Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, …

In der Dürener Zeitung ist heute zu lesen, dass auf der gerade wiedereröffneten Euskirchener Straße wieder Tempo 50 statt Tempo 30 gilt und das Verbot für Schwerlastverkehr aufgehoben wurde. Die berüchtigte Messstation zur Kontrolle der Luftreinheit, die während des Umbaus (warum auch immer) abgehängt wurde, soll wieder installiert werden. Auf Grundlage der dann erhobenen Daten will man sich nochmal anschauen, was bleiben kann und was ggf. nochmal korrigiert werden muss.

Klingt vernünftig, auch wenn ich nicht verstehe, weshalb man nicht direkt bei Tempo 30 geblieben ist. Schließlich hat sich die Stadt doch der Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ angeschlossen.

Wir sehen Tempo 30 für den Kraftfahrzeugverkehr auch auf Hauptverkehrsstraßen als integrierten Bestandteil eines nachhaltigen gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts und einer Strategie zur Aufwertung der öffentlichen Räume.

Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten

Quelle: Dürener Zeitung, 27.09.2023

Quelle: DürenerZeitung, 04.10.2023

Nachdem zunächst ausführlichst über die spektakuläre, Welt- und Gemüter-bewegende „Dürener Doppelkante“ (45°-Winkel-Kantsteine) berichtet wurde, widmete sich der heutige Artikel dem wieder erhöhten Geschwindigkeitslimit auf der verschmälerten Pkw-Fahrbahn. Gut, dass sich die Presse dafür interessiert. Das war mir bei meiner ersten Probefahrt (per Rad) gar nicht aufgefallen.

Sehr wohl aufgefallen ist mir allerdings die Behauptung, mit der Tempo-Erhöhung und Schwerlastverkehr-Freigabe im Artikel begründet werden:

Mittlerweile meidet ein Großteil des Durchgangsverkehrs die Dürener Innenstadt und nutzt die Ostumgehung, weswegen die Stadt das Tempo-30-Limit mit der Freigabe der umgebauten Euskirchener Straße erst einmal ausgesetzt hat.

Dürener Zeitung, 04.10.2023

Weiß die Zeitung etwas, das Straßen.NRW und Stadt Düren nicht wissen? Gibt es tatsächlich belegbare Zahlen, die diese Aussage untermauern? Hat es etwa eine Evaluation der Auswirkungen der B 56n auf die Entwicklung des Modals Splits in der Innenstadt gegeben? Irgendwelche Verkehrsmessungen, deren Ergebnisse man nachlesen könnte?

Falls dem nicht so ist:

  • Hat die Presse mal nachgefragt? Oder sich überhaupt schon mal für den Modal Shift oder andere zentrale Ziele unseres zentralen Verkehrskonzeptes interessiert? Falls nein: Warum nicht? Sind Kantsteinmaße interessanter und berichtenswerter?
  • Was fangen Politik und Verwaltung mit all dem Nicht-Wissen aus nicht evaluierten Konzepten, Koalitionsverträgen und Zielerreichungen an? Wahrscheinlich nichts, nehme ich an…

Ein Leserbrief (1.796 von 1.800 zulässigen Zeichen, eingereicht am 05.10.2023):

Wunsch oder Wirklichkeit? Warum wird nicht evaluiert?
Mit einiger Verwunderung las ich im Artikel „Wieder Tempo 50 auf der Euskirchener Straße“, dass mittlerweile „ein Großteil des Durchgangsverkehrs die Dürener Innenstadt“ meide und stattdessen die Ostumgehung B 56n nutze.

Das klingt wie eine Bestätigung der Prognose, die Straßen.NRW-Direktorin Dr. Petra Beckefeld im April 2021 anlässlich der Freigabe der B 56n abgab: „Mit dem nun fertigen Bauabschnitt (…) verringert sich der innerstädtische Verkehr in Düren um knapp die Hälfte.“ Man hörte und staunte!

Im April dieses Jahres schrieb mir Straßen.NRW auf Nachfrage, dass dort „keine Informationen zu Verkehrszahlen in der Dürener Innenstadt“ vorlägen. Der Stadt sind solche Zahlen offenbar auch nicht bekannt. Auf welchen Daten basiert also die Aussage bezüglich der Innenstadt-Verkehrsentlastung dank B 56n?

Wo finde ich die Ergebnisse der Parkraumanalyse, die im Masterplan Innenstadt vorgeschrieben wurde – inklusive Parkraumkonzept? Was hat die im zentralen städtischen Verkehrskonzept detailliert vorgegebene Evaluation ergeben? Wie hat sich die B 56n auf den Modal Split der City ausgewirkt?

Wen interessiert´s? 

Kann es sein, dass wir (Verkehrspolitik, Verwaltung, Presse, Bürgerschaft) das alles gar nicht so genau wissen wollen? Könnten echte Daten und Evaluationen doch offenbaren, dass sich unsere Prognosen nicht bestätigen und wir die selbst gesetzten Ziele verfehlen. Oder dass wir lieber ideologisiert als sachlich fundiert debattieren.

Die chronische Unterbesetzung der Fachämter führt dazu, dass sogar die größten verkehrspolitischen Projekte und Konzepte bis heute nicht ordentlich evaluiert wurden. Dass dies auch weiterhin so sein wird, weil auch Personalplanung nicht Teil irgendeiner Evaluation ist, ist nur eine Vermutung.