Ein Schauspiel in fünf Akten
Akt 1: Das Vorspiel
Vor ein paarTagen wurde im Stadtrat über die Verlängerung der Protected Bike Lane in Richtung Innenstadt gesprochen. Wir erinnern uns: Im Fahrwasser unseres Bürgerantrags sah sich die „Koalition Zukunft“ doch noch irgendwie genötigt, auch einen entsprechenden Antrag „Planung Philippstraße und August-Klotz-Straße“ einzureichen.
Ganz alleine war man darauf bisher nicht gekommen, obwohl es im aktuellen Koalitionsvertrag „Zukunft Düren 2020-2025“ seit nunmehr vier Jahren heißt: „Wir streben in den nächsten drei Jahren an, Fahrradfreundliche Stadt Düren zu werden. Alle vierspurigen und überbreiten Straßen sollen auf zwei Fahrspuren für den motorisierten Verkehr für sichere Fahrradwege zurückgebaut werden. Die Achse August-Klotz-Straße bis Birkesdorf, die Stürtzstraße und die alte B56 werden zuerst in Angriff genommen.“
Der Verkehrsversuch, der durch unseren Bürgerantrag initiiert wurde, hatte bekanntlich (zumindest in seiner verkrüppelten Version) gezeigt, dass es problemlos möglich ist, eine Pkw-Fahrspur in eine sichere Radspur umzuwidmen. Somit stand der Erhöhung der Verkehrssicherheit im Anschluss an die Protected Bike Lane eigentlich nichts mehr im Wege… Eigentlich nur eine logische Konsequenz – auch mit Blick darauf, dass ein Stückchen Protected Bike Lane, das einen schnurstracks auf die Top 10 der gefährlichsten Rad-Strecken führt, wenig Sinn macht. Das wissen die selbsternannten „Verkehrspolitiker“ de Stadt nicht erst seit ihrer Exkursion nach Utrecht.
Was bisher (nicht) geschah:
Akt 2: Der Hinterhalt
Eigentlich sollte der Antrag der Koalition in der Stadtratssitzung nur vorgestellt und dann zur Beratung und Beschlussfassung in den Fachausschuss überwiesen werden. Bei der Ratssitzung fehlten allerdings (ganz zufällig und absolut nur „krankheitsbedingt“ *Verschwörungszwinkersmiley*) einige Koalitionäre, sodass die ansonsten stabile Mehrheit der Koalition auf der Kippe stand.
Diese Chance konnte sich das €DUFCKAfDP-Konglomerat im Rat natürlich nicht entgehen lassen. Flugs beantragte die €DU, sofort und geheim über den Antrag abstimmen zu lassen. Und es kam, wie es kommen musste: Ein „Zukunfts-Koalitionär“ stimmte gegen den Antrag der eigenen Koalition und damit auch gegen den Koalitionsvertrag. Wahrscheinlich konnte er/sie/es/Dings es einfach nicht mit dem eigenen Gewissen vereinbaren, dass auf einer für Radfahrer Schrecken erregenden Straße wenigstens ein Mindestmaß an Verkehrssicherheit geschaffen werden soll. Ganz schlimme Sache das! Bei so verwerflichen Undingen hört die Fraktionsdisziplin natürlich auf. Verständlich.
Also wurde der Koalitionsantrag (also der geklaute & verkrüppelte Bürgerantrag) mit 24:23 Stimmen abgelehnt. Radfahrende Schüler, Senioren und Sonstige sollen auf ihrer Fahrt durch die „Stadt der kurzen Wege“, die sich die „Vision Zero“ auf die Fahnen geschrieben hat, auf Beschluss des Stadtrats also weiter um ihr Leben fürchten.
Ob die Opposition schon im Vorfeld wusste, dass es innerhalb der Koalition einen „Abweichler“ geben würde, bleibt fraglich. Der Antrag auf geheime und sofortige Abstimmung ohne angemessene Beratungszeit könnte das vermuten lassen.
Applaus und Jubel für miserable Verkehrssicherheit!
Dass €DU und FCKAfD gemeinsam die Hand hoch reißen, wenn es (nicht nur) um verkehrspolitische Abstimmungen geht, ist wahrlich nichts Neues. Das beobachtet man ständig im sogenannten Fachausschuss. Dass die sonst eher (altersgemäß) träge und desinteressiert rüberkommenden „Volksvertreter“ allerdings mal in Applaus und Jubel verfallen, ist doch eher ungewöhnlich.
Woran lag´s? Etwa an der diebischen Freude, der kränkelnden Koalition eins ausgewischt zu haben? Am (sexuell?) befriedigenden Gefühl, den Pkw-Fetisch einmal mehr öffentlich ausgelebt haben zu dürfen? Oder am Hochgenuss, sich wieder mal erfolgreich gegen die Steigerung der Verkehrssicherheit für Radfahrende durchgesetzt zu haben – und im Umkehrschluss den Autofahrern unter uns mal wieder aalglatt in den Arsch gekrochen zu sein? Man weiß es nicht…
Und wie hätte Jesus abgestimmt? Auch das muss leider pure Spekulation bleiben…
Akt 3: Politisches Geplänkel
Während Die Grünen der €DU „undemokratisches Vorgehen“ vorwerfen, wittert die Opposition mächtige, satanisch ideologisierte „Fahrrad-Lobbyisten“ in Reihen der Koalition:
Eine Handvoll linksradikaler Tüpen, die die Verkehrs(un)geschicke der Stadt seit Jahren dominieren. *Dramatische Musik* Es wird gemunkelt, die züchten in ihren (Fahrrad-)Kellern Lastenrad-Babies, denen sie adrenochrome Hydraulikscheibenbremsenflüssigkeit abzapfen, um sich damit in einen blutrünstig-woken Gutmenschen-Dauer-Rausch zu versetzen.
Dass in Sachen Verkehrspolitik Sachlichkeit nur eine Nebenrolle spielt, und stattdessen voll auf gegenseitige Ideologie-Vorwürfe gesetzt wird, ist immer mal wieder Thema hier im Blog. Nix Neues. Das aktuelle Affentheater im Rat ist da nur das jüngste Beispiel für die fraktionsübergreifende Weiter-so-Strategie und beharrliche Nicht-Politik.
Für Die Grünen mag es sich zwar „undemokratisch“ anfühlen, wenn sie und ihre Koalition von der Opposition überrumpelt werden. Fraglich ist allerdings, ob sich die Koalition in einer vergleichbaren Situation anders verhalten hätte. Ist es tatsächlich „undemokratisch“ oder verwerflich, demokratische Mittel zu nutzen, um die eigene Position (so bescheuert sie auch sein mag) durchzusetzen?
Und davon mal ganz abgesehen: Wie ernst war es der „Koalition Zukunft“ wirklich mit der Durch- und Umsetzung ihres Antrags zur Verlängerung der Protected Bike Lane? In der vergangenen Woche und in den vergangenen vier Jahren? Zweifel sind angebracht.
Kaum zweifelhaft ist hingegen, mit welcher Strategie & Ideologie die €DU verkehrspolitisch unterwegs ist. Exemplarisch dafür ist der Einwurf des eigentlichen Chef-„Verkehrspolitikers“ der €DU, Stefan Weschke, der sich wie folgt in der Dürener Zeitung zitieren lässt:
„Sie schotten die Innenstadt ab. Die ganze Stadt leidet schon an der Verkehrspolitik der letzten Jahre, weil Sie eine Handvoll Fahrrad-Lobbyisten in ihrer Fraktion haben.“
Quelle: Dürener Zeitung, 26.09.2024
Dass die angeblichen „Fahrrad-Lobbyisten“, die noch nie bei einem ProRad-Treffen gesichtet wurden, innerhalb der Koalition so gut wie nichts zu kamellen haben, vergisst Weschke ebenso zu erwähnen, wie den Umstand, dass seine eigene Fraktion mindest doppelt so viele Auto-Lobbyisten vorweisen kann.
Dass er verkehrswissenschaftliche Erkenntnisse, allgemeine Verkehrsplanungsregeln und die Positionen seiner eigenen Landespartei grundsätzlich ignoriert und negiert, indem er sich vehement gegen jegliche Fahrrad-Förderung ausspricht, gehört zum guten Ton der „christdemokratischen“ Anti-Verkehrswende-Ideologie. Auch das kennen wir längst. *Gähn* Man denke nur an Weschkes garantiert StVO-konforme Empfehlung, eingeschränkte Halteverbote (Weierstraße) zum Einkaufengehen zu nutzen. Law & Order €DU-Style…
Akt 4: Prävention ist Illusion
Nur eine Frage der Zeit…
…bis es an den besagten Stellen zum nächsten „Unfall“ kommt – soviel steht fest!
Ebenso steht fest, dass sich die Politik längst von der „Vision Zero“, also dem Ziel keine Schwerverletzten und Toten im Straßenverkehr zu haben, verabschiedet hat. Genau wie vom immer wieder wohlfeil herausgekramten Präventionsprinzip. Die Verkehrspolitik der vergangenen Jahre zeigt überdeutlich, dass es ihr nicht um Prävention geht, sondern nur um billige Kompromiss-Lösungen (in dubio pro Pkw) und darum, es drauf ankommen zu lassen.
