Eine Verkehrswende, die diesen Namen zurecht trägt, wird es in Düren nicht geben!

Steile These voraus!

Und kurze Begründung vorab: Man wird sich nicht an ein ganzheitliches Konzept heranwagen, da die heilige Kuh „Pkw-Parkplätze“ unantastbar bleibt.
Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.

Über das grundsätzliche Problem, nämlich die jahrzehntelange planerische Zentrierung auf Steh- und Parkzeuge sowie deren Besitzer, habe ich schon genug geschrieben. Kann hier nachgelesen werden. Ohne ein Konzept für die Neuverteilung des innerstädtischen Raums, das insbesondere die größten Flächenverbraucher (Parkzeuge) angemessen mit einbezieht, werden alle anderen innerstädtischen Verkehrswende-Maßnahmen bereits konzeptionell beschnitten und planerisch konterkariert bzw. sind überhaupt nicht effektiv und zielführend umsetzbar, da sie ein gewisses Maß an „Flächengerechtigkeit“ voraussetzen, die aufgrund der Pkw-Bevorzugung nicht gegeben sein kann.

»Argumente für die kommunale Verkehrswende: Flächengerechtigkeit.«
Abbildung: www.weareplayground.com, Lizenz: CC-BY-NC-ND 4.0
Parken ohne Ende?
Eine AGFS-Broschüre zum Thema Nahmobilität und Autoparken, 02/2015

Die Rechnung ist denkbar einfach bzw. das Problem ist mehr als offensichtlich und vielfach belegt: Pkw verbrauchen enorm viel kostbare Fläche und erzeugen dabei diverse Nebenkosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Dabei nutzen sie die Fläche extrem ineffektiv, da sie die meiste Zeit nur herumstehen oder sich auf der Suche nach einem Platz zum Herumstehen befinden.

Die Lösung des Problems ist (gedanklich) ebenso simpel: Das Verursacherprinzip anwenden und die Flächen gemäß den gesamtgesellschaftlichen Zielen umgestalten und/oder wo dies nicht möglich ist – angemessen bepreisen.

Diese Gedanken führen immer wieder quasi zwangslogisch zu „Push&Pull“. Wir dürfen uns nicht nur auf reine Angebotspolitik (die leider de facto oft nur Symbolpolitik ist) beschränken. In (mindestens) gleichem Maße, wie wir die Attraktivität der gewünschten Verkehrsformen (multimodaler Umweltverbund) fördern müssen, müssen wir auch die unerwünschten Mobilitätsarten unattraktiv machen. Finanziell, infrastrukturell und auch „erzählerisch“ / „allgemein-philosophisch“ (Bewusstsein).

Ohne ein effektives, zielführendes Verhältnis von Push- und Pull-Maßnahmen, werden wir sonst grandios scheitern, nostradamiere ich mal. Und die größten Stellschrauben, die wir bzgl. der Verkehrswende in unseren Innenstädten haben, sind nun mal die Straßen, Wege und vor allem: Die Parkplätze. Wenn wir nicht langsam damit anfangen, an diesen zu drehen, und weiter nur kleine Brötchen backen, wird das alles nix…

Wir brauchen dringend ein zukunftsgerichtetes Parkraum-Management-Konzept!

»Die kommunale Verkehrswende verändert die Mobilität in Städten«
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Insofern ist es zwar auf jeden Fall begrüßenswert, dass die Koalition „Zukunft Düren“ endlich mal die Neu-Aufteilung der innerstädtischen Straßen angehen will und sich auch bzgl. „Radvorrangroutennetz“ endlich etwas tut:

Alle vierspurigen und überbreiten Straßen sollen auf zwei Fahrspuren für den motorisierten Verkehr, für sichere Fahrradwege zurückgebaut werden.

Die Achse August-Klotz Straße bis Birkesdorf, die Stürtzstraße und die alte B56 werden zuerst in Angriff genommen.

Wir werden vermehrt Fahrradstraßen in der Innenstadt schaffen.

Wir wollen in der Innenstadt grundsätzlich Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit wo möglich.

