Die autofreie Innenstadt ist eine Utopie!

Im Hier und Heute die “autofreie Stadt” zu fordern ist kontraproduktiv.

Denn leider basiert unsere gesamte innerstädtische Infrastruktur dank jahrzehntelanger Fokussierung auf den “motorisierten Individualverkehr” (MIV) heute auf Strukturen, die fast ausschließlich für Autofahrer maßgeschneidert wurden. Diese in Zement (und Planer-Köpfe) gegossene Bevorzugung des Pkw-Verkehrs lässt sich (ebenfalls leider) nicht so einfach abschütteln und zurückbauen. Selbst wenn man wirklich wollte.

Am vielfach bemühten Beispiel Niederlande kann man beobachten, dass es Jahrzehnte gebraucht hat, um ein autofahrerfreundliches in ein menschenfreundliches Land umzugestalten. Allerdings sieht man hier auch wunderbar die Früchte dieser langen Kämpfe für lebenswertere Innenstädte. Es lohnt sich also weiter für weniger Pkw in den Citys zu kämpfen. Jedes überflüssige Auto weniger ist ein Gewinn für die gesamte Stadt!

Aber wie macht man innerstädtischen Pkw-Verkehr überflüssig? Unter deutschen Umständen? Wollen/können wir das wirklich? Und sind bspw. die niederländischen Städte komplett autofrei? Schenkt man der Wikipedia-Liste der autofreien Orte Glauben, gibt es weltweit kaum Orte – geschweige denn größere Städte – die komplett autofrei sind. Meist handelt es sich eher um sowieso abgeschiedene Ortschaften oder bestimmte Stadtteile mit unterschiedlichsten Regeln.

Autofreie Städte kennen wir also gar nicht wirklich und wir können uns wohl auch kaum vorstellen, wie diese aussehen würden, denn wir sind ja schließlich in einem maximal auto-affinen Umfeld sozialisiert worden. Deshalb fordere ich aus kommunikationsstrategischen Gründen:

Mit freundlicher Genehmigung der sehr guten
PARTEI Kreisverband Region Hannover
#innenfreieAutostadt

Die Vokabel ist einfach blöd!

Von autofrei zu sprechen erzeugt nämlich große Ängste und führt zu enormem Widerstand genau da, wo es eigentlich Überzeugung und Unterstützung bedürfte. Bei mir persönlich würde die Stadt zwar offene Türen einrennen, wenn sie von heute auf morgen jede Menge Parkplätze und Fahrspuren für Pkw wegnehmen würde, um dafür sichere Fuß- und Radwege, Spielplätze, Parks und Platz für Außengastronomie etc. zu schaffen. Und dabei bin ich doch selbst (u.a. auch) Autofahrer.

Ich befürchte jedoch, dass sich sehr viele (autofahrende) Menschen noch nicht so sehr mit den vielen Vorteilen von weniger Pkw-Verkehr beschäftigt haben. Denen jetzt die Komplett-Autofrei-Keule auf den Kopf zu hauen, ist politisch vielleicht nicht die beste Idee – bei aller Sympathie für den dahinter stehenden Gedanken.

Es bedarf einer anderen, positiven Erzählung.

“Autofrei” ist zwar eine gute Vokabel, um gegen die Verkehrswende zu polemisieren und wissenschaftliche Erkenntnisse ideologisch in “links-rot-grün-versiffte” Schubladen zu stecken. Aber keine Vokabel, um bei denen ein gesundes Bewusstsein für menschenfreundliche Mobilität zu schaffen, die zukünftig im besten Fall ihr Auto nicht mehr sinnfrei in der Innenstadt herumstehen lassen, sondern aus Überzeugung und Praktikabilität mit Bus, Fuß und Rad ihre Brötchen in der “Stadt der kurzen Wege” besorgen werden.

Was wollen/können wir also mit eigentlich sympathischen Parolen wie “Autofreie Innenstadt jetzt!” erreichen? Auf jeden Fall eine gewisse Öffentlichkeitswirksamkeit. Aber in welche Richtung wirkt die Vokabel beim derzeitigen deutschen Mobilitäts-Habitus? Verkehrswende-fördernd? Ich denke nicht.

  • “Autofrei” kommt total kategorisch, kompromisslos und damit ideologisch rüber. Und verliert dadurch den Charme seines eigentlich total praktischen und flexiblen Konzepts. (Das ich so interpretiere, dass “nur” alle überflüssigen Pkw aus der City raus sollen. Mit einer vernünftigen Planung könnte massenweise MIV überflüssig werden.)
  • “Autofrei” erzeugt Ängste anstatt Infos und Missgunst anstatt Vorfreude auf mehr Lebensqualität sowie innovative und zeitgemäße Mobilität. Die Option, dass wir zukünftig mal mit sehr viel weniger, sehr viel effizienteren Pkw auch innerstädtisch unterwegs sein können komplett auszuschließen, halte ich außerdem für falsch und viel zu kurz gedacht. Ich habe das Gefühl, dies führt eher zu einem Zu-Machen als zur Öffnung für Veränderung. Mehr äußerer Zwang als innere Überzeugung. Mehr Dystopie als Utopie.
  • Die eigentlich sehr schöne Erzählung von den autoarmen Städten, also zum Beispiel all das, weshalb wir selbst so gerne in die Niederlande oder nach Kopenhagen&Co. reisen, wird dadurch komplett überspielt. Dabei wäre genau diese Geschichte ziemlich hilfreich in der Öffentlichkeitsarbeit. Erzählt den Leuten doch bitte endlich mal, was sie alles gewinnen, anstatt andauernd die angeblichen Verluste und Einschränkungen hervorzuheben.
  • Neben dieser positiven Perspektive würde ich mir allerdings als dazugehöriges Kontrastprogramm auch viel mehr Erzählungen von den Schreckens-Szenarien wünschen, die uns bevorstehen, wenn wir nicht langsam die Kurve kratzen. Unschöne Bilder wirken übrigens mindestens so gut wie hübsche. In der städtischen Öffentlichkeitsarbeit pro Verkehrswende habe ich aber noch kein einziges Element gesehen, das den verkehrspolitisch ewig Gestrigen auch mal vor Augen halten würde, wer eigentlich die Probleme verursacht und wohin das alles führt mit dem ewigen “Weiter so!” und mickrigen, unzusammenhängenden Pille-Palle-Maßnahmen. Wo sind die Bilder und Erzählungen vom Verkehrs-Kollaps, von tot gefahrenen Kindern, von der Klimakatastrophe und den bis auf den letzten Zentimeter mit Parkplätzen zu betonierten Innenstädten? Wo bleibt der versprochene Paradigmenwechsel in der Öffentlichkeitsarbeit?
  • Ganz neutral könnte man auch mal öfters auf das Verursacher-Prinzip hinweisen. Wer verursacht eigentlich welche (gesellschaftlichen) Kosten und wer kommt aktuell womit dafür auf? Die Niederländer machen das beispielsweise bei der Kalkulation der Kosten für innerstädtischen Pkw-Parkraum. Und können so all die wunderbaren Push-Maßnahmen, an die wir uns nicht herantrauen, hervorragend begründen. Und haben damit gleichzeitig ein wahnsinnig effektives Steuerungsmittel an der Hand.

Lebenswert statt autofrei!
Konzept statt KO-Argument!

Ich sag´s mal so: Bis wir so weit sind, dass wir die Anzahl der unnötigen Pkw in unseren Innenstädten durch diverse Push&Pull-Maßnahmen auf ein vernünftiges, sozial gerechtes und “verhältnismäßiges” Maß reduziert haben, wird leider noch viel zu viel Zeit vergehen. So viel Zeit, dass die phantastische, maximal innovative deutsche Automobil- und Energieindustrie es vielleicht sogar schaffen wird, vernünftige und innenstadtkompatible Antriebe, Treibstoffe und Modelle herzustellen. Und die Politik in Kooperation mit der Verwaltung es vielleicht endlich schafft, Bewusstsein, Haltung, Pläne und Beschlüsse zu entwickeln, die dann auch mal umgesetzt werden.

Die Verbrenner- und Innenstadt-SUV-Uhr tickt ja bereits… 😉

Wir hätten schon längst mit einer sehr breiten Öffentlichkeitsarbeit anfangen müssen, um die Nachteile der heutigen Verkehrsgewohnheiten sowie die Vorteile einer lebenswerteren Innenstadt viel früher und viel eindringlicher herauszustellen. Dazu hätte natürlich schon längst eine entsprechende Bewusstseinsbildung in Politik&Verwaltung stattfinden müssen. Ein schleichender Prozess, der wahrscheinlich irgendwo in einer Rathaus-Schublade unter “Paradigmenwechsel Verkehrsplanung – dringend!” auf Wiedervorlage irgendwann nach Beendigung der Corona-Pandemie wartet. (Mir sind die *Zwinkersmileys* ausgegangen.)

Das Konzept “Auto” ist ja nicht an sich verkehrt. Aber der Auto-Fetischismus, also die Denke, Verkehr bestünde am besten nur aus Autos, ist vollkommen anachronistisch. Welch ein törichter Rohstoff- und Flächenfraß! Unser Umgang mit Autos ist komplett verantwortungslos geworden. Der totale Raubbau an der Zukunft unserer Kinder, Enkel und Urenkel… Und das immer noch – als ob wir es nicht längst viel besser wüssten. Nach uns die Sintflut!

Aber es bewegt sich etwas. Sowohl schleichend und auf Druck der Gesellschaft/Jugend als auch ganz aktuell und virulent auf Druck der Natur: Corona und klimawandelbedingte Umweltkatastrophen sind nämlich auch bei uns im wohligen Eifel-Rur-Rheinland massiv angekommen und werfen die eine und andere Frage nach der Legitimation für das ewige “Weiter so!” auf. Auch in Sachen innerstädtischer Verkehrsgewohnheiten.

Wie so oft sind es die Krisen, Katastrophen und Konflikte, die uns den Spiegel vor die eigene Nase halten und uns anfangen lassen nachzudenken und zu hinterfragen. Und die vielleicht auch unser/e Haltung & Verhalten beeinflussen. Im Schneckentempo. Mehr oder weniger nachhaltig. Mit den üblichen persönlichen und gesellschaftlichen Widerständen und Betroffenheiten. Eine Jahrhundertaufgabe, die uns allen da noch bevor steht!

Ziemlich zynische Zeitgenossen “freuen” sich angesichts Lügen-Laschets Wendehalsigkeit und Bigotterie fast schon darüber, dass die Klimakatastrophe nun endlich auch uns erreicht hat. In der Hoffnung, dass es angesichts der Zerstörung direkt vor unserer Haustür endlich nicht mehr nur bei politischem Neusprech bleibt, sondern echte Konsequenzen folgen.

Die dauerhafte Erzählung “Autos machen Innenstädte lebenswert” gerät zwar zunehmend ins Schwanken, sie hat über die Jahrzehnte allerdings zu einem gar beharrlichen Habitus sowohl bei Pkw-Besitzern als auch bei Verkehrsplanern (Gruppen entsprechen sich meist 1:1) geführt. Nämlich dem des ständig Bevorzugten, der seine aus heutiger Sicht vollkommen ungerechtfertigten Privilegien aus längst vergangenen Zeiten als quasi gottgewollt, absolut und auf Ewigkeit gegeben ansieht.

Letztens sah ich ein Interview mit einem Verkehrs-Psychologen, der mit Leuten arbeitet, die über die Medizinisch Psychologische Untersuchung (MPU, im Volksmund “Idioten-Test”) ihre Fahrerlaubnis wieder erhalten wollen bzw. müssen. Autofahren ist in Deutschland verboten, erklärt er ihnen immer wieder! Erst durch die Fahrerlaubnis darf man überhaupt einen Pkw im öffentlichen Raum benutzen. Die Fahrerlaubnis wird allerdings nicht auf Lebenszeit gewährt, sondern setzt voraus, dass deren Besitzer auch tatsächlich zum Führen eines Fahrzeuges qualifiziert und in der Lage ist.

Eine, wie ich finde, sehr schöne Denkweise. Die sollten wir grundsätzlich auf den öffentlichen Raum anwenden. Das wäre endlich mal gerecht und ginge in Richtung der allseits herausposaunten Forderung nach einer fairen Verhältnismäßigkeit: Der öffentliche Raum gehört der Allgemeinheit!

Und nicht einer bestimmten (eh schon privilegierten) Personengruppe. Falls der öffentliche Raum also vom MIV genutzt wird, dann nur auf extra dafür ausgewiesenen Flächen. Das gilt explizit auch für das Parken von Pkw! Kein ausgewiesener Parkplatz = kein Parken! Außerdem werden die Nutzer entsprechend ihres Flächenverbrauchs und weiterer Faktoren (Verursacher-Prinzip) zur Kasse gebeten. Dabei werden realistische (also niederländische) Konditionen angewendet. Siehe bspw. hier.

Selbst sogenannte “christliche” Parteien könnten dies rhetorisch geschickt verkaufen, denn die Bewahrung der Schöpfung (christlicher Konservatismus) kann ja wohl ganz augenscheinlich nicht aus dem Erhalt möglichst vieler Pkw-Parkplätze bestehen. Außer vielleicht man ist maximal-christlich sozialisiert wie #LügenLaschet.

Das führt mich nun endlich zum eigentlichen Anliegen dieses Blogbeitrags…

Der Lackmustest für den vielfach angekündigten und versprochenen Paradigmenwechsel in Politik&Verwaltung!

Parkplätze & Lieferverkehr

Am Thema Parkplätze (und Lieferverkehr) offenbart sich die gesamte Perversität unseres Systems der autofreundlichen Stadt(planung). Und vielleicht scheitern unsere zaghaften Verkehrswende-Versuche im hiesigen “Innovation Valley” an genau diesem Thema?

Dass wir gar nicht darum herum kommen werden, die innerstädtischen Flächen neu zu sortieren (und zu bepreisen) hatte ich im Update Ver. 4.21.02: Unsere Stadt gehört den parkenden Pkw! bereits versucht zu beschreiben. Muss hier nicht nochmal alles wiederholt werden. Nur so viel: Ohne ein tragfähiges Konzept für weniger Park- und Lieferverkehr in der City werden wir auch keinen Deut weniger davon bekommen. Und beschneiden uns damit eklatant bezüglich der in den diversen Sonntagsreden und Konzepten versprochenen Möglichkeiten und Maßnahmen für eine lebenswertere Innenstadt!

Einen wichtigen Punkt hatte ich aber wohl noch gar nicht richtig erwähnt. Dies wird hiermit kurz nachgeholt: Das Unfallrisiko Parken für Fußgänger und Radfahrer. Das ist inzwischen ganz gut untersucht (siehe auch hier) und in Zeiten von “Vision Zero”, Paradigmenwechsel, Verkehrswende (blablabla) und so weiter, könnten wir uns ja vielleicht langsam echt mal fragen, ob weniger innerstädtische Parkplätze und MIV nicht doch mehr innerstädtische Lebensqualität bedeuten könnte. Hat unsere Politik den Mut und Willen dazu? Oder (Vorsicht: Populistischer Zynismus!) wie viele Kinder müssen erst noch auf unseren “Schutzstreifen” sterben, damit endlich ein echtes Umdenken stattfindet?

Neben dem Unfallrisiko sei noch kurz erwähnt, dass Parksuchverkehr und besonders die täglich wohl hunderttausenden mehr oder weniger geschickten Ein- und Ausparkvorgänge wahrscheinlich die Nummer 1 bei der Verunflüssigung des eigenen motorisierten Verkehrs sind.

Toll! Sollte man sich mal systemtheoretisch anschauen die ganze Parkplatzgeschichte. Könnte lustig werden. Ich mag ja Satire… Ich wiederhole mich also noch einmal und sage nur “Autopoiesis”. *Luhmann-Zwinkersmiley* Und “Tragik der Allmende”. 🙁

Ähnliches gilt same same but different selbstverständlich auch für den innerstädtischen Lieferverkehr. Das muss beides – wie eigentlich all die verkehrsbetreffenden Konzepte – natürlich stets kombiniert betrachtet und geplant werden.

Schon klar, dass die City nach wie vor Tag für Tag mit unzähligen Waren, Dienstleistungen und allen anderen möglichen Gütern und Ungütern beschickt werden muss. Das Schreckgespenst, das Verkehrswende-Gegner gerne an die Wand malen, ist nämlich tatsächlich eher Bedrohung als Lösung unseres Transport-Problems: Online-Händler sind verkehrstechnisch und innenstadtpolitisch nochmal ein Thema für sich…

Und selbstverständlich müssen auch Innenstadtbewohner weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Park- und Stehzeuge in “angemessener” Entfernung zum Wohnort abstellen zu können. Selbstverständlich muss auch diese “Verhältnismäßigkeit” vollkommen neu ausgehandelt werden. “Weiter so!” ist nicht mehr machbar.

