Was ist größer? Die legendäre Aversion der €DU gegen alles, was mit Radfahren tun hat? Oder ihre grandiose Unkenntnis der Regelwerke?

Lesezeit: 13 Minuten.

Über die vergangene Sitzung des Bezirksausschuses Birkesdorf (22.08.2024) ließe sich viel schreiben – allein mit Blick auf Anträge und Protokoll. Heute picke ich mir aber mal nur den Tagesordnungspunkt „Erhöhung der Verkehrssicherheit Akazienstraße“ heraus. Zu den anderen Themen vielleicht ein andern Mal mehr…

Worum geht´s?

Die €DU behauptet:

Angeblicher „Sachverhalt“:

Gemeint sind Radfahrer, die die Straße benutzen. Der Lösungsvorschlag der €DU für dieses extrem dringliche und virulente sowie ausschließlich von bösen, ständig zu schnell fahrenden Radfahrern erzeugte Problem:

  1. Für den vorhandenen Radweg wird die Benutzungspflicht angeordnet.
  2. Die Verwaltung prüft weitere Möglichkeiten und berichtet im nächsten BZA.

Ergebnis der BzA-Sitzung:

„Frau Rogge stellt den Antrag und die Situation vor Ort vor. Die umfassende und ausführlich Stellungnahme der Verwaltung hinsichtlich der einschlägigen Rechtslage, sowie die unterschiedlichen Sichtweisen der Ausschussmitglieder zur Thematik werden kurz diskutiert.
Beratungsergebnis: Stellungnahme der Verwaltung zur Kenntnis genommen.“ (Aus der Niederschrift der Sitzung.)

Sprich – das Thema ist gegessen. Trotzdem eines Blickes wert.

Die Stellungnahme der Verwaltung lohnt es, hier im Volltext wiedergegeben zu werden:


Aufgrund der hohen Geschwindigkeit des Radverkehrs durch die Gefällesituation wird beantragt, die Benutzungspflicht des vorhandenen Radweges anzuordnen und weitere Sicherungsmöglichkeiten zu prüfen.

Die Akazienstraße zwischen Heerweg und Einmündung Alte Jülicher Straße ist Teil der dortigen Tempo-30-Zone. Im Straßenverlauf gibt es versetzt angeordnete Baumscheiben, welche zur Reduzierung der Geschwindigkeit in diesem Bereich dienen. Ab der Einmündung zur Alten Jülicher Straße gilt in dem Bereich ein LKW Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen. (Anlieger frei). Am nördlichen Straßenrand parken Fahrzeuge hinter den Baumscheiben auf der Straße. Innerhalb des Bereiches gibt es keinen anordnenbaren Radweg. Im Bereich der Baumscheiben, sowie der parkenden Fahrzeuge besteht eine Restfahrbahnbreite von ca. 4,50 Meter, ein Begegnungsverkehr zwischen Radfahrer und PKW sollte unter Berücksichtigung des § 1 StVO durchaus gefahrlos möglich sein.

Teilweise gibt es im Verlauf der Akazienstraße (einseitig) in den Nebenanlagen alte Radwege, die aufgrund des roten Pflasters noch erkennbar sind. Rechtlich stellen diese Anlagen sogenannte „andere Radwege“ ohne Benutzungspflicht dar. Diese Anlagen sind aufgrund der vorhandenen Breiten und des fehlenden Abstandes zu den Parkständen nicht dazu geeignet mit einer Benutzungspflicht belegt zu werden. Gerade im Bereich des halbhüftigen Parkens ist die Benutzung nur mit erheblicher Vorsicht möglich aufgrund der Gefahr von Dooring-Unfällen.

Eine Benutzungspflicht der Radwege scheidet aufgrund der o.g. fehlenden baulichen Eignung aus. Weiterhin steht die Benutzungspflicht auch in Konkurrenz zur bestehenden Tempo-30-Zone, da gemäß § 45 Abs. 1c StVO eine Tempo-30-Zone nur Straßen ohne benutzungspflichtige Radwege umfassen darf.

Der Antrag auf Anordnung einer Benutzungspflicht der Radwege wird daher abgelehnt.

