Mit einer „Marketing-Kampagne“ will die Stadt Düren Autofahrer für mehr Rücksichtnahme beim Überholen von Radfahrern sensibilisieren. Erneut. Toll!

Da war doch schon mal was… Siehe auch hier und hier. Vor drei Jahren hat es eine ähnliche „Kampagne“ gegeben. (Same same, but different.) Damals wurden einige städtische Dienstfahrzeuge und Busse mit den gelben Aufklebern ausgestattet. ProRad Düren (für die ich an dieser Stelle ausdrücklich nicht spreche *Insidersmiley*) hatte sich u.a. mit eigenen Aufklebern an der Aktion beteiligt.

Stand der Dinge

Eine echte Evaluation der ersten Kampagne hat es wohl nicht gegeben. Ist ja auch schwierig da irgendwas Greifbares mitzunehmen. Wie soll das funktionieren? Insbesondere wenn überhaupt nicht kontrolliert wird/werden kann. Aus rein subjektiver Sicht als Rad- und Autofahrer kann ich leider nur das bestätigen, was auch der aktuelle ADFC-Fahrradklima-Test zeigt:

Aufgrund der ersten Marketing-Kampagne hat sich gar nichts verbessert. Wenn überhaupt, dann durch kleinere infrastrukturelle Maßnahmen, aber bestimmt nicht durch die paar Aufkleber. Sonst hätte es doch wenigstens mit den Busfahrern, die die Aufkleber schließlichTag für Tag durch die Gegend kutschieren, seitdem keine Begegnungen der besonderen Art mehr geben sollen, oder? Die Realität sieht anders aus. (Na gut, wie soll ich auch selbst einen Aufkleber sehen, der hinten auf meinem Fahrzeug pappt? Der ist ja voll im toten Winkel!)

Aber gut, es schadet ja auch nix, nochmal ein wenig Bewusstsein zu schaffen. Kostet nur etwas Geld und Arbeit. Lohnt sich aber vielleicht, wenn es verhindert, dass etwas unsichere Radfahrer wie Kinder solchen Situationen zukünftig ausgesetzt sind…

Hierzu werden zunächst an verschiedenen Standorten im Stadtgebiet entsprechende Werbebanner aufgehängt. Für die festen Plakatstandorte an Straßenlaternen wurde zudem ein Logo entwickelt, welches auf den gesetzlich vorgeschriebenen Überholabstand hinweist.

Im weiteren Verlauf des Jahres wird die Kampagne zu verschiedenen Anlässen wieder aufgegriffen.

Quelle: Ratsinformationssystem Stadt Düren

Ein paar kurze Rückfragen dazu hätte ich aber schon noch:

  • Wird das Logo noch geändert – äh, gegendert? Als Privatblogger kann Mann da ja ungescholten etwas nachlässig sein. Aber als gleichgestellte Kommune? Oder sind vielleicht nur die männlichen Radfahrer Zielgruppe des neuen Mobility-Corporate-Identity-Teilbereichs „Fahrradfahrer“? Hätte es nicht auch einfach „Radfahren!“ getan? *Zwinkersmiley*
  • Auf dem Banner ist von „gegenseitiger Rücksichtnahme beim Überholen“ die Sprache. Wie genau nehme ich als Radfahrer, der überholt wird, „Rücksicht“ auf den, der mich (ggf viel zu eng) überholt? Im wahren Wortsinn? Kommt jetzt die Rückspiegel-Pflicht für Radfahrer? Verpflichtender Schulterblick alle 50 Meter? 😉
  • Von welchen „verschiedenen Anlässen“ ist konkret die Rede? Anfang April hat man doch bestimmt schon einen Plan für´s Jahr gemacht. Unter einer „Kampagne“ verstehe ich auch deutlich mehr als das Aufhängen von ein paar Plakaten. Viele fahrradbezogene Anlässe können es ja eigentlich nicht sein. Corona hin oder her. So Sachen wie „Parking Day“, „In die Stadt ohne mein Auto“ etc. sind ja nicht mehr sonderlich erwünscht.

Im verfluchten Internetz tauchen übrigens schon die ersten alternativen Ideen für die neuen Mobilitäts-Dachmarken auf. Hashtag #der_strasse_ist_maskulin 😉

Keine Kontrolle

Ich wünsche der Stadt aufrichtig, komplett ironiefrei und von Herzen viel Erfolg mit der Marketing-Kampagne! Ich wünsche mir von der Stadt und vom Kreis aber noch mehr, dass sie sich endlich mal darum kümmern, dass gefährliche Überholabstände auch mal kontrolliert und sanktioniert werden. Mann ist doch auch Mitglied im Städtetag etc. Kann man da nicht mal was anstoßen, wenn einem das Thema doch angeblich so wichtig ist?

