Unfall, Zufall oder multiples, strukturelles Versagen?
Beispiel Birkesdorf. Mal wieder…
POL-DN: Fahrertür geöffnet, Radfahrerin verletzt
Presseportal, 9.8.2021
Am Samstag öffnete ein Autofahrer unachtsam die Tür seines Wagens und brachte so eine Radfahrerin zu Fall. Die Frau wurde leicht verletzt.
Gegen 08:10 Uhr fuhr eine Radfahrerin auf dem Fahrradschutzstreifen der Zollhausstraße in Richtung Nordstraße. Vor ihr hielt ein Pkw; teils stand er auf dem Fußgängerweg, teils auf dem Radweg.
Die 44-jährige Frau aus Düren wollte an dem Auto vorbeifahren, als der Fahrer des Wagens plötzlich seine Tür aufriss. Die Radfahrerin konnte nicht mehr bremsen, prallte gegen die Tür und stürzte. Der 58 Jahre alte Autofahrer aus Düren sagte, dass er schnell zum Kiosk wollte und die Radfahrerin nicht gesehen habe.
Ein Rettungswagen brachte die 44-Jährige zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus. Der 58-Jährige blieb unverletzt. An seinem Wagen entstand ein Schaden von etwa 100 Euro.
Bei diesem Unfall handelt es sich um einen sogenannten „Dooring-Unfall„, die oft leicht vermeidbar sind. (…)
Ich bezweifle, dass das ein „Dooring“-Unfall war. Ich bezweifle sogar, dass es überhaupt ein „Unfall“ war.
Denn einen Unfall verstehe ich als Ereignis, das plötzlich und unvorhersehbar eintritt, und das ohne Absicht, also quasi „aus Versehen“, ohne Intention, wegen eines Defekts, eines unabwendbaren Missgeschicks o.Ä. passiert. Davon kann hier aber wirklich keine Rede sein.
Autofahrer, die sich so verhalten, wie das in der Polizei-PM geschilderte Exemplar, handeln vollkommen vorsätzlich und beabsichtigt und müssen sich der möglichen Konsequenzen ihrer Handlung bewusst sein. Ich weiß doch, wo ich da so asozial und illegal falschparke. Wer dann noch nicht mal nach hinten schaut, bevor er mehrfach falschparkend die Tür aufreißt, verursacht keinen Unfall, sondern einen quasi-vorsätzlichen – zumindest absehbaren – Zusammenstoß, weil er von §1-X gleich mehrfach die Straßenverkehrsordnung ignoriert. Bei „Unfall“ ist mir für solche Geschichten einfach zu viel „Zufall“ drin.
Eine Prüfung der Fahrtauglichkeit ist bei diesem Autofahrer-Exemplar wahrscheinlich genau so angebracht, wie bei der Dame, die ein paar Tage zuvor nur ein paar Meter weiter einen Radfahrer in Birkesdorf mit 0 Zentimeter anstatt mit 1.5 Meter Sicherheitsabstand überholte und den „Unfall“ noch nicht mal bemerkte:
Radfahrer bei Unfall verletzt
Quelle: Presseportal
Beim Überholen fuhr eine Autofahrerin gestern in Birkesdorf auf ein Fahrrad auf und brachte dessen Fahrer so zu Fall. (…)
Die Frau hatte nicht bemerkt, dass sie beim Überholen eines Radfahrers einen Unfall verursacht hatte, bei dem dieser gestürzt war. Zeugenaussagen berichten, dass die 77-Jährige gegen das Hinterrad des 22-Jährigen stieß, als sie an ihm vorbei fuhr. Dadurch wurde dieser zunächst auf die Motorhaube der Frau aufgeladen, stürzte dann und prallte gegen ein geparktes Fahrzeug. (…)
Außerdem mag der Angriff des „Doorimg“-Pkw-Chaoten zwar plötzlich und für die Radfahrerin in dieser Situation auch unausweichlich eingetreten sein, unvorhersehbar war er jedoch definitiv nicht. (Kein Vorwurf an die Radfahrerin an dieser Stelle!) Wie oft habe ich schon gedacht, geschrieben und selbst erlebt: Nur eine Frage der Zeit, bis da mal… Denn über genau diese Situationen dürfen sich Radfahrer an genau dieser Straße jeden Tag erfreuen. Und es ist allen Beteiligten sehr wohl bewusst, dass Zollhaus- und Nordstraße gesetzfreie Zone sind.
Und Dooring ist in der ganzen Kakophonie wahrscheinlich nur ein kleineres Übel, das nicht selten durch noch viel größere Übel bedingt wird. Beispielsweise durch mangelhafte und ungenügende Infrastruktur wie sogenannte „Schutz“streifen ohne Dooring-Zone etc., die Radfahrer de facto mehr gefährden als schützen. Oder durch allgegenwärtige Falschparker und Schutzstreifen-Missachter…
Deshalb finde ich auch den ausführlichen Hinweis der Polizei auf die Gefahren von „Dooring-Unfällen“ zwar einerseits natürlich nie verkehrt, an dieser Stelle aber doch einigermaßen deplatziert. Mindestens genau so viel Platz hätten die mehrfachen und mindestens ebenso ursächlichen Parkverstöße des Pkw-Chaoten bekommen sollen.
Denn diese sind allgegenwärtig und der Polizei durchaus bekannt. Übrigens ist die Polizei auch genau für diese gefährdenden Vergehen des „ruhenden“ Verkehrs zuständig. Nicht nur das chronisch unterbesetzte Ordnungsamt. Hoffentlich ist das nicht ein Grund weshalb das Falschparken in der Polizei-PM so kurz kommt.
Und auch die Bußgelder sind bei uns zwar im Europa- und Weltvergleich lächerlich, aber immerhin inzwischen so hoch, dass Kontrollen neben mehr Sicherheit und Lerneffekt vielleicht sogar auch ein paar Euro in die Stadt- oder Kreiskasse spülen würden
By the way: Was für eine Strafe erwartet einen Pkw-Fahrer, der an einer bekanntlich gefährlichen Stelle mehrfach im absoluten Halteverbot parkt und auch noch eine Radfahrerin per Dooring verletzt? Der wird ja wohl hoffentlich direkt zum „Idioten-Test“ geschickt, oder? Mehrmonatiges Fahrverbot?
Oder 200 Euro Strafe, ein paar Punkte in Flensburg und weiter geht´s!? Vielleicht wird der Pkw-Chaot auch von jeglicher Schuld freigesprochen. Schließlich geht´s ja um Kavaliersdelikte. Und die Radfahrerin trägt bestimmt auch eine Mitschuld. Zumindest falls sie keinen Helm auf dem Kopf hatte, dunkle Kleidung trug, keinen angemessenen Sicherheitsabstand zum Falschparker einhielt oder so. Wäre mal interessant zu erfahren…
Bei diesem Unfall handelt es sich um einen sogenannten „Dooring-Unfall„, die oft leicht vermeidbar sind. Autofahrerinnen und Autofahrer sollten beim Aussteigen aus dem Pkw immer einen Schulterblick durchführen. Der sogenannte „Holländische Griff“ kann dabei helfen, den rückwärtigen Verkehr besser zu überblicken: Öffnen Sie Ihre Autotür mit der jeweils abgewandten Hand (Fahrerseite = rechte Hand, Beifahrerseite = linke Hand). Hierdurch drehen Sie Ihren Körper automatisch mit und Ihr Blick richtet sich nahezu von selbst nach hinten. Weitere Informationen zum sicheren Miteinander von Rad- und Autofahrenden finden sich auf der Homepage der Polizei Düren
Presseportal, 9.8.2021
Eigentlich müsste selbst den hinterwäldlerichsten Autofahrer längst die Info erreicht haben, dass man sich mal umschaut, bevor man die Blechbüchse öffnet. Ich will ja noch nicht mal mit dem holländischen Griff (Dutch Reach) anfangen, den die Polizei ausführlich beschreibt. Das würde so manchen Motorisierten bestimmt geistig und motorisch komplett überfordern. Hä? Mit der rechten Hand links? Wie soll das funktionieren, wenn ich noch nicht mal einen Blick in den Rückspiegel auf die Reihe kriege? Fahrschule, StVO, Empathiefähigkeit, gesunder Menschenverstand…?
Wunsch & Wirklichkeit
Wie könnte/müsste/sollte es eigentlich aussehen unter den Umständen rückständiger Infrastruktur? Und wie sieht´s tatsächlich aus?
Ursache und Wirkung
Was war denn nun der eigentliche Auslöser für die asoziale Autofahrer-Attacke. (Außer dem dringenden Bedürfnis, sich möglichst schnell die neueste BILD-„Zeitung“ zu kaufen?
Zu dem Dooring-Unfall hätte es doch eigentlich gar nicht kommen können/dürfen/sollen/müssen, weil der Pkw-Chaot da eh nix zu suchen hatte. Doppeltes absolutes Halteverbot: Fahrrad-Schutzstreifen + Fußgänger-Gehweg = gar nix Auto! Der hätte da noch nicht mal ein bisschen Mikroplastikabrieb auf dem Schmutzstreifen (in Fachkreisen auch „Todesstreifen“ genannt) lassen dürfen. Oder kurz anhalten. Geschweige denn parken um einkaufen zu gehen!
Finde den Fehler. In der Polizeimeldung ist er nicht ganz einfach zu finden. Ist halt so ein Nebenbei-Satz. Weil´s auch einfach total üblich ist, dass Autos im absoluten Halteverbot rumstehen. „Nur mal kurz“ natürlich! Genauso üblich wie die Untätigkeit der Stadt (Ordnungsamt) bzw. des Kreises (Polizei) dagegen.
Erst konzentriert man sich jahrelang auf das Beschmieren der Straßen mit Schmutzstreifen und dann kümmert man sich nicht weiter darum, was auf ihnen los ist. Selbst dann nicht, wenn darauf Menschen zu Schaden kommen und sich Gesetze ändern. Die müssen ja nicht überwacht oder gar durchgesetzt werden. Wird sich alles schon ganz harmonisch von selbst einpendeln…
Angesichts der allgegenwärtigen Falschparker auf den allgegenwärtigen Dürener Schmutzstreifen hätte ich mir wenigstens einen kleinen Hinweis nicht nur auf den „Holländischen Griff“ gewünscht. Einfach ordentlich parken, dann braucht man den oft gar nicht.
Aber da ja nur Radfahrer gefährdet werden, ist das alles halb so schlimm. Die gibt´s in Düren ja eh kaum. Was soll da also schon groß passieren statistisch gesehen? Und mit der freiwilligen Selbstkontrolle haben wir doch an zig anderen Stellen schon allerbeste Erfahrungen gemacht. Besonders bei Autofahrern. Beispielsweise mit Rasern an genau derselben Stelle.
Der Fairness halber sei festgestellt, dass auch in Birkesdorf regelmäßig Geschwindigkeitskontrollen stattfinden. Davon lese ich (noch *Bürgerantrags-Zwinkersmiley*) andauernd in der Zeitung. Ich müsste mal beim Ordnungsamt anfragen, was bei den stets öffentlich im Vorfeld angekündigten Kontrollen so rausgekommen ist seit der „Kapitulationserklärung“ im Ausschuss…
Der große Bogen
Um den Bogen noch ein wenig weiter zu spannen, lässt sich ganz nüchtern feststellen: Diese sogenannten „Unfälle“, die das uns Autofahrenden inneliegende Bedürfnis, überall nur mal eben ganz ausnahmsweise zu schnell fahren und falsch parken zu müssen, auch noch strukturell begünstigen, wären absolut vermeidbar gewesen. Und sind es auch heute. Jeden Tag.
Von uns bescheuerten, notorisch regelbrechenden und empathielosen Blechbüchsen-Junkies kann man zwar wirklich nicht erwarten, dass wir unser antrainiertes und staatlich subventioniertes Verhalten bald mal ändern würden. Mal realistisch bleiben! Aber Politik und Verwaltung hätten uns schon längst einen Riegel vorschieben können und müssen, anstatt durch Nicht-Tätigkeit zum Mittäter und Komplizen der Pkw-Chaoten zu werden. Einfach mal kontrollieren.
Und dafür gibt es eigentlich auch schon seit langem einen ziemlich deutlichen politischen (und auch weitestgehend gesellschaftlichen) Konsens. Mehrere sogar. Ich verweise nur auf zwei lokale davon:
1. Klimaschutz-Teilkonzept (KSTK): An dieser Stelle (ausnahmsweise) nicht der Hinweis auf all die schönen Maßnahmenvorschläge wie Fahrradstraßen und Radschnellwege. Zu utopisch, so weit ist DN noch nicht… Ich weise diesmal nur auf einen einzigen Aspekt aus dem KSTK hin, bei dem der Stadt schon vor Jahren die planerische Pistole auf die Brust gesetzt wurde: Falschparker! „Macht endlich mal was. Das geht ja alles gar nicht und führt in genau die falsche Richtung!“ So lautete das Fazit der KSTK-Verfasser damals sinngemäß.
