Düren. Es geht ums Ganze: Tod oder Überleben des innerstädtischen Einzelhandels.
Es droht sogar die unmittelbar bevorstehende, unwiderrufliche und mindestens komplette Zerstörung des innerstädtischen Lebens! Zumindest falls man der/dem „Interessengemeinschaft“ City Düren e.V. und dem hiesigen CDU-Stadtverband Glauben schenken mag…
Was ist denn da los? Wovor haben IG City & CDU so viel Angst? Warum dieser Alarmismus, die ganzen Plakate in der City, der mediale Aufschrei und das angekündigte Bürgerbegehren? Was könnte das innerstädtische Leben mit einem Handstreich auslöschen? Warenhaus-Insolvenzen? Flut- oder Hitze-Katastrophen? Pandemische Lockdowns? Eine russische Invasion?
Die heilige Kuh der CDU!
Nö. Wir sprechen über 15 Parkplätze. Die sollen nämlich zur Fußgängerzone umfunktioniert werden.
Fußgängerzone Weierstraße; Antrag der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Bunte und Bürger für Düren, Ratsinformationssystem Stadt Düren
Fußgängerzonen? Sind das nicht die Dinger, die wir mal das „goldene Pflaster“ der Innenstädte genannt haben? Wurden die nicht mal erdacht, um dem Handel mehr Platz in den Innenstädten zu schaffen? Und jetzt sollen sie für deren Niedergang verantwortlich sein? Seltsam. Das ist bestimmt ein ganz neues Phänomen, das uns eiskalt ohne jede Vorwarnung erwischt hat – so wie das lästige Klima- und Umwelt-Gedöns.
Zum Glück gibt´s noch christliche Parteien, denen die Bewahrung der (Wert)schöpfung wichtig ist, und innovative Interessengemeinschaften, die sich für die Überlebensqualität ihrer Städte engagieren. Die haben eine ebenso simple wie einleuchtende Formel entwickelt, mit der sich unsere verwahrlosenden Innenstädte vielleicht doch noch retten lassen:
Mehr Parkplätze = mehr Pkw-Verkehr = bessere Erreichbarkeit der Innenstadt = astreine Aufenthaltsqualität = immer mehr Handel, Gastronomie, Dienstleistung, Entertainment & Co = immer innovativere Unternehmen = immer mehr Umsätze = immer mehr Arbeitsplätze = immer mehr Kaufkraft = immer mehr Nachfrage = immer mehr Angebote = immer mehr Steuereinnahmen = prosperierende kommunale Haushalte = die absolut lebenswerteste Stadt, die man sich vorstellen kann!
Eigentlich sind Parkplätze das einzige Mittel, um unseren maximal-attraktiven, inhabergeführten lokalen Einzelhandel heute und morgen noch vor all diesen fiesen, die Innenstadt zerstörenden Fußgängerzonen zu schützen! Und Parkplätze sind natürlich auch die einzige Maßnahme, mit der sich innerstädtische Erreichbarkeit, Sicherheit sowie Barrierefreiheit heute und in Zukunft gewährleisten lässt. Je mehr Parkplätze, desto besser für alle!
Das Problem dabei: Immer mehr und immer größere Autos brauchen irgendwie auch immer mehr Platz. Und unsere dummen Innenstädte wachsen einfach nicht mit.
Folgerichtig gibt es immer zu wenige Parkplätze, solange es nie zu viele Autos in den Innenstädten gibt.
Das ist sozusagen der kategorische Imperativ jeglicher Innenstadt-Entwicklungs-Perspektiven. Welch abstruse Idee, unter solchen Voraussetzungen innerstädtische Parkplätze abbauen zu wollen. Wer denkt sich so etwas aus? Das können doch wohl nur die üblichen verdächtigen Verkehrswende-Ideologen sein, die sich (und uns) in NRW zur Steigerung des Radverkehrsanteils am Modal Split auf 25 Prozent verpflichten und im Bund beantragen, den Nationalen Radverkehrsplan umzusetzen. Wohlwissend, dass das nichts Gutes für den innerstädtischen MIV-Flächenfraß inklusive seiner Parkplatz-Bedürfnisse haben kann. Die wollen sogar ein „Fahrradland“ aus unserem bisherigen Autoland machen und postulieren so Sachen wie: „Der öffentliche Verkehr, der Schienenverkehr und der Radverkehr sind das Rückgrat der zukünftigen nachhaltigen und vernetzten Mobilität.“ Die totale Verkehrs-Umerziehung! Die sind sich noch nicht mal zu schade, sich andauernd selbst der Einführung des ersten Fahrradgesetzes in einem Flächenland zu rühmen. Unfassbar!