Zu weiteren verkehrsberuhigende Maßnahmen hinsichtlich des Radverkehrs besteht kein Anlass.
Die vorhandene Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h gilt für den Rad- wie für den Kfz- Verkehr. Da es sich hier nur um ein überschaubares Gefälle handelt, ist nicht zu erwarten, dass Radfahrer regelmäßig mit höheren Geschwindigkeiten als 30 km/h unterwegs sind.
Auch aus der Unfalllage heraus gibt es keine Anhaltspunkte für eine über das normale Maß hinausgehende Gefahrensituation, die weitergehende Anordnungen rechtfertigen würde.

Stellungnahme des Fachamts (Hervorhebungen von mir.)

Das interessante an der Sache ist gar nicht mal so die sachliche Zurechtweisung des €DU-Antrags, sondern vielmehr die praktische und theoretische Unkenntnis, die durch die Stellungnahme der Verwaltung seitens der selbst ernannten €DU-„Verkehrspolitiker“ offengelegt wird. Das ist schon einigermaßen peinlich.

Einerseits auf der rechtlichen Ebene. Die Verwaltung stellt unmissverständlich klar, dass der €DU-Antrag schon insofern Bullshit ist, als dass eine Kombination aus Tempo 30 und angeordnetem „Radweg“ nach der Straßenverkehrsordnung gar nicht möglich ist. Hätte man wissen können…

„Radweg“ in Anführungszeichen, weil es dort weder einen durchgehenden Radweg, noch irgendwas, das den rechtlichen Vorgaben in Sachen Mindestmaße sowie Sicherheits- und Qualitäts-Standards auch nur im Geringsten entspräche. Hätte man wissen können, wenn man da mal mit dem Rad gefahren wäre. Oder ins Regelwerk geschaut hätte…

Ob es sich allerdings (allein) um rechtlich-fachliche Unkenntnis, oder um Bullshit Erzählungen (eigentlich wüsste man es besser) handelt, ist schwer zu sagen. Es gibt ja auch Mischungen davon.

Damit sind wir beim Andererseits.
Wie kommt man eigentlich auf so einen sachlich-fachlich schlechten Antrag? Steckt da vielleicht doch etwas mehr dahinter als nur die öffentliche Zurschaustellung der eigenen Inkompetenz?

Das Perfide dabei ist, dass die €DU uns ihren Antrag als „Erhöhung der Verkehrssicherheit“ verkaufen will. Zwischen den Zeilen könnte man mit etwas Mühe sogar herauslesen, dass sie damit gar die Sicherheit von Radfahrenden meint.


Hoch-Runter-Schieber

So ganz sicher kann man sich dabei aber nicht sein. Denn gleichzeitig werden die Radfahrer, die ja bekanntermaßen massenweise und ständig mit Highspeed den Heerweg runterdonnern (und ihr Tempo locker bis zum Krankenhaus beibehalten) das große Verkehrssicherheotsproblem sind. Ja, nee. Ist klar…!

Seltsam, dass die wenigen Radfahrenden, die es angeblich überhaupt in Düren gibt, einerseits das Standard-Argument der €DU sind, um jegliche Förderung des Radverkehrs zu sabotieren. Keine Radfahrer = keine Förderung notwendig. Man will ja schließlich auch in Zukunft möglichst wenige Radelnde in der City sehen. Je nach Bedarf scheint es davon wohl doch jede Menge zu geben. Aber nur als Bösewichte, denen man restriktiv beikommen muss – natürlich ohne dabei zu vergessen, das stets neusprechlich im Sinne der Verkehrssicherheit zu verkaufen.

Etwas weniger erstaunlich ist, dass sich die €DU offenbar komplett vom Birkesdorfer Stadtteilentwicklungskonzept verabschiedet hat. Dass die Themen Parkraumkonzept, Quartiersgarage und Machbarkeitsstudie Zolhhaus-/Nordstraße in Zusammenhang mit der Akazienstraße keine Rolle spielen, war hingegen komplett absehbar. Das hat ja überhaupt nichts miteinander zu tun.


Praxistest

Heute habe ich mir den „Spaß“ gemacht und bin mal den Heerweg hochgefahren, um ihn und die Akazienstraße wieder runterzufahren. Wie schnell fahre ich da eigentlich selbst? Normalerweise fahre ich auf der Akazienstraße natürlich auf der Straße. Probleme mit entgegenkommenden Autos habe ich noch nie erlebt. Genauso wenig wie einen blockierten RTW. Aber heute nehme ich mal den von der €DU als benutzungspflichtig vorgeschlagenen „Radweg“. Also ab in die Nebenanlage!


By the way: Die ziemlich krassen Löcher und Hügel überall auf dem angeblichen „Radweg“ kommen im Video dank GoPro-Verwacklungskorrektur nicht rüber. Auch nicht, dass man sich teils unter Bäumen hindurch ducken muss.

Aus eigener ErFAHRung muss ich die Einschätzung des Fachamts bestätigen. Der €DU-Antrag ist von vorne bis hinten Mumpitz. Ich bin heute tatsächlich und ungelogen nur einmal schnell hoch und wieder runter gefahren, um ein bisschen Bildmaterial für diesen Blogbeitrag zu bekommen. Das hat vollkommen gereicht. Ich fahre zukünftig wieder ausschließlich auf der Fahrbahn. Und zwar (im Sinne der Verkehrssicherheit) so weit innen, dass mich keine Dooring-Tür erwischen kann. Überholen kann/darf mich da i.d.R. eh kein Auto – Geschwindigkeitsbeschränkung/Überholabstandsregeln…


Direkt auf dem Hinweg – auf der Gegenseite, sie war wieder weg als ich von meiner Testfahrt wieder runter kam:

Geschwindigkeit

Ich bin mit meinem Trekking-Rad (ohne Motor) im höchsten Gang „gemütlich“, ohne voll reinzutreten, hinter dem Auto den Berg runter. Ohne Auto hätte ich vermutlich ein paar km/h schneller fahren können. 35 km/h vielleicht. Wenn ich´s drauf angelegt hätte natürlich auch noch schneller. Allerdings legt es kein vernünftiger Radler dort drauf an – ganz unabhängig von den vorgeschriebenen Tempo 30 und der Rechts-vor-links-Kreuzung Alte Jülicher Str. Genauso wenig, wie es ein vernünftiger Autofahrer darauf anlegt, einen Radfahrer mit nur wenigen Zentimetern Abstand zu überholen. Sobald ich unten auf die Nebenanlage fahre, reduziert sich mein Tempo ganz automatisch wie von selbst. Einerseits durch das fehlende Gefälle, andererseits durch die beengte, gefährliche Situation.

Sicherheit

Überall drohen sich Pkw-Türen zu öffnen. (Hatte ich kurz zuvor ja bereits beobachtet, ist auch nix Neues in Birkesdorf…) Man stelle sich vor, da wären auch noch Fußgänger unterwegs gewesen. Wahrscheinlich hätte ich auf Tempo 10 reduzieren müssen. Bzw. nach Regeln auf Schrittgeschwindigkeit. Das scheint das Zoel der €DU zu sein: Den Radverkehr an den Rand und ins Schritttempo zwingen.

Aber zuerst bedrängt mich ein Autofahrer, der gemütlich genau auf meiner Höhe ins absolute Halteverbot einbiegt. Da habe ich noch 25 Sachen drauf.


Laternenmasten mitten im Weg sind nach Einschätzung „christdemokratischer“ Verkehrsexperten übrigens ein ausgewiesenes Qualitätsmerkmal.

Dann, ein paar Meter weiter, düst ein Opi so vor mir in die Buchenstraße, dass ich eine Vollbremsung machen musste, um ihm nicht hinten rein zu knallen. Da hatte ich (zum Glück und vorausschauend wie immer) nur noch 24 Sachen drauf. Als ich bereits in die Bremsen gestiegen bin, hatte der Typ mich noch nichtmal entdeckt. Wäre ihm das auch passiert, wenn ich ihm direkt auf der Fahrbahn entgegen gekommen wäre? Auf dem Video hört man nur das Klacken der Bremsen, nicht den blockierenden Hinterreifen. Hätte ich nur ein bisschen zu spät reagiert oder wäre etwas schneller gewesen: Böser, viel zu schneller und Autofahrer gefährdender Fahrrad-Rowdy!



Fazit

Was sind also die eigentlichen Ursachen für eine verringerte Verkehrssicherheit auf der Akazienstraße? Horden suizidaler Fahrrad-Chaoten, die den rechtschaffenen Autoverkehr gefährden, wo sie nur können? LOL! Das können noch nicht mal die sogenannten, selbsternannten „Verkehrsexperten“ der €DU ernsthaft glauben, oder?

Falls nicht, stellt sich immer noch die Frage, was die €DU mit ihrem Antrag bezwecken wollte. Ich switche mal in den Spekualtionsmodus…

Bekanntermaßen ist die vor Kurzem barrierefrei ausgestaltete Bushaltestelle auf der Akazienstraße ein Dorn im Auge der Autoklientel-Partei. (Die €DU hasst auch den ÖPNV und seine Nutzer…) Wieder mal unter dem heuchlerischen Motto „Verbesserung der Verkehrssituation auf der Akazienstraße“, diesmal „Höhe Haltestelle“, fordert sie, die gerade umgebaute Haltestelle wieder zurückzubauen, um mehr Platz für Pkw zu schaffen. (Müssten dann eigentlich auch irgendwelche Fördermittel zurückgezahlt werden?) Allein das sollte man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die selbst ernannte Law-and-Order-Partei agitiert gegen Gesetze, die wir eigentlich schon vor Jahren hätten umsetzen müssen – natürlich ganz im Interesse der Behinderten und des ÖPNV. Genial. Und so „christlich“!



Auch hier ist die Stellungnahme der Verwaltung wieder mal erhellend: Die €DU hat entweder keine Ahnung von den Regelwerken, oder sie sind ihr scheißegal. (Das Fachamt hat das in etwas anderes Vokabular gekleidet.)

Hauptsache etwas für den Autoverkehr unternehmen! Den Hinweis auf blockierte Krankenwagen kann ich nicht überprüfen. Ich vermute aber, dass, falls tatsächlich mal ein RTW an der Bushaltestelle blockiert wird, dann wahrscheinlich von Autofahrern, die die Verkehrsregeln ebenso wenig kennen oder beachten wie die €DU. Garantiert nicht durch Radfahrer, die ihr Bike einfach schnell zur Seite ziehen. Zugegeben – die Verwaltung weist auf das „unwesentlich“ unterschrittene Regelmaß an dieser Mini-Stelle der Akazienstraße hin. 4,50 Meter statt 4,75 Meter. Drama! Weltuntergang! Der Einzelhandel!!! Mimimi! Sie weist aber auch auf das Mindestmaß von 4,10 Metern hin – bei maximal 40 km/h und umsichtiger Fahrweise. Selbst an dieser Engstelle bewegen wir uns also weit innerhalb des Rahmens der technischen Regelwerke, die der €DU nicht bekannt sind.


Der hübsche Pfosten steht nur da, weil es rechtschaffene Autofahrer nicht aushielten, mal ein paar Sekunden auf den Gegenverkehr zu warten und stattdessen ständig über den Gehweg gefahren sind.

Auch an dieser Stelle zeigt sich die €DU-Ideologie pro Pkw und contra alles andere mal wieder frappierend. Ich kenne keine verkehrspolitische Maßnahme, die mit der Förderung des Rad-, Fuß- und ÖPN-Verkehrs zu tun hätte, bei der die angeblichen „Christ“demokraten nicht versuchen, dem Umweltverbund den am wenigsten möglichen Platz (Mindestmaß) zuzugestehen. Geht es allerdings um den geliebten Pkw-Verkehr, sind Mindestmaße für die Autolobbyisten tabu. In dubio pro Pkw! Mehr Platz für Pkw, weniger Platz für den verhassten Umweltverbund – immer und überall!

Nebenbei: Auch diese Attitüde widerspricht diametral allen geltenden Regelwerken. Verkehrsplanung von außen nach innen – schon mal davon gehört, €DU? RAst, HBS, ERA & Co.? Sorry, rein rhetorische Frage. Die maßgeblichen Regelwerke kennen in Düren offensichtlich nur die Leute im Fachamt sowie einige Freaks, die sich solch trockene Lektüre in ihrer Freizeit antun. Selbsternannte „Verkehrspolitiker“ der €DU zählen augenscheinlich nicht dazu.


Links-Rechts-Schieber

Aber wir befinden uns ja immer noch im Spekulationsmodus.

Hat die €DU vielleicht einen ganz anderen Plan? *Verschwörungszwinkersmiley* Will sie den (irgendwie kaum aber dann doch wiederum störend viel vorhandenen) Radverkehr auf die Gehwege, Bushaltestellen und Dooring-Zonen vertreiben, damit so viel Platz für weitere Autofahrer-Arschkriechereien geschaffen wird, dass es sich wieder lohnt über Tempo 50 nachzudenken? Das fänden die Fußgänger doch bestimmt auch ganz toll.


Mehr €DU-Bullshit