Nee, was ist die Welt kompliziert geworden. Bei jeder Frage nach dem Großen & Ganzen gerät man ganz schnell in eine extrem kleinteilige, verwobene Komplexität, in die man eigentlich gar nicht hineingesaugt werden wollte. Hinzu kommt noch das www, das einen scheinbar unaufhörlich von einem Hölzchen zum nächsten Stöckchen hetzt.

Einerseits sieht man sich andauernd gezwungen, sich mit (scheinbaren?) Daten, Fakten, Analysen und unzähligen, divergierenden „professionellen“ Positionen zu befassen. Andererseits sind all diese gar nix mehr wert, wenn die große Ideologie-Keule geschwungen wird und sämtliche Argumente mit einem Schlag abgeräumt werden.

Und wenn dann sogar noch die wissenschaftlichen Positionen voneinander abweichen, dann hat sich die Wissenschaft ja damit sowieso selbst die Legitimation entzogen. (Wissenschaftstheoretisch eine etwas fragwürdige Position, aber na gut…)



Also zählt nur die eigene Meinung. Und von dieser, nicht aus „den Medien“ stammender Meinung, scheinen manche Menschen so viel zu haben, dass für Fakten und gesunden Menschenverstand wenig Platz bleibt.


Quelle: bpb.de

Neben den schon vielfach beschriebenen „Whataboutisms“, die gerne als scheinbare Gegenargumente angebracht werden, wenn es um das Thema Verkehrswende geht, ist es ebenso gängig, Zusammenhänge zu sehen und zu konstruieren, die es gar nicht gibt.

Zum Beispiel wenn es darum geht, dass die vom Pkw-Verkehr erzeugten externen Kosten nicht von den Kfz-bezogenen Steuern gedeckt, sondern von der Allgemeinheit getragen werden.



Dabei wird dann gerne das Totschlagargument „Arbeitsplätze“ (alternativ: „Innenstadtsterben“) hervorgeholt – mit dem Hinweis, man würde den wertschöpfenden „Nutzen“-Faktor in der Rechnung nicht einkalkulieren.

Damit die Rechnung aufgehen kann, muss man dann allerdings auch irgendwie Kausalität herstellen. Was sind denn die gesamtgesellschaftlich erzeugten Kosten und Nutzen des Verkehrs? Kluge Menschen haben sich darüber schon viele Gedanken gemacht.

Und kommen zum Fazit (s.u.):

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der externe Nutzen des Verkehrs nur einen sehr geringen Umfang hat. Der größte Teil der Verkehrsnutzen fällt direkt bei den Verkehrsteilnehmenden als interne Nutzen an (z.B. Zeitersparnisse, niedrigere Transportkosten, usw.). Bei vielen Beispielen, die als externe Nutzen vorgebracht werden, handelt es sich in Tat und Wahrheit um Markteffekte, also normale Anpassungs- und Überwälzungsprozesse wie sie auch in anderen Märkten zu beobachten sind.

Quelle:
Martin Randelhoff, Zukunft Mobilität
Was sind externe Kosten und Nutzen des Verkehrs?
Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE
Quelle: Zukunft Mobilität

Externe Kosten können unter bestimmten Bedingungen mit Nutzen verrechnet werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß es sich bei denjenigen, die einerseits die externen Kosten tragen und andererseits vom Nutzen profitieren, um dieselbe Personengruppe handelt. Dies ist bei mehreren der vom Kraftfahrzeugverkehr verursachten externen Kosten nicht der Fall. (…)

Die Nutzenarten, die durch das Automobil entstehen, sind in der Regel interne Nutzenarten, die auf den Nutzer des Fahrzeugs beschränkt sind (z.B. Mobilität, Zeitersparnis, Flexibilität, Transportkapazität, Wetterschutz usw.). Dem internen Nutzen des Kraftfahrzeugverkehrs, der auch in Geldeinheiten ausgedrückt werden kann, stehen die internen Kosten der Nutzung des Kraftfahrzeugs (Anschaffungskosten, Haltungskosten, Betriebskosten) gegenüber. Um den Nutzen des Kraftfahrzeugs in Anspruch zu nehmen, ist der Nutzer bereit, die internen Kosten des Kraftfahrzeugs zu tragen. In einem marktwirtschaftlich strukturierten System halten sich interner Nutzen und interne Kosten die Waage. Das heißt, der Nutzer eines Kraftfahrzeugs wird ungefähr so viel an Anschaffungs, Betriebs- und sonstigen Kosten in das Fahrzeug investieren wie es seinem internen Nutzen entspricht.

Anders sieht es bei den externen Kosten aus. Diese müssen nicht vom Fahrzeughalter getragen werden, sie werden auf die Allgemeinheit oder auf andere abgewälzt, z.B. die Anwohner von Straßen oder im Falle des Treibhauseffektes auf zukünftige Generationen. Den externen Kosten steht kein entsprechender externer Nutzen für die betroffenen Personengruppen gegenüber. Müßten die externen Kosten vom Verursacher der Umweltbelastungen getragen werden, würde sich für ihn die Nutzung des Kraftfahrzeugs im Maße der verursachten externen Kosten verteuern. Dadurch würde sich seine Kosten-Nutzen-Relation verschieben: Während sein Nutzen nicht oder kaum (z.B. bei einem lärmarmen Fahrzeug) erhöht wird, erhöhen sich seine Kosten. Die Internalisierung externer Kosten führt deshalb sowohl zu einer Realisierung des Verursacherprinzips als auch zu einer Verringerung der externen Kosten.

Die externen Kosten des Verkehrs können nicht mit den allgemeinen Steuern (Lohn-, Umsatz-, Gewerbesteuern o.a.) der Automobilwirtschaft gegengerechnet werden, so wie dies z.B. vom ADAC versucht wird. Diese allgemeinen Steuern dienen nicht zur Abdeckung der Kosten des Verkehrs, sondern zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts.

Quelle: UPI – Umwelt- und Prognose-Institut e.V.
Quelle: Mobilitätsatlas

(…) Hinzu kommt, dass der reale Umfang der Verkehrsleistung insbesondere im Straßenverkehr nicht vorab bestimmt werden kann, sondern sich das Leistungsvolumen, und damit zusammenhängend der Nutzen, erst anhand der spezifischen Kosten der jeweilige Route (Insbesondere Zeitkosten, Umwegekosten, usw.) einstellt. Die a priori Bestimmung des letztlichen Nutzens der Verkehrsleistung und die Bemessung der gesamtwirtschaftlichen Leistung ist daher sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Des Weiteren ist es unmöglich zu bestimmen, welche Nutzeneffekte und vor allem in welcher Höhe dieselbigen nicht entstanden wären, wenn die jeweilige Infrastruktur nicht gebaut bzw. die entsprechenden Fahrten nicht realisiert werden würden. Diese Frage ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass bereits sehr dichte Verkehrsnetze in weiten Teilen Europas existieren und die spezifischen verkehrlichen und wirtschafts- / raumstrukturellen Wirkungen einzelner Infrastrukturprojekte und deren Zusatznutzen vor diesem Hintergrund nur schwer zu quantifizieren sind.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der externe Nutzen des Verkehrs nur einen sehr geringen Umfang hat. Der größte Teil der Verkehrsnutzen fällt direkt bei den Verkehrsteilnehmenden als interne Nutzen an (z.B. Zeitersparnisse, niedrigere Transportkosten, usw.). Bei vielen Beispielen, die als externe Nutzen vorgebracht werden, handelt es sich in Tat und Wahrheit um Markteffekte, also normale Anpassungs- und Überwälzungsprozesse wie sie auch in anderen Märkten zu beobachten sind. (…)

Das Vorliegen von externen Effekten verdeutlicht ein Marktversagen. Für den Mobilitäts- und Verkehrsbereich bedeutet dies, dass der Preis für Verkehr / Mobilität gemessen an den Kosten, die bei voller Umsetzung des Verursacherprinzips von den Verkehrsteilnehmern getragen werden müssten, zu gering ist. Die Schäden, welche durch die von einer einzelnen Person nachgefragten Verkehrsleistung entstehen, werden also nicht durch den Einzelnen selbst getragen, sondern von der Allgemeinheit bezahlt. Für den Einzelnen besteht daher kein Anreiz, die für ihn optimale Menge nachzufragen. Unter dem Gesichtspunkt der Wohlfahrtsoptimierung werden zu viele Ortsveränderungen / Fahrten unternommen. Dies ist volkswirtschaftlich ineffizient und mit entsprechenden Gerechtigkeitsproblemen behaftet.

Ebenso bedeutet die Existenz eines externen Nutzens, dass ein Marktversagen vorliegt. Beispielsweise wäre es aus einer volkswirtschaftlichen Betrachtung heraus wünschenswert, den Anteil des Rad- und Fußverkehrs entsprechend auszuweiten, da aufgrund der durch die stärkere Bewegung entstehenden positiven Gesundheitseffekte die Wohlfahrt optimiert wird.

Damit in einer Volkswirtschaft die Ressourcen optimal eingesetzt werden, sollten das Verursacherprinzip grundsätzlich voll umgesetzt und die externen Kosten bzw. Nutzen internalisiert werden, d.h. sie sind denjenigen anzulasten bzw. gutzuschreiben, die sie verursachen.

Quelle:
Martin Randelhoff, Zukunft Mobilität
Was sind externe Kosten und Nutzen des Verkehrs?
Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Auf die Schnelle konnte ich nicht viel an harten Daten finden. Auch die Wissenschaft nutzt „Schätzmodelle“. Wer aktuellere Zahlen hat, möge mir gerne einen Hinweis schicken.


Was sagen die Wirtschaftsforscher?

Externe Kosten am Beispiel des deutschen Straßenverkehrs (S.92)
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2009)

Hier stellt sich nun die Frage, ob für diesen Betrag noch Internalisierungsbedarf besteht.

Externe Kosten am Beispiel des deutschen Straßenverkehrs (S.92)
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2009)

Diese Frage wird fünf Jahre später vom HWWI beantwortet:

Die Aufkommen aus den verkehrsbezogenen Steuern (Mineralölsteuer, Kraftfahrzeugsteuer etc.) reichen nicht annähernd aus, um die externen Kosten des Straßenverkehrs zu decken.

Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut HWWI, 06/2014

Es bleibt kompliziert…

Quelle:
Martin Randelhoff, Zukunft Mobilität
Was sind externe Kosten und Nutzen des Verkehrs?
Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Zum Weiter-Recherchieren:

Quelle: Mobilitätsatlas