Bei uns in Düren wollen die sogar eine neue Fahrradbrücke über die Rur bauen – ein Millionen-Projekt ausschließlich für die fiktiven Radfahrer, die es hier überhaupt nicht gibt. Außerdem kämpfen die für sichere, separierte Radwege, die Unmengen kosten würden und gar keinen Platz für den heilsamen Pkw-Verkehr ließen. Die wollen dafür sogar eine neue Umgehungsstraße mitten durch die Stadt bauen, die den Pkw-Verkehr mitten aus der Stadt heraus ziehen soll. Zur Innenstadt-Entlastung und Förderung des fiktiven Radverkehrs. Das ist doch paradox.Wer beschließt denn sowas?
Die Schuld am Niedergang der Dürener City…
…ist auf gar keinen Fall bei denen zu suchen, deren originäre Aufgabe die positive Entwicklung der Innenstadt ist: CityMa e.V. Düren, Wirtschaftsförderungsgesellschaft WIN.DN, Interessengemeinschaft Düren City e.V., Handelsverband Nordrhein-Westfalen Aachen – Düren – Köln, privat-kommerzielle Anbieter wie NETZWERK.city, städtische Ausschüsse, Verwaltung, Klüngel, Bürgerschaft etc… Ihnen kann man nun wirklich nicht vorwerfen, sich gegen den Heil bringenden Pkw-Verkehr oder gegen die problemlösenden Innenstadt-Parkplätze zu engagieren. Ganz im Gegenteil. Und trotzdem geht alles den Bach runter.
Wie ist das möglich – trotz all der Bemühungen zur Re-Attraktivierung der Innenstadt inkl. großem Innenstadt-Masterplan? Trotz SUV-gerechter Verbreiterung der Parktaschen in der unteren Weierstraße. Trotz Attraktivierung des Parkplatzangebots durch neue Bezahl-Methoden. Trotz Rücknahme der drohenden Parkgebührenerhöhung…
Im Zweifel sind in Düren natürlich immer die Radfahrer schuld. Beziehungsweise die, die sich in irgendeiner Form für bessere Radwege, Fußwege, barrierefreien ÖPNV oder Ähnliches engagieren. Oder für asoziale Fußgängerzonen. Und wenn dieses Engagement auch noch bedeutet, dass der Pkw-Verkehr dadurch irgendwie negativ beeinflusst werden könnte, dann ist sofort klar: Hier kann es sich nur um radikale Umweltverbund-Öko-Terroristen handeln, die (mindestens) den kommunistischen Umsturz durch die sogenannte Verkehrswende erzwingen wollen. Immer dieser Verkehrswende-Umerziehungs-Verbots-Wahnsinn, der gesellschaftlich längst geächtet ist und den überhaupt niemand haben will. Schreckliche Sache… Für radpendelnde Blogger ist das ohne einen Schluck aus der E-Fuel-Trinkflasche alles kaum noch zu ertragen. Prost!
Stand der Dinge
Zurück zur Weierstraße und zum aktuellen Stand der Dinge. Nachdem „mehrere Gespräche mit Geschäftsleuten, Marktbeschickern und Gastronomen stattgefunden haben“, hat die Koalition Zukunft ihren Fußgängerzonen-Plan in ein zeitlich befristetes „Real-Labor“ umgemodelt, das mindestens so gut evaluiert werden soll wie das Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundliche Mobilität in Düren“ oder das Trixie-Spiegel-Projekt. Erst anschließend soll dann entschieden werden, was überhaupt mit der Weierstraße passieren soll – oder auch nicht.
Der Ergänzungsantrag in voller Länge:
Ergänzungsantrag gemäß §3 der Geschäftsordnung zu Vorlage 2023-0051 (Fußgängerzone Weierstraße;)
Sehr geehrte Damen und Herrn,
nachdem mehrere Gespräche mit Geschäftsleuten, Marktbeschickern und Gastronomen stattgefunden haben, möchten wir unseren Antrag wie folgt konkretisieren:
Die Verwaltung wird beauftragt, befristet bis Ende Oktober 2023 in der Weierstraße ein Reallabor mit dem Ziel durchzuführen, Erkenntnisse zur bedarfsorientierten Nutzung der öffentlichen Verkehrsflächen zu generieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen evaluiert werden, so dass nach den Herbstferien 2023 über das weitere Vorgehen beraten werden kann.
