Die autofreundliche Stadt der Zukunft

Die 11,5%-Mehrheitspartei FDP will die deutschen Innenstädte autofreundlicher gestalten und endlich den „ideologischen Kampf gegen das Auto“ beenden, den ihr grüner Ampel-Koalitionspartner angeblich führt.

Auf ihrer Website veröffentlichen die „freien Demokraten“ einen Screenshot eines BILD-„Zeitungs“-Retweets der FDP Bremen, der den neuerlichen Anti-Verkehrswende-Vorstoß ganz im Sinne der liberal-reaktionären Spaßpartei betitelt:

Diesen FDP-Plan werden Grüne hassen:
Riesen-Geschenk für alle Auto-Fahrer

Focus Online spricht von einer „Park-Revolution“ und der Postillon liefert weitere praktische Umsetzungs-Vorschläge. Gemeint ist der jüngste FDP-Präsidiumsbeschluss „Für einen starken Einzelhandel und lebendige Innenstädte und Ortskerne“ vom vergangenen Montag, 8. Mai.

#Brötchentaste

Mit diesem Beschluss stellen die Mobilitätswende-revisionistischen Retter des Einzelhandels und der Innenstädte nochmal unmissverständlich klar:

  1. (Pseudo-) Populismus hat Vorfahrt vor Wissenschaft.
  2. Ideologien verbreiten können per Definition immer nur andere als man selbst.

Der FDP-Vorstoß kommt nicht wirklich überraschend, ist trotzdem komisch: Ich dachte, wir hätten uns längst national, regional und lokal darauf verständigt und verpflichtet, den Pkw-Verkehrsanteil gerade in den Städten zu Gunsten des Umweltverbundes aus ÖPNV/Rad/Fuß + Sharing zu reduzieren. Modal Shift durch Push & Pull war bisher nicht nur die (theoretische politische) Ansage in allen möglichen Beschlüssen und Konzepten, sondern auch verkehrswissenschaftlicher Konsens.

Sprich: Das offizielle Ziel mehr Verkehr über den Umweltverbund abzuwickeln und gleichzeitig den Pkw-Verkehrsanteil zu reduzieren, soll durch Maßnahmen erreicht werden, die den Umweltverbund massiv fördern und gleichzeitig die Pkw-Nutzung weniger attraktiv machen. Bisher wurden immer die Niederlande als Best Practice-Beispiel genannt, besonders beim Umgang mit innerstädtischem Parkraum bzw. hinsichtlich der Umgestaltung des öffentlichen Raums. Hatten wir nicht festgestellt, dass die Flächenverteilung irgendwie etwas ungerecht ist dank der jahrzehntelangen Bevorzugung des Pkw-Verkehrs? Wollten wir uns nicht langsam mal um die Bedürfnisse des (zukünftigen) Umweltverbundes kümmern, damit dieser so wächst, wie wir das als Ziel beschlossen haben?

Oder kommt jetzt der verkehrspolitische Rollback und die Verkehrswende-Wende, bevor es überhaupt losgegangen ist? Lassen sich SPD und Grüne davon überzeugen, dass eine reine Antriebswende gepaart mit ein bisschen Digitalisierung, jeder Menge Theorie- und Technologieoffenheit sowie ein paar kleinen nachträglichen Gestezesanpassungen *hüstel* ausreichen wird, um den eigenen Zielen, Ankündigungen und inneren Werten gerecht zu werden? Groß wundern müsste einen das nicht, aber es bleibt abzuwarten. Wird man sich ja jeweils vor Ort an den konkreten Maßnahmen und Zielumsetzungen anschauen dürfen:

Aachener Straße, Ortsdurchfahrt Birkesdorf, Radvorrangrouten, Innenstadt- und Stadtteilkonzepte…



Werfen wir doch mal einen kleinen auszugsweisen Blick in den jüngsten FDP-Präsidiumsbeschluss. Aber nur auf den ersten Punkt, der sich auf die „Erreichbarkeit“ bezieht. Bürokratiebabbau, Fachkräftemangel, Energiepreise und Steuern klammere ich mal aus. (Hervorhebungen von mir.)

