…und eine fragliche Auslegung des Ermessensspielraumes bei der Ahndung von Parkverstößen.

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„Kommunale Zuständigkeiten im Bereich des Straßenverkehrsrechts. Rechtliche Bewertung des Gehwegparkens in der jüngsten Rechtsprechung“
So lautet der Titel eines Gutachtens3), das im Ausschuss für Mobilität, Umwelt, Klimaschutz bereits im Februar 2025 vorgestellt wurde. Die Stadt Düren hatte das Gutachten3) beauftragt. Anlass war der Antrag1) der Koalition Zukunft (aus SPD, Grünen u.a.), die Beschilderung im Steinweg in Düren zu prüfen und das Gehwegparken dort abzuschaffen.
Die Antragsteller wussten im November 2022 natürlich, dass die Politik nicht selbst über Schilder entscheidet, sondern die Straßenverkehrsbehörde zuständig ist. Man wollte die Verwaltung mit der längst überfälligen Prüfung beauftragen und ein Zeichen für besser Bedingungen für Fußgänger*innen setzen. Die Straßenverkehrsbehörde im Amt für Tiefbau und Grünflächen hat dann in einer Mitteilungsvorlage2) im Sommer 2023 auch aufgezeigt, dass das Gehwegparken nicht mehr gestattet bleiben kann. Doch das gefiel der Beigeordneten für Recht und Ordnung (CDU) nicht und sie setzte sich für das Parken ein. Da die beiden Dezernate sich nun einigen mussten, wurde das o.g. Gutachten3) von der Dezernentin beauftragt.
Gutachten3) setzt das überbordende KFZ-Parken über die Belange von Mobilitätseingeschränkten
Das Gutachten3) wurde von der Beigeordneten des Amtes für Recht und Ordnung in Auftrag gegeben. Ihr Auftrag für das Gutachten3) war schon genau entgegengesetzt zu dem formuliert, was die politische Mehrheit gefordert hatte. Das nun vorliegende Gutachten3) setzt die Bedürfnisse von schwächeren Verkehrsteilnehmern und Mobilitätseingeschränkten Personen herab.
Es ist ein absolutes Trauerspiel, dass die Verwaltung im Jahr 2023 nicht die Bedürfnisse der Menschen mit besonderen Mobilitätsanforderungen wie Senioren, Familien und Menschen mit körperlichen Einschränkungen wahrgenommen und eine vernünftige Lösung geschaffen hat, sondern als Verwaltungshandeln ohne Rücksprache mit der Politik für viel Geld eine externe Anwaltskanzlei mit einer Ausarbeitung beauftragt hat, die letztlich nur dazu diente, das störende Gehwegparken zu erhalten und die Politik auszubremsen.
Im Einleitungstext des Gutachtens heißt es:
Die Stadