen.
2. Der ÖPNV durch die reduzierten Geschwindigkeiten zu langsam.
3. Die Ausweitung der Zone 30 führe zu Staus.
4. Die Fahrzeiten verlängern sich.
5. Wo es notwendig sei, sei bereits Zone 30 eingerichtet.

Herr Essler (AfD) schließt sich den Ausführungen von Herrn Weschke an.

Niederschrift über die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 16.02.2022

Dass es CDU & AfD sind, die die Beschlussvorlage der Verwaltung ablehnen, verwundert dabei wenig. Tags darauf begründete der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion deren Haltung nochmal im Arnoldsweiler Bezirksausschuss:

Herr Geuenich merkt für die Mitglieder der CDU-Gruppe an, dass diese die Vorlage – wie bereits im Ausschuss für Mobilität, Umwelt und Klimaschutz ablehnen werde. Hintergrund sei, dass die Initiative unter anderem die flächendeckende Einführung von Tempo 30 fordere. Die CDU-Fraktion sei gegen eine solche flächendeckende Einführung und spreche sich für eine Einführung von Tempo 30 an den Stellen aus, wo dies notwendig sein.

Niederschrift 1/2022 über die Sitzung des Bezirksausschusses Arnoldsweiler am 17.02.2022

Die CDU sieht also keine Notwendigkeit für mehr kommunale Selbstbestimmung bei der Einrichtung von Tempo 30. (Es sind einfach noch nicht genügend Unfälle passiert. Die müssen wir erst abwarten, anstatt präventiv gemäß „Vision Zero“ zu handeln.) Sie befürchtet vielmehr die „flächendeckende Einführung“ und die grundsätzliche Abkehr von Tempo 50 als Regelgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften.



Etwas ausführlichere Begründungen für die ablehnende Haltung lieferte der CDU-Stadtverband Ende 2021 und Anfang 2022 via Facebook. Der dazugehörige Link zur CDU-Website ist nicht (mehr) verfügbar.



Verkehrssicherheit

Die CDU-Statements beziehen sich offensichtlich auf das ADAC-Positionspapier (2015) zum Thema Tempo 30. Dort heißt es: „Auf Hauptverkehrsstraßen haben vor allem die „bauliche Gestaltung und signaltechnische Steuerung der Knotenpunkte entscheidenden Einfluss auf die Verkehrssicherheit.“ Siehe auch hier. Sie beziehen sich ebenso offensichtlich nicht auf das,, was die vom CDU-Stadtverband „zitierte“ Bundesanstalt für Straßenwesen zur Beziehung zwischen Tempo 30 und Verkehrssicherheit schon 2011 sagte:

Seit den 1970er Jahren haben zahlreiche generelle Verkehrssicherheitsmaßnahmen wie zum Beispiel die Einführung von Tempo-30- und Spielzonen oder die schulische Verkehrserziehung zu einer deutlichen Verringerung der Straßenverkehrsunfälle mit Kindern und Jugendlichen beigetragen. 

BAST Kompakt, 24.08.2011

Die (angebliche?) BASt-Studie, von der der CDU-Stadtverband spricht, ist auf Anhieb nicht auf der Seite der Bundesanstalt für Straßenwesen (nicht „Straßenverkehr“) zu finden. Leider gibt es (aus Gründen?) keinen Link und keine weitere Quellenangabe. Meine Recherche in den neueren Publikationen der BASt blieb erfolglos.

Viel leichter zu finden, ist dagegen die Agenda der Bundes-CDU, die für die Dürener „Christdemokraten“ offensichtlich entweder irrelevant oder unbekannt ist. Bekanntlich ist die Bundes-CDU eine leidenschaftliche Kämpferin für sichere Geh- und Radwege und fühlt sich deshalb der Vision Zero verpflichtet. *Hüstel*

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf,

1. das Ziel „Vision Zero“ als Leitgedanke in die StVO aufzunehmen, (…)
13. es Kommunen durch eine Veränderung der gesetzlichen Vorgaben zu erleichtern, innerorts die Geschwindigkeitsbegrenzung von Tempo 30 km/h für ganze Straßen unabhängig von besonderen Gefahrensituationen anzuordnen,
14. in Modellprojekten zu untersuchen, wie es sich auf den Straßenverkehr in Kom- munen auswirkt, wenn ein generelles Tempolimit von 30 km/h angeordnet und nur auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 50 zugelassen wird,

Antrag
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
Sicherer Radverkehr für Vision Zero im Straßenverkehr,
10.12.2019

Die „radikalen Lösungen“, vor denen die Düener CDU solche Angst hat, werden also von der Bundes-CDU per Antrag gefordert. Verstehe ich das richtig? Verstehe ich es außerdem richtig, dass die lokale CDU-Angst vor „radikalen Lösungen“ eigentlich nur eine vorgetäuschte sein kann? Denn selbst im Fall der Fälle, also der StVO- und StVG-Reformierung ganz im Sinne der Städteinitiative und deren Forderung nach Tempo 30 als städtischer Regelgeschwindigkeit, blieben den Kommunen (und anachronistischer Lokalpolitik) nach wie vor alle Möglichkeiten, Tempo 50 auch innerorts zu konservieren und ihre Weiter-so-Agenda fortzuschreiben. Sie müssten es halt nur entsprechend begründen – so wie bisher alle möglichen Maßnahmen zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs begründet werden müssen.

Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums schrieb dazu (ggf. abweichend von der Meinung der Bundesvekehrsministeriums) bereits 2010:

Aus Sicht der Verkehrssicherheit wäre diese Maßnahme (Tempo 30 in Nebenstraßen als innerörtliche Regelgeschwindigkeit, wie es der Deutsche Städtetag schon seit den 1980ern fordert. Anm des Bloggers) ein zu begrüßendes Signal gewesen. Damit wäre nicht nur der „Schilderwald“ verringert worden, sondern Tempo 30, überwiegend mit Rechts-vor-Links-Regelung, wäre für 70 bis 80 % der Straßen, auf denen aber weniger als 20 % der Fahrleistung erbracht wird, automatisch die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit.

Die Begründungspflicht für abweichende Regelungen würde umgekehrt. Straßen mit Tempo 50 müssten „selbsterklärend“ als Vorfahrtsstraßen und besonders ausgebaute und gesicherte Verkehrsstraßen (Lichtsignalanlagen, Markierungen, Beschilderungen, Querungshilfen, Straßenbreiten etc.) geplant und betrieben werden. Der Sonderstellung von Bundesfernstraßen in Ortsdurchfahrten kann damit Rechnung getragen werden.

Der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt deshalb, innerorts Straßen so zu gestalten, dass sie mit 30 km/h sicher und angenehm zu befahren sind, bei Überschreitung jedoch Diskomfort greift, und Tempo 30 als innerstädtische Regelgeschwindigkeit anzustreben und gemeinsam mit den Länder, Städten und Gemeinden umzusetzen.

Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h in Ortschaften als Regelgeschwindigkeit meint nicht, dass auf auszuweisenden Strecken nicht auch höhere Geschwindigkeiten erlaubt werden können. Aber die „Beweislast“ wird umgekehrt: es muss streckenbezogen begründet werden, warum schneller gefahren werden darf – und nicht, wie heute die Regel, warum langsamer gefahren werden muss.

Wissenschaftlicher Beirat
beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Sicherheit zuerst – Möglichkeiten zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit in Deutschland (2010)

Die „christdemokratische“ Panikmache und Verweigerungshaltung erschließt sich mir in Sachen Verkehrssicherheit und Tempo 30 nicht wirklich, sondern erscheint eher etwas paradox – insbesondere unter Berücksichtigung lokalpolitischer Beschlüsse, wie dem Klimaschutzteilkonzept, dem Radvorrangroutenkonzept etc., welche von der CDU (angeblich) mitgetragen (oder zumindest mit deren Stimmen beschlossen) werden/wurden. Vom Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW, Nationalen Radverkehrsplan 3.0 – Fahrradland Deutschland 2030 usw. mal ganz abgesehen…

Außerdem erscheint mir die angebliche Angst vor angeblich „radikalen“ Beschlüssen der durchsetzungsstarken „Koalition Zukunft“ seltsam wenig selbstbewusst seitens der CDU. 2025 sind doch schon wieder Kommunalwahlen und mit CDU-AfDP und SPD (…) jede Menge Mitbewerbende am Start, die sich nicht um grundsätzliche städtische Ziele beim Modal Shift (oder nennen wir es einfach „die Verkehrswende“) scheren? Da lässt sich die angekündigte Mobilitätswende (ggf.) doch leicht wieder absagen, sobald sich die neuen Koalitionäre gefunden haben.

Ferner lassen die Rückzieher der „Koalition Zukunft“ bspw. in Sachen Schützenplatz, Weierstraße, Radvorrangroute Valencienner, (demnächst Postbogen?), Klimaschutzteilkonzept und so weiter nicht unbedingt vermuten, dass von dieser Seite irgendwelche „radikalen“ Beschlüsse umgesetzt würden. Zumindest nicht, solange nicht wenigstens zentrale Teile des (einstimmig im Stadtrat beschlossenen) Klimaschutzteilkonzepts sowie des eigenen Koalitionsvertrages oder Radvorrangrouten-Konzepts umgesetzt wurden/werden.

Vielleicht machen die CDU „Argumente“ beim Thema Umwelt- und Klimaschutz mehr Sinn?


Lebenswerte Stadt: Umwelt, Klima, Lärm & Co.

Tempo 30 führe nicht automatisch zu einer Reduzierung von Lärm und Schadstoffen, schreibt der CDU-Stadtverband. Tempo 30 könne je nach örtlichen Gegebenheiten sogar das Gegenteil bewirken.

Stimmt. Mindestens genau dasselbe gilt für Tempo 50 und ist allein damit schon ein ziemlich fadenscheiniges „Argument“. Ich wüsste außerdem nicht, dass irgendjemand ernsthaft behauptet, Tempo 30 in der City sei die Lösung für alle innerstädtischen Verkehrsprobleme. Einig ist man sich eigentlich nur darin, dass diese Probleme meist Pkw-produziert sind: Flächenmissbrauch, Umwelt- und Gesundheitsbelastungen, diverse nie erwähnte weitere „Nebenkosten“ etc.

Selbstredend gehören zur Lösung all dieser Probleme neben Geschwindigkeitsbeschränkungen etliche weitere Push&Pull-Maßnahmen, die den Umweltverbund aus ÖPNV, Rad-, Fuß-, Share- und Mikro-Mobilität fördern und gleichzeitig den motorisierten Individualverkehr weniger attraktiv machen.

All diese Maßnahmen liegen beispielsweise in den oben genannten und mit CDU-Stimmen beschlossenen städtischen (landesweiten und nationalen) Konzepten und Gesetzen vor: Fahrradstraßen, Radschnellwege, ordentliche Park- und Lieferverkehrkonzepte… Da die lokale Umsetzung dieser Ideen & Konzepte (u.a. und nicht zuletzt) an der Verkehrswende-Blockade-Haltung des CDU-Stadtverbands scheitert, entpuppt sich auch das auf Facebook geäußerte Alibi-Umwelt-Argument der „Schöpfungsbewahrungspartei“ als seltsam fadenscheinig bzw. peinlich paradox.

„Wissenschaftliche Studien“ hätten außerdem belegt, dass Tempo 30 in der Innenstadt gegenüber Tempo 50 „im Schnitt“ zu 25% längeren Fahrzeiten für den ÖPNV und dem MIV führen würde – und damit natürlich zu entsprechenden Mehr-Belastungen, behauptet der CDU-Stadtverband. Auch für diese Behauptung werden leider (aus Gründen?) keine nachvollziehbaren Quellen angegeben.

Vielleicht meint der CDU-Stadtverband die Studie Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen des Umweltbundesamtes (11/2016)? Oder die Dokumentation Fahrzeug-Emissionen bei 30 km/h und 50 km/h der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags (08/2019)? Oder den im November 2022 vorgelegten Abschlussbericht Umweltwirkungen einer innerörtlichen Regelgeschwindigkeit von 30 km/h oder etwa das aktuelle Policy Paper des Difu? Wohl kaum.

Auf welche „wissenschaftlichen Studien“ (vielleicht diese ADAC-zitierte hier aus 2011?) und „jüngste Umfragen“ sich die CDU bezieht, bleibt ebenso schleierhaft wie die Frage danach, inwiefern welche „wissenschaftlichen Studien“ die Standpunkte und Behauptungen der Dürener Christdemokraten inhaltlich überhaupt unterstützen.

Nur eins wird ziemlich klar: Die Dürener CDU verlässt sich in ihrer verkehrspolitischen „Argumentation“ offenbar lieber auf Ideologie als auf wissenschaftliche Erkenntnis (oder die Bundespartei-Politiklinie). Und sie versucht diese Position per populistischer Panikmache politisch auszuschlachten.

Ganz anders als bspw. das Difu. Mit dem o.g. Policy Paper „Verkehrsberuhigung: Entlastung statt Kollaps! Maßnahmen und ihre Wirkungen in deutschen und europäischen Städten“ hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) unlängst eine Meta-Analyse veröffentlicht, in der die Auswirkungen aktueller deutscher und europäischer Verkehrsberuhigungs-Projekte untersucht werden:

Im Fokus der Analyse stehen evaluierte Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in deutschen sowie europäischen Städten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Verkehrsversuchen (§ 45 Abs. 1 S. 2 StVO), da diese in der Regel mit Vorher-Nachher-Erhebungen verknüpft sind (Straßenverkehrsordnung, 2023/01.04.2013). Obgleich die untersuchten Maßnahmen in Anbetracht der Verschiedenartigkeit der lokalen Ansätze und Rahmenbedingungen, aber auch aufgrund unterschiedlicher Evaluationsdesigns nicht miteinander verglichen werden können, lassen die Ergebnisse doch Trendaussagen zu. (…)

Die Untersuchung zeigt: Restriktive Maßnahmen, die den Autoverkehr in den Städten zähmen, wirken in erwünschtem Sinne: Diesen Hebel gilt es auch in der fachlichen Diskussion sowohl in der Kommunalpolitik wie auch in Verwaltungen stärker zu berücksichtigen. Insbesondere in der Modellierung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sollten die beschriebenen Effekte zumindest als ein Szenario abgebildet werden.

Verkehrsberuhigung: Entlastung statt Kollapss!, Difu Policy Paper, 07/2023

Zu einem ähnlichen Fazit kommt auch eine Studienarbeit, auf die ich auch wegen der umfangreichen Quellen-Liste hinweisen möchte:

Bei Betrachtung der Auswirkungen auf die verschiedenen Verkehrsmittel, Verkehrssicherheit und Verkehrsemissionen wird deutlich, dass die positiven gegenüber den negativen Auswirkungen deutlich überwiegen. So zeigen sich bei Tempo 30 deutliche Vorteile in der Verkehrssicherheit und Verkehrsemissionen. Unter der Annahme, dass ein Vorbehaltsnetz definiert wird, halten sich die negativen Auswirkungen in Grenzen und betreffen vor allem den ÖPNV. Hier ist ein Gegensteuern durch Ausgleichsmaßnahmen möglich und nötig.

