Kann man das mal irgendwie visualisieren, damit das besser in die Köpfe kommt?
Überall stehen Pkw rum und wir nehmen das gar nicht wahr. Wald vor lauter Bäumen und so… Und als wäre es nicht schon beschämend genug, dass wir immer noch unverhältnismäßig viel öffentlichen Raum an kontraproduktive Parkzeuge versubventionieren, kümmern wir uns noch nicht mal um die Parkzeuge, die dann auch noch zusätzlich und extra dumm in der Gegend rumstehen: Die allgegenwärtigen Falschparker!
Da kann man doch echt froh sein, dass wir in postfaktischen Zeiten leben, in denen wir alles, was irgendwie wissenschaftlich begründet sein könnte, grundsätzlich in Frage stellen (aber nicht im wissenschaftlichen Sinne) oder einfach rundweg ablehnen.
So ähnlich wie wir das gerade bei der Klimakrise erleben, ziehen wir das jetzt auch bei der Mobilitätskrise eiskalt durch: Wir wissen zwar ganz genau was zu tun ist und wir wissen auch, dass wir das alles schon viel früher hätten tun müssen. ÖPNV massiv ausbauen, Anreize für guten und „Abreize“ für „schlechten“ Verkehr schaffen, die halbe Infrastruktur umkrempeln und so weiter. Push&Pull!
Das ist jetzt alles wirklich nicht ganz neu und auch keine unerforschte Hyperraum-Technik. Außerdem wissen wir, dass wir mit jedem Tag, den wir weiter zögern und nicht handeln, am nächsten Tag nur noch viel mehr werden tun müssen. Und trotzdem akzeptieren wir weiterhin sehenden Auges, dass das, was wir bisher getan haben, längst nicht ausreicht und die Probleme stattdessen eher mehr als weniger werden? Um dann morgen noch weniger zu tun?
Wie sagte ein Ratsmitglied nochmal anlässlich des Pkw-verursachten Verkehrs-Chaos in Birkesdorf sinngemäß: „Vielleicht müssen wir uns mit manchen Dingen einfach abfinden…“ Unsere Macht-, Ideen- und Mutlosigkeit ist grandios und selbst die, die uns überzeugen sollen, sind selbst nicht überzeugt, dass wir (sie) den Schalter noch umlegen können.
Aber wollten wir nicht eigentlich schon etwas länger als erst seit gestern etwas sauberere Luft in unseren Städten haben, ein paar weniger Pkw (1% pro Jahr?) und vielleicht sogar noch einen überlebensfähigen Planeten irgendwann am Ende des Tages unserer „Nach-uns-die-Sintflut-Generation“? Und trotzdem machen wir einfach nix? Zumindest nix, was irgendwie mal richtungsändernd wirkt und über homöopathische Dosen hinausgeht? Schutzstreifen, Schutzstreifen, Schutzstreifen…
Und Warten weiter darauf, dass uns die maximal innovative und soziale deutsche Auto-Industrie das Perpetuum automobile präsentiert, das endlich alle eigenen Probleme aus sich selbst heraus lösen wird… Natürlich mit möglichst wenig staatlichem Eingriff, denn den finden wir als marktliberale Innovationisten ja nur gut, wenn er in Form von Subventionierung der ach so produktiven, ehrlichen und innovationsfreudigen Automobilindustrie 6.0 stattfindet. *Gähn*
Währenddessen schreiben wir natürlich noch jede Menge Konzepte und halten wohlklingende Sonntagsreden vor Wahlen, in denen wir betonen, wie wichtig uns der „Paradigmenwechsel“ und die „Verkehrswende“ seien und wie ach so dringend das alles wäre. Wegen der blöden Klimakrise, an der ja alle außer uns Autofahrern schuld sind. Und auf die wir als kleine, erwiesenermaßen wenig innovative und verarmte Nation ja sowieso mal überhaupt keinen Einfluss haben im großen Ganzen. Und kommt uns da nicht mit irgendwelchen „Verwantwortlichkeiten“ und „Verpflichtungen“, die irgendwer übernehmen müsste. Um die aalglatt abzuschmettern fallen uns genügend Whataboutisms direkt bei uns vor Ort und erst Recht weltweit ein. Im Zweifel schreien wir einfach „Arbeitsplätze!“ oder „Parkplätze!“ und die ganzen idealistischen Weltverbesserungs-Ideen für unsere Kinder sind wieder passé.
