Klimaschutz,
Mobilitäts- & Verkehrswende

Fun-Facts aus der Verkehrspolitik

Im Jahr 2019 war der Verkehrssektor für rund 164 Mio. t Treibhausgase (berechnet als CO2-Äquivalente; kurz: CO2-Äq.) verantwortlich und trug damit 20 % zu den Treibhausgasemissionen Deutschlands bei. Dieser relative Anteil ist gegenüber 1990 um sieben Prozentpunkte gestiegen. Damit ist der Verkehr der einzige Sektor, der in den vergangenen Jahrzehnten seine Treibhausgasemissionen nicht mindern konnte.

Umweltbundesamt, 20.05.2022

Wir erinnern uns: Nachdem die Bundesregierung ein in Teilen verfassungswidriges Klimaschutzgesetz vorgelegt hatte, wurde sie vom Bundesverfassungsgericht dazu verdonnert, dieses umgehend nachzubessern, um nachfolgende Generationen nicht per Gesetz in ihren verfassungsmäßigen Freiheitsrechten zu beschränken. Das war im April 2021.

Daraufhin folgte im Juni 2021 das verschärfte KSG, der sogenannte Generationenvertrag für das Klima. Außerdem sollte/wollte die Bundesregierung ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen, zu dem alle möglichen klimaschutzsektoralen Ministerien ihren Senf dazu geben sollten. Falls ich das richtig verstanden habe. Steht zumindest irgendwie so im Koalitionsvertrag und wurde eigentlich für Ende 2022 angekündigt.

Darum und darüber streiten sich gerade die beiden maßgeblichen Bundesminister Habeck (Umweltschutz) und Wissing (Verkehr). Denn Umweltschutz und Verkehr passen bei uns leider gar nicht gut zusammen. Immer noch nicht. Und ein Sofortprogramm (zumindest eins, das diesen Namen zu recht tragen würde) liegt auch noch nicht vor. Oder etwa doch? Das ist irgendwie etwas widersprüchlich.

Zwar hat Wissing im Sommer diesen Jahres sein Sofortprogramm für den Verkehrssektor präsentiert…

15. Juli 2022

Aber dieses gerade mal dreiseitige Werk (andere Quellen berichten von zwei Seiten) wurde umgehend von allen möglichen nicht-verkehrsministeriellen Seiten kritisiert und in der Luft zerrissen. Sowohl Umweltverbände als auch der eigens von der Bundesregierung eingesetzte Expertenrat für Klimafragen stellten dem Sofortprogramm ein vernichtendes Zeugnis aus. Die Deutsche Umwelthilfe kündigte umgehend eine Klage gegen das unzureichende, gesetzwidrige Klimaschutzprogramm für den Verkehrssektor an.

Die „Experteneinschätzung“, von der der Verkehrsminister bei der Vorstellung im Juli 2022 spricht (siehe Video oben), ist übrigens nicht die des von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrats. Dieser beurteilte Wissings Mini-Alibi-Progrämmchen in Sachen Klimaschutz bekanntlich wie folgt:

Fazit Sofortprogramm Verkehr
Der Expertenrat stellt damit fest, dass das vorgeschlagene Sofortprogramm für den Verkehrssektor zwar emissionsmindernde Wirkung entfaltet, aber nicht die Anforderung an ein Sofortprogramm gemäß § 8 Abs. 1 KSG erfüllt. Der Expertenrat weist ausdrücklich darauf hin, dass die vom BMDV vorgelegten Maßnahmen bis zum nächsten im KSG definierten Zieljahr (in diesem Fall 2030) eine erhebliche Überschreitung der Jahresemissionsmengen nicht verhindern würden. (…)

Prüfbericht zu den Sofortprogrammen 2022 für den Gebäude- und Verkehrssektor: Prüfung der den Maßnahmen zugrundeliegenden Annahmen gemäß § 12 Abs. 2 Bundes-Klimaschutzgesetz, 25.08.2022

Mit seinem im vergangenen November veröffentlichten Zweijahres-Gutachten legte der Expertenrat der Bundesregierung dann unlängst nochmal nach:

Der historische Verlauf der THG-Emissionen im Verkehrssektor seit dem Jahr 2000 wird in Abbildung 97 dargestellt. Im Verkehrssektor ist die Abweichung zwischen dem Ziel-Pfad aus dem Bundes- Klimaschutzgesetz und der Projektion sowie den linearen Extrapolationen im Vergleich zu den anderen Sektoren besonders hoch.

Die Extrapolation der THG-Emissionen der Jahre 2010-2019 zeigt sogar einen Anstieg bis zum Jahr 2030. Durch die beschlossenen Maßnahmen im MMS kann laut Projektionsbericht eine leichte Senkung der THG-Emissionen erreicht werden, welche jedoch nicht ausreicht, um die KSG- Ziele zu erreichen.

Im Schnitt wurde zwischen den Jahren 2011-2021 eine jährliche Minderung von ca. 0,49 Mt CO2-Äq. beobachtet. Für die Zielerreichung des Bundes-Klimaschutzgesetz wäre hingegen im Schnitt eine jährliche Minderung von rund 7 Mt CO2-Äq. notwendig. Im Verkehrssektor ist daher etwa eine 14-fache Erhöhung der Reduktionsgeschwindigkeit notwendig zur Erreichung des Sektorziels für das Jahr 2030.

Dass im Zeitraum 2011–2021 überhaupt eine Minderung von 0,49MtCO2-Äq. beobachtet wurde, liegt vornehmlich an der starken THG-Minderung in den zwei Covid-19-Pandemie- Jahren 2020 und 2021.

Zweijahresgutachten 2022: Gutachten zu bisherigen Entwicklungen der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und Wirksamkeit von Maßnahmen (gemäß § 12 Abs. 4 Bundes-Klimaschutzgesetz), 04.11.2022

Wenn Wissing also behauptet, „eine Experteneinschätzung“ unterstütze sein Sofortprogramm, dann meint er damit wohl den „Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität“ (EKM), der am 8. Juli 2022 seine Arbeit aufgenommen hat und quasi als Nachfolger der damaligen „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ (https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/die-npm/NPM) fungiert. Das ist sozusagen Wissings hauseigener Expertenrat, dessen Vorgänger bereits durch extreme Automobilindustrienähe aufgefallen ist. Siehe hier.

Was der EKM so machen soll, kann man in der Rahmenvereinbarung – Wissenschaftliche Begleitung Expertenbeirat für Klimaschutz in der Mobilität nachlesen – bzw. in dieser Ausschreibung, denn die Rahmenvereinbarung selbst scheint nicht leicht auffindbar zu sein. Ebenso wie die (scheinbar nicht öffentliche) Teilnehmendenliste. Immerhin scheint das Gremium im Vergleich zum Vorgänger-Gremium ziemlich geschrumpft worden zu sein und enthält Wissenschaft & Lobbyismus, der nicht nur aus der Pkw-Ecke zu kommen scheint (DLR, Agora Verkehrswende…). Umso erstaunlicher, dass diese Leute Wissings Papierchen aka Sofortprogramm positiv bewertet haben sollen.

Andererseits machte das Gremium vor ein paar Tagen durch den angeblichen „Mobilitätsgipfel“ im Kanzleramt auf sich aufmerksam. Dieser war mal wieder ein reiner Auto-Gipfel und erntete entsprechende Kritik.



Anschließend bemühte sich die Bundesregierung bzw. das Verkehrsministerium schleunigst um Klarstellung, dass dies ja nur der Auftakt für alle möglichen Gespräche der „Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ (STAM) gewesen sei und dass die anderen Verkehrsträger natürlich auch noch ihre Zeit und ihren Platz im Diskurs bekämen… Pkw first, alles andere second. An den grundsätzlichen Prioritäten hat sich nichts geändert.

Im Mittelpunkt des ersten Spitzengesprächs heute stand der Klima- und Umweltschutz, die Digitalisierung von Fahrzeugen, eine vernetzte Mobilität sowie die Resilienz von Lieferketten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass ein rascher Hochlauf der E-Mobilität erforderlich ist, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Sie bekräftigten das Ziel, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Autos auf Deutschlands Straßen zu bringen. Der Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität wird zeitnah weitere Optionen entwickeln, wie die bestehende Emissionsminderungslücke im Verkehr bis 2030 geschlossen werden kann. Hierbei gilt es, die Akzeptanz aller Akteure für den Transformationsprozess besonders zu berücksichtigen.

1. Spitzengespräch der Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft (STAM) am 10. Januar 2023, Pressemitteilung Bundesregierung, 10.01.2023

Wenn es nach dem Verkehrsminister ginge, würden natürlich am liebsten und einfachsten alle in seinem Zuständigkeitsbereich erzeugten Über-Emissionen einfach „verrechnet“ und anderen Sektoren, zukünftigen Generationen oder fragwürdigen Zertifikatehandel-Systemen auf´s Auge gedrückt. Doch damit scheint er nicht durchzukommen, egal wie viele Wissenschaftler, Experten & Lobbyisten er um sich schart.

Denn auch das Bundesumweltamt stellt fest:

Im Jahr 2021 hat der Verkehrssektor in Deutschland das durch das Bundes-Klimaschutzgesetz vorgegebene Treibhausgas-Minderungsziel verfehlt. Auch im ersten Halbjahr 2022 gab es keinen Rückgang der Treibhausgasemissionen in der notwendigen Höhe. Das lässt sich aus der Entwicklung relevanter Indikatoren für die ersten beiden Quartale schlussfolgern.

Umweltbundesamt, 21.11.2022

Was sagt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags? Der äußerte sich zu Jahresbeginn zur Diskussion:

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verstößt gegen die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes. Zu diesem Ergebnis kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten. Es liegt dem Handelsblatt vor.

Handelsblatt online, 02.01.2023

Siehe auch die Anforderungen an ein Sofortprogramm bei Überschreitung der Jahresemissionsmenge (§ 8 Abs. 1 Bundes-Klimaschutzgesetz). Dem ist Wissings zwei- bis dreiseitiges Progrämmchen wohl nicht wirklich gerecht geworden.

Trotzdem (oder deshalb?) liegt des Bundesklimaschutzsofortprogramm trotz Ankündigung und offensichtlich dringender Notwendigkeit noch nicht vor. Woran liegt´s?

Das hat er (Habeck) jetzt nicht geschafft im vergangenen Jahr.

Volker Wissing bei Maischberger, 11.01.2023 (siehe unten.)

Wissing versucht den Ball einfach wieder an Habeck, dessen Gebäudesektor auch nicht gerade vorbildlich dasteht, zurückzuspielen. Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister hatte in letzter Zeit bei ungefähr jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hingewiesen, woran ein schnelles Sofortprogramm der Ampel-Koalition scheitert:

„Unser Sorgenkind ist der Verkehrsbereich, in dem die CO₂-Emissionen erneut gestiegen sind“, sagte der Grünenpolitiker. „Alle bisher vorgesehen Maßnahmen würden nicht, um hier die große CO₂-Lücke zu schließen“, sagte Habeck. Anders als im Gebäudebereich sei es bisher nicht gelungen, eine Perspektive zu entwickeln, die das ändere.

Zeit Online, 04.01.2023

Soll also was heißen? Entweder hat der Verkehrsminister noch gar kein (Sofort-)Programm vorgelegt, obwohl er es andauernd behauptet, oder dieses ist so schlecht, dass es nicht für ein Gesamt-Klimaschutz-Sofortprogramm des Bundes taugt. Ende November war zu lesen, dass die Eckpunkte für das Bundes-Sofortprogramm stehen, aber das ganze Verkehrsgedöns-Ressort nicht geliefert hat und nochmals einen zeitlichen Aufschub für Korrekturen bekommt. Hier die Bewertung des NABU dazu. Wie sieht Wissing dieses ganze Kritik-Konglomerat?

Wissing bei Maischberger, 11.01.2023

Wissing interpretiert seinen eigenen Koalitionsvertrag beispielsweise in Sachen vereinbartem Atomausstieg und Klimaschutzsofortprogramm möglichst flexibel und spielt gleichzeitig beim Thema Tempolimit den Koalitionsvertrags-Hardliner. Nice! Seine Argumentation dreht er dabei je nach Bedarf um 180° und ist sich noch nicht mal zu schade, obligatorisch auf die angeblich fehlende Akzeptanz des ach so rückschrittlichen Pöbels hinzuweisen.

Selbstredend kennt der Minister sein dämliches Wahlvieh viel besser, als sein Statistisches Bundesamt dies tut. Zumindest solange es das Tempolimit auf Autobahnen (und Tempo 30 in Innenstädten) betrifft und seinen ideologischen Interessen förderlich sein könnte.

Vermisst habe ich in der Maischberger-Sendung eigentlich nur den massiven Verkehrsschildermangel, der ein Tempolimit grundsätzlich verunmöglicht.

Umfrage zum Tempolimit auf deutschen Autobahnen

Veröffentlicht von Martin Kords, 20.01.2022

Eine Mehrheit der Deutschen ist für ein Tempolimit auf der Autobahn: 42 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen auf jeden Fall eingeführt werden sollte. Weitere 22 Prozent waren eher dafür. Etwa 36 Prozent der Befragten lehnten ein Tempolimit ab.

Destatis, 04/2021

Statistik: Sollte aus ihrer Sicht ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen umgesetzt werden? | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista


Das Schmierentheater geht weiter. Wahrscheinlich mit noch mehr Gutachten und „Expertisen“ und noch mehr Gremien á la NPM, EKM, STAM und NaKoMo (Nationales Kompetenznetzwerk für nachhaltige Mobilität) – und natürlich mit gleichzeitig null Umsetzung in Stadt und Land.



Von einem Mitglied aus Wissings Expertenbeirat für Klimaschutz in der Mobilität (EKM), nämlich dem Thinktank Agora Verkehrswende (dort vertreten durch Wiebke Zimmer), wurde übrigens eine interessante „Zwischenbilanz der Klimapolitik im Verkehr nach einem Jahr Ampelkoalition mit Empfehlungen für einen Kurs auf Klimaneutralität, Wirtschaftlichkeit und soziale Gerechtigkeit“ veröffentlicht. Diese ist mit „Vom rasenden Stillstand zum versprochenen Fortschritt?“ betitelt (befragezeichnet!) und dürfte dem Verkehrsminister auch nicht so wirklich gut schmecken. Aus der Einleitung:

Die Zwischenbilanz fällt ernüchternd aus. Obwohl die Ampelkoalition die Grundwerte in sich vereint, die
für das Gelingen einer Verkehrswende entscheidend sind – von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit bis Wirtschaftlichkeit und Freiheit –, hat sie in der Verkehrspolitik kaum etwas erreicht, das diesen Werten gerecht wird.

Im Gegenteil, die negativen Auswirkungen der Verkehrspolitik vergangener Jahre und Jahrzehnte türmen sich weiter auf, in Form von ungerechter Verteilung von Folgekosten, Flächenverbrauch, Schadstoffbe- lastung, Unfällen, sozialer Ausgrenzung und Treibhaus- gasemissionen.

Die zwölf Monate seit Regierungsantritt am 8. Dezember 2021 waren ein verlorenes Jahr für die Klimapolitik im Verkehr – oder, um es in Anlehnung an ein Konzept aus der Philosophie und Soziologie zu sagen, ein Jahr des „rasenden Stillstands“.

Stillstand in der Klimapolitik bedeutet, dass der Ausstoß von Treibhausgasemissionen und die Erhitzung der Erdatmosphäre ungebremst voranschreiten. Dabei gibt es schlüssige Gesamtkonzepte, mit denen die Bundesregierung der Entwicklung im Verkehrssektor die notwendige nachhaltigere Richtung geben kann.

Vom rasenden Stillstand zum versprochenen Fortschritt?
Politikpapier, Agora Verkehrswende, 12/2022

An den Plänen des Verkehrsministers wird kein gutes Haar gelassen. Faszinierend, wie geschmeidig und aalglatt all die Kritik an ihm abprallt. Noch nicht mal, dass er auch die im Koalitionsvertrag versprochene Reform des Straßenverkehrsrechts einfach nicht umsetzt, scheint ihn zu bekümmern. Hauptsache „Freie Fahrt für freie Bürger!“ Alles andere ist ideologischer Quatsch! 😉

→ Verkehrsordnung
Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen. Wir wollen eine Öffnung für digitale Anwendungen wie digitale Parkraumkontrolle. In Umsetzung der Vision Zero werden wir das Verkehrssicherheitsprogramm weiterentwickeln.

Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben.

Ampel-Koalitionsvertrag 2021-2025

Eine „Zusammenfassung der Vorschläge zur Reform der Straßenverkehrsordnung für mehr Sicherheit, Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz sowie für bessere städtebauliche Entwicklung“ liegt übrigens längst vor – mal wieder vom Thinktank Agora Verkehrswende (Mitglied des ministeriellen Experten-Dingens).

Im nächsten Teil „Postfaktische Verkehrspolitik II“ schauen wir uns mal ein paar lokalpolitische Differenzen zwischen Beschlüssen, Zielen und Konzepten einerseits und der daraus folgenden Verkehrspolitik & Umsetzung andererseits an.



Nützliche Begriffe

Heuchelei (Hypokrisie) bezeichnet das Sich-Verstellen zum Vortäuschen nicht vorhandener Gefühle, Eigenschaften oder Ähnlichem.[1] Das zugrundeliegende Verb heucheln stammt ursprünglich vom unterwürfigen ducken und kriechen (mittelhochdeutsch hūchen) des Hundes ab[2] und wurde auf vorgespieltes, schmeichelndes Verhalten übertragen.

Der Philosoph und Theologe Friedrich Kirchner definierte Heuchelei als eine „aus selbstsüchtigen Interessen entspringende Verhüllung der wahren und Vorspiegelung einer falschen, in dem Betreffenden nicht vorhandenen lobenswerten Gesinnung“ und führt auf, dass ein Heuchler besser erscheinen wolle, als er ist, „um Mächtigen zu gefallen“ und „davon Gewinn zu haben“. Vorgeheuchelt werden „politische, religiöse, ethische Grundsätze, um vorwärts zu kommen“, sei es aus Feigheit, des Broterwerbs oder der „Liebedienerei“ wegen. (…)

Quelle: Wikipedia

Hypokrisie

Bedeutungen:[1] bildungssprachlich:Vortäuschung einer Meinung, ohne diese wirklich zu vertreten.
Herkunft: von gleichbedeutend spätlateinisch hypocrisis → la entlehnt, dies aus griechisch ὑπόκρισις (hypokrisis) → grc, wörtlich „vom Schauspieler der eine Rolle spielt“, zu ὑποκρίνεσθαι (hypokrinesthai) → grc, wörtlich „als Schauspieler auftreten“, „Heuchelei, Verstellung[1]
Synonyme:[1] Heuchelei, Heuchlerei, Scheinheiligkeit, Unaufrichtigkeit, Verstellung

Quelle: Wiktionary

Ideologie (von französisch idéologie; zu altgriechisch ἰδέα idéa, hier „Idee“, und λόγος lógos „Lehre, Wissenschaft“ – eigentlich „Ideenlehre“)[1] steht im weiteren Sinne bildungssprachlich für Weltanschauung. Im engeren Sinne wird damit zum einen auf Karl Marx zurückgehend das „falsche Bewusstsein“ einer Gesellschaft bezeichnet, zum anderen wird in der US-amerikanischen Wissenssoziologie jedes System von sozialen Normen als Ideologie bezeichnet, das Gruppen zur Rechtfertigung und Bewertung eigener und fremder Handlungen verwenden.[2] Seit Marx und Engels bezieht sich der Ideologiebegriff auf „Ideen und Weltbilder, die sich nicht an Evidenz und guten Argumenten orientieren, sondern die darauf abzielen, Machtverhältnisse zu stabilisieren oder zu ändern“.[3]

Der Ideologiebegriff der marxistischen Philosophie, der im westlichen Marxismus eine zentrale Rolle spielt, geht davon aus, dass das herrschende Selbstbild vom objektiv möglichen Selbstbild der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungsstufe verschieden ist. Da die materiellen Verhältnisse und Interessen das Denken bestimmen, wird nach Marx die Ideologie der Gesellschaft durch die Interessen dominanter gesellschaftlicher Gruppen, z. B. der Bourgeoisie, beeinflusst, um diese zu rechtfertigen. (..)

In der Wissenssoziologie hat sich Ideologie hingegen als Bezeichnung für ausformulierte Leitbilder sozialer Gruppen oder Organisationen durchgesetzt, die zur Begründung und Rechtfertigung ihres Handelns dienen – ihre IdeenErkenntnisseKategorien und Wertvorstellungen. Sie bilden demnach das notwendige „Wir-Gefühl“, das den inneren Zusammenhalt jeder menschlichen Gemeinschaft gewährleistet.[5] Dieser Ideologie-Begriff wird auch auf die Ideensysteme von politischen Bewegungen, Interessengruppen, Parteien etc. angewandt, wenn von politischen Ideologien die Rede ist.

Im gesellschaftlichen Diskurs werden die beiden Ideologiebegriffe oft nicht hinreichend voneinander unterschieden. (…)

Quelle: Wikipedia