So handhabt es offenbar auch die sogenannte Unfallkommission. Ihre Maxime ist: Kein Unfallschwerpunkt aka Unfallhäufungspunkt = Kein Handlungsbedarf! Übersetzt: Wir warten erstmal ab, bis es „genügend“ Tote und Verletzte gibt, dann fangen wir (vielleicht) an, uns über irgendwas Gedanken zu machen… Wunderbar angewendet wird dieses Prinzip seit Jahren bei der Nicht-Messung von Überholabständen.
Beinahe-Unfälle: Dunkelziffer unbekannt und irrelevant!
Tatsächlich gibt es nur wenige öffentlich dokumentierte Vorfälle wie die beiden folgenden von der Stelle stadteinwärts hinter der Überführung vom Radweg (Eisenbahnunterführung) auf die Philippstraße (Höhe Kuhgasse/StadtCenter).
Tatsächlich wird dort tagtäglich – allein infrastrukturell bedingt – x-fach viel zu eng überholt. Eine überbreite Spur, die für zwei Pkw-Fahrbahnen her hält, kombiniert mit einem kaum sichtbaren Mehrzweckstreichen, das geltenden Richtlinien widerspricht. Dass das (auch noch in einer Rechtskurve) nicht funktionieren kann, erlebe ich als täglicher Nutzer dieser Stelle andauernd. Und das allein in den paar Sekunden, in denen ich dort anwesend bin, so oft, dass mehr als klar ist: Die Dunkelziffer der Beinahe-Unfälle ist preisverdächtig. Dass dabei offenbar noch nicht viel Schlimmes passiert ist, kann man nur als glückliche Fügungen bezeichnen.
Das alles ist natürlich auch den jubelnd applaudierenden Affentheaterspielern bekannt. Unbekannt ist hingegen, wie ihr Johlen ausfällt, wenn es dort das erste Schulkind auf dem Weg zur Musikschule erwischt. Und diesmal nicht nur dessen Fahrrad, sondern es selbst – so wie damals auf der Aachener Straße… Könnt Ihr dann bitte wenigstens die perversen Krokodilstränen und geheuchelten Mitleidsbekundungen vermeiden? Wenn ihr schon die Unfälle nicht vermeiden wolltet… Das wäre nett.
Natürlich handelt es sich bei der lebensbedrohlichen Überführung auf die Philippstraße bei Weitem nicht nur um ein punktuelles oder gar einzigartig-singuläres Problem. Nein, fast überall, wo sogenannte „Schutz“streifen auf die Fahrbahn gepinselt wurden oder lächerliche „Mehrzweck“streifen nach wie vor das Maß der Dinge sind, werden Radfahrer ständig viel zu eng überholt.
Den Schuh muss sich wohl Rot-Grün anziehen, die die letzten Jahre voll auf „Schutz“streifen statt auf echten Schutz für Radfahrer gesetzt haben. Der Schutzstreifen-Fetischismus wurde soweit getrieben, dass sich doe ADFC-Ortsgruppe aka Bürgerinitiative ProRad Düren genötigt sah, ein Schutzstreifen-Moratorium zu fordern. Seit Jahren weisen die ADFC-Fahrradklima-Tests auf das mangelhafte Sicherheitsgefühl der Dürener Radfahrer hin.
Das scheint jedoch niemanden groß zu interessieren. (Genauso wenig wie das Vorankommen bei der Umsetzung zentraler städtischer Verkehrskonzepte…) Weder die, die sich zum Ziel gesetzt haben, den Radverkehrsanteil in Düren zu steigern, indem Radfahren attraktiv und sicher gemacht wird (Rot-Grün-Irgendwas). Noch die, die ständig neusprechlich nach „Verkehrssicherheit“ rufen, damit aber eigentlich nur die unbeschwerte und unter allen Umständen ungestrafte Fahrt für Auto-Junkies meinen (€DUFCKAfDP-Opposition).
Akt 5: Parallel-Universen
Sicherheit ist nicht gleich Sicherheit!
Besonders „lustig“ ist das Affentheater rund um die Schaffung von wenigstens einem Minimum an Verkehrssicherheit auf Philippstraße und August-Klotz-Straße, wenn man beobachtet, wer wie gerade über die Sicherheit in der Innenstadt und auf dem Kaiserplatz diskutiert.
Die Law & Order-Fraktion (€DU und FCKAfD mal wieder voll auf einer Wellenlänge) ruft nach mehr Polizeipräsenz, Waffenverbotszonen und Videoüberwachung. Ziemlich innovative Ansätze. Fehlen nur noch Technologieoffenheit und Digitalisierung, um das „Angstgefühl in Düren“ gänzlich auszumerzen. Und natürlich mehr Platz für Pkw im öffentlichen Raum…
Hier der dazugehörige Antrag der CDU-Fraktion:
Begründet wird der „Alarmbrief“ mit massiv zunehmender Kriminalität. Die €DU spricht auf ihrer Hatebook-Seite von einer „drastisch steigenden Zahl der Straßenkriminalität“. Und meint damit wohl gesicherte, nicht gefühlte Kriminalitätsfälle.
Auch Ober-Hirte Thomas Rachel nutzt die asozialen Medien, um das Bild der verwahrlosten und hochgefährlichen Innenstadt (#heimat) zu zeichnen und seinem Fable für Hashtags zu fröhnen. Er identifiziert außerdem ein weiteres Innenstadt und Sicherheitsgefühl gleichermaßen zerstörendes Problem: E-Scooter-Fahrer in der (Hashtag) Fußgängerzone!
Leider verraten die Wächter des Achten Gebotes nicht, auf welchen Zahlen (oder Hatebook-Gruppen-Kommentaren?) ihr Engagement für mehr Sicherheit in Düren beruht. Sicherlich nicht auf denen aus der amtlichen Kriminalitätsstatistik, die man 24/7 im verfluchten Internetz abrufen kann.
Offenbar haben sie auch nicht bei der Polizei nachgefragt, denn die registriert in Sachen innerstädtischer Straßenkriminalität „sinkende Fallzahlen“. Wie passt das zu den „drastisch steigenden Fallzahlen“, die die „Christdemokraten“ ins Netz hetzen?
Polizei nennt andere Zahlen
Natürlich ist von Interesse, wie die Kreispolizeibehörde die Situation einschätzt. Die Interessenvertretung Innenstadt hatte in ihrem Brief von einer deutlichen Erhöhung der Straßenkriminalität um 35 Prozent gesprochen, die sich „auf dem höchsten Niveau seit 2015“ befinde. Das City-Management hat diese Zahlen unter Berufung auf Sicherheitsbehörden erstellt. Die Polizei kann das allerdings so nicht bestätigen, wie eine Nachfrage der Redaktion ergab.
Die Direktion Kriminalität lässt über die Polizeipressestelle mitteilen: „Die Zahlen der Straßenkriminalität im Innenstadtbereich – dieser umfasst hier den engeren Bereich zwischen Schenkel-, Schützen-., Hohenzollern-, Stürtz- und August-Klotz-Straße – sind seit 2022 rückläufig. Die Prognose für das Jahr 2024 lässt erneut sinkende Fallzahlen in diesem Bereich erwarten, da die warme Jahreszeit mir ihrer tendenziell höheren Fallzahlenbelastung bereits erfasst ist. In der jetzt bevorstehenden kalten Jahreszeit gehen die Fallzahlen üblicherweise nochmals zurück.“
Die mitgelieferte Statistik summiert im Jahr 2022 rund 450 Fälle von Straßenkriminalität in dem genannten Bereich, im Jahr 2023 waren es rund 430 und im laufenden Jahr bislang etwa 280. Die Ordnungshüter haben auch den Kaiserplatz „auf dem Schirm“, aber sehen auch hier keine gravierend neue Entwicklung. „Dass Jugendliche / Heranwachsende sich in Gruppen zusammenfinden und sich auch regelmäßig an bestimmten Orten treffen, ist ein allgemein bekanntes Phänomen.
Quelle: Dürener Zeitung, 27.09.2024 (Paywall)
Bigotterie als christliches Prinzip?
Um letztendlich wieder den Bogen zum Thema Verkehrssicherheit zu spannen, die ja ebenfalls unser aller Sicherheitsempfinden (und Mobilitätsverhalten) beeinflusst: Wo bleibt eigentlich der Aufschrei aufgrund stetig steigender Zahlen von Verkehrsunfall-Opfern? Wer regt sich angesichts des aktuellen Höchstwertes an verunfallten Kindern im Straßenverkehr unserer „Schulstadt“ auf? Und wer interessiert sich dafür, wer die Verursacher dieser sogenannten „Unfälle“ sind? Welche Schlüsse, Hatebook-Wortmeldungen oder Alarmbriefe folgen daraus?
Währenddessen tobt auf Hatebook der Petrolheads-Mob weiter, weil ins göttliche Recht des motorisierten Individualverkehrs eingegriffen werden soll! Angefeuert und getriggert durch freundliche FakeNews-Unterstützung der €DU.
Und die gefährlichen „Fahrrad-Lobbyisten“, die in Düren so viel zu sagen haben, planen im Geheimen weiter, wie sie ihre unermessliche Macht zum Unwohl der gesamten Stadt schlimmstmöglich einsetzen können.
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