Parkplätze sind ja sowieso absolutes Tabu! Wagt es ja nicht, auch nur anzudenken, man könnte auch nur einen innerstädtischen Pkw-Parkplatz durch irgendwas Besseres ersetzen. Das ist allein deshalb schon unmöglich, weil die absolute Mehrheit der Bevölkerung den Bestand nicht nur erhalten, sondern den heutigen Autofahrer-Ansprüchen entsprechend ausbauen will. Zumindest statistisch gesehen wollen wir doch alle immer mehr und immer größere Parkplätze direkt vor unserer Nase. Davon können wir nie genug haben. Und sowieso kann es auch nix Besseres geben, denn Pkw-Parkplätze sind prinzipiell sowie wissenschaftlich erwiesen das Beste, was einer Innenstadt passieren kann. Die bringen den vielen schönen Verkehr zu uns, von dem wir alle so sehr profitieren.
Und die CDU hat wahrscheinlich vollkommen recht. Wir haben schon jetzt zu wenige Pkw-Parkplätze in der City. Und die sind auch noch viel zu klein für die stadtgerechten Pkw von heute. Wir brauchen also nicht nur viel mehr, sondern auch noch viel größere Parkplätze. Wir sollten langsam darüber nachdenken, welche öffentlichen Einrichtungen wir abreißen und welche Wohnhäuser wir enteignen, damit wir mal wieder etwas mehr Platz für Pkw schaffen können. Das ist nämlich extrem christlich, demokratisch, sozial und grün – da haben wir eigentlich alle auf unserer Seite.
Ich mache mal nen Vorschlag zur Güte: Lasst uns einfach kapitulieren und alles, was wir haben, so lange wie wir es noch haben, möglichst genüsslich verpulvern. Weiter so – aber extrem! Dann gehen wir wenigstens mit Stil ab und hinterlassen den nachfolgenden Generationen bestimmt auch noch genügend KnowHow und Innovation, damit sie es auch noch ein paar Jahre machen. Denn durch das „Weiter so – aber extrem!“ entfesseln wir ungeahnte aber irgendwie doch erwartete neoliberalkonservative Wachstumssprünge in allem, was die Gesellschaft weiter bringt. Selbststeuernde-Hybrid-H2-Flugatxi-SUV—Hyperloops und so… Und das schon übermorgen!
Mal ernsthaft:
Ist das nicht alles irgendwie seltsam „cringy“? Insbesondere mit Blick auf unsere innerstädtischen Parkplätze? Alle reden davon, etwas dafür tun zu wollen, dass lieber morgen als übermorgen weniger Pkw in der Stadt rumstehen. Das Gegenteil ist der Fall. Aber auf den Gedanken, dass genau diese Rumsteh-Plätze ein guter – wenn nicht der effektivste – Hebel sein könnten, um das heutzutage ungewollte Herumstehen zu dezimieren, ist noch niemand gekommen?
Die Christdemokraten wollen die Schöpfung durch den Ausbau von Parkplätzen bewahren? Ernsthaft? Die Sozialdemokraten sehen den sozialen Frieden in Gefahr, wenn nicht auch zukünftig jeder autofahrende Anwohner einen Dauer-Stehplatz auf Kosten der Allgemeiheit direkt vor seiner Haustür vorfindet? Wenn demnächst einfach alle nur noch „saubere“ *hüstel* Autos fahren, dann löst sich das Problem mit den viel zu vielen Pkw überall sowieso von selbst? Erstaunlich!
Warum eigentlich? Weil sich die teuren, kohlestrombetriebenen Dinger dank Subventionierung bald jeder wird leisten können? Oder weil die Digitalisierung, in der wir ja bekanntermaßen Spitzenreiter und Innovator Nr. 1 sind, mal wieder wie von Zauberhand alle Probleme einfach in handliche Nullen und Einsen umwandelt? Wir vernetzen die einfach alle, dann finden die ganz von alleine immer den richtigen Parkplatz. Und beachten ganz automatisch immer die StVO. Irgendwann… Vorausgesetzt wir haben bis dahin genügend Parkplätze. Aber darum kümmern wir uns ja. Echt jetzt?
Wenn es wirklich so ist, dass weder Politik noch Verwaltung parkplatztechnisch die Zeichen der Zeit erkannt haben, dann muss vielleicht mal wieder Zivilgesellschaft aktiv werden. In Dortmund (wie in allen deutschen Städten) haben sich die Menschen auch ziemlich genervt und gefährdet gefühlt durch die Falschparker-Diktatur ihrer Verkehrsräume. Und haben einfach mal dazu aufgerufen, eine Zeit lang Fotos von den asozialen Falschparkern zu machen und einzusenden. Alles voll DSGVO-konform und so.
Wäre es nicht auch bei uns in städtischem Interesse, wenn es mal so eine bürgerschaftliche Aktion wie „Die Falschparker-Wand aus Dortmund“ geben würde? Das müsste eine Stadt, deren Ordnungsamt notorisch überfordert ist, doch mit Kusshand begrüßen und vollen Herzens unterstützen. Schließlich würde jeder kleine Erfolg so einer Aktion nicht nur die Bürger, sondern auch das eigene Personal total entlasten. Coole Sache.
Im besten Fall würde sich sogar so etwas wie mehr Bewusstsein dafür bilden, wer bei uns in der City verkehrsmäßig die größten Probleme verursacht und am häufigsten die Regeln bricht. (Man könnte ja noch ein paar Unfallstatistiken dazu tun.) Und im besten Fall würde der Eine oder die Andere dann nächstes Mal nochmal kurz reflektieren, bevor er/sie/es wieder mal ganz „unvermeidbar“ im Elterntaxi-Halteverbot oder „nur mal ganz kurz“ auf dem Lieferanten-Fahrradschutzstreifen herumsteht. Oder wenn er (statistisch männlich) die kontraproduktiven „Schutz“streifen mal wieder beschließt und plant…
Falschparker-Foto-Wand aus Dortmund
Fotos freundlicherweise zur Verfügung gestellt von:
Aufbruch Fahrrad Dortmund. Danke!
Pranger will ich das nicht nennen. Stellt ja niemanden persönlich zur Schau und ist datenschutzkonform. 😉
Ich gehe schwer davon aus, dass sich auch alle Autofahrer freuen und beteiligen würden, denn diese (mich eingeschlossen) sind ja stets regelkonform unterwegs und leiden genauso unter den paar wenigen Einzelfällen, die es unter unseres Gleichen gibt. Zum Beispiel die armen Legal-Parker in der frisch sanierten Weierstraße, die dank der obligatorischen Falschparker (äh – Einzelfälle!) wieder nur schweißgebadet aus der einzig legalen, linken Parktasche rauskommen und ständig Gefahr laufen, ihren wertvollen Pkw zu beschädigen. Ich fühle mich da total gegängelt durch die (natürlich extrem seltenen!) Falschparker.
Aber jetzt erhalten wir erstmal möglichst viele Parkplätze in der Schützenstraße. Sonst kann in Düren zukünftig nämlich niemals mehr ein behinderter oder älterer Mensch einkaufen.
Veranstaltungshinweis
Pressemitteilung, Stadt Düren, 8.11.2021
Zweites Innenstadtforum in diesem Jahr: Ein Platz an der Schützenstraße, Teilnahmeanmeldung bis zum 14.11.2021 möglich
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