Hatte ich in diesem Blog eigentlich schon mal das Klimaschutz-Teilkonzept erwähnt? Ich denke ja, so ein-, zweimal… Nebenbei am Rande.

Suche nach „Klimaschutzteilkonzept“.


Irgendwie hatte ich das Klimaschutz-Teilkonzept (KSTK) der Stadt Düren schon fast wieder vergessen. Beziehungsweise meine Verwunderung darüber, dass man über die Jahre, in Zeiten von Klimawandel, Verkehrswende-Gedankenspielen, StVO-Novelle-Versuchen, Fahrradgesetz NRW-Planungen, COVID-19-Pandemie und so weiter so gut wie gar nichts mehr davon gehört oder gelesen hat.

Obwohl doch der Masterplan-Prozess in vollem Gange ist. Ich hatte eigentlich angenommen, das würde irgendwie Hand in Hand laufen und aufeinander abgestimmt sein. Das KSTK als verkehrspolitische Blaupause für den Masterplan, bei dem es ja nicht groß um Verkehr geht, der aber die gesamte Innenstadt mehr oder weniger einmal umkrempelt. Und im Rahmen dessen natürlich auch verkehrsplanerische Überlegungen eine zentrale Rolle spielen müssen, da die Straßen, Wege und öffentlichen Flächen nunmal die Adern und das Gewebe der Stadt sind. Da wäre es ja irgendwie blöd, den einen Teil des Konzeptes für eine moderne und lebenswerte Innenstadt mit Verve umzusetzen, während der andere, die Struktur und den Überbau liefernde Teil in einer Schublade verstaubt.

Zugegeben, ich habe das gesamte KSTK und die Umsetzung aller Einzelmaßnahmen daraus nicht präsent und vielleicht hat man in anderen Bereichen schon fleißig Maßnahmen umgesetzt, die mir als Radpendler entgangen sind. Ich habe halt meistens die Radfahrer-Brille auf und genehmige mir da ein wenig pedal-getriebene selektive Wahrnehmung. Man möge mir das nachsehen.

Was den Fahrradverkehr betrifft kann man definitiv nicht behaupten, dass die Maßnahmen des KSTK auch nur annähernd umgesetzt wurden (oder werden). Es sei denn, man reduziert all die schönen Dinge, die sich die Verfasser des KSTK ausgedacht haben (siehe unten) auf Schutzstreifen, Schutzstreifen und nochmal Schutzstreifen. Der städtische Schutzstreifenfetischismus der vergangenen Jahre ging so weit, dass sich die Bürgerinitiative ProRad Düren genötigt sah, (erfolglos) ein Schutzstreifen-Moratorium zu fordern.

Man darf aber vielleicht noch hoffen, dass sich mit dem Rad-Konzept, das ja bald erstellt werden soll *hüstel*, noch etwas tut, was im KSTK längst beschrieben worden ist. Aktueller Stand der Dinge ist ungefähr dieser…


Das haben wir bekommen: Fahrrad-Fördermaßnahmen seit Beschluss des KSTK…
Quelle: Stadt Düren

Das hätte sein können: Maßnahmen und Vorschläge aus dem Klimaschutz-Teilkonzept..
Quelle: Klimaschutz-Teilkonzept Stadt Düren,
Abschlussbericht

Eine etwas ausführlichere Gegenüberstellung von Theorie und Praxis hatte ich mal hier zusammengestellt.


Als Nicht-Diesel-Fahrer hatte ich die Debatte um die drohenden Fahrverbote eigentlich nur am Rande verfolgt und auch schon wieder vergessen. Die Luftverschmutzer sind ja mal wieder mit einem blauen Auge davon gekommen. Keine Fahrverbote in Düren – auch dank des Radverkehrs, der als Argument gegen Diesel-Fahrverbote herhalten musste. Denn da dieser ja intensiv gefördert wird (siehe oben), werden die Dürener (bestimmt bald!) massiv auf´s Rad umsteigen und weniger schlechte Luft produzieren. Was wiederum durch den Bau der B56n befördert wurde und wird, da erst durch diese die notwendigen innerstädtischen Pkw-Entlastungen geschaffen werden, um Radfördermaßnahmen überhaupt zu ermöglichen.

