Das aktuelle Gedöns rund um die „Neugestaltung“ der Schoellerstraße erregt großen Unmut in unserer beschaulichen Stadt der kurzen Wege. Nicht nur die Dürener Hatebook-Gemeinde läuft Sturm gegen die weitere Baustelle. Auch die Christdemokraten machen dagegen mobil – mit freundlicher Unterstützung des Sonntagsblattes. Nice! 😉

Die Bewahrer der Schöpfung

Würde ich es zynisch angehen, würde ich hier so etwas schreiben wie:

Die selbsternannten Schöpfungsbewahrer der CDU sehen mal wieder die göttliche Schöpfung bedroht! Diese wird (in Sachen Mobilität) bekanntlich durch die natürlich-gottgegebene und christlich-demokratisch erwünschte Verkehrsentwicklung hin zu immer mehr und immer größeren Pkw in unserer Innenstadt definiert. Gottes Willen ist, dass die Gesellschaft – egal ob Autofahrer oder nicht – hierfür gefälligst jederzeit und allerorts ausreichend Flächen und möglichst komfortable Angebote zur Verfügung zu stellen hat. Amen!

Macht ja auch Sinn, mal denklogisch betrachtet: Hätte Gott keine Innenstädte voll fetter Pkw haben wollen, hätten wir sie heute ja wohl kaum in diesem Ausmaß. Jedes Auto schafft halt mindestens hundert Arbeitsplätze, jeder Parkplatz belebt die Innenstadt – ja, macht sie überhaupt erst lebenswert. Jesus würde SUV fahren! *Zwinkersmiley*

Und die CDU sprach: Der öffentliche Raum gehöre denen, die ein Auto ihr eigen nennen. Ihnen erhalten und schaffen wir all den Platz, den sie brauchen, um unerfreuliche Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit Bus&Bahn tunlichst zu vermeiden. Herr, erlöse uns von all den Übeln, die diese gottlosen Radfahrer, die bescheuerten Fußgänger und die verarmten ÖPNV-Nutzer überall verursachen! Und führe uns nicht in Versuchung diese links-grün-versifften Fortbewegungsarten irgendwie zu fördern. Den Pkw-Verkehr zu reduzieren ist und bleibt Teufelswerk!

Mache ich aber nicht. Ich versuche mal bei den Fakten zu bleiben. 😉

Quelle: Ratsinformationssystem, Stadt Düren

Anfang September verfasst die CDU-Stadtratsfraktion einen Antrag auf Zurückstellung der Schoellerstraßen-Umgestaltung „bis auf weiteres“.

Wir erinnern uns: Da hatte man sich hin- und her gestritten und es hatte den Anschein, als ob sich selbst die „Koalition Zukunft“ nicht ganz einig war, was mit der Schoellerstraße anzufangen sei – nach der tollen Entlastung, die die B56n mit sich bringen sollte. (Siehe unten.) Einigen konnten sich mal wieder alle darauf, dass auf keinen Fall mal eine echt progressive Lösung ausprobiert werden soll. Wozu zum Beispiel eine Umweltspur, wenn eh niemand davon ausgeht, dass dass dort mal mehr Bus- und Radverkehr unterwegs sein wird. Weil: Teufelswerk und so… 😉

Der Antrag ging am 12. September im Rathaus ein und wurde auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung am 28. September gesetzt. Neben der üblichen Verkehrsdurchsatzbegründung bemüht die CDU in ihrem Antrag „vor allem auch“ die bereits „gut ausgebauten Nebenanlagen“. Und beliebt damit offenbar zu scherzen. Oder ihre (man kann es eigentlich nicht anders ausdrücken) zynische Haltung in Sachen Mobilität zu offenbaren. Wer die Schoellerstraße aus der Radler-Perspektive kennt, weiß was ich meine.

Der sogenannte Radweg (benutzungspflichtig) gleicht beidseitig einem Hindernisparkour mit unzähligen Schlaglöchern und Sprungschanzen, die Radfahren dort zur gefährlichen Tortur machen. Von Falsch- und Schlecht-Parkern will ich gar nicht erst anfangen. Der übliche Dürener Standard.

So ein Ding, das keinem heutigen Qualitätsstandard entspricht, würde die CDU den Dürener Autofahrern niemals zumuten. Niemals! Für nicht Auto fahrende Schulkinder und andere kontraproduktive Verkehrsteilnehmer, die zu Fuß oder per Rad unterwegs sind, reicht das aber vollkommen aus. Es handelt sich schließlich um „gut ausgebaute Nebenanlagen“. Finden zumindest die Christdemokraten.

Das obligatorische, wenn auch nicht weiter mit Fakten belegte „Argument“ „Tod-der-Innenstadt-durch-zu-viel-und-dadurch-zu-wenig-bzw-zu-langsamen-Pkw-Verkehr“ folgte passenderweise in den asozialen Medien. Am 23. September veröffentlicht der CDU-Stadtverband auf seiner Facebookseite unter der Überschrift CDU will Einspurigkeit in der Schoellerstraße noch verhindern etwas, das sehr nach Pressemitteilung aussieht und offensichtlich vom Stadtverband selbst verfasst wurde. Zumindest wird keine andere Quelle angegeben.

CDU Stadtverband Düren, Facebookseite, 23.09.2022

Dass dieser Antrag keinerlei Aussicht auf Erfolg haben würde, muss der CDU schon beim Formulieren bewusst gewesen sein. Der Umbau war ja längst beschlossene Sache. Und so wurde der Antrag dann auch – wie von allen erwartet – mehrheitlich im Stadtrat abgelehnt.

Screenshot: Dürener Nachrichten, 27.09.2022 (Paywall)

Aber immerhin konnte sich die CDU medial mal wieder als die Retterin des untergehenden Autolandes inszenieren. Glücklicherweise hat wenigstens die Dürener Nachrichten-Zeitung das Spiel nicht mitgespielt, sondern die Sache etwas differenzierter betrachtet und journalistische Standards gewahrt. Ganz anders als das Sonntagsblatt… Siehe unten.

Nicht der erste CDU-„Antrag ohne Erfolgsaussicht“ übrigens. Vor ein paar Wochen hatten die Bewahrer des autozentrierten Verkehrs bereits (ebenso absehbar aussichtslos) ein Machtwort des SPD-Bürgermeisters gegen seine eigene Fraktion gefordert. Genial. Stichwort Aachener Straße.

Quelle: Dürener Nachrichten, 17.08.2022

Darf man sich da langsam mal fragen, ob auch noch irgendwas mit etwas mehr Substanz kommt, das uns noch zielführender in Richtung des von der CDU selbst geforderten 25% Radverkehrsanteils bringt?

Die Verringerung der Fahrbahnen auf eine Spur lehnt die CDU-Fraktion ab. Die Verlagerung des Verkehrs auf die B 56n sei bereits erfolgt. Weitere Ausweichmöglichkeiten, wie die Nordumgehung B 399n, existierten noch nicht, so dass die innerstädtischen Straßen genutzt werden müssten.

Sitzung des Ausschusses für Mobilität, Umwelt und Klimaschutz am 29.03.2022

Ende März las sich die Begründung für die ablehnende Haltung zur Wegnahme einer Fahrspur für den MIV irgendwie noch etwas anders. Aha, soso… Die Verkehrsentlastung dank B56n ist bereits erfolgt. Genau wie Straßen.NRW es prognostiziert hat?

Mit dem nun fertigen Bauabschnitt, der unter anderem auch die Bahnstrecke Aachen-Köln quert, verringert sich der innerstädtische Verkehr in Düren um knapp die Hälfte“, schätzt Straßen.NRW-Direktorin Dr. Petra Beckefeld und freut sich für die Fußgänger und Radfahrer in Düren, „die mit deutlich weniger Durchgangsverkehr in ihrer Stadt jetzt viel sicherer unterwegs sein werden.

Quelle: Straßen.NRW, 07.04.2021

Und trotzdem ist die Verkehrsentlastung auf der Schoellerstraße irgendwie nicht da. Oder doch? Was denn nun? Wie viele Pkw fuhren da eigentlich vor der grandiosen B56n-Entlastung auf „nur noch“ 14.000 Kfz pro Tag?

Wenn ich das richtig verstehe, schlägt die CDU Düren vor, dass wir noch ein paar weitere Jahre oder Jahrzehnte warten, bis die Fußgänger- und Radfahrer-feindliche B399n-Altplanung umgesetzt wird. Oder verstehe ich da etwas falsch? Welche guten Gründe gibt es eigentlich dafür, der nächsten Verkehrsentlastungsprognose – diesmal zur B399n – mehr Glauben zu schenken als der zur B56n? Ach so, die wirken nur zusammen. Und vorher sind uns eh alle verkehrsplanerischen Hände gebunden. *Tusch*

Die gleiche Frage nach den Erwartungen könnte man eigentlich auch mal bzgl. der Kostenplanung einerseits und den tatsächlichen Kosten andererseits stellen. Macht aber offensichtlich niemand. Auf gar keinen Fall stellt die Dürener Lokalpresse solche Fragen…

Die Meinungsmacher

Teile der Lokalpresse scheinen sowieso mehr mit Copy&Paste statt mit Recherche beschäftigt zu sein. Wie lässt sich sonst erklären, dass das, was offensichtlich vom CDU-Stadtverband veröffentlicht wurde, plötzlich als persönliche Meinung des Redakteurs abgedruckt wird. Eins zu eins im Wortlaut übernommen, kein Anführungszeichen weit und breit, kein grammatikalischer Hinweis auf ein Zitat.

Quelle Screenshot: Zeitung am Sonntag, 02.10.2022

QUELLE: CDU STADTVERBAND DÜREN, FACEBOOKSEITE, 23.09.2022
(AKA REDAKTION SONNTAGSBLATT?)

Copy-Paste-„Journalismus“. Aber bei aller Argumentationslosigkeit immerhin äußerst meinungsstark. Mit echter Eyecatcher-Überschrift als Hinleitung zu parteipolitischem Gedöns:

Screenshot: ZEITUNG AM SONNTAG, 02.10.2022

Da hat der Redakteur allerdings wohl auch irgendwie Recht mit dem drohenden Verkehrschaos. Allerdings vergisst er, die eigentlichen Ursachen für das gegenwärtige und zukünftige Verkehrschaos zu benennen – oder auf irgendwelche (politischen oder gesellschaftlichen) Zusammenhänge bezüglich des Schoellerstraßen-Gedönses hinzuweisen. Erwähne niemals den Modal Shift!

Stattdessen wird natürlich eins der weiteren Hatebook-Troll-Argumente aufgeführt bzw. kopiert: Die Feuerwehr kommt nicht mehr schnell genug an ihre Ziele! Auf wen genau beruft sich der Redakteur mit dieser journalistisch einwandfreien Behauptung, außer auf seine CDU-Ghostwriter? Wohl nicht auf Aussagen der Stadt Düren. Denn diese hatte bereits Ende März im zuständigen Ausschuss darauf hingewiesen, dass „die Durchfahrt von Rettungsfahrzeugen mit den Institutionen wie z. B. der Feuerwehr abgeklärt sei.“

Aber hey – ein bisschen parteipolitisch indoktrinierte Desinformation hier und da hat doch noch niemandem geschadet, oder? Passt doch auch irgendwie ganz prechtig in die aktuelle Diskussion rund um die „vierte Gewalt“. *Zwinkersmiley*