Pkw-Parkplätze dominieren den öffentlichen Raum, die öffentliche Debatte und die ideologisierten Denkmuster
Momentan wird viel über die Parkplatzsituation in der Behringstraße und allgemein im Umfeld des St. Marien-Hospitals gesprochen.
Parkplätze sind immer ein gutes politisches Thema. Mal fehlen sie den Anwohnern, mal gibt es zu wenige für Krankenhausbesucher. Je nachdem, wer gerade bei wem Punkte sammeln will, fehlen sie vor Geschäften oder vor Bürgerhäusern, vor Kitas, Schulen oder Schwimmbädern. Wir Autofahrer könnten immer auf Anhieb etliche Stellen nennen, an denen es zu wenige Parkplätze gibt.
Das Schöne daran: Egal ob sPD, €DU, fDP oder FCKAfD – alle wollen aus AUTO-suggestiver Überzeugung heraus immer mehr Parkplätze! Mit immer größeren Autos darauf! Außer die grünen Spielverderber. Die wollen uns stattdessen zwingen, alle Lastenrad und Pferdekutschen zu fahren, falls ich das richtig verstanden habe.
Stetig steigende Pkw-Zulassungszahlen bei immer größer werdenden Pkw erzeugen einen ständig zunehmenden „Bedarf“ an Raum zum Abstellen.
Aber wo kommt dieser Raum her? Wächst das Dorf etwa mit? Wozu die Schreie nach mehr Parkplätzen für mehr und größere Pkw führen, scheint kaum jemanden zu interessieren. Die Frage, ob wir vielleicht nicht zu wenige Parkplätze, sondern zu viele Pkw haben, wird nicht gestellt.
Beispiel Behringstraße: Hier wetteifern gerade angeblich „soziale“ und „christliche“Parteien darum, möglichst viel öffentlichen Raum weiterhin an Parkzeuge zu verteilen, die durchschnittlich 23 Stunden pro Tag ungenutzt/unnütz in der Gegend herumstehen. Was das für alles, was nicht Auto“mobil“ ist, bedeutet, scheint hingegen irrelevant zu sein. Nach dem „Bedarf“, den Schulkinder, Gehbehinderte und so weiter haben könnten, wird nicht gefragt. Auch geltende Regelwerke spielen bei der Frage danach, wie wir möglichst vielen Pkw möglichst viel öffentlichenRaum geben können, keine Rolle. Gehweg-Mindestbreiten sind ebenso kein Thema in der Birkesdorfer Lokalpolitik und Öffentlichkeit wie bspw. sichere Kreuzungen, Überquerungsmöglichkeiten, Sichtbeziehungen zwischen den Verkehrsteilnehmern und so weiter. Alles wird motonormativ ideologisch dem „Bedarf“ untergeordnet, den wir Autofahrer (vertreten durch autofahrende Politiker) bestimmen. Daran haben wir uns schon so gewöhnt, dass uns die asoziale Unverhältnismäßigkeit gar nicht mehr auffällt. Jahrzehntelange Pkw-Priorisierung, Pkw–Propaganda und Pkw-Ideologisierung zeigen ihre Wirkung… Auto, Auto über alles!
Dass die eh schon schmalen Gehwege in der Behringstraße durch die flächendeckende Einladung zum Parken zusätzlich so verschmälert werden, dass keine Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen durchkommen, spielt für angeblich christlich-soziale Politik keine Rolle.
Kleine Anekdote von gesetern:
Dass sich unsere Auto-Ideologie längst nicht nur auf das Thema „Parkraum“ beschränkt, erleben wir ebenfalls tagtäglich. Gestern fuhr ich die Behringstraße entgegen der Einbahnstraßenrichtung mit dem Rad entlang. Ist ja für Radfahrer freigegeben. Plötzlich tauchte ein Pkw hinter mir auf, dessen Fahrerin das Durchfahrt-Verboten-Schild offenbar „übersehen“ hatte. Als ich sie darauf hinwies, dass es sich um eine Einbahnstraße handelt, wurde mir klar, dass die Dame gar nichts übersehen hatte, sondern ganz bewusst entgegen der zulässigen Richtung fuhr.
Zuerst fragte sie, ob ich von der Polizei sei.
Nö, wieso? Spielt das irgendeine Rolle? Darf man fahren wie und wo man will, nur weil gerade keine Polizei in der Nähe ist?
Sie müsse ja ihren Sohn abholen.
Geht das nicht, indem man von der anderen Seite (legal) zum Ziel fährt? Gelten für bestimmte Fahrgründe etwa bestimmte Regeln? Wenn Kinder an Bord sind, muss man sich nicht mehr an die Regeln halten?
Ja, aber sie würde ja niemanden stören. Außerdem würde ihre Tante das ja auch immer so machen…
Ein starkes Argument, dem ich nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Was soll man dazu noch sagen…? Welches Argument käme bei so Leuten überhaupt noch an?
Ich beendete das Gespräch durch langsames Weiterfahren, das ihr offenbar so sehr missfiel, dass sie letztendlich den Rückwärtsgang einlegte und sich trollte…
Alte Hüte
Kommen wir zurück zur Parkplatzsituation auf der Behringstraße und drum herum. Aufgrund (angeblich) zahlreicher Anwohner-Beschwerden, muss sich die Politik jetzt ganz viele neue Gedanken darüber machen, wie man den „Bedarfen“ von uns Auto-Parkern gerecht werden kann. Moment mal… Neue Gedanken? Mal überlegen, da war doch mal was. Irgendwie kommt mir die ganze Diskussion rund um die Parkplatzsituation im Dorf bekannt vor..
Das Integrierte Stadtteilentwicklungskonzept für ein junges und modernes Birkesdorf. Ist zwar inzwischen durch Nicht-Umsetzung (keine Fördermittel erhalten) und frappierende Irrelevanz in der politischen und öffentlichen Diskussion etwas in die Jahre gekommen und in Vergessenheit geraten, aber angesichts der aktuellen Parkplatz-Diskussionen in Birkesdorf ist es gleichzeitig wieder hochaktuell. Denn – das bestätigte mir sogar die €DU: „Das ISEK ist weiterhin der Handlungsrahmen für Politik, Verwaltung und die Akteure vor Ort. Es ist zudem die Grundlage für die Beantragung von Fördergeldern.“ Siehe hier.
Zur Parkplatzsituation im Dorf haben wir Birkesdorfer uns schon vor vielen Jahren viele Gedanken gemacht. Neben diversen Bezirksausschusssitzungen hat es sogar verschiedene Bürgerbeteilgungsformate gegeben, in denen die unterschiedlichsten „Bedarfe“ ausgiebig diskutiert wurden. Aus all dem ist das ISEK Birkesdorf entstanden, das bisher nur nicht umgesetzt wird, weil (noch?) keine Fördermittel zur Verfügung stehen. Die politische Leitlinie, die unter Mitwirkung von uns allen (zumindest derer, die sich dafür interessierten) entwickelt wurde, bildet (angeblich) nach wie vor den „Handlungsrahmen für Politik, Verwaltung und die Akteure vor Ort“.
Wie sieht die Leitlinie bzw. der Handlungsrahmen aus?
Das Konzept zur Neuordnung des Parkens umfasst auf Basis des Nachfragebedarfs ein Konzept für den Teilbereich Anwohnerparken/Fremdparken und weist Anwohner-Stellplätze mit der entsprechenden Markierung aus. Zukünftig sollen in Anwohnerparkbereichen alle Flächen im Mischprinzip (Anwohner bzw. Fremdparker mit Gebühr oder Parkscheibe) ausgewiesen werden, da andernfalls immer wieder nachgebessert wird. Aus der Bedarfsermittlung erfolgt auch eine Lokalisierung von möglichen Quartiersgaragen bzw. Quartiersparkplätzen. Es beinhaltet eine Überprüfung und Auswertung des „Krankenhaus-Parkens“ mit entsprechenden Lösungen. (…)
Mittelfristig ist die Anlage von Quartiersparkplätzen bzw. Quartiersgaragen anzustreben. Die Reduzierung von straßenseitigen Parkflächen schafft Freiräume für Grün, Kommunikation und für Nahmobilität – insbesondere für Fußgänger, wenn es um Bürgersteig-Parker geht. Beide Konzepte dienen auch dem Zweck, das unerwünschte Parken von Beschäftigten und Besuchern des Krankenhauses zu unterbinden. Die avisierte und dringend erforderliche Steigerung der Wohn-, Lebens- und Bewegungsqualität in den Stellquartieren abseits der Ortsdurchfahrt ist ohne Neuordnung des Parkens nur sehr eingeschränkt möglich.
Integriertes Stadtteilentwicklungskonzept für ein junges und modernes Birkesdorf
Die „Neuordnung des Parkens“ steht als Grundvoraussetzung für die menschenfreundliche Umgestaltung des Dorfs ganz oben auf der Liste. Ohne sie sind uns die Hände gebunden. Erst durch eine „Neuordnung des Parkens“ schaffen wir überhaupt Räume, die die gewünschten Veränderungen ermöglichen.
Angesichts dessen muss man sich darüber wundern, dass angeblich „christliche“ und „soziale“ Parteien, die vor vielen Jahren schon das gemeinsame Stadtteilentwicklungskonzept beschlossen haben, nun wieder genau die Diskussionen führen, die doch eigentlich längst erledigt sind.
Parkplatzsituation in der Behringstraße und allgemein im Umfeld des St. Marien-Hospitals
Denn eigentlich sollte doch klar sein, was wir anstelle der sich ständig wiederholenden Parkplatz-Panik-Propaganda brauchen:
- Ein Parkraumkonzept mit deutlich höheren Gebühren für das Parken im spärlich vorhandenen öffentlichen Raum. So lange es nämlich massig Parkplätze gibt, die den Platz für ordentliche Gehwege und sichere Fahrbahnen wegnehmen und gleichzeitig auch noch viel billiger sind als bspw. Krankenhaus-Parkhaus-Parkplätze wundern sich nur komplett ideologisierte Tüpen darüber, dass da irgendwas falsch läuft.
- Quartiersgaragen und gebündelte Parkmöglichkeiten für Anwohner (bspw. nachts auf den privaten Supermarkt-Parkplätzen).
- Attraktive Geh- und Radwege, barrierefreie Bushaltestellen, deutlich mehr Aufenthaltsqualität schaffendes Grün usw. Erst wenn es von der Angebotsseite wirklich mal angenehmer, praktischer, billiger und komfortabler ist, insbesondere die kurzen Strecken im Dorf nicht mit dem Auto zurückzulegen, werden die Leute diese Angebote auch nutzen. Und bspw. öfters mal ihr Auto stehen lassen, um die Brötchen per Fuß oder Rad einzukaufen.
Im Fachamt scheint man sich inzwischen auch über die immer wieder neuen Anläufe der Diskussionen rund um die perversen politischen Positionen pro Pkw-Parkplatz-Privilegien zu wundern.
Obwohl derzeit einige Stellplätze im Parkhaus gesperrt sind, ist nach Erkenntnissen des Krankenhauses hier bis auf kurze Spitzenzeiten im Rahmen des mittäglichen Schichtwechsels durchweg freier Parkraum vorhanden. Es gibt zwei Ansatzpunkte, um das Parken aus dem öffentlichen Raum ins Parkhaus zu verlagern:
Einerseits kann das Wissen, dass und wo es ein Parkhaus gibt, nicht bei allen Kunden und Besuchern des Krankenhauses vorausgesetzt werden. Insofern wird die Verwaltung in Kooperation mit dem Krankenhaus eine zusätzliche Wegweisung zum Parkhaus aufbauen.
Andererseits ergibt ein Vergleich der Parkgebühren im öffentlichen Raum (0,40€ je angefangene halbe Stunde) zu 1,50€/h im Parkhaus bzw. 2,50€/h auf dem Parkplatz am Eingang, dass es aktuell viel attraktiver ist im öffentlichen Raum zu parken.
Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Verwaltung sinnvoll, die Parkraumbewirtschaftung im Umfeld des Krankenhauses sowohl hinsichtlich der Parkgebühren, als auch hinsichtlich der Abgrenzung Parkschein / Parkscheibe und der Maximaldauer zu hinterfragen und umzustrukturieren.Dabei sollte es (auch hinsichtlich der angesprochenen Behringstraße) nicht das Ziel sein, einzelne Parkstände oder Bereiche ausschließlich für Bewohner zu reservieren, da dies auch für Besucher problematisch ist und damit den Druck auf die angrenzenden Bereiche erhöht. Vielmehr sollte über die genannten Stellschrauben der Parkraumbewirtschaftung der Parkdruck durch Fremdparker insgesamt reguliert werden.
Stellungnahme des Fachamts, 08.05.2024
Das Amt für Tiefbau und Grünflächen kann auch unter Berücksichtigung der bereits genannten Informationen des Ordnungsamtes nicht nachvollziehen, dass eine Ausnahmeregelung im vorliegenden Fall erforderlich erscheint. Bezüglich der möglichen Maßnahmen wird auf die bisherige Stellungnahme des Amtes für Tiefbau und Grünflächen in der Angelegenheit verwiesen.
Ergänzende Stellungnahme des Fachamts, 13.09.2024
Erstaunlicherweise wird inzwischen (wie in den Akteurs- und Bürgerbeteiligungsveranstaltungen vor sechs Jahren) tatsächlich über so etwas wie Quartiersgaragen nachgedacht. Hinsichtlich der Parkplatzsituation in der Behringstraße gerät dabei die alte Kreisbahn-Trasse in den Fokus.
Naturnaher Grünzug Kreisbahntrasse mit oder ohne Quartiersparken?
Aus der €DU kommt der Vorschlag, den „Grünzug“ entgegen der aktuellen Planung (siehe Anlage 1) mit einem Parkplatz (aka Quartiersparken) zu versehen.
Herr Brogmus schlägt vor, am Ende der Behringstraße einen Parkplatz zu schaffen.
Bezirksausschuss Birkesdorf, 22.08.2024
Man darf gespannt sein, wie die sPD auf diesen Vorschlag reagieren wird. Schließlich würde das für den einen oder die andere einflussreiche sPD-Politiker/in wohl mehr Pkw-Verkehr direkt vor der eigenen Haustür bedeuten – zum Wohle der Gesamt-Parkplatz- und Verkehrs-Situation im Dorf. Eine echte Zerreißprobe für „sozial“demokratische Gewissen…
Ebenso darf man gespannt sein, wer zuerst vorschlägt, den Skaterplatz zum Parkplatz umzufunktionieren. Hier läuft heute die Befragung Jugendlicher zur zukünftigen Gestaltung des derzeit ohne jegliche Skate-Angebote brach liegenden Platzes aus.
Vorschläge der Reduzierung der Bewohnerparkausweise pro Haushalt bzw. der Schaffung eines Parkplatzes im Grünzug der Behringstraße wären im Rahmen der Gesamtplanung des Grünzuges zu diskutieren
Ergänzende Stellungnahme des Fachamts, 13.09.2024
Dass so etwas wie Quartiersgaragen und Quartiersparkplätze nahezu unumgänglich sind, ist spätestens seit den ISEK-Diskussionen klar. Bisher hat sich nur noch niemand getraut, darüber öffentlich zu sprechen. Nun wird es aber langsam unumgänglich – auch dank Anträgen wie dem der sPD zur Behringstraße und denen der €DU zur Akazienstraße.
Da dabei das große Ganze (ISEK) den Handlungsrahmen setzt und sowieso verkehrlich alles miteinander zusammenhängt, ist auch der Blick auf die Parkplatz- und Verkehrssituation auf der Birkesdorfer Hauptachse wichtig und notwendig. Hier kommt die „Machbarkeitsstudie und Öffentlichkeitsbeteiligung zur Neuordnung und Umgestaltung des Straßenraumes von Nord- und Zollhausstraße zwischen Hovener Straße und Veldener Straße in Düren Birkesdorf“ (MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB) ins Spiel…
In der Machbarkeitsstudie, die sich hauptsächlich auf Zollhaus- und Nordstraße bezieht, wurde uns vorgeführt, dass wir überhaupt nicht zu wenige Parkplätze haben. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Wir haben viel zu viele Parkplätze! Zumindest, wenn wir unsere eigenen Beschlüsse ernst nehmen.
Es zeigte sich nämlich, dass ein Großteil der Parkstände entlang Zollhaus- und Nordstraße nach heutigen Richtlinien (und politischen/gesellschaftlichen Vorgaben) irregulär sind und all das verunmöglichen, was wir uns für die Umgestaltung des Dorfs vorgenommen haben. Sie verhindern ordentliche Verhältnisse für Fußgänger, Radfahrer und den ÖPNV, verringern die Aufenthalts- und Lebensqualität im Dorf, fördern den Pkw-Verkehr überall dort, wo wir lieber mehr Umweltverbund-Verkehr sähen und lassen per se keine Möglichkeiten für Entwicklungsprozesse á la ISEK zu.
Dank des Kanalschadens bleibt jetzt auch denen, die sich Jahre lang nicht getraut haben, das heiße Eisen anzupacken, keine Möglichkeiten mehr sich zu verstecken und die Beschäftigung mit dem Thema weiter zu ignorieren und hinauszuzögern. Die Hauptachse wird komplett aufgemacht und muss damit wenigstens entsprechend der geltenden Richtlinien umgestaltet werden. Die „Neuordnung des Parkens“, die eigentlich längst beschlossen wurde, ist damit unumgänglich.
Außerdem haben wir bekanntlich neben dem ISEK Birkesdorf auch ein Konzept für Rad-Vorrang-Routen in der Stadt Düren beschlossen. Beides kann noch nicht mal ansatzweise umgesetzt werden, solange alles mit irregulären Parkständen im öffentlichen Raum sowie unzähligen (Falsch-) Parkern zugepflastert ist. Die lokale Verkehrspolitik hat also mal wieder die schöne Gelegenheit, zu zeigen, wie sie zu ihren Beschlüssen und Wahlversprechen steht.
Es bleibt spannend.
Fortsetzung folgt. Umsetzung auch?
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