Tempo 30 als neue innerstädtische Regelgeschwindigkeit
Chance oder Gefahr für den ÖPNV? Studienarbeit
im Studiengang M.Sc. Logistik, Infrastruktur und Mobilität
, TU Hamburg, 09.09.2020

Man darf sich sicherlich nicht darüber wundern, dass der CDU-Stadtverband ausschließlich die (eventuell möglichen) negativen Aspekte von weniger Pkw-Tempo (und grundsätzlich weniger Pkw-Verkehr) in der Innenstadt nennt. Kein Wort zu den (ebenfalls möglichen und wahrscheinlichen) positiven Aspekten, obwohl diese aus wissenschaftlicher Sicht offensichtlich überwiegen und den Zielsetzungen der selbst beschlossenen Konzepte *hüstel* doch eigentlich auch viel mehr entsprechen. Seltsam. Auch kein Wort zur tatsächlichen Durchschnittsgeschwindigkeit von Pkw in Innenstädten, kein Wort zum Effekt angepasster Ampelschaltungen, zu den eigenen Modal Shift-Zielen und so weiter…

Der Nachwuchs des CDU-Stadtverbandes, die Junge Union Düren, toppt das mit einer bewussten Falschinterpretation und versuchten Öffentlichkeitstäuschung in Sachen tödliches Tempo 30. Blindlings im ideologischen Fahrwasser ihres Stadtverbandes mit schwimmend postet sie bei Facebook:


Quelle: Facebook-Seite Junge Union Düren


Während der CDU-Stadtverband noch von „wissenschaftlichen“ 25% längeren Fahrtzeiten spricht, malen die JungunionistX stattliche „bis zu 66 % längere Fahrtzeiten“ an die Wand.

System Panikmache und Desinformation

Die Zahlen der Jungen Union zum Pkw-Fahrtzeitverlust stammen mal wieder vom absolut unabhängigen ADAC und wurden offensichtlich bewusst so fehlinterpretiert, dass möglichst hohe Aufmerksamkeit erzeugt wird. Dass diese Zahlen selbst in der zugrunde liegenden „ADAC-Analyse“ ausdrücklich als absolut unrealistisch dargestellt werden und nur den theoretisch möglichen absoluten Worst Case darstellen, aber rein gar nichts mit realen Fahrtzeitverlusten zu tun haben, erwähnt der CDU-Nachwuchs bewusst nicht. Verschleierung und Falschinformation scheinen ein Prinzip „christdemokratischer“ Verkehrspolitik(propaganda) zu sein. Wahrscheinlich in Würdigung und Huldigung der aufrichtigen deutschen Dieselautomobilindustrie sowie der eigenen Ideologieabhängigkeit.

Naja, wenigstens das mit dem Erhaschen von ein wenig Aufmerksamkeit hat dank der dramatischen „66% längere Fahrtzeiten!“ fast geklappt – nur vielleicht nicht unbedingt so, wie es sich die Jung-Christdemokratlichen vorgestellt hatten. Argumentativ-inhaltlich wurde das Junge Union-Posting nämlich von den darauf folgenden Kommentaren ziemlich zerrissen und die Jung-Unionisten standen etwas sprachlos da. (In der folgenden Galerie nur ein paar meiner Reaktionen und (nicht beantworteten) Rückfragen.) Zumindest überwand sich der JU-Vorsitzende irgendwann doch noch und relativierte die lächerlichen 66% – und entblößte die peinlich plumpe Propaganda damit kleinlaut.


Dem CDU-Bundestagsabgeordneten, Vorsitzenden des CDU-Kreisverbands Düren-Jülich sowie Bundesvorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU/CSU etc, „Thomas Ra“, gefällt das jungunionistische Schauspiel trotzdem sehr gut – zumindest seinem inoffiziellen Facebook-Profil zufolge. Daumen hoch! „Eine richtige Aktion der Jungen Union.“ Danke für die versuchte Wahlvieh-Verdummung! 🥳

Quelle: Facebookseite JU Düren

Auf weitere „Argumente“ der „Christdemokraten“ gegen den Beitritt zur Städteinitiative soll (aus Gründen) nicht weiter eingegangen werden. Lassen wir zum Abschluss lieber „die Wissenschaft“ und die CDU-KollegX aus Aachen zu Wort kommen. Weitere persönliche Gedanken zu Tempo 30 in der City gibt es hier.


Geschwindigkeit runter – Lebensqualität rauf“, Dr. Ulrich Leth, Institut für Verkehrswissenschaften TU Wien

CDU-Ratsfraktion Stadt Aachen, 26.09.2019

Quellen