Und heute? Obwohl Stadt&Ordnungsamt hier eine Quasi-Abmahnung erhielten und sich seitdem auch noch die gesetzlichen Regeln geändert und verschärft haben, sind zwischenzeitlich keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen worden, um dem Problem auch nur annähernd Herr/Frau/Dings zu werden.
2. Separierte Infrastruktur wo immer möglich: Die CDU fordert ja schon seit langem, endlich die bestehenden Radwege ordentlich zu sanieren und dort, wo es möglich ist, von der Fahrbahn separierte Radwege anzulegen. Die waren nie große „Schutz“streifen-Freunde, wenn ich das richtig verstehe. (Allerdings auch keine Freunde von ordentlichen geschützten Radstreifen, wie sich gerade an der Veldener Straße zeigt.) Und die Bunte Koalition will die überbreiten Straßen zu Gunsten von separierten Rad- und Fußwegen verkleinern.
Das passt doch super zusammen! *hüstel* Wann hört man davon eigentlich mal wieder was? Gibt es schon konkrete Pläne und Entwürfe für die Hauptachse zwischen Polizei und Birkesdorf, die als allererstes angegangen werden sollte? Oder von der tollen, alle Probleme mindestens genau so hervorragend wie die B56n lösende, B399n? Bekommt die jetzt doch noch den im KSTK vorgeschlagenen parallelen Radschnellweg RS399?
Abwarten…
Die Pressemitteilung bzgl. des „Dooring-Unfalls“ habe ich zum Anlass genommen, auch beim Bezirksausschuss Birkesdorf mal nachzufragen, wie dieser zu den multiplen, durch Kfz-Verkehr bedingten Problemen steht und welche konkreten sowie kurzfristigen Lösungen jetzt auf den Weg gebracht werden, damit nicht noch mehr passiert. Nächste Woche fängt die Schule wieder an…
Auf meine ähnliche Anfrage bzw. Bitte an Landrat Wolfgang Spelthahn und diverse andere Beteiligte habe ich bisher nur von Georg Schmitz (Die Grünen) eine (mein Anliegen unterstützende) Antwort erhalten. Ansonsten? …
Scheint alles nicht so wichtig zu sein.
Aus „Vision Zero“ wird „Vision Zero Interest!“.
Ich weiß, wir haben Corona und Hochwasser. Die sind zwar kein Thema in diesem Blog, dabei sterben aber auch Menschen.
Tagesgeschäft
Alle Bilder auf dieser Seite sind übrigens an einem einzigen Tag entstanden. Ich war höchstens eine Stunde auf dem Rad unterwegs. Und selbstverständlich hatte ich die Kamera nur DSGVO-konform nicht dauerhaft im Einsatz. Deshalb kann das folgende Bild auch nur exemplarisch dastehen. Denn alleine für eine halbe Stunde Innenstadt und Nord-Düren müsste hier eine komplette, datenschutzrechtlich fragwürdige Foto-Galerie eingefügt werden.
Zum Glück läuft in den anderen Stadtteilen alles glatt und die Motorisierten halten sich wenigstens dort an das oberste und gleichzeitig einfachste Gebot – die gegenseitige Rücksichtnahme!
POL-DN: Radfahrerin wird in Langerwehe schwer verletzt
Presseportal
Am Mittwochmorgen wurde eine Radfahrerin beim Durchqueren eines Kreisverkehrs schwer verletzt. Ein Lkw-Fahrer hatte die Frau nicht gesehen und fuhr sie an. (…)
Aus Richtung Jüngersdorfer Straße näherte sich ein Lkw dem Kreisverkehr. Dessen Fahrer, ein 45 Jahre alter Mann aus Wassenberg, nahm die Radfahrerin beim Einfahren in den Kreisel nicht wahr und touchierte die Frau aus Langerwehe. (…)
Siehe auch: Twinkie Defense
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