Wir müssen also ganz grundsätzlich auch an alle möglichen verkehrspolitisch uralten Gesetze und Verordnungen ran, um uns überhaupt vernünftig auf den Weg machen zu können. Straßenverkehrsordnung, Stellplatzsatzungen und so weiter…

Hoch komplex das alles. Dem werden unsere alten Denkweisen und heutigen (ebenfalls alten) Strukturen schon längst nicht mehr gerecht. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Wir sind eh schon viel zu spät dran. Das attestieren uns längst nicht mehr nur unsere Nachbarn. Das kriegen wir inzwischen ganz gut alleine mit. “Weiter so!” funktioniert schon lange nicht mehr. Ein Konzept muss her!

Für Radfahrer alltäglich, nervend, behindernd und gefährdend. Für den Lieferverkehr eigentlich verboten (aber angeblich auch absolut alternativlos) und nach der kurz vor der Veröffentlichung stehenden neuen Bußgeldverordnung auch ziemlich teuer. (Falls mal jemand kontrollieren würde…) Wann fängt die Stadt endlich an, wenigstens über Alternativen für diese bürgerfeindlichen Strukturen nachzudenken?

Die Lösung!

…habe ich natürlich weder servierfertig auf dem Silbertablett noch antragsreif auf dem Rechner liegen. Aber ich kann ja mal einfach den gesunden Menschenverstand mit ein paar Erfahrungswerten plus Best-Practice-Beispielen samt wissenschaftlicher Erkenntnis kombinieren. Und das alles auf vier simple, maximal populistische (im besten Sinne) Punkte zusammenschrumpfen.

Ich könnte auch einfach sagen: Wozu all der Aufwand? Schaut doch einfach mal ein paar Kilometer über die Grenze hinaus, sprecht miteinander und überwindet Eure Scham und Angst davor funktionierende Konzepte (meinetwegen angepasst) zu kopieren.

Auf jeden Fall ist die Zeit mehr als reif, sich endlich dem Thema zu stellen. Gerade jetzt, wo doch (ja, ich wiederhole mich fast so oft wie die Politik) das Klimaschutz-Teilkonzept konsequent umgesetzt werden soll, die ganzen vierspurigen Straßen zurückgebaut werden sollen und so weiter. Da ließe sich doch endlich mal ein gutes Bündel draus schnüren, das mit all den anderen Masterplänen & Co. zu so etwas wie einem Verkehrskonzept werden könnte.

Die vier Punkte, die aus meiner Sicht noch dringend fehlen:

Parkraum-Konzept
Die Stadt in 2-4 Zonen rund um die Innenstadt einteilen. Möglichst viele Pkw-Parkflächen raus aus der Kern-City, in näheren Umkreisen bündeln und maximal attraktive Pendel-Angebote dazu bereitstellen. (Transfer-Stationen heißen die in den Niederlanden. Funktioniert super und wird extrem gut angenommen. Sogar der Einzelhandel profitiert, denn die so gewonnenen Flächen kommen ihm direkt und indirekt zu Gute.)
Plant die SPD nicht schon selbstfahrende Shuttle-Busse zwischen dem bald neu gestalteten Bahnhofsumfeld und der City? Haben wir nicht schon einige prädestinierte Flächen, die P&R 4.0 attraktiv machen würden, wenn man sie mit super ÖPNV-, Sharing-, Rad- und Fußwege-Angeboten kombiniert? Machen wir nicht gerade auch gar nicht mal so schlechte Erfahrungen mit mehr Außengastronomie anstelle von ein paar Parkplätzen? Wäre diese Außengastronomie nicht noch viel attraktiver (lukrativer), wenn die Parkplätze drum herum auch noch Menschlichem und Pflanzlichem weichen würden? Anstatt voll Blech zu stehen, das sich nicht bewegt bzw. einen vollqualmt, sobald es sich bewegt?

Städtische Einladung zum kostenlosen Parken direkt vor der Haustür: Heutzutage und zukünftig immer noch wichtiger als Gehwege, die den Namen auch verdient hätten?

Lieferverkehr-Konzept
Auch für den Lieferverkehr muss gelten: Die dicken Brummer raus aus der City und die letzte Liefer-Meile wo immer es geht per Cargobike & Co. nehmen.
Man wundert sich, was da heutzutage schon alles denkbar und machbar ist. (Also eigentlich wundert man sich als SciFi-Fan mit Internetzugang eher darüber, warum das alles und noch viel mehr nicht schon längst viel mehr auf unseren Straßen angekommen ist.) Lasst uns die erfolgreichen Modellprojekte doch endlich mal flächendeckend umsetzen, damit man auch mal was davon sieht und praktische lokale Erfahrungen sammeln kann. Dass die alten Konzepte und Strukturen mit den heutigen Gegebenheiten nicht mehr kompatibel sind, haben wir doch echt langsam zu Genüge erlebt und evaluiert, oder?

Realistische und wirksame Gebührenordnung mit Steuerungs-Charakter
Wenn wir dem MIV freundlicherweise solche Angebote geschaffen haben, müssen wir uns “nur noch” überlegen, wie wir mit den Kosten für die öffentlichen Flächen für Parkzeuge umgehen.
Wir könnten es uns wieder einfach machen und wie im Nationalen Radverkehrsplan und den vielen peinlich-schönen Sonntagsreden die Niederländer als Vorbild bemühen. Dies würde aber wahrscheinlich die eine oder andere lokale Revolution auslösen. Denn die Niederländer wagen es tatsächlich, ihren öffentlichen Raum angemessen zu bepreisen. Ohne die bei uns in Fleisch und Blut übergegangene Bevorzugung des MIV.
Da bezahlt man dann bspw. 5,69€ pro Stunde Parken in der Filet-Innenstadt-Zone. An sieben Tagen die Woche. Wochentags bis 1 Uhr früh. Beispiel Utrecht. Ein Anwohner-Stellplatz in der Innenstadt kostet da schlappe 1.851,66€ pro Jahr
Noch Fragen was Push&Pull heißt und wie man Parkverkehre effektiv dauerhaft steuert? Einfach mal über die Grenze schauen…

E-Autos und Hybrid-Fahrzeige haben in Düren selbstverständlich Frei-Parken rund um die Uhr!

Kommen wir damit klar? Welcher Politiker fordert das zuerst? LOL! Lächerlich! Aber gute Überleitung zu Punkt 4:

Authentizität in Politik&Verwaltung
Die zur Umsetzung dieser Maßnahmen dringend notwendige Öffentlichkeitsarbeit sollte kein Problem sein. Denn wir wollen ja nur den überflüssigen MIV aus der Stadt herausholen. Mehr nicht. Nix “autofrei”. Wer sollte sich darüber beschweren wollen?
Es ist ja beileibe nicht so, dass irgendwem irgendwas weggenommen würde. Oder es irgendeine Pflicht gäbe, den öffentlichen Raum bevorzugt denjenigen zur Verfügung zu stellen, die die Probleme verursachen, die wir gerade zu beheben versuchen. Das wäre ja auch irgendwie paradox.
Vom Paradigmenwechsel geprägten Politikern und Verwaltungsmenschen dürfte es ein Leichtes sein, darzustellen, dass es genau anders herum ist: Wir dürfen uns nämlich alle darüber freuen können, dass den Autofahrern gar nix weggenommen wird, sondern nur allen Menschen etwas zurückgegeben wird, sobald wir den öffentlichen Raum konsequent neu verteilen. Nicht zuletzt sogar den Autofahrern, die wirklich innerstädtisch auf ihren Pkw angewiesen sind.

Na, wenn das mal keine win-win-win-Situation ist, mit der man politisch hausieren und Klinken putzen gehen kann im Klima-Wahlkampf 2021

Utopien sind gut und notwendig!

Deshalb – was interessiert mich mein Gewäsch von vor ein paar Minuten – nochmal die eindeutige Positionierung zur paradigmenwechslerischen Verkehrswende:

#innenfreieAutostadt
#autofreieInnenstadt

Vielen Dank @ PARTEI Kreisverband Region Hannover für die Großplakate!