Vor fast genau einem Jahr (29. Mai 2020) habe ich beim städtischen Mobilitätsmanagement und beim damaligen Verkehrsausschussvorsitzenden nachgefragt wie es mit der Entwicklung des sogenannten “Modal Split” aussieht. Also wie sich die Verkehrsmittelnutzung seit Inkrafttreten des Klimaschutz-Teilkonzeptes entwickelt hat.
Schließlich war/ist ja gerade ungefähr Halbzeit – die Ziele wurden 2015/16 anhand der Zahlen von 2014 beschlossen und sollen bis 2025 umgesetzt werden.
Die Ziele
Bis 2025 soll sich das Verkehrsaufkommen insgesamt nicht verändern, allerdings soll sich die Nutzung der Verkehrsarten verschieben. Weg vom Pkw, hin zum Umweltverbund aus Fuß, ÖPNV und Rad.
Außerdem war ja auch zu lesen, dass „Der Mann, der die Mobilität in Düren managen soll“ (Dürener Zeitung, 8.12.2017, PayWall), dafür sorgen wird, dass ab seinem Amtsantritt jährlich ein Prozent weniger Pkw in unserer Stadt unterwegs sein werden.
In Zahlen von 2014 bis 2025:
- 10% weniger Pkw (1% pro Jahr)
- 5 % mehr ÖPNV
- 5 % mehr Radverkehr
- gleich viel Fußverkehr
Klare Ansagen also und messbare Ziele für vorgegebene Zeiträume. Der Traum eines jeden Qualitätsmanagers! Wenn da nur nicht die Überprüfung der Ziele bzw. der Umsetzungsmaßnahmen wäre. Denn da sieht es ziemlich mau aus. Weder wurden die Ergebnisse evaluiert, noch die Wirkungen der Folgemaßnahmen.
Naja, zumindest die Zulassungszahlen nach Gemeinden lassen sich beim Kraftfahrtbundesamt nachlesen. Und, hat unser Mobilitätsmanagement das Ziel erreicht? Jedes Jahr ein Prozent weniger Pkw-Zulassungen?
Versprochen war eigentlich, dass sich die Zahlen in genau die andere Richtung entwickeln… Naja.
2021: 49.998 / 58.465
Darf man sich fragen, ob wir uns da seit Jahren auf einem planerischen Blindflug befinden? Oder ist das Hantieren mit ziemlich fiktiven Zahlen und nicht erreichten Planwerten einfach bereits zum Standard geworden? Siehe B56n, B399n…
Selbst die Zahlen des Modal-Split-Ist-Zustandes 2014 sind mit Vorsicht zu genießen. Denn sie wurden, wenn ich das richtig verstehe, aus kreisweiten Daten einer Befragung von rund 3.000 Haushalten anlässlich der Erstellung des Nahverkehrsplans des Kreises extrahiert. (SPSS lässt grüßen.)
Ob diese Art der Basis-Erfassung der absolut zentralen Zielwerte geschickt und geeignet ist, kann ich schlecht beurteilen. Auch die Repräsentativität und Validität dieser Daten könnte man sich mal genauer anschauen…
Auf jeden Fall erscheint es mir ziemlich fahrlässig, die Überprüfung der zentralen Zielplanungen komplett zu ignorieren – egal auf welchen Ursprungs-Daten sie basieren. Verstehe ich auch ganz praktisch nicht. Will man gar nicht wissen, wohin die Maßnahmen führen, die man so umsetzt? Irgendwie will man sich doch ein Bild davon machen können, ob man auf dem richtigen Weg ist, oder nicht? (Vielleicht ja ganz bewusst besser nicht? Siehe kontraproduktive Schmutz- und Mehrzweckstreifen-Offensive, Auswertungen ADFC-Fahrradklima-Test…!)
Da freut sich der Qualitätsbeauftragte leider gar nicht mehr. Beim TÜV-Audit wäre das wahrscheinlich eine fette Abweichung: Keine Evaluation der Jahreszielplanung vorhanden. Folgemaßnahmen können nicht bestimmt werden. Prekäres Beschwerde- und Feedback-Management… Verantwortlichkeit: Leitung. Korrektur der Abweichung bis spätestens…
Schade eigentlich, dass eine Evaluation der Maßnahmen aus dem Klimaschutzteilkonzept nicht von Anfang an begleitend stattgefunden hat. So hätten wir uns wahrscheinlich jede Menge dubiose Schutz- und Mehrzweckstreifen erspart, die nun nach und nach wieder abgerubbelt werden, weil sie sich a) nicht bewährt haben und/oder b) keinem heutigen Standard entsprechen.
Die Verkehrsverlagerung, als Hauptschwerpunkt des Klimaschutzteilkonzeptes, sollte in den kommenden Jahren zu einer Veränderung der Modal-Split-Werte führen. Die wichtigste Annahme ist dabei, dass diese Veränderungen zu Gunsten der Verkehrsmittel des Umweltverbundes erfolgen, insbesondere des Fahrradverkehrs und des Bus- und Bahnverkehrs.
Klimaschutzteilkonzept Stadt Düren
Diese Annahme beruht auf dem empfohlenen Maßnahmenkatalog des Klimaschutzkonzeptes. Das Büro für Mobilitätsberatung und Moderation legte dabei, mit den geplanten Maßnahmen zu erreichende, Zielwerte fest, welche im Rahmen von Workshops diskutiert wurden.
Diese Zielwerte bilden die Grundlage für die Veränderungen der Verkehrsmengen der einzelnen Verkehrsträger und damit der Verkehrsleistung und der daraus berechneten Treibhausgasemissionen.
Ziel ist es den MIV-Anteil bis 2025 um 10 % zu senken und zugleich den ÖPNV- und den Fahrradanteil um je 5 % zu erhöhen. Der Fußverkehrsanteil soll konstant gehalten werden.
Drei Kilometer? Ernsthaft?
Ein Blick auf die Zahlen aus dem Nahverkehrsplan wirft noch eine weitere Frage auf…
Ja, vollkommen richtig. Die Stadt Düren hat ein enormes “Einpendler”-Potenzial. Nicht nur innerhalb des Stadtgebietes wird fleißig gependelt (knapp 15.000 Menschen täglich), auch aus den Kommunen fahren tausende Menschen Tag für Tag zur Arbeit und Ausbildung (Schüler/Azubis!). Ein riesiges Potenzial für den Umweltverbund! Eine riesige Chance für die Entlastung der Dürener Innenstadt von überflüssigen MIV-Fahrten!
Aber: Wieso sollen drei Kilometer eine Entfernung sein, die “außerhalb der Reichweite für Fuß- und Radverkehre” liegt?
Das sind doch gerade mal zehn Minuten mit dem Rad – von Tür zu Tür. Ohne jegliche Motor-Unterstützung. Wie lange benötige ich für drei Kilometer mit dem Pkw – von Tür zu Tür? Und wie hoch ist inzwischen der Pendelec-Anteil unter den Radfahrenden (Pendlern)? Wo liegt bei denen die Schmerzgrenze für die “maximale Reichweite für Radverkehre”? Drei Kilometer? Die sind ja selbst für einen unmotorisierten Kurzstreckenpendler wie mich ein Witz!
Vielleicht bekämen ja noch mehr Menschen Gefallen daran, per Fuß, Bus und Rad zur Arbeit und Schule zu pendeln, wenn die Verkehrsplanung es ihnen sicher, komfortabel und schnell ermöglichen würde? Und wenn ihnen gleichzeitig das Kurzstreckenfahren mit dem Pkw weniger attraktiv gestaltet würde – bspw. durch angemessene Parkgebühren, ein in die Zukunft gerichtetes Parkraumkonzept etc.? Push&Pull!
Batterie & Brennstoffzelle:
Die schöne neue Autowelt!
Unabhängig von der Frage, ob Düren das selbst gesetzte Ziel erreicht und entgegen dem Bundestrend jährlich weniger Kfz auf die Straßen bringt, könnte man auch mal die Frage nach der Fragwürdigkeit der E- und Wasserstoff-Auto-Förderung stellen.
Wenn es um Radverkehr geht, wird ja gerne argumentiert: “Da fahren ja eh so wenige, wieso sollte man die auch noch fördern?” Siehe bspw. AfDP-Argumentation bzgl. der Radfahrer-Paradiese “Am Großen Tal” und GRS Veldener Straße. Könnte man ja auch mal bei E-Autos, die genau so viel innerstädtischen Platz fressen wie Verbrenner und genau dieselben Unfälle erzeugen, machen. Beispielsweise bzgl. kostenlosem Parken:
Im Kreis Düren sind gerade mal 3,3% Pkw mit “alternativen Antrieben” angemeldet. Die überwiegende Mehrzahl davon sind auch noch Halb-Verbrenner, also Hybridfahrzeuge. Und diese sind mit großer Wahrscheinlichkeit in Besitz von Menschen, die sich diese nicht ganz günstige Fahrzeugklasse offensichtlich leisten können (oder zumindest wollen). Vermutlich gerne auch noch als Zweit-Auto… Wen genau fördert die Stadt da eigentlich mit dem sozial-ökologischen Freiparkversprechen für “E-Autos”?
Kreis Düren:
Einwohner: 263.722
Zugelassene Pkw: 162.299 (194.904 Motorisierte gesamt)
Bezüglich des seit Jahren “konsequent umgesetzten/umzusetzenden” Klimaschutz-Teilkonzeptes haben Politik und Verwaltung augenscheinlich noch einiges zu tun. (Ausgenommen das Teil-Teilkonzept “Schutzstreifen-Offensive.)
Also los:
- Push&Pull!
- Leuchtturmprojekte!
- Öffentlichkeitsarbeit…!
By the way: Heute ist übrigens Welt-Fahrradtag. Ein guter Anlass für unseren Fahrradbeauftragten sich nicht aus der Versenkung zu melden. Toll! (Vermissten-Anzeige ist raus!) *Zwinkersmiley*
Sonstiges…
- [Kurz erklärt] Was ist der Modal Split und was sagt er aus
- MiD – Mobilität in Deutschland
- Aktuelle Ergebnisse zur Alltagsmobilität
- Bestandsüberblick Kraftfahrtbundesamt
Schreibe einen Kommentar