Spricht irgendwas gegen Aktionen, wie sie Ehrenamtliche und Bürgerinitiativen in vielen Städten unternehmen, um das Problem nicht nur durch ein paar Aufkleber, Posts und Plakate anzugehen? Stichwort „Open Bike Sensor“ und Co? Ach so ja, der teutonische Bürokratismus…

Muss sich echt wieder Zivilgesellschaft darum kümmern, dass endlich mal Geräte geeicht werden und auf die Straße kommen? Stünde es Kommunen, die sich der besonderen Förderung des Radverkehrs verschrieben haben, nicht gut an, da mal aktiv zu werden? Haben die da nicht auch irgendwie bessere Möglichkeiten und Zugänge als rührselig-naive Zivilisten? Aber gegenwinderprobte Radfahrer haben ja Erfahrungen mit Windmühlenkämpfen… 😉

Würden rechtssichere Messinstrumente eigentlich nicht auch super die immer wieder politisch geforderte Beachtung der Verkehrsregeln ganz gut unterstützen? Das faire Miteinander, die gegenseitige Rücksichtnahme usw…? Vision Zero? Modal Split-Ziele… Inkl. Einnahmequelle für die Kommunen und pädagogisches Paket für notorische StVO-Missachter? Läge es also nicht im Eigeninteresse der Kommunen, da mal was auf die Wege und in die Polizeiautos zu bringen? Oder auf die Polizei- und Ordnungsamts-Fahrräder?

Ist aber wahrscheinlich nicht so wichtig, wenn man doch ein paar Plakate aufhängen und auf die Vernunft, Empathie und Freiwilligkeit der Auto- und Lkw-Fahrer setzen kann. Hat ja bisher auch ganz gut funktioniert, das wird also schon reichen. Bis zur nächsten zahnlosen PR-Kampagne vermutlich. *Zwinkersmiley*

Oder bis zum nächsten auf einem “Schutzstreifen” getöteten Radfahrer? *GarkeinSmiley*

Neue Schilder

In diesem Zusammenhang steht auch ein weiterer Antrag. Diesmal von den Birkesdorfer Genossen. Die SPD will nämlich in der Behringstraße und der Eintrachtstraße prüfen lassen, ob es Sinn macht, dieses (nicht mehr ganz so) neue Verkehrsschild aufzuhängen.

Finde ich grundsätzlich nicht verkehrt, auch wenn ich denke, dass weniger Schilder mehr wären, wenn unsere Infrastruktur und das Miteinander im Verkehr es zuließen. Bis wir so weit sind, finde ich solche Schilder auf jeden Fall besser als den undurchdringlichen Schilderwald, der sich allein durch Parkplatzbeschilderungen kreuz und quer durch die komplette Stadt zieht.

Aber Moment mal. Wenn ich doch schon eine tolle PR-Kampagne pro sowieso gesetzlich vorgeschriebenem Überholabstand mache und bei der Kontrolle eh voll auf Nicht-Kontrollieren setze, wozu dann eigentlich noch Hinweisschilder? 😉

Naja, die Eintrachtstraße soll ja wohl „bald“ Radvorrangroute werden und die Behringstraße ist tatsächlich so eng, dass kein Auto überholen kann, wenn der/die/das RadleriX selbst einen vernünftigen Abstand zu den beidseitig von morgens bis abends parkenden Pkw einhält. (Rechts vor links und Parken bis in die Kreuzungen rein ist auf der Behringstraße nochmal ein anderes Thema…) Außerdem wird in Birkesdorf ja noch das ISEK umgesetzt und im Rahmen dessen die Hauptachse zur fahrrad- und fußgängerfreundlichen Flaniermeile. 😉 Es kann also nur besser werden!

Persönliche Prognose

Langer Rede, kurzer Sinn: Ich bin da leider mal wieder pessimistisch: Die neuerliche „Sicherheitskampagne zum Überholabstand“ wird aus meiner Sicht ähnlich verpuffen wie der erste Anlauf. Solange es keine Handhabe gibt, Regeln, die nach wie vor regelmäßig gebrochen werden, durchzusetzen bzw. deren Nichteinhaltung zu sanktionieren, wird das nix werden. Das zeigt die tägliche Praxis.

Um optimistisch zu schließen: Ich setze voll auf das zeitnah umgesetzte Radverkehrskonzept, auf Klimaschutz-Teilkonzept, ISEK, FaNaG NRW, nationalen Radverkehrsplan und Co.! Nach deren konsequenter Umsetzung brauchen wir uns über so Dinge wie Einhalten von Überholabständen, neue nervige Schilder und so keinen Kopf mehr machen.

Anno 2073 oder so…


PS: Hoffentlich hat man sich bei der Arbeit am Melde-Portal (ebenfalls im Antrag) nicht zu viel eigene Mühen gemacht, denn etwas Vergleichbares gibt es ja schon längst.
THX@Jens für den Hinweis auf:

Open Street Map

Vollbildanzeige

Demnächst also auch nochmal hier:
„Das Meldeportal wird kurzfristig unter www.plan-portal.de/dueren/ für die Öffentlichkeit freigeschaltet.“


Redaktioneller Hinweis