Für einen starken Einzelhandel und lebendige Innenstädte und Ortskerne

(…) Hohe Inflation und Energiepreise, steigende Mieten und Konsumzurückhaltung setzen den örtlichen Einzelhandel unter Druck. Hinzu kommen überbordende Bürokratie und ein akuter Fachkräfteund Personalmangel. Wenn dann vor Ort noch eine ideologische Verkehrspolitik die Erreichbarkeit des Einzelhandels erschwert und das Parkplatzangebot knapp und teuer wird, sehen viele Gewerbetreibende keine Zukunft mehr für ihre Geschäfte. Die Folgen sind Geschäftsaufgaben, Leerstände und Versorgungslücken, besonders im ländlichen Raum. Der Staat ist auf allen Ebenen gefordert, gute Rahmenbedingungen für einen vielfältigen, gesunden, innovativen und breitflächigen Einzel handel zu setzen. Hier sind gerade auch Städte und Kommunen gefordert. Auf fünf Feldern wollen wir Freie Demokraten den Einzelhandel stärken:

1. Erreichbarkeit verbessern

Durch die Einführung des Deutschlandtickets zum 1. Mai haben wir die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs (Ö PNV) deutlich gesteigert und damit auch die Erreichbarkeit des Einzelhandels verbessert. Auch durch den Ausbau von Radwegen in Städten und Gemeinden sorgen wir dafür, dass Menschen individuell mobil sind und lokalen Einkaufszentren treu bleiben. Zugleich m üssen aber auch Kundinnen und Kunden, die auf das Auto angewiesen sind, die Möglichkeit haben, schnell in die Städte und Zentren zu kommen und nahegelegene Parkplätze zu finden. Das gilt insbesondere für Handwerkerinnen und Handwerker, Senioren, Menschen m it Behinderungen und mobile Pflegekräfte. Außerdem müssen Geschäfte beliefert werden können. Viele Waren können nur mit Kraftfahrzeugen transportiert werden.

Eine autofeindliche, ideologische Verkehrspolitik ist schädlich und auch klimapolitisch kontraproduktiv. Schließlich brauchen auch klimaneutrale Fahrzeuge, die mit Strom, Wasserstoff oder E-Fuels angetrieben werden, intakte Straßen und ausreichende Parkplätze. Das Auto gehört zu einem individuellen Mobilitätsmix genauso wie Fahrräder und der ÖPNV. Pauschale Fahrverbote, Straßensperrungen gegen den Willen der Anwohnerinnen und Anwohner oder erzieherische und unnötige Reduzierungen von Parkmöglichkeiten lehnen wir deshalb ab. Im Gegenteil: Wir wollen mehr Flexibilität und mehr Toleranz beim Parken.

Wir fordern Städte und Gemeinden auf, bedarfsgerecht kostenloses Kurzparken zu ermöglichen („Brötchentaste“). Zugleich sprechen wir uns dafür aus, im eingeschränkten Halteverbot zukünftig das Halten für fünf statt bisher drei Minuten zu erlauben („aus drei mac h´ fünf “). Dadurch erleichtern wir besonders älteren Fahrern und Beifahrern den nahen Kurzeinkauf, zum Beispiel in Bäckereien oder Apotheken. Zudem sichern wir damit die soziale Teilhabe und steigern zugleich die Attraktivität der Innenstädte. Außerdem we rden die Ordnungsämter und die Polizei von der Kontrolle bei Bagatellverstößen entlastet. Umso mehr muss rücksichtsloses Parken im Parkverbot und besonders auf Gehwegen, Fahrradwegen und Feuerwehrzufahrten konsequent geahndet werden. (…)

BESCHLUSS des Präsidiums der FDP, Berlin, 8. Mai 2023:
Für einen starken Einzelhandel und lebendige Innenstädte und Ortskerne


Ideologische Verkehrspolitik

Während die FDP ständig allen, die sich irgendwie für die gesellschaftlich beschlossene Mobilitätswende engagieren, Ideologie vorwirft, verschweigt sie die Ideologie-basierte Verkehrspolitik der vergangenen Jahrzehnte, an der sie nicht ganz unerheblich beteiligt war. Kein Wort darüber, weshalb wir überhaupt in die Lage gekommen sind, heute über den desolaten Zustand unseres ÖPNV und dieses ganze Verkehrswende-Gedöns sprechen zu müssen.

Woraus resultieren die nicht barrierefreien Bushaltestellen, die nicht vorhandenen Rad- und Gehwege, die nicht erreichten Klimaschutzziele etc. eigentlich? Wieso höre ich von AFDPCDSU nie etwas von fußgängerfeindlichen, fahrradfeindlichen und ÖPNV-feindlichen Strukturen oder Ideologien?

Erstaunlich auch, dass sich die FDP die Einführung des 49€-Tickets auf die Fahnen schreibt. Ich meine mich zu erinnern, dass das Deutschland-Ticket auf dem Erfolg des 9€-Tickets basiert, das während der Corona-Pandemie sozusagen als Ausgleich für den FDP-verursachten Tank-Rabatt eingeführt wurde. Das so zu interpretieren, als ob die FDP die Mutter der Bahn-Flatrate wäre, ist ziemlich gewagt. Was tatsächlich aus dem Hause Wissing stammt, sind Ideen wie die, Auto-Käufern ein Deutschland-Ticket beim Neuwagenkauf dazu zu schenken oder die, jede Menge neue Autobahnen priorisiert bauen zu wollen, während die bestehenden mangels Instandhaltung in sich zusammenfallen.


Parkplätze = Arbeitsplätze
Autofreundlich = Menschenfreundlich


Besonders deutlich wird die Ideologiegetriebenheit der „Liberalen“ und „Konservativen“ beim running gag „Parkplätze“. Sobald es um Parkplätze geht, spielen Verkehrswissenschaft, geltende Regelwerke und gesunder Menschenverstand keine Rolle mehr. Auch eigene Beschlüsse und Konzepte werden ignoriert – falls man sie nicht nachträglich noch aalglatt rhetorisch oder rechtlich umgehen kann. Hier hatte ich mal möglichst ideologiefrei versucht, den aktuellen gesellschaftspolitischen Kompromiss-Konsens zum Thema Parkplätze bzw. öffentlicher Raum zusammenzufassen.

Mit ihrer Forderung, Innenstädte wieder (weiter) attraktiver für den motorisierten Individualverkehr zu gestalten, negiert die FDP das alles. Statt verkehrswissenschaftlicher Expertise mit Bezug auf beschlossene Konzepte und schon jetzt gültige Richtlinien präsentieren AFDPCDSU ständig irgendwelche „Umfragen“, um ihre anachronistischen „Argumente“ zu untermauern.

Das scheint sogar ganz gut zu funktionieren, weil die „autofeindlichen Ideologen“ von SPD, Grünen & Co die ach so geliebte „Verkehrswende“ bei Lichte betrachtet auch eher stiefmütterlich behandeln und ihnen deshalb offensichtlich gute Argumente und Daten (oder der politische Antrieb) fehlen.


Falschparken bagatellisieren
Ordnungsämter und Polizei entlasten

Mit ihrer Forderung, Innenstädte durch Flexibilisierung und Verbesserung der Pkw-Parkmöglichkeiten „attraktiver“ zu machen, fordert die FDP die Kommunen gleichzeitig auf, die Kontrollen von Falschparkern in Parkverboten zu intensivieren. Mir ist noch nicht ganz klar geworden, weshalb mehr Parkplätze und mehr Parkplatzflexibilität weniger Kontrollen bedeuten sollen. Müssen Brötchentasten-Tickets nicht kontrolliert werden und wieviele Kapazitäten werden durch die „aus drei mach fünf“ Minuten-Regel für das eingeschränkte Halteverbot freigesetzt? Verursachen Anreize für mehr innerstädtischem Pkw-Verkehr nicht mehr innerstädtischen Pkw-Verkehr – mit all den bekannten Problemen, wegen derer wir überhaupt über all den Quatsch sprechen müssen?

Heißt das eigentlich auch, dass die Behörden zukünftig bei „Bagatellverstößen“ (was immer das in FDP-Augen sein mag) ein Auge zudrücken sollen, damit sie endlich angemessene Falschparker-Kontrollen auf Geh- und Radwegen durchführen können? Was sagen die an Personalflut erstickenden Behörden und Fachämter eigentlich zu den Plänen?


Soziale Teilhabe

Soziale Teilhabe am innerstädtischen Leben soll offenbar doch nicht durch einen hochwertigen barrierefreien ÖPNV, durch Aufenthaltsqualität und Angebotsvielfalt erreicht werden, sondern durch möglichst viele möglichst billige Pkw-Parkplätze, die zu möglichst vielen Pkw-Kurzstreckenfahrten animieren sollen. Verstehe ich das richtig? Wieso haben wir dann nicht wenigstens schon mal diverse Standard-Parkplätze in Behinderten-Parkplätze umgewandelt, wenn uns die Älteren und Behinderten, die nur noch per Pkw unterwegs sein können, so wichtig sind? Falls uns so an der „sozialen Teilhabe“ gelegen ist, könnten wir auch darüber nachdenken, den nicht zwingend erforderlichen Innenstadt-Pkw-Verkehr so weit einzuschränken, dass der wirklich notwendige Verkehr (Behinderte, Anwohner, Lieferdienste, Sicherheits- und Service-Kräfte,) angemessen berücksichtigt würde. Aber das wäre wirklich viel zu populistisch.


