Der Innenstadt-Verkehr verringert sich um knapp die Hälfte! Versprochen!

Es ist doch höchst erstaunlich, was so alles in der Presse bzw. in Mitteilungen, die für die Presse bestimmt sind (und von dieser meist 1:1 übernommen werden), zu lesen ist. Neben all dem Widersprüchlichen sind manchmal echte Zuckerperlen dabei, die man sich auf derZunge zergehen lassen muss.

Wie in der aktuellen Pressemitteilung von Straßen.NRW „B56n: Ortsumgehung für mehr Lebensqualität in Düren“ vom 7. April.

(…)„Mit dem nun fertigen Bauabschnitt, der unter anderem auch die Bahnstrecke Aachen-Köln quert, verringert sich der innerstädtische Verkehr in Düren um knapp die Hälfte, schätzt Straßen.NRW-Direktorin Dr. Petra Beckefeld und freut sich für die Fußgänger und Radfahrer in Düren, „die mit deutlich weniger Durchgangsverkehr in ihrer Stadt jetzt viel sicherer unterwegs sein werden.“ (…)

Pressemitteilung Straßen.NRW „B56n: Ortsumgehung für mehr Lebensqualität in Düren“, 7.4.2021

Ungeahnte Gemeinsamkeiten

Die B56n reduziert den Innenstadtverkehr zukünftig um knapp die Hälfte? Ich bin echt beeindruckt. Und begeistert ob der sich auftuenden Möglichkeiten! Unser werter Verkehrsminister (diesmal nicht „Fahrradminister“ Dr. Andy B. Scheuert) bringt es auf den Punkt:

Verkehr raus. Lebensqualität rein.

Hendrik Wüst (CDU, Landesverkehrsminister)
Zentrale Verkehrsachse mit überregionaler Bedeutung: Ortsumgehung der B56n in Düren fertiggestellt
Pressemitteilung VM NRW, 7.4.2021
Quelle: Facebook-Seite BM Frank-Peter Ullrich (SPD)
geteilt via Dietmar Nietan (SPD) (Screenshot)

Da die Facebook-Nachrichten unseres BM mich auch immer erreichen und er die frohe Kunde dort teilte, habe ich ihm meine Freude spontan auf diesem Wege mitgeteilt. Um mir das Neu-Formulieren für diesen kleinen Blogeintrag zu ersparen, copy&paste ich das einfach hier (mit kleinen, nicht weiter markierten Ergänzungen). Thomas Rachel (CDU), ein langjähriger Kämpfer für die B56n und Betreiber einer eigenen B56n-Facebook-Seite (siehe unten), war natürlich auch hellauf begeistert.

Quelle (inkl. Fotos+Video):
Facebook-Seite Thomas Rachel (Screenshot)

Kurze Nachfrage noch: Was hat die B56n nun eigentlich genau gekostet und wer hat was davon getragen?

  • Herr Rachel spricht von gut 33 Mio. Investition der Bundesregierung.
  • Im Flyer heißt es ebenfalls „Die Gesamtkosten für die Baumaßnahme betragen 33,390 Mio. €. Kostenträger der Baumaßnahme ist die Bundesrepublik Deutschland.“
  • In der Pressemitteilung des Verkehrsministeriums heißt es wiederum: „Kosten für die Gesamtmaßnahme: rund 48 Millionen Euro.“ Das sind ja nur knapp die Hälfte der veranschlagten Kosten, die nochmal on top drauf gekommen sind. Gemessen an BER und Elbphilharmonie gar nicht mal so schlecht. Genauso viel unerwartete Mehrkosten wie erwartete Pkw-Entlastung. Nice! (Der Abriss und Neubau der Brücke am Heerweg ist selbstredend nicht in den Kosten enthalten.)

Super! Und es ist – wie bereits erwähnt – zu lesen, Straßen.NRW rechne mit einer Verringerung des innerstädtischen Verkehrs um knapp die Hälfte! „Mit dem nun fertigen Bauabschnitt, der unter anderem auch die Bahnstrecke Aachen-Köln quert, verringert sich der innerstädtische Verkehr in Düren um knapp die Hälfte“, schätzt Straßen.NRW-Direktorin Dr. Petra Beckefeld und freut sich für die Fußgänger und Radfahrer in Düren, „die mit deutlich weniger Durchgangsverkehr in ihrer Stadt jetzt viel sicherer unterwegs sein werden.“