Koalitionsvertrag „Zukunft Düren“ 2020-2025, SPD-Website

Aber: Dass das Thema „Pkw-Parkplätze in der Innenstadt“ nur eine marginale Rolle zu spielen scheint und man vergeblich nach Ideen für ein echtes Parkraum-Konzept sucht, ist aus meiner Sicht verheerend für die Innenstadtentwicklung. Und wird unglücklicherweise derzeit auch noch flankiert durch Maßnahmen wie das kostenfreie Parken für E-Autos. Leider muss ich feststellen, dass diesbezüglich sogar der ADAC schon weiter denkt als Rot-Grün-Bunt…

Wie sieht das eigentlich die Autolobby? Die müssten sich doch absolut pro innerstädtische Parkplätze und möglichst viel motorisierten Individualverkehr in unseren Innenstädten positionieren, oder?

Dauerthema Parken: Kommunen müssen mehr Verantwortung übernehmen!

Kaum mit dem Auto am Ziel angekommen, geht der Stress erst richtig los: Die Suche nach einem freien Parkplatz kostet gerade in Großstädten oft Nerven und Zeit. Der Parksuchverkehr macht allein 30 bis 40 Prozent des innenstädtischen Gesamtverkehrs aus. Dabei braucht ein Autofahrer durchschnittlich zehn Minuten für die Parkplatzsuche und legt dabei 4,5 Kilometer zurück – eine vermeidbare Belastung für Mensch und Umwelt.

Denn für rund 65 Mio. Fahrzeuge (Pkw, Lkw, Anhänger) gibt es in Deutschland 160 Millionen Stellplätze. (…)

Dauerthema Parken: Kommunen müssen mehr Verantwortung übernehmen!, ADAC Online, 15.07.2020

Der ADAC spricht sich sogar für eine angemessene(re) Bepreisung des öffentlichen Raums für Parkzeuge aus und kritisiert die niedrigen Gebühren für das Anwohnerparken.

Bisher nutzen Kommunen häufig Anwohner-Parkausweise, um Anwohnern die Parkplatzsuche zu erleichtern und Fremdparker fernzuhalten. Hierfür werden Gebühren zwischen 10,20 Euro und 30,70 Euro pro Jahr verlangt. Das sind maximal 2,56 Euro pro Monat. Hier spiegelt der Preis nicht die Knappheit der Ressource „öffentlicher Raum“ wider! Im Mai hat der Bundestag daher einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Länder und Kommunen ermächtigt, in Vierteln mit Parkplatzmangel den Preis für Anwohner-Parkausweise eigenständig festzusetzen.

Die Idee ist im Grundsatz richtig. Auf eine Obergrenze sollte jedoch nicht verzichtet werden, denn Mobilität muss bezahlbar bleiben! Die Gebührenanpassung darf immer nur bedarfsweise und abhängig vom Parkdruck erfolgen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Preise willkürlich festgelegt werden oder zusätzlichen Einnahmen für die kommunalen Kassen generiert werden. (…)

Die Nachbarn zeigen, wie es gehen kann

Kommunen dürfen sich beim Thema Parken nicht nur um Gebühren kümmern. Vielmehr brauchen sie ein Gesamtkonzept mit einem schlüssigen Parkraum-Management. Und: Sie müssen Anwohnern Alternativen aufzeigen! Außerdem braucht es Push- und Pull-Maßnahmen – zum Beispiel kostenpflichtige Parkscheine, die aber gleichzeitig als Fahrkarte im ÖPNV genutzt werden können. Ansonsten wird sich das Mobilitätsverhalten nicht ändern.

Die Niederländer machen mit der sogenannten ABC-Planung vor, wie es funktionieren kann: In Utrecht hat man die Stadt in verschiedene Zonen eingeteilt. Je zentraler man mit dem Auto parken will, desto teurer wird es. Gleichzeitig werden dem Verkehrsteilnehmer im Umland zahlreiche Umsteigemöglichkeiten auf andere Verkehrsmittel angeboten, um die Multimodalität zu fördern. Zuverlässige und auf Echtzeitdaten beruhende Fahrgastinformationen erhöhen den Anreiz, multimodale Angebote zu nutzen. Eine intelligente Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger ist der Schlüssel zum Erfolg. (…)

Dauerthema Parken: Kommunen müssen mehr Verantwortung übernehmen!, ADAC Online, 15.07.2020

Dass der ADAC Utrecht als gutes Beispiel aufführt, finde ich erstaunlich. „Wir sind doch nicht in Holland!“ höre und lese ich andauernd als „Argument“ der Ewiggestrigen, die sich nicht vorstellen können, in einer Welt mit weniger Autos leben zu können.