Als Radfahrer müsste man in dieser Logik eigentlich ein totaler Fan von neuen „Umgehungsstraßen“ á la B56n und B399n sein. Denn nur mit neuen Straßen kann offenbar der Pkw-Verkehr reduziert werden, um mehr Platz für´s Rad zu schaffen. Keine Sorge, das klingt nur beim ersten mal lesen paradox.

Die B56n galt schon immer als Königsweg raus aus der Luftverschmutzung. Die Prognosen gehen davon aus, dass sich der Verkehr auf der Euskirchener Straße mit der kompletten Ostumgehung um 43 Prozent verringern wird. Ob dann das derzeit geltende Lkw-Verbot und die Einspurigkeit wieder aufgehoben werden, ließ Larue am Freitag offen, schließlich sollen Euskirchener und Schoellerstraße nach der kompletten Fertigstellung der B56n auch umgestaltet werden.

Weder Dieselfahrverbote noch eine Umweltzone“, Dürener Zeitung, 28.02.2020

Dieselbe Argumentation bei der B399n: Entlastung durch Neubau. Trotz des geringen Wirksamkeitsgrades von nur 36% bei Straßenraumeffekten (s.u.) und nur „geringer“ städtebaulicher Bedeutung? (Vielleicht lese ich die Tabelle aber auch falsch.)


B399n: „geringe städtebauliche Bedeutung“.
Quelle: Projektinformationssystem (PRINS) zum Bundesverkehrswegeplan 2030,

Trotz der Bedenken der Umweltverbände, der Nord-Dürener, und der Radfahrer? Die Radfahrer wundern sich nämlich beispielsweise darüber, warum der im KSTK geforderte Radschnellweg entlang der B399n überhaupt nicht in der Planung der „Stadtautobahn“ vorkommt. Oder Rad- und Fußwege schon wieder nur eine marginale Rolle in den Planungen einer neuen Straße spielen. Obwohl man es doch laut KSTK ganz anders machen wollte. Ach nee, ich vergaß die Logik: Erst langjähriger Straßenneubau nach uraltem Muster, dann vielleicht mal irgendwann Kfz-Entlastung mit Möglichkeiten zur Fahrrad-Förderung.


Quelle: Stadt Düren

Zurück zum Dieselfahrverbot. Da war doch noch was… (Danke, Tanja, für den sachdienlichen Hinweis!)

Hat es da nicht einen Vergleich gegeben, damit die Dürener Dieselfahrer weiter die City verpesten dürfen? Nur halt nicht mehr ganz so viel? Schließlich hatten wir ja „ein wenig“ die Stickstoffdioxid-Grenzwerte gerissen, was nicht ganz so gut ist für die Leute, die in der City wohnen – insbesondere rund um den Kreisverkehr, der NRW-Top-Adresse was NO2-Werte anging.


Quelle: Oberverwaltungsgericht NRW (28.02.2020)

Dürener Vergleich für Luftreinhalteplan mit der Deutschen Umwelthilfe

Die Deutsche Umwelthilfe, das Land NRW sowie die Städte Bielefeld, Bochum, Düren, Gelsenkirchen, Hagen, Oberhausen und Paderborn haben in sieben Klage­verfahren zur Fortschreibung der jeweiligen Luftreinhaltepläne Vergleiche geschlos­sen, die konkrete Maßnahmen zur Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Stick­stoffdioxid vorsehen. Die Beteiligten haben entsprechende Vergleichsvorschläge des 8. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW angenommen. Vorausgegangen waren intensive und aufwändige Vorbereitungen der Beteiligten sowie konstruktive Ge­spräche in den Erörterungsterminen vor dem Senat am 11. und 12. Februar 2020.

In allen Verfahren sind Gesamtkonzepte unterschiedlicher Luftreinhalte­maßnahmen erarbeitet worden, mit denen eine zügige Grenzwerteinhaltung erreicht werden soll. Es sollen nicht nur kurzfristige, sondern auch mittel- und langfristige Maßnahmen zur nachhaltigen, umweltgerechten Veränderung der Verkehrssituation in den jeweiligen Städten ergriffen werden, um die Luftschadstoffbelastung kontinuierlich zu vermin­dern. Fahrverbote sehen die Vergleiche nicht vor.



Düren: Die Ortsumgehung B 56n soll bis voraussichtlich Ende 2020 fertiggestellt sein; sie wird die Euskirchener Straße entscheidend entlasten. Bis zur Eröffnung der Ortsumgehung gilt auf der Euskirchener Straße ein Lkw-Fahrverbot; ferner wurden die Fahrspuren von vier auf zwei verringert und beidseitig Tempo 30 angeordnet.

Quelle: Oberverwaltungsgericht NRW (28.02.2020)

OK, es sollen also kurz-, mittel- und langfristig Maßnahmen ergriffen werden, die zu einer nachhaltigen und umweltgerechten Veränderung der Verkehrssituation führen. Schon wieder oder immer noch? Klingt irgendwie sehr nach Klimaschutz-Teilkonzept. Im „Maßnahmenpaket Düren“, also quasi dem Ergebnis des gerichtlichen Vergleichs, wird ja auch die Umsetzung des KSTK beschrieben. Der gerichtliche Vergleich fordert also die Umsetzungen der 2015 im KSK geforderten Maßnahmen. Interessant!


Quelle: pixabay.de

Die Umsetzung des Klimaschutzteilkonzeptes „Klimafreundliche Mobilität“ in der Stadt Düren wurde im Februar 2016 einstimmig im Rat der Stadt Düren beschlossen. Auf Grundlage des Klimaschutzteilkonzeptes wurde von der Verwaltung beim Bun- desministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) (heute: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – BMU) ein Antrag zur Förderung einer Stelle für Klimaschutzmanagement gestellt.

Quelle: Oberverwaltungsgericht NRW

KSTK einstimmig beschlossen, von allen gewollt und als Grundlage akzeptiert, um die Stelle des Mobilitätsmanagers der Stadt Düren zu schaffen, der sich zukünftig insbesondere um die Umsetzung des (wie für ihn geschaffenen) KSTK kümmern soll. Ziemlich gewichtiges Ding das Klimaschutz-Teilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“.

Der Anfang 2017 eingestellte Klimaschutz- und Mobilitätsmanager ist die strategische Anlaufstelle für alle Fragen der nachhaltigen Mobilitätsentwicklung und Mobilitätsmanagement in der Kommune: Er bereitet die Umsetzung der im Konzept erarbeiteten Maßnahmen vor, begleitet diese, organisiert den Beteiligungsprozess aller relevanten Akteure und initiiert die Weiterentwicklung. Nach Ende des Förderzeitraumes wurde die Stelle seit März 2019 dauerhaft in den Stellenplan der Stadt Düren integriert.

Das Klimaschutzteilkonzept wird kontinuierlich weiter umgesetzt.

Quelle: Oberverwaltungsgericht NRW

Quelle: pixabay.de

Das KSTK wird kontinuierlich weiter umgesetzt!

Also mal kurz rekapituliert:
Die Autofahrer verpesten die Luft so stark, dass die Deutsche Umwelthilfe erfolgreich gegen die Stadt klagt und mit ihr einen gerichtlichen (verbindlichen) Vergleich schließt, der sie (unter anderem) dazu verpflichtet, das Klimaschutz-Teilkonzept kontinuierlich „weiter“ *hüstel* umzusetzen. Hierfür gab es bereits alle möglichen Fördermittel inklusive der Anschubfinanzierung einer Mobilitätsmanager-Stelle. Was für eine drastische „Strafe“ bzw. „Vergleich“! Dazu verknackt zu werden, das umzusetzen, was man eh vor vier Jahren selbst und einstimmig beschlossen hat, ist echt hart!

Die Radfahrer können sich noch lange im guten Gewissen suhlen, den Dieselfahrern indirekt das Fahrverbot zu ersparen. Dieses Gefühl wird sie bestimmt über die Durststrecke hinweg retten, die es noch braucht, bis die zugesagten Fahrradstraßen usw. tatsächlich gebaut werden. Weil: Erst neue Autostraßen planen und bauen = weniger Verkehr = mehr Platz für neue Radwege. Zum Glück haben wir Radpendler unser menschliches Maß an Geduld noch nicht im morgendlichen Auto-Stau verbraucht. Leider besitzen wir aber ein gewisses Restmaß an gesundem Menschenverstand.

Dass die Kosten des Rechtsstreits von der Beklagten, also der Stadt Düren, also uns Bürgern – egal ob Radler, Rollifahrer oder Diesel-Motorist zu tragen sind – geschenkt! Durch Pkw und deren Fahrer erzeugte Kosten zu vergesellschaften und diejenigen dafür bezahlen zu lassen, die mit Pkw gar nichts am Hut haben (wollen) ist ja ein eingeübtes Spiel und so gängige Praxis, dass dies gar nicht mehr verwundert.

Hat eigentlich mal jemand grob überschlagen, was uns der Pkw-Verkehr in Düren Jahr für Jahr so kostet. Die netten externen „Nebenkosten“, die in keinem Haushalt auftauchen und nur sehr ungerne erwähnt werden, mal mit einkalkuliert? Man rechnet und prognostiziert doch auch sonst so gerne – beispielsweise wenn es um Verkehrs-Einsparpotenziale von neu gebauten Pkw-Straßen geht. Oder wieviel von welcher Strecke man für dasselbe Geld bauen und unterhalten kann?



Und hat man sich dann mal die Frage gestellt, ob man das alles ökonomisch, ökologisch, sozial und generationen-perspektivisch noch guten Gewissens vertreten kann? So als Sozialdemokrat, Christsozialer, Liberaler-Konservativer oder was auch immer.

Es ist ja nicht so, dass uns heutzutage keine statistischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Folgen und Folgekosten des motorisierten Individualverkehrs in unseren Innenstädten zur Verfügung stünden. Und zu den Vergleichskosten alternativer Verkehrsformen. Das ließe sich ja mal gegenüberstellen und vergleichen.


Quelle: vivavelo

Das Klimaschutz-Teilkonzept hätte schon damals, als es 2014/15 erstellt wurde, das sein sollen, was es hätte sein können: Der Grundpfeiler, um den herum sich die städtische Verkehrspolitik masterplan-mäßig hätte stricken lassen können.

Wie gesagt: durch die übliche Radfahrer-Brille betrachtet bietet das KSTK viele gute Ansätze und nennt zahlreiche sinnvolle Einzelmaßnahmen, die „leicht“ zu einem zusammenhängenden Konzept geschnürt werden könnten, wenn sie nur konsequent und mutig umgesetzt würden. Wenn man also zu den eigenen Beschlüssen stünde…

Der konsequenten Umsetzung bedarf es dringend! Wenn uns Verkehrswende, Klimaschutz, lebenswerte Stadt etc. wirklich wichtig sind. Denn es wird bestimmt nicht ausreichen, wieder nur an ein paar kleinen Stellschrauben zu drehen und billige Goodies an die Gepeinigten – äh, Beteiligten zu verteilen. Hier mal ein überdachter Fahrradstellplatz als Wohlfühl-Faktor, dort mal ein Trixi-Spiegel als Sicherheit vor rechts abbiegenden Lkw… Eigentlich ist es eher Viertel nach als fünf vor zwölf, also sollte mal langsam mit der Umsetzung des KSTK begonnen werden. Schutzstreifen ausgenommen.

Aber wie heißt es aus der Leitungsebene des zuständigen Tiefbauamtes – sinngemäß, kurz bevor das OVG seine Pressemitteilung zum Vergleich mit der Stadt veröffentlichte?

„Klimaschutz-Teilkon…- was? Ach so, das…
Das war doch nur ein Brainstorming, eine Art Ideensammlung, die nie wirklich beschlossen wurde, geschweige denn jemals umgesetzt werden sollte.“

Deshalb wohl auch der nur grundsätzliche“ Beschluss im Stadtrat – um noch irgendwie eine Hintertür zur Flucht aus dem KSTK zu haben? Diese Hintertür hat das Oberverwaltungsgericht im Februar endgültig geschlossen. Es darf/muss jetzt also endlich umgesetzt werden, was schon längst beschlossen ist:

Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ in Düren

Erweiterter Beschlussvorschlag zur Vorlage (wie im Haupt- und Personalausschuss) :

Das anliegende Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ wird im Grundsatz beschlossen. Das Klimaschutzteilkonzept dient als Grundlage für weitere Maßnahmen und Aktivitäten der Stadt Düren im Bereich der klimafreundlichen Verkehrsentwicklung.

Beratungsergebnis über diesen erweiterten Beschlussvorschlag zur Vorlage:

Einstimmig beschlossen

Quelle: Ratsinformationssystem Stadt Düren

Quelle: Stadt Düren

Ein Blick noch ein paar weitere Jahre zurück:
2009 wird ein Stickstoffdioxid-Wert von 74 μg/m3 an der Euskirchener Straße gemessen (Jahres-Mittelwert). Es ist klar, dass etwas unternommen werden muss, da dieser Wert fast doppelt so hoch ist wie der zulässige Grenzwert von 40 μg/m3 plus (damals noch) 2 μg/m3 Toleranzmarge.

Schon da hätte man auf die Idee kommen können, die durch Kfz erzeugte Verkehrs- und Umweltbelastung dadurch zu verringern, dass man die Anzahl der Pkw in der Innenstadt reduziert. Zum Beispiel durch das Wegnehmen von Fahrspuren, den massiven Ausbau von ÖPNV- und Radverkehr… Ich will jetzt nicht schon wieder die ganzen Push-&Pull-Möglichkeiten aufzählen, die einer Kommune da so zur Verfügung stehen.

Es wurden ein Luftreinhalteplan und ein Lärmaktionsplan entwickelt.

Spätestens 2013 war klar, „dass es angesichts der massiven Überschreitungen des Stickstoffdioxid-Grenzwertes durch den Verkehr das vorrangige Ziel des Luftreinhalteplans Düren sein (muss), dass der Fahrzeugverkehr in der Innenstadt von der absoluten Zahl her deutlich reduziert wird.“ (Luftreinhalteplan 2013) Es wurden auch ziemlich konkrete Ziele und Maßnahmen benannt:

  • Klare Zielvorgaben für die weitere Förderung des Radverkehrs definieren und zeitlich festlegen, um diese überprüfbar zu machen.
  • Ein Maßnahmenplan Radverkehr nach dem Vorbild Aachen muss kurzfristig erstellt und bis 2015 umgesetzt sein.
  • Lücken im Radverkehrsnetz an Hauptstraßen müssen durch die Einrichtung von Radfahrstreifen und Schutzstreifen unter Einhaltung der ERA 2010 geschlossen werden.
  • Die Radwegsbenutzungspflicht innerorts ist aufzuheben, da gefährlicher als das Radeln auf der Straße.
  • Vorhandene Radwege und Radfahrstreifen sind konsequent von parkenden Fahrzeugen, Mülltonnen und anderen Hindernissen sowie im Winter von Eis und Schnee freizuhalten.
  • Nutzung als Lagerfläche für Baustellen unterbinden.
  • Förderung des Radverkehrs findet hauptsächlich durch Angebotsstreifen statt, die regelmäßig zugeparkt sind, Ausnahme die Tivolikreuzung, die wirklich gut geregelt ist.
  • Für Radnutzung durch breit angelegte Imagekampagnen werben.
  • Konsequente Förderung des Radverkehrs (auch E-bikes), die sich nicht auf den Bau von Schutzstreifen bzw. Radwegen beschränkt, sondern insgesamt dem Radverkehr Vorrang und Sicherheit einräumt.

All dies ist dann in das Klimaschutz-Teilkonzept eingeflossen und bildet mit weiteren dort beschriebenen Maßnahmen die Dürener Radverkehrsförderung ab. Hört sich alles erstmal ganz gut an und liest sich auf dem Papier echt gar nicht mal so schlecht. Das Problem dabei: Heute ist Mitte 2020 und wenn man sich so anschaut, welche und wie viele von den erst 2013 und dann nochmal 2014/15 beschlossenen Radfahr-Fördermaßnahmen umgesetzt wurden, lässt einen das ein wenig zweifeln…

  • Klare Zielvorgaben inhaltlich und zeitlich definieren, um sie evaluieren zu können: Naja, im KSTK gab es zwar mal einen Anlauf, den Modal Split zu erfassen. Danach hat man sich aber anscheinend nicht weiter darum gekümmert. Es wurden auch mal Ziele in den Raum gestellt wie 1 Prozent weniger Pkw in der Stadt pro Jahr, aber meine diesbezüglichen Nachfragen laufen leider ins Leere. Keine Zahlen da, Evaluation abgeschlossen. Fahrradfreundliche Verkehrsplaner wie Sjors van Duren sagen, man braucht einen nachvollziehbaren 1-, 5- und 10-Jahres-Plan und eine „Vision“ davon, wo es konkret hingehen soll. Sehe ich nicht…
  • Maßnahmenplan Radverkehr nach Aachener Vorbild? Erstellt und umgesetzt bis 2015? Noch nie davon gehört… Vielleicht ist damit das Radverkehrskonzept (Vorrangroutennetz) gemeint, das ja bald *Blick auf Kalender* kommen soll?
  • Lücken im Radverkehrsnetz unter Einhaltung der ERA 2010 schließen? ERA 2010? Ist das nicht der Wisch, der den Standard von Schutzstreifen-Breiten etc. festschreibt? Ist man gerade (August 2020) nicht dabei, die nicht ERA-konformen Schutz- und Mehrzweckstreifen wieder wegzurubbeln, die die ganze Zeit aufgepinselt wurden? Und wie sieht es mit der ERA 2010-Konformität bei B399n und Co. aus?
  • Die Radwegebenutzungspflicht wurde tatsächlich an verschiedenen Stellen aufgehoben. War auch nötig, da so mancher „Radweg“ einfach in desolatem Zustand war/ist. Leider ist bei vielen Motorisierten allerdings noch nicht angekommen, dass Radfahrer tatsächlich auch auf der Straße fahren dürfen. Sogar Busfahrer, die jeden Tag ihres Berufslebens 1000 mal am ZOB entlang fahren, wissen teilweise nicht, dass ich dort NICHT auf dem Radweg fahren muss. Letztens meinte einer, den ich angesprochen habe, nachdem er meinte, mich anhupen zu müssen: „Echt? Das muss ich mir aber mal angucken.“ Ja, die Straßenschilder und Regeln nach denen man seinen Job mit einem tonnenschweren Gerät im öffentlichen Raum verrichtet, sollte man sich vielleicht bei Gelegenheit „mal angucken“.
  • Radwege sind konsequent von Falschparkern, Mülltonnen etc. frei zu halten? LOL! Absoluter Fail! Dazu sage ich gar nicht mehr, weil ich mir an dem Thema schon genug die Finger wund getippt habe. Siehe hier.
  • Nutzung Lagerfläche Baustelle: Ist mir jetzt nichts großartig zu aufgefallen, was mich gestört hätte. Allerdings muss man zum Baustellenmanagement aus Radfahrersicht leider immer noch sagen, dass dies großes Verbesserungspotenzial birgt. Obwohl oder weil die meisten Baustellen für den Pkw-Verkehr betrieben werden müssen, werden Radfahrer gerne in der Planung vergessen – wenn es bspw. um Beschilderung oder sichere Umleitungen geht.
  • Förderung des Radverkehrs hauptsächlich durch Angebotsstreifen? Ich lese das als Kritik in Zusammenhang mit dem letzten Punkt:
  • Dem Radverkehr insgesamt Vorrang und Sicherheit einräumen. Nicht auf auf den Bau von Radwegen und Schutzstreifen beschränken: Wenn denn wirklich in erklecklichem Umfang echte, separierte, ERA 2010-konforme Radwege gebaut würden! Wie vielfach (siehe auch oben) beschrieben beschränkt sich das Maßnahmenpaket zur Förderung des Dürener Radverkehrs fast ausschließlich auf Schutzstreifen. Genau das sollte nicht sein! Und die E-Bikes? OK, die haben ein-zwei Ladestationen bekommen, dafür bspw. mit der B56n aber auch einige unappetitliche Kröten schlucken müssen.
  • Und die Öffentlichkeitsarbeit? Breit angelegte Imagekampagnen? Die seit Jahren laufen? LOL! Irgendwo in dem ganzen Wust aus Lärmaktionsplan, Luftreinehalteplan, KSTK etc. habe ich nochmal vom Aktionstag „In die Stadt ohne mein Auto“ gelesen. Der ist dann irgendwann abgesagt worden, weil er der Stadt wohl doch nicht mehr wichtig genug war (oder keinen Platz mehr in der breit angelegten Imagekampagne fand oder sich die Einzelhändler über Einnahmeeinbußen beschwert haben…).
    Die breite Imagekampagne der Stadt besteht seit Jahren, so wie ich sie wahrnehme, allein aus dem Franchising „Stadtradeln“. Eigene Ideen? Fehlanzeige… Von unserem Fahrradbeauftragten bekomme ich diesbezüglich auch ziemlich wenig mit. OK, da war mal eine kleine Aufkleber-Aktion zu 1.5m Mindestabstand. Die verlief aber komplett im Sande, weil die Abstände gar nicht kontrolliert werden.

Schnell wieder in Vergessenheit geraten:
Die „Kampagne“ zum Mindest-Überholabstand.

..die total effektive Pro-Rad-PR-Plakat-Aktion des Kreises nicht zu vergessen.

Übrigens: Auch im Lärmaktionsplan für die Stadt Düren wird explizit auf das KSTK Bezug genommen.

Evaluation Förderung umweltfreundlicher Verkehrsarten

Die bisherigen Maßnahmen führen in einzelnen Abschnitten zu einer Lärmreduzierung, sie können aber nicht oder nur sehr langfristig auf alle Überschreitungsbereiche ausgedehnt werden. Aufgrund des stadtweiten Problems ist es daher erforderlich, ganzstädtisch zu agieren und den motorisierten Verkehr insgesamt zu reduzieren. Dies geschieht auch weiterhin durch die Förderung des Umweltverbundes.

Maßnahmen zur Förderung des Umweltverbundes dienen nicht nur der Lärmreduzierung, sondern auch der Reduzierung von Luftschadstoffen und dem Klimaschutz. Die Stadt Düren hat daher 2014/15 ein Klimaschutzteilkonzept Mobilität aufgestellt.

Das klimafreundliche Mobilitätskonzept zielt darauf ab, die verkehrsbedingten Treibhausgas- Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig die Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen nachhaltig zu sichern. Das Ziel der Stadt Düren ist es, die Verkehrsmittelwahl zu Gunsten des Umweltverbunds zu verändern und dabei insbesondere die Erreichbarkeit der Innenstadt sowie die Verbindung zwischen den Stadtteilen für den Umweltverbund zu verbessern.

Gegenstand des klimafreundlichen Mobilitätskonzepts für die Stadt Düren sind zunächst alle Verkehrsarten. Besondere Schwerpunkte gelten aufgrund der Stadtstruktur („Stadt der kurzen Wege“) jedoch der Stärkung des Fuß- und Fahrradverkehrs. Das Konzept enthält konkrete Maßnahmenvorschläge, grobe Kostenschätzungen sowie eine Priorisierung der einzelnen Maßnahmen. Im Rahmen des Konzeptes wurde bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung des Umweltverbundes umgesetzt (siehe Tabelle 6).

Quelle: Lärmaktionsplan Stufe 3 für die Stadt Düren

Quelle: Lärmaktionsplan Stufe 3 für die Stadt Düren

So, was habe ich noch vergessen? Ach ja, da ist ja auch noch der Gree􏰀n City Masterpla􏰀n für die Gestaltun􏰀g nac􏰁hhaltiger un􏰀d 􏰂emissio􏰀nsfreier Mo􏰃bilität in der Stadt Düren.


Quelle: Green City Masterplan Düren

Auch hier werden wieder diverse Maßnahmen genannt, die unsere Stadt sauberer und lebenswerter machen sollen – sprich zu weniger Kfz-Verkehr führen sollen. Beispielsweise:

Maßnahmen zur Mobilitätsbildung / Schulisches Mobilitätsmanagement

  • Schwerpunkt klimafreundliche Schulwege:
    Erarbeitung eines Konzeptansatzes zur Reduzierung des Hol- und Bringverkehrs.
  • Aufbau von Elternhaltestellen.
  • Öffentlichkeitsarbeit und professionelle Prozessunterstützung bei der Umsetzung von Maßnahmen für die Förderung des Umweltverbundes.
  • Entwicklung einer Dachmarke für Nachhaltige Mobilität.

Das ist bestimmt schon alles erledigt.

Und selbstverständlich spielt auch beim Green City Masterplan das Klimaschutz-Teilkonzept eine zentrale Rolle. Es sollte sogar ein eigener Umsetzungsplan dafür erarbeitet werden, damit die Maßnahmen auch wirklich konsequent umgesetzt werden. (Ist bestimmt auch schon erledigt.)

Es wird empfohlen, die im KSTKM dargestellten Einzelmaßnahmen in einen Umsetzungsplan zu überführen und diesen in den kommenden Jahren konsequent zu verfolgen.

Radverkehr (Steckbrief)

Grundsätzlich gibt es sehr viele Möglichkeiten zur Förderung des Radverkehrs in Düren. Ne- ben den bereits laufenden bzw. kurzfristig geplanten Maßnahmen bezüglich der Schutzstrei- fenmarkierungen und Fahrradabstellanlagen sind hier insbesondere die Möglichkeiten zu Radschnellwegen und einem kreisweiten Pedelec- bzw. Fahrradverleihsystem genannt. Dar- über hinaus wird auf die Maßnahmen und Vorschläge zum Radverkehr aus dem Klima- schutzteilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ verwiesen.

Gemäß Klimaschutzteilkonzept sollen die im Konzept aufgezeigten Maßnahmen zu einer Stärkung des Radverkehrs im Dürener Stadtgebiet führen. Bis 2025 soll der Anteil des Modal Splits im Radverkehr gemäß KSTK von 10 % (2014) auf 15 % gesteigert werden.

Quelle: Green City Masterplan Düren

Nochmal abschließend zusammengefasst:

Das Klimaschutz-Teilkonzept – Klimafreundliche Mobilität in Düren ist zweifellos der große verkehrspolitische Masterplan, mit dessen Hilfe – überspitzt gesagt – alle verkehrsbezogenen Probleme der Gegenwart und Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden sollen. Mit dessen Hilfe werden Diesel-Fahrverbote verhindert, werden Lärm- und Schadstoffbelastungen reduziert, werden weniger Verkehrstote und -verletzte zu beklagen sein, wird ein breites Bewusstsein für die dringende Notwendigkeit der Verkehrswende erzeugt und werden jede Menge Dürener zum Umstieg vom Pkw auf´s Rad motiviert…

Keine Ahnung, warum uns noch niemand „Modell-Kommune“ oder „Vorzeige-Stadt“ nennt, bei all dem, was wir für den Radverkehr und die Verkehrswende unternehmen. Stattdessen kommen irgendwelche besserwisserischen Niederländer daher und erzählen uns, Düren sähe radverkehrsmäßig aus wie Amsterdam in den 1970er Jahren. Hallo? Hat der unser Schutz- und Mehrzweckstreifen-Infrastruktur-Konzept nicht verstanden?

Aber mal ernsthaft…
Wenn das KSTK die zentrale, tragende Rolle spielen soll, die es offensichtlich im städtischen Klima-Lärm-Luft-Verkehrs-Konzept-Orchester innehat, dann muss erlaubt sein, nachzufragen…

  • Ob es mit der „besonderen Förderung des Radverkehrs“, von der überall die Rede ist, wirklich so weit her ist oder ob nicht vielleicht immer noch in alten Mustern „vom Pkw aus“ gedacht, geplant und gehandelt wird? Die Diskrepanz zwischen den Maßnahmen aus dem KSTK und den tatsächlichen Maßnahmen seit dessen Beschluss ist ja ziemlich frappierend.
  • Ob es an entscheidenden Stellen nicht an einer entsprechenden Haltung zur „Verkehrswende“ mangelt? Dies ließe sich als Erklärung für das Nicht-Umsetzen des KSTK heranziehen. Und könnte endlich mal Klarheit schaffen: Wollen wir nun eigentlich wirklich oder nicht? Gegebenenfalls könnte man sich die ganze Konzepterstellerei sparen…
  • Warum eigentlich fast nur Schutzstreifen gepinselt wurden, anstatt wirkliche Infrastrukturen zu schaffen? Es wurde doch deutlich darauf hingewiesen, dass man sich gerade nicht auf Schutzstreifen konzentrieren solle. Einfach nur, weil´s billig ist und irgendwie nach „Radfahr-Förderung“ aussieht?
  • Wann denn endlich und ob überhaupt noch mit der Umsetzung der vielen anderen Maßnahmen zu rechnen ist? Diese reichen von simplen Dingen, die schon längst hätten geschehen können (Freigabe Einbahnstraßen, Mal ein Haltegriff an einer Ampel, ein Grün-Abbiegepfeil für Radler…) bis hin zu großen Versprechen, die noch immer nicht eingelöst wurden (bspw. Umverteilung des Straßenraums, Fahrradstraßen, ausreichend überdachte Abstellmöglichkeiten…).
  • Warum die „besondere Förderung des Radverkehrs“ immer wieder ignoriert bzw. ad absurdum geführt wird, indem gute Maßnahmen auch bei „aktuellen“ Projekten wie der B56n und der B399n partout nicht umgesetzt werden, obwohl sie beschlossen wurden und angeblich allerseits erwünscht sind?
  • Warum es keine (Zwischen-) Evaluation der im KSTK beschriebenen Maßnahmen und Zielwerte gibt – bspw. bzgl. des Modal Splits?
  • …?

Leider scheint es noch immer so zu sein, wie ein SPD-Mann es einschätzte:

Politisch gesehen, ist das Fahrrad das am meisten unterschätzte Verkehrsmittel.

Kurt Bodewig, SPD-Politiker, *1955

Zum Weiterlesen: