In letzter Zeit hatte ich öfter mal das zweifelhafte Vergnügen die Kids mit dem Auto zur Schule bringen zu dürfen.

Den frühmorgendlichen Pendel-Verkehr mal ein paar Tage aus der Autofahrer-Perspektive zu erleben war sehr erhellend und lehrreich. Zum Beispiel hinsichtlich all der bitterlichen Nöte und Probleme, die wir motorisierten Pendler beim täglichen Verstopfen der Innenstadt mit unseren Autos so haben:

  • Absolut nicht im Vorfeld planbares Timing für total unabsehbare Verkehrswege, Arbeits- und Schulzeiten.
  • Universeller und allgegenwärtiger Parkplatzmangel, der uns ständig auf Schutzstreifen und in Halteverbote zwingt – ohne dass wir etwas dagegen tun könnten!
  • Garstige Verkehrsregeln, die zwar kaum mal jemand kontrolliert, die man aber dann doch irgendwie (im besten Fall) ein wenig berücksichtigen will/sollte/muss. Die sich aber andauernd ändern. Was kann ich denn bitte dafür, wenn ich nicht weiß, dass ich auf einem „Schutz“streifen als dummer Autofahrer gar nicht fahren, halten oder parken darf?
  • Komplett verrückte andere Verkehrsteilnehmer, die sich entweder an keine Regeln halten oder so regelkonform fahren, dass sie mich und alle anderen damit vollkommen unnötig ausbremsen und nerven.

Der reinste Horror! Und da hab ich mir das noch nicht mal aus Sicht eines zu Fuß gehenden oder Rad fahrenden Kindes angeschaut. Die Paradoxie liegt aber auch ohne die dem Thema eigentlich angemessene Perspektive irgendwie auf der Hand bzw. auf der Straße, oder?

Wegen der vielen Autos in der ganzen Stadt kommen unsere Kinder nicht mehr sicher zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule. Deshalb müssen wir sie mit dem Auto bringen. Um immer noch mehr Pkw-Verkehr zu erzeugen, der die Schulwege noch unsicherer macht. Und uns dadurch immer mehr gute Argumente dafür liefert, unsere Kids noch konsequenter mit dem Auto durch die Stadt zu kutschieren. Was wiederum zur Folge hat, dass… Ach, lassen wir das. Zu deprimierend

Das Ziel kann so gesehen eigentlich nur sein: Elterntaxi für Alle! Mehr Pkw = mehr Sicherheit! (Wenn endlich mal alle mit dem Pkw fahren.) Demnächst auch noch total ökologisch per Elektro-Sport-Multi-Panzer-Nutzfahrzeug. Oder sogar wasserstoffbeschleunigt. Es kann also eigentlich alles so weiterlaufen bzw. weiterfahren wie bisher.

Von wegen! Das Problem wurde natürlich längst identifiziert. Zum Glück hat die Stadt das auch auf dem Schirm und noch in diesem Frühjahr ist mit den ersten neuen Halte- und Bringzonen zu rechnen. Wir sind schon gespannt! (Links zu Plänen gerne in die Kommentare. Mir ist da im Rats-Infosystem noch nichts entgegen gekommen.) Außerdem sind weitere konzeptionelle, bauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen bereits in vollem Gange. Diese werden selbstredend in die Planungen des Rückbaus der mehrspurigen Straßen sowie bei der Umsetzung des Radvorrangroutennetzes einbezogen. Nehme ich mal an.

Die Dürener Schulen sind mit insgesamt etwa 18.000 Schülerinnen und Schüler wichtige Mobilitätsziele innerhalb der Stadt. Kurz vor Unterrichtsbeginn ist vor den meisten Schulen ein extrem hohes Verkehrsaufkommen zu beobachten, denn die Kinder werden sehr häufig von den Eltern mit dem Auto zur Schule gefahren und wieder abgeholt. Fast zwangsläufig führen die sogenannten Elterntaxis vor vielen Schuleingängen zu Gefahrensituationen.

Die Stadt Düren arbeitet daher gemeinsam mit dem Zukunftsnetzwerk Mobilität NRW und dem Wuppertaler Ingenieurbüro bueffee an der Einführung von Konzepten und der Umsetzung von Maßnahmen im Schulischen Mobilitätsmanagement (SMM). Ein wesentlicher Ansatz des schulischen Mobilitätsmanagements ist es, die Kinder zu ermutigen, den Schulweg (wieder) vermehrt als ihre Aufgabe anzusehen, die sie weitestgehend selbstständig bewältigen können.

Seit Herbst 2020 werden daher in einem ersten Pilotprojekt an fünf Grundschulen gemeinsam mit den Schulleiterinnen und den Lehrerinnen und Lehrer sowie den Eltern und den Grundschulkindern u.a. Gefahrenstellen entlang der Hauptschulrouten identifiziert, um die Verkehrssicherheit durch bauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen entlang der Schulwege langfristig zu verbessern. Die Einrichtung der ersten Halte- und Bringzonen sind ab Frühjahr 2022 geplant. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch inhaltliche Schwerpunkte im Bereich Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung im Schulunterricht.

move me – SCHULWEG DN
Schulisches Mobilitätsmanagement, Stadt Düren

Das Wuppertaler Ingenieurbüro bueffe hat übrigens eine App namens „Schulweg-Check“ im Angebot. Die wird bestimmt schon rege genutzt in Düren.

„Besser nicht mit dem Auto zur Schule.“

ADAC

…sagt übrigens selbst der ADAC und erklärt uns bildungshungrigen Eltern auf seiner Website sogar wie eine „Elternhaltestelle“ funktioniert – falls wir unsere Kinder „aus Gründen“ leider doch mal wieder oder dauerhaft mit dem Auto zur Schule bringen müssen. Das Prinzip ist so simpel wie genial: Einfach nicht bis direkt vor die Schule fahren. Je weniger Autofahren, desto besser für alle. Wow! Wer hätte das gedacht?

Schulwege: Der Lackmus-Test für den „dringend notwendigen Perspektivenwechsel in der Verkehrsplanung“!

Und für den bald motorisierten Nachwuchs – äh, unsere Kinder – hat der ADAC natürlich auch noch ein paar gute Ratschläge parat, die ihnen garantiert dabei helfen werden ihre Erziehungsberechtigten für die beste Verlehrsmittel-Wahl zu sensibilisieren. Toll! Viel Glück dabei!

Damit ist doch eigentlich alles gesagt, oder? Könnte man meinen, wenn sich am allmorgendlichen Wahnsinn vor unseren Schulen irgendwas ändern würde. Tut´s aber ganz offensichtlich nicht. Zumindest nicht zum Besseren.

Da helfen augenscheinlich auch keine hübschen neuen „Schutz“streifen so lange diese ständig von Eltern befahren und zugeparkt werden, die ihre Kinder vor Eltern schützen wollen, die ständig „Schutz“streifen befahren und zuparken.

Auch die ADAC-Verkehrserziehung für Autofahrer scheint nicht wirklich wirksam zu sein, solange Eltern ihre Sprösslinge zur Bildungs- und Erziehungseinrichtung karren und sich dabei gebären als herrsche das Recht des Stärkeren bzw. des am stärksten Motorisierten. Und natürlich das Recht des schnellsten und dreistesten Egoisten. My Kind first!


Mal exemplarisch: 150 Meter Schulweg in Düren


Aber hey – wollen wir mal die Kirche im Dorf und das Fahrrad im Keller lassen.
Denn schlimmer geht natürlich immer.


Zum Weiter-Stöbern…

Video hier: Generation Elterntaxi: Wie gefährlich ist der Schulweg? | MDR JUMP Elternabend 


#Elterntaxi


Und wie bist Du früher jeden Morgen zur Schule gekommen?