Lokalpolitische Paradoxien

Zum Glück hat die FDP in Düren inhaltlich und machtpolitisch wenig zu sagen. Trotzdem muss man sich als Beobachter lokaler Verkehrspolitik auch vor Ort die Augen reiben, denn diese scheint ihre ganz eigene Logik zu haben.

Der hiesige CDU Stadtverband Düren, der ständig auf den schlimmen „Parkdruck“ in der City hinweist, schlägt vor, dass städtische Angestellte kostenlose Parkplätze in eben dieser City zur Verfügung gestellt bekommen sollten. Damit ihre Arbeitsverträge und die Stadt, in der sie arbeiten, attraktiver werden und endlich der notorische Dürener Parkdruck gesenkt wird. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantragt unterdessen ein Gesetz zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans, weil es da irgendwie nicht richtig weiter geht.

Der Kreis Düren fährt nicht nur eine offensive Wasserstoffstrategie, sondern auch eine ziemlich erfolgreiche Wachstumsstrategie – sogar mit eigener Website. Die Bevölkerungszahl steigt weiter an, während sich die Stadt Düren zum Ziel gesetzt hat, das Verkehrsaufkommen nicht nur nicht zu steigern, sondern sogar mehr vom Pkw auf den Umweltverbund zu verlagern. „Ein Prozent weniger Pkw pro Jahr, zehn Prozent weniger bis 2025!“

Alle reden von der Innenstadtentlastung durch die B56n (und B399n), aber keiner kennt irgendwelche tatsächlichen Zahlen, die die Ankündigungen wie „bis zu 50% weniger Pkw-Verkehr, ganz viel Platz für Rad- und Fußwege“ überprüfbar machen würden. Die Genauigkeit der verkehrspolitischen Prognosen entspricht also ungefähr der bezüglich Bauzeit und Baukosten.

Jahrelang wurden uns sogenannte „Schutzstreifen“ und „Mehrzweckstreifen“ als „besondere Förderung des Radverkehrs“ (und Teil des zentralen Verkehrskonzeptes) verkauft, während wir immer noch auf die erste Fahrradstraße oder zumindest die Erwägung einer Diskussion über den ersten Radschnellweg warten. Die allererste Radvorrangroute Dürens wurde zu Gunsten von Parkplätzen hinter die regelkonforme, den politischen Vorgaben entsprechende Variante des Fachamts zurückgeplant.

Das Klimaschutzteilkonzept Mobilität wird seit Jahren aus purer Überzeugung „konsequent“ umgesetzt, aber niemand (lokale Presse und jeweilige Oppositionen inbegriffen) fragt mal nach Zwischenergebnissen. Deshalb wundert sich offenbar auch kaum jemand über die augenscheinliche Diskrepanz zwischen Beschluss und Wirklichkeit.

Selbsternannte Law&Order-Parteien stellen sich gegen die barrierefreie Gestaltung unserer Bushaltestellen, die bis Anfang 2022 laut Gesetz hätte umgesetzt werden müssen. Weil das ja den Pkw-Verkehr (den sie per eigenem Konzept eigentlich reduzieren wollen) beeinträchtigen könnte. Gleichzeitig empfehlen sie, eingeschränkte Halteverbote zum Shopping zu nutzen und damit gegen die StVO zu verstoßen und tolerieren regelwidriges Parken an allen möglichen und unmöglichen Stellen.

Die, die uns angeblich in die schöne neue Mobilitätswende-Zukunft führen wollen, erzählen uns wiederum überhaupt nichts davon, wie diese Zukunft mal aussehen soll und wie wir von ihr profitieren werden, falls wir sie tatsächlich umsetzen. Ständig ist nur von Gängelung, Bevormundung und Verboten zu hören. Komisch, dass es nicht gelingt „die Leute“ (die naturgesetzlich von selbsternannten Innenstadtrepräsentanten vertreten werden) mitzunehmen.

Wir beobachten jährlich steigende Pkw-Zulassungszahlen, fragen uns aber nicht, ob diese (diametral unseren Zielen widersprechenden Zahlen) mit der eigenen Verkehrspolitik zu tun haben könnten.

Läuft, würde ich sagen – nur halt nicht in die Richtung, die uns versprochen wurde oder die der gesunde Menschenverstand bevorzugt. Ist das eigentlich noch Politik oder schon Realsatire?



Anfang Februar hatte das Präsidium der FDP übrigens schon einen Beschluss unter der Überschrift „Individuelle Mobilität stärken – Vielfalt bei Mobilitätsangeboten ausbauen statt Autos ideologisch bekämpfen“ gefasst. Sie fordert darin im Grunde ein „Weiter so!“ der verfehlten Verkehrspolitik vergangener Jahrzehnte und stellt sich erneut als Retterin des deutschen Automobilismus dar. Dabei ignoriert sie auch hier wieder seriöse Verkehrswissenschaft, politische Leitlinien und gesellschaftliche Entwicklungswünsche. Garniert wird das alles wie immer mit ein paar populistischen Schlagwort-Plattitüden wie „Technologieoffenheit“, „Digitalisierung“, „Mobilitäts-Mix“, „Multi-Modalität“, „Innovation“ und „soziale Teilhabe“.

Niemals käme das AFDPCDSU-Konglomerat auf die Idee, auch mal die 82,8 Millionen Fahrräder, die es in Deutschland gibt, zu erwähnen, statt gebetsmühlenartig auf die vielen Pkw hinzuweisen, die inzwischen in Deutschland herumfahren (bzw. herumstehen). Bei Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs wird ständig argumentiert, dass es viel zu wenige Radfahrende gäbe, als dass man sie mal richtig fett fördern könnte. Das lohnt sich doch überhaupt nicht! Während man bspw. beim E-Auto genau anders herum argumentiert. Das muss nämlich jetzt dringend gepusht werden, damit zukünftig mehr davon unterwegs sein sollen. Deshalb (und wegen des damals drohenden Diesel-Fahrverbots aufgrund extremer NOX-Werte) dürfen hybride Boliden und alles halbwegs batterie-elektrisch Angetriebene kostenlos auf öffentlichen Parkplätzen in Düren parken. Wer da statistisch und tatsächlich gefördert wird, bleibt unerwähnt.

In Sachen Klimawandel und Energiewende sollen/wollen wir eigentlich kollektiv und individuell möglichst alles unternehmen, das irgendwie umsetzbar ist. Jede C02-Einsparung zählt! Aber ein Tempolimit wird kategorisch ausgeschlossen, weil wir vom traditionell konservativ geführten Verkehrsministerium demnächst die volle Ladung fettester Maßnahmen zu erwarten haben, die den Sektor auch CO2-mäßig so revolutionär auf Kurs bringen werden, dass Kleinkram wie Tempolimits obsolet werden. Wahrscheinlich dürfen wir uns dank Billig-E-Fuels und süßen Mini-Fusionsreaktoren in jedem Privathaushalt schon in ein paar Jahren auf StarTrek-ähnliche Energie-Zustände freuen. Replikator: „Ich brauche dringend einen Pangalaktischen Donnergurgler.“




Der FDP-Bundesverkehrsminister behauptet unterdessen, dass die Umsetzung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen daran scheitern würde, dass wir dafür gar nicht genügend Verkehrsschilder zur Verfügung hätten. Und überhaupt. Was soll ein Tempolimit schon bringen, wenn doch „demnächst“ alles digital-vernetz-vollautomatisiert und klimaneutral elektrifiziert unterwegs ist?

Ein Tempolimit kann es sowieso nicht geben. Steht ja so im Ampel-Koalitionsvertrag. Also in dem Vertrag, der vorschreibt den Nationalen Radverkehrsplan umzusetzen, eine nationale Fußverkehrsstrategie zu entwickeln, das Straßenverkehrsrecht mit Fokus auf Klimaschutz, städtebauliche Entwicklung und Gesundheit zu modernisieren, ein Mobilitätsdatengesetz und jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, Cannabis steuergewinnbringend über Apotheken zu verkaufen… Ist dieser ominöse Koalitionsvertrag für die FDP etwa ebenso in Stein gemeißelt wie das Klimaschutz, dessen sektorale Zielumsetzung und Sofortprogramm-Strategie?



Dass wir uns andauernd irgendwelche „Umfragen“ von irgendwelchen „Meinungsforschungsinstituten“ im Auftrag von Boulevard-Zeitungen gefallen lassen müssen, obwohl wir doch Verkehrswissenschaftler, ein statistisches Bundesamt (Knapp zwei Drittel für autofreie Innenstädte.) oder lokal erhobene Daten aus erster Hand haben, wundert einen da kaum noch.

Wieso werde ich den Eindruck nicht los, dass insbesondere die FDP verkehrspolitisch viel ideologischer unterwegs ist, als all die, denen sie das andauernd vorwirft?


Podcast „Lage der Nation“, Minute 17:03 und folgende…