Dann ist ja bald ganz viel Raum da, um die vielen guten Maßnahmenvorschläge aus dem Klimaschutz-Teilkonzept und dem Koalitionsvertrag umzusetzen (und damit evtl. ein wenig die mit der B56n begangenen Fehlplanungen bzgl. Rad- und Fußverkehr wieder gutzumachen?) bspw durch die eh längst angekündigten Fahrradstraßen, Radschnellwege, getrennte Fahrbahnen, weniger Parkplätze, Rücknahme der Fahrspuren für den MIV auf überbreiten Innenstadt-Straßen, Neu-Beurteilung der B399n…

Aus meiner Sicht gerade jetzt notwendig, da das einzige sichtbare „Leuchtturmprojekt“ – der beidseitige geschützte Radstreifen von Kino bis Birkesdorf (Protected Bike Lane) – ja aufgrund der Bauarbeiten am kaputten Kanal frühestens kommendes Jahr zu realisieren sein wird.

Aktuell stillgelegte PBL Veldener Straße. Wird nach der Kanal- und Fahrbahnsanierung beidseitig ausgebaut vom Kino bis Ortseingang Birkedorf. Beschlossene Sache!

Super auch, dass sich Herr Rachel anlässlich des gemeinsamen Pressetermins so deutlich pro Sicherheit im Straßenverkehr positioniert. Man konnte in der Vergangenheit manchmal den Eindruck gewinnen, den Christdemokraten ginge es in der Verkehrsplanung mehr um maximale Flüssigkeit und möglichst große Durchflusszahlen. Obwohl das in der StVO ganz anders geregelt ist.

Schön, dann sind ja alle auf einer Linie! Die CDU fordert ja auch schon lange sichere und getrennte Radwege. Ähnlich wie der Koalitionsvertrag (ich interpretiere!). Und (u.a.) genau zur Umsetzung dieser verbesserten Rad- und Fuß-Infrastruktur wurde die B56n ja auch geplant, wenn ich das richtig verstanden habe. Vision Zero, Radverkehrsanteil +10% oder 25% oder so und so weiter… Mit so viel MIV-Entlastung durch die B56n und derartiger politischer Einigkeit wird da jetzt wohl einiges möglich. Super!

Und die Koalition Zukunft Düren hat mit dieser Entlastung sowie den zwischenzeitlich durchgeführten Maßnahmen nochmal ein starkes Argument an der Hand, um den Koalitionsvertrag bzgl. B399n umzusetzen. Schließlich wäre es ja echt seltsam, unter diesen neuen Umständen auf eine uralte, überhaupt nicht mehr aktuelle Planung/Prognose zu setzen. Also scheint es ja überfraktioneller Konsens zu sein, sich die B399n ganz grundsätzlich nochmal anzuschauen. Sehr vernünftig unsere PolitikeriX!

Schließlich ist gerade auch das Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW in die Verbändeanhörung gegangen und es ist absehbar, dass das neue Gesetz den Kreisen und Kommunen diverse Maßnahmen zur Förderung des Umweltverbundes “nahelegen“ wird. Da kann man ja jetzt die Gunst der Stunde nutzen und die von allen gewünschte Verkehrswende endlich konsequent angehen.

So wie damals im Forum Politik auch schon quasi fraktionsübergreifend angekündigt wurde. Der Politik in die Hände spielen dabei neben der allgemeinen Einigkeit auch noch die umfangreich zur Verfügung stehenden Fördermittel von Land und Bund. Mit Förderquoten von bis zu 90 Prozent! Da wäre man ja als Kommune mehr als fahrlässig, wenn man da noch zögerte. 😉


Hoffentlich fehlinterpretiere ich nicht (wieder?) offizielle Verlautbarungen. Mir kommen bzgl. der christsozialen Verkehrswende-Haltungen nach B56n-Fertigstellung gerade so Vokabeln in den Kopf, die jüngst eigentlich eher von CDU-Seite genutzt wurden. Wie beispielsweise „Sinneswandel“. Aber damit bin ich mal noch zurückhaltend bis angefangen wird, die Versprechen umzusetzen…

Bringt die radfeindliche Ortsumgehung im Nachgang doch noch positive Effekte für den Rad- und Fußverkehr? Einen Lerneffekt für aktuelle und zukünftige Planungen? Oder gar eine Art „Wiedergutmachung“ für vergangene Fehlplanungen auf den nun gewonnenen Innenstadt-Kapazitäten? Das FaNaG NRW schreibt endlich die Gleichberechtigung des Radverkehrs gesetzlich fest. 50 Jahre haben wir den Pkw-Verkehr priorisiert. Mit allen Konsequenzen.
Zeit, um mal umzudenken?
Bild-Quelle: ProRad Düren, Gedanken.Quelle: privat

Zum Schmökern:


Fortsetzung folgt…?