Zur Präzisierung der Ausgestaltung des Reallabors und der zu evaluierenden Faktoren soll zeitnah ein Termin mit Anliegern, Vertretern der Marktbeschicker, desSeniorenrates, der CityMa [und ggfs gewünschte Erweiterungen des Teilnehmersinnenkreises], z.B. als erweiterte Sitzung des Mobilitätsforums, stattfinden.Bereits ietzt wird darauf hingewiesen, dass auf jeden Fall komfortable Behindertenparkplätze ebenso berücksichtigt werden sollen wie die Einrichtung einer an den örtlichen Bedürfnissen ausgerichteten Ladezone. Anregungen der Gewerbetreibenden aufgreifend sollte geprüft werden, ob bis zum Marktplatz (Wendeanlage) die Lieferzeit für den Zeitraum bis Mitternacht erweitert werden kann, so dass Mitarbeiterinnen und Gäste direkt am Markt abgeholt werden können.
Ebenfalls sollte geprüft werden, ob zeitnah die Parkdauer einiger Parkplätze der westlichen Weierstraße (kurz vor der Ecke Wilhelmstraße) auf 30 Minutenverkürzt werden können, um den Wunsch der Marktbeschicker nach einer höheren Wechselrate auf den Parkplätzen zu erfüllen.
Ergänzungsantrag gemäß $3 der Geschäftsordnung zu Vorlage 2023-0051
Eingereicht wurde der Antrag einen Tag vor der Sitzung des Mobilitäts- und Klimaschutz-Ausschusses. Trotz dieses kurzfristigen Kompromiss-Angebots kündigte die IG City – unterstützt vom CDU-Stadtverband – umgehend Widerstand per Bürgerbegehren an. So war es ja bereits zuvor angedroht worden. Am folgenden Tag war also in der Zeitung zu lesen:
Denn, so wird IG City-Vorsitzender Ulf Minartz zitiert: „Wenn die obere Weierstraße zur Fußgängerzone wird, ist sie tot.“ Das hätten die Erfahrungen gezeigt, die man während der Stadtfeste gesammelt habe, während derer die Weierstraße bereits regelmäßig (einmal pro Jahr) für den Pkw-Verkehr gesperrt werde.
Versachlichung
Der nahende Tod der Weierstraße und des innerstädtischen Lebens wegen etwas mehr Fußgängerzone statt Parkplätze? Oooookay… Schon wieder oder immer noch? Wie viele Geschäfte sind eigentlich nochmal wegen des pösen Fahrradstellplatzes (ohne Überdachung) und der paar Carsharing-Parkplätze (um die Ecke) „gestorben“?
Dafür, dass ihr schon damals (2016) der Tod vorhergesagt wurde, hält sich die Weierstraße doch recht wacker. Man hört sogar Gerüchte, nach denen auf dem todbringenden Fahrradstellplatz mal ein Fahrrad geparkt wurde. Es soll sogar mal beobachtet worden sein, wie ein dort parkender Radfahrer in ein anliegendes Geschäft gegangen ist.
„Vitale Innenstadt“ oder „Anti-Auto-Kampf“?
Ein Haupt-Argument und tragendes Plakat-Design-Element der Parkplatz-Lobby ist eine INSA-Umfrage, die herausgefunden haben will, dass 67% der Deutschen (und 63% der Grünen-Wähler) gegen die Reduzierung von Pkw-Parkplätzen an ihren Wohnorten seien.
Von wem wurde die Umfrage eigentlich in Auftrag gegeben?
Gibt es irgendwo Einsicht in das Umfrage-Design oder muss man befürchten, dass schon die Fragestellungen und die Auswahl der Befragten in eine Richtung tendieren, die sich letztendlich in der obigen Überschrift des Auftraggebers wiederfindet?
Wer sind eigentlich die Zahlenmacher dieses INSA-Meinungsinstituts, das sich laut links-rot-grün-versiffter ZEIT Online „im postfaktischen Umfeld“ bewegt?
Haben es IG City und CDU wirklich nötig, sich auf eine BILD-beauftragte Umfrage durch ein fragwürdiges Institut mit Nähe zur AfD zu berufen? Gibt es keine besseren Daten- und Argumentations-Grundlagen, die vielleicht auch etwas mehr über die lokalen Gegebenheiten bei uns in Düren aussagen könnten? Und vielleicht auch zur Versachlichung der Debatte beitragen würden?
Da war doch mal was… Was ist eigentlich mit den Ergebnissen von
passiert, bei der wir mitmachen? Können wir uns die (finanziell oder politisch) etwa nicht leisten? Oder wurden die einfach nicht öffentlich kommuniziert und werden nur hervorgeholt, wenn es politisch opportun erscheint? Welche Rolle spielt die Studie in der aktuellen Debatte um Weierstraße und innerstädtische Parkplätze?
Ist die Stadt Düren da etwa gar nicht mehr dabei? Sonst müsste man ja annehmen, dass uns da eine fragwürdige BILD-INSA-Umfrage ohne jeglichen lokalen Bezug untergejubelt werden soll, obwohl es eine lokale Langzeituntersuchung zur „Vitalen Innenstadt Düren“ des offenbar renommierten IFH Köln gibt.
Die aktuellen Ergebnisse der Studie wären doch mal interessant. Muss man vielleicht mal bei der CityMa nachfragen.
Nachtrag (Mail an CityMa):
Sehr geehrte Damen und Herren,
können Sie mir sagen, ob die Stadt Düren noch Teil der Studie „Vitale Innenstädte“ des IFH Köln ist und ob die bisherigen Studien-Ergebnisse zugänglich sind?
Mit freundlichen Grüßen…
Eine kurze Suche bringt nur ein paar Hinweise auf ein paar Ergebnisse aus 2014:
An einem Donnerstag und einem Samstag im vergangenen September wurden zeitgleich in Düren und 61 weiteren Städten rund 33.000 Innenstadtbesucher zu Fragen der Attraktivität der Innenstadt und zu ihren Ansprüchen an den Einzelhandelsstandort befragt, in Düren waren es 550.
Das Ergebnis: Mit einer Gesamtnote von 3,4 schnitt Düren im Vergleich mit elf weiteren Städten zwischen 50.000 und 100.000 Besuchern unterdurchschnittlich (2,7) ab.
Verbesserte Innenstadt: Handel und Online-Shopping verzahnen,
Verbesserungsbedarf sahen die Befragten vor allem beim Ambiente und beim Erlebnischarakter der Innenstadt. Aspekte, die zum Teil im Zuge des Masterplan-Prozesses bereits mit der geplanten Umgestaltung von Markt- und Kaiserplatz, aber auch der Kölnstraße aufgegriffen werden.
Nichtsdestotrotz wollen Einzelhandel und Politik das zentrale Thema Attraktivitätssteigerung jetzt noch einmal intensiv beleuchten, denn mehr als ein Drittel der Kunden kann sich auch vorstellen, an anderen Standorten einzukaufen.
Quelle: Dürener Zeitung, 02.03.2015
Die Dürener Beteiligung an der Studie scheint noch einigermaßen aktuell zu sein. Auf der Website des IFH wird Düren zumindest für 2020 noch als Teilnehmer-Stadt gelistet. Auch Radio Rur berichtete von der Umfrage 2020:
Neue Studie für Dürener Innenstadt
Quelle: Radio Rur, 08.10.2020
In der Dürener Innenstadt werden Donnerstag und Samstag die Passanten befragt. Das Düren City-Marketing macht bei einer Studie mit.
Ein Marktforschungsinstitut macht quasi so eine Art EKG für die Innenstädte. Die Passanten sollen sagen, wie attraktiv sie den Handel in der Innenstadt finden und was sie von der Dürener Innenstadt erwarten. Am Ende können die Dürener Schulnoten verteilen. Das wird dann in der Studie „Vitale Innenstädte 2020“ verarbeitet. Zentrale Frage ist für die Innenstädte, wie sich trotz des stark wachsenden Online-Handels behaupten können. Außerdem macht die Corona-Pandemie immer mehr Geschäften zu schaffen – das könnte mittelfristig auch Folgen für die Innenstadt haben.
Welche Rolle spielt eigentlich der/die Cityma e.V. bei der ganzen Sache? Hatte der für Stadtmarketing zuständige „gemeinnützige Verein“ nicht schon 2014 die Beteiligung Dürens an der Untersuchung „Vitale Innenstädte“ in die Wege geleitet? Wie wurde/wird weiter mit den Daten verfahren und warum meldet soch die CityMa nicht zu Wort, wenn die IG City mit billigen BILD-INSA-Umfragen in die Öffentlichkeit geht?
Könnte es hinsichtlich einer Versachlichung der Debatte rund um die Weierstraße (und weitere Maßnahmen im Rahmen der beschlossenen Mobilitätswende) nicht sowieso hilfreich sein, sich die aktuellen und Zeitreihen-Ergebnisse der „Vitale Innenstädte“-Studie mal anzuschauen und sie – soweit das lizenzrechtlich möglich ist – zu veröffentlichen? Das wären doch auch mit Blick auf den Masterplan Innenstadt ziemlich interessante Daten.
Alles nur wegen des blöden Radverkehrs!
Interessant an der Diskussion rund um die Weierstraße und die bald zu befürchtenden Leerstände ist diesmal – noch mehr als beim 2016er-Aufschrei – die Rolle der „Radfahrer“ bzw. des Radverkehrs. Damals ging es immerhin noch um ein paar Fahrradstellplätze, die ein paar Pkw-Parkplätze ersetzen sollten. Bei der aktuellen Weierstraßen-Reallabor-Planung spielt der Radverkehr eigentlich keine Rolle. Außer dass Fuß- und Radverkehr ein bisschen sicherer werden sollen. Geschenkt. Eigentlich eine lächerliche Selbstverständlichkeit…
Trotzdem versucht die Parkplatz-Lobby ständig irgendwie gegen Radfahrer zu polemisieren. Die CDU tut gerade rhetorisch so, als käme man demnächst gar nicht mehr mit dem Auto in die City, nur weil der kleine Wurmfortsatz (mehr oder weniger) abgeschnitten werden soll. Und sie tut außerdem so, als müssten bald alle (inkl. Behinderte und Senioren, Mütter mit Kleinkindern etc.) per Zwangsverordnung alles nur noch mit dem Lastenrad oder zu Fuß erledigen.
Es ist gut und richtig, die Erreichbarkeit der Innenstadt auch mit dem Fahrrad und dem ÖPNV zu stärken – ganz ohne Auto geht es aber nun einmal nicht. (…)
QUELLE: FACEBOOK-SEITE CDU-STADTVERBAND DÜREN
Das betrifft behinderte Menschen ebenso wie Senioren oder Eltern mit Kinderwagen gleichermaßen. Nicht jeder kann und will seinen Alltag mit dem Lastenfahrrad oder dem Bus bewältigen!
Hmmmm- Ich wüsste nicht, dass jetzt endlich auch die Koalition Zukunft die autofreie Innenstadt fordert. Die Herren von der Parkplatz-Lobby wissen das (und nicht nur das) natürlich viel besser. Sie haben auch die Deutungs-Hoheit darüber, weshalb es der Dürener Innenstadt so schlecht geht. Da muss man ja nur mal in die Bildzeitung gucken oder in die obere Weierstraße, wenn die einmal im Jahr anlässlich des Stadtfestes dicht gemacht wird. *Gähn*
Alles kein Problem. Man kann auch „Parkplätze für Barrierefreiheit“ plakatieren und gleichzeitig gegen Maßnahmen zum barrierefreien ÖPNV stimmen, wenn diese den Pkw-Verkehr nur irgendwie minimal beeinträchtigen könnten.
Leerstände & attraktive Innenstadt
Leerstände und die damit zusammenhängenden Ursachen und Folgen sind nun wirklich nichts Neues in Düren. Die waren längst Thema, als es Wörter wie „Umweltverbund“ und „Pedelec“ noch gar nicht gab.
Aus dem Wegfall von 12-15 Parkplätzen den Untergang der Innenstadt zu konstruieren, ist eh ziemlich lächerlich, wenn nicht gleichzeitig über die Probleme gesprochen wird, die wir mit unseren Masterplänen, Konzepten und Verträgen lösen wollen. Daraus ließe sich vielleicht eine etwas realistischere als emotional-ideologische Sicht auf das Thema „Parkplätze“ erschließen.
Was die tatsächlichen Ursachen heutiger und (hoffentlich nicht) zukünftiger Einzelhalndels-Tode und Innenstadt-Leerstände betrifft, wäre ein Blick über das Thema „maximale Pkw-Erreichbarkeit aller Geschäfte“ hinaus ebenfalls hilfreich.
Generell empfehle ich allen, die den Parkraum in derCity ordentlich und „nachhaltig“ gestaltet sehen möchten und den entsprechenden politischen Einfluss haben: Einfach machen, was längst beschlossen ist: Parkraumanalyse Innenstadt mit Fokus auf Umweltverbund erstellen und Parkraumkonzept (nach niederländischem Vorbild) umsetzen.
Kleine Internetzrecherche zu Leerständen in Düren…
Wie neu sind die Innenstadt-Entwicklungs-Probleme eigentlich und wie hängen sie mit dem bösen, unverschuldeten Online-Handel (und dessen Verkehrs-Rattenschwanz) zusammen? All das werde ich hier nicht beantworten. Nur ein paar Schnipsel der vergangenen Jahre…
Nicht erst 2012 waren viele Herausforderungen, die unsere Innenstadt zu erwarten hatte (und immer noch hat), längst präsent und bekannt. Die Weierstraße war schon vor 11 Jahren auf dem Problem-Schirm:
Die größten Problemlagen seien das „Gelbe Viertel” rund um Ober- und Weierstraße sowie die Josef-Schregel-Straße. „In der Josef-Schregel-Straße geht der Geschäftsbesatz stark runter. Die guten Läden suchen sich andere Standorte, Billigläden kommen nach”, sagt Streb. Im „Gelben Viertel” sei es problematisch, dass viele vom Inhaber geführte Geschäfte keine Nachfolger finden.
Leerstand: Wird die Einkaufsstadt Düren unattraktiv?, Dürener Nachrichten, 25.09.2012
2014 beschäftigte sich der Masterplan Innenstadt ebenfalls mit dem Thema Leerstände. Und nahm dabei auch das StadtCenter mit in die Beobachtung. Damals wurde bzgl. Innenstadtentwicklung sogar eine positive Bilanz gezogen, nur in den „Randlagen“ der City seien vermehrt Leerstände infolge des StadtCenters festgestellt worden.
Die Auswirkungen des StadtCenter auf die Innenstadt Dürens sind unterschiedlich: Die Verkaufsfläche hat um ca. 14.000 qm zugenommen; die Ver- kaufsfläche in der Innenstadt ist um etwa 15 % gestiegen, insgesamt gibt es etwa 50 zusätzliche Geschäfte; das Angebot hat sich verbessert und der Einzelhandelsstandort Innenstadt wurde als Ganzes gestärkt. Kleinräumig gibt es allerdings Verlagerungen und Verdrängungsprozesse, vor allem an den Rändern der Innenstadt. Insgesamt hat sich eine räumliche Verlagerung nach Norden hin ergeben. Die südliche Josef-Schregel-Straße hat sich als Verbindung zwischen Wirtelstraße und StadtCenter positiv entwickelt, während andere Randlagen des Zentrums weniger nachgefragt sind. In der Folge sind hier vermehrt Leerstände zu verzeichnen.
Masterplan Innenstadt Düren, Integriertes Handlungskonzept, 12/2014
In einer Dissertation aus 2018 wurde nochmal ein Blick darauf geworfen, welchen Einfluss das StadtCenter, das im Herbst 2005 eröffnet wurde, auf die Innenstadt-Entwicklung hatte.
Fazit zur Entwicklung
Auswirkungen von Shopping-Centern auf die Innenstadt in Mittelstädten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern, Dissertation, vorgelegt von Marianne Roth, 2018
Die rückläufige Zentralität des Standortes zeigt, dass die Attraktivität im Vergleich zu Wettbewerbsstandorten in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. Dies zeigt sich auch in der Haupteinkaufslage, insbesondere in den 1B-Lagen sind häufigere Mieterwechsel und längere Leerstandszeiträume verzeichnet worden.
Die Standortanalyse lässt weiterhin vermuten, dass die Wechselwirkungen zwischen der Innenstadt und dem Shopping-Center nur sehr eingeschränkt bestehen, die Josef- Schregel-Straße, welche in unmittelbarer Nähe zum Shopping-Center liegt, hat in den letzten Jahren an Attraktivität verloren, während der Bereich weiter südlich nach wie vor gut vermietet ist. Dies ist ein klarer Indikator dafür, dass die nördlichen Bereiche nicht von der Nähe zum Shopping-Center profitieren konnten, und dass somit kaum Kundenaustausch zwischen der Haupteinkaufsstraße und dem Center besteht.
Daneben war die Kaufkraft von uns armen DürenerX immer schon ein Problem. Außerdem natürlich der zunehmende Online-Handel:
Im „online-affinen“ Bereich, das bedeutet bei Waren wie Schuhen, Textilien und Elektronik-Artikeln, macht der Handel im Internet in Deutschland zwischen 10 und 20 Prozent aus, mit hohen Steigerungsraten. „Mit dieser Steigerung wird das urbane Leben aber auch ärmer“, gibt Hamel zu bedenken. Weniger Geschäfte würden auch weniger Gastronomie und weniger Angebote und Aktionen in den Städten nach sich ziehen. Der stationäre Einzelhandel müsse daher zeigen, dass er mehr ist als der Austausch von Waren und Geld.
Online-Geschäft „macht urbanes Leben ärmer“, Dürener Zeitung, 21.05.2014
2014 war längst klar, dass sich die Innenstadt inkl. Geschäftswelt transformieren muss. 2019 befand sich die Dürener Geschäftswelt allerdings auch schon längst mitten im notwendigen Wandel. Damals war der erste 2016er-Streit um den Weierstraßen-Wurmfortsatz (ein paar Fahrrad- und Carsharing-Stellplätze) längst beendet und der schon damals von IG City und CDU angekündigte Untergang der Innenstadt ist irgendwie ausgeblieben.
„Die Dürener Geschäftswelt befindet sich im Wandel“, sagt Ulf Minartz, Vorsitzender der IG City. Die Stadt mache viel, damit die Bevölkerungsstruktur in Düren besser und dadurch kaufkräftiger werde. Hänlder sollen vom neuen Konzept in Sachen Immobilienpreise angelockt werden. (…)
Pessmismus sei unangebracht
„Es stimmt“, sagt Ulf Minartz, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Düren-City (IG City), „dass sich die Dürener Geschäftswelt im Augenblick in einem Wandel befindet.“
Neue Leerstände, aber auch Hoffnungszeichen in der Dürener City, Dürener Nachrichten, 13.12.2019
Heute betreibt die Stadt sogar ein eigenes Leestandsmanagement und profitiert von einer Leerstands-Datenbank. So liest es sich zumindest im Zwischenbericht des Innenstadt-Masterplans aus 2018:
Beim Einpflegen eines Datensatzes in die Datenbank zur Aktivierenden Im- mobilienberatung werden Leerstände geschossweise erfasst. Im besten Fall werden diese Leerstände im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen be- seitigt. Allerdings folgen bei weitem nicht bei allen Beratungen der Aktivie- renden Immobilienberatung auch tatsächliche Maßnahmen. In diesen Fällen können die eingepflegten Informationen schnell nicht mehr aktuell sein.
Masterplan Innenstadt, Zwischenbericht 2018
Mit der Wirtschaftsförderung WinDN wurde vereinbart, dass Informationen zu Leerständen kontinuierlich ausgetauscht werden. Ab 2018 soll bei der WinDN eine Stelle eingerichtet werden, die sich intensiv um Ladenleerstände küm- mern soll.
Die bisherigen Erfahrungen mit Datenbankeinträgen zu Leerständen besagen allerdings, dass wegen der (glücklicherweise) großen Fluktuation in den Leerständen entsprechende Eintragungen nur dann sinnvoll sind, wenn sie in kurzen Abständen aktualisiert werden. Eigentümer und Makler sollten sich dazu verpflichten, entsprechende Änderungen frühzeitig an WinDN oder an das CityBüro zu melden.
Allerdings war unlängst zu lesen, dass sich diese Datenbank gerade erst in der Planung befände.
Eine Leerstandsatenbank ist in Planung, in der eine leerstehende Immobilie oder ein leerstehendes Ladenlokal eingetragen werden kann.
Stadt Düren, 03/2023
Hmmm. Egal.
Wir dürfen uns aktuell offensichtlich über gar nicht mal so schlechte Leerstandsquoten in Düren freuen. Zumindest im Landesvergleich und hinsichtlich unserer asozial niedrigen Kaufkraft scheinen wir gar nicht mal so schlecht da zu stehen:
Geringe Leerstandsquote
Einkaufsstadt Düren bleibt Kundenmagnet, Dürener Nachrichten, 17.03.2023
Nun ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Dürener Einzelhandel muss diese Position halten und hat sicher auch Bereiche, die nicht mehr wie früher funktionieren, auch wenn die Laden-Leerstandsquote bei sechs Prozent und damit unter dem Landesdurchschnitt liegt.
Vor zweieinhalb Jahren, mitten in der Corona-Pandemie hörte sich das noch ganz anders an:
Die IG City schaut mit Spannung auf das letzte Jahresquartal. Bislang sei Dürens Innenstadt mit 25 Prozent Laden-Leerstand noch gut davongekommen. Im Vergleich mit den umliegenden Orten. Das könnte sich aber noch ändern. Hintergrund ist die Corona-Krise.
Radio Rur, 07.10.2020
Offenbar befinden wir uns inzwischen in einem richtigen Aufwärts-Trend. Trotz all der wahnsinnig invasiven Verkehrswende-Maßnahmen (wie 2016 an der Weierstraße) und des von der KoalitionZukunft so leidenschaftlich geführten „Anti-Auto-Kampfes“. Tolle Sache.
In Düren ist die Situation sogar noch positiver, wie Michael Linn von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft berichtet. Er hat zwar keine Zahlen zu Geschäftsschließungen oder Neueröffnungen, aber er kann auf den Rückgang der Leerstände verweisen: „Wir liegen in der Kernstadt bei knapp unter 15 Leerständen. Wir hatten mal 30.“ Und da, wo man noch vor Jahren überlegt hat, ob Leerstände nicht sinnvollerweise anders genutzt werden könnten, also in den B- und C-Lagen, selbst da habe sich die Situation umgekehrt.
Leerstände gehen zurück:Handel im Wandel: Erlebnis statt Gewerbe, Dürener Nachrichten, 04.01.2022
Auch Radio Rur berichtete:
Die Bilanz kann sich sehen lassen: In den letzten Jahren konnte von ehemals 30 leeren Ladenlokalen in der Dürener Innenstadt jedes zweite Geschäft wieder vermittelt werden. Und das Interesse an Düren ist weiter groß. Viele Bewerber wollen gerne in Düren einen Laden aufmachen.
Radio Rur, 19.01.2022
Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Düren scheint super zu funktionieren:
Die zentrenrelevanten Sortimente zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie viele Innenstadtbesucher anziehen, einen geringen Flächenanspruch haben, häufig im Zusammenhang mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werden und überwiegend ohne Pkw transportiert werden können. Der Landesentwicklungsplan NRW enthält eine Aufzählung so genannter Leitsortimente, die bei der Festlegung der ortspezifischen zentrenrelevanten Sortimente zu beachten sind. Wenn zentrenrelevante Sortimente nicht an integrierten Standorten angesiedelt werden, so sind negative Auswirkungen auf die Zentrenstruktur, vor allem auf die Innenstädte, zu erwarten.
Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Düren –
Fortschreibung, 11/2020
Zentrenrelevante Sortimente, Dienstleistungen, Begegnungen und Beschäftigungen, für die überwiegend kein Pkw notwendig ist, sind eine schöne Überleitung um abschließend und endlich wieder auf das Parkplatz-Problem in der Weierstraße zurückzukommen. Und die dahinter steckenden „Argumente“.
Warum wird eigentlich nicht die Frage danach gestellt, wer wen in den vergangenen Jahrzehnten wie versucht hat, verkehrspolitisch zu erziehen – beispielsweise durch den Nicht-Ausbau von allem, was nicht autogerechte und autozentrierte Infrastruktur und Denke ist? Wer wurde und wird hier eigentlich von wem verkehrspolitisch bevormundet und verzogen?
- 100 und mehr Leerstände in Aachen, ohne auch nur ein Wort über das Aquis-Plaza zu verlieren – ist das nicht so, als ob man den Untergang der Dürener City an die Wand malt, ohne irgendeinen Bezug zum StadtCenter herzustellen – oder zu anderen Innenstadt-Projekten, die nicht mit diesem fiesen Mobilitätswende-Ding zu tun haben?
- Macht eigentlich das zwanghafte Klammern an jeden einzelnen Innenstadt-Parkplatz zukünftige potenzielle Radfahrer, ÖPNV-Nutzer, Car- und Bike-Sharer sowie Fußgänger zu zukünftigen Innenstadt-Autofahrern? Und ist das wünschenswert?
- Stehen christliche Wertschöpfungsbewahrer und Fahrradland-Freunde eigentlich zu irgendwelchen Beschlüssen, Konzepten, Verträgen und Gesetzen, die sie selbst mit zu verantworten haben?
- Liest eigentlich noch jemand verkehrswissenschaftliche Studien und schaut sich Best-Practice-Beispiele bei unseren Nachbarn an oder reichen BILD-INSA-Umfragen als Meinungsbildungs-Grundlage bei zentralen, verkehrs- und gesellschaftspolitischen Fragestellungen dicke aus?
- Wann kommt endlich mal ein gutes Wortspiel?
Fängt man einmal an zu fragen, hören die Fragen gar nicht mehr auf…
Schreibe einen Kommentar