Utrecht? Okay… Da bin ich dabei!

Lasst uns deren Kurzzeit-Tarife in Düren umsetzen: Die City in Zonen A/B/C aufteilen und an Utrecht orientieren. Das wäre wirklich mal eine effektive Push-Aktion!

Zum Vergleich: Mitten in Düren.

Oder deren Anwohnerparken-Kosten?

Mein Anwohnerparkausweis für´s kommende Jahr wird gerade auch wieder fällig. Bei uns in Düren gibt es unbürokratische 11 Parkzonen. A-N exklusive H und I. Inklusive neuer Zone G. Und die Preise sehen überall gleich aus. Für die zentrale Innenstadt zahle ich in Düren rund 30 Euro – genau so viel wie in Birkesdorf. In Utrecht das Sechzigfache! So steuert man Verkehr! *LOL*

Jetzt weiß ich auch, warum der ADAC bei grundsätzlicher Forderung nach höheren Parkplatzgebühren da eine Deckelung will. *Zwinkersmiley* Ich sehe aber genauso, wie weit wir noch von einer wirklich angemessenen Bepreisung unseres innerstädtischen Raums entfernt sind und wie wenig wir bei diesem Thema nach dem Verursacherprinzip kalkulieren, sondern stattdessen Pkw-erzeugte Kosten vergesellschaften.

Quelle: Stadt Düren
Quelle: Stadt Utrecht

Man ist ja inzwischen selbst als Radpendler versucht, schallend in die Welt hinauszurufen:

“Hört auf den ADAC!“

(…)

London, Amsterdam, Oslo – diese Städte zeigen, wie es gehen kann

Ein paar weiße oder gelbe Striche auf die Straße malen – wie man in manchen Städten die Strategie auf den Punkt bringen kann – reicht da nicht aus. Es braucht eine systematische Herangehensweise und die Bereitschaft, Geld in die Hand zu nehmen. Nur so kann eine sichere Infrastruktur geschaffen werden, um langfristig mehr Menschen auf das Fahrrad zu bekommen. Mit der Initiative zum Radgesetz NRW der Landesregierung ist der erste Schritt in die richtige Richtung getan. Mehr aber noch nicht.

In London hat man auf den Hauptverkehrsstraßen konsequent die öffentlichen Stellplätze für Autos durch Radfahrstreifen, Busspuren oder breitere Fußwege ersetzt. Zudem wurden in der Stadt Fahrradverleihstationen eingerichtet und gut sichtbare Fußgängerrouten ausgeschildert (siehe Fotos). Amsterdam will den ruhenden Verkehr im öffentlichen Raum radikal aus der Kerninnenstadt verdrängen. So soll die Zahl der Anwohnerparkberechtigungen im Zentrum um jährlich 1500 reduziert werden. Oslo möchte den CO2-Ausstoß bis 2030 um 95 Prozent senken, auf lange Sicht soll die Innenstadt deshalb gänzlich autofrei werden. (…)

Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen

Dabei dürfen wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und alles auf ein Verkehrsmittel ausrichten, indem jetzt dogmatisch eine fahrradgerechte Stadt gefordert wird. Vielmehr brauchen wir einen Wandel weg von der autogerechten hin zur menschengerechten Stadt, in der die einzelnen Verkehrsträger ihre Stärken optimal ausspielen. (…)

Kampf um die Straße: Wir brauchen eine menschengerechte Stadt!, ADAC Online, 14.05.2020

Klarer kann sich ein Automobilclub eigentlich nicht positionieren. Eine Entschuldigung für die jahrzehntelange Mitarbeit an den „Fehlern der Vergangenheit“ wäre noch angemessen gewesen, aber – geschenkt! Wie dem auch sei. Schön, dass sich heute wissenschaftlich vielfach belegt, und von der Auto-Lobby unterstützt, sagen lässt:

Eine Verkehrswende ist erforderlich

Es besteht offensichtlich ein Bewusstsein, dass neben der Energiewende auch eine Verkehrswende erforderlich ist: ca. 81 % der Befragten sehen hier einen akuten Handlungsbedarf. Somit liegt eine breite Zustimmung vor, die nur unwesentlich geringer ist als die Unterstützung der Energiewende als Ganzes, die 92 % der Befragten als wichtig erachten.

Deutschland – Land der Autofahrer: Wie steht die Bevölkerung zur Verkehrswende?, KfW Research, 11.11.2017
»Kommunale Verkehrswende: Städte sind Begegnungsräume.«
Abbildung: www.weareplayground.com, Lizenz: CC-BY-NC-ND 4.0

Wir haben in der Verkehrsforschung inzwischen erkannt, dass mit einer reinen angebotsorientierten Verkehrspolitik keine starken Auswirkungen zu erreichen sind. Man kann Radwege oder den öffentlichen Nahverkehr verbessern und beides wirkt sich auf die Verkehrsmittelnutzung aus, aber nicht wirklich spürbar, solange die Bedingungen für das Auto immer noch hervorragend sind.

Daraus schließen Verkehrsforscher: Um das Auto in öffentlichen Räumen wirklich zurückzudrängen, brauchen wir eine restriktivere Verkehrspolitik. Etwa dem Auto Raum wegnehmen, also weniger Parkplätze anbieten oder Straßen, auf denen sich der Verkehr staut, damit den Leuten die Lust am Fahren vergeht.

Autofahren muss teurer werden. Politiker denken leider nicht langfristig strategisch, sondern kurzfristig in Wahlperioden. Deshalb waren die Entscheidungen des Bundesverkehrsministeriums in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eher Behinderung als Bereicherung für Veränderungen im Verkehr.

Verkehrsforscher Joachim Scheiner, Verkehr ist eine Frage des Geldes, Zeit Online, 19.10.2019

Nicht nur die Verkehrsforscher sind längst zu diesen Schlüssen gekommen, auch die Wirtschaftsforscher (des nicht gerade arbeitsplatzfeindlichen ifo-Instituts) sprechen sich eindeutig für mehr Push-Maßnahmen aus. Weil sie in der Gesamtrechnung (und in die Zukunft gedacht) einfach dringend notwendig sind, falls wir unsere Ziele jemals erreichen wollen.

Hauptergebnisse der Studie

Auch in München könnte eine einfach ausgestaltete Anti-Stau-Gebühr die Stauprobleme in der Innenstadt in den Griff bekommen. Eine Anhebung der bestehenden Parkgebühren in den Parklizenzgebieten auf 10 € pro Tag, wie sie aktuell erprobt wird, hätte dagegen so gut wie keine verkehrslenkende Wirkung. Würde man die höheren Parkgebühren jedoch mit einer Bepreisung des fließenden Verkehrs von 6 € pro Tag kombinieren, könnte man den Pkw-Verkehr innerhalb des Mittleren Rings im Mittel des gesamten Tages um mehr als 23 %, in der Spitzenzeit um 33 % verringern. Bei einer Gebühr von 10 € pro Tag wäre der Effekt noch einmal um knapp 7 %-Punkte höher; in der Spitzenzeit würde der Pkw-Verkehr sogar um mehr als 41 % sinken.

Der verkehrslenkende Effekt käme vor allem dadurch zustande, dass die Fahrer*innen mit Einführung einer Anti-Stau-Gebühr auf andere Verkehrsmittel, vor allem den ÖV, umsteigen würden. Die Anzahl der Fahrten in die Innenstadt über alle Verkehrsmittel hinweg ginge hingegen nur geringfügig zurück. Als Folge würde die Nachfrage im ÖV steigen und es käme zu Engpässen auf einzelnen Strecken. Das würde jedoch unter anderem durch die bereits geplanten Projekte zum ÖV-Ausbau aufgefangen werden. Durch den geringeren Pkw-Verkehr würden die Straßen stark entlastet und die Geschwindigkeit würde steigen, wovon auch der Wirtschaftsverkehr profitieren würde: Hier würde die Fahrzeit innerhalb des Mittleren Rings um 7,5 % sinken, in der Spitzenzeit sogar um mehr als 10 %.

Verkehrliche Wirkungen einer Anti-Stau-Gebühr in München, ifo Institut, 09/2020

Wir brauchen dringend ein zukunftsgerichtetes Parkraum-Management-Konzept!

Denn wenn wir das Mehrfach-Problem der Flächenungerechtigkeit lösen, lösen wir verschiedene andere Pkw-verursachte Probleme gleich mit.


Alles eine Kopf-Sache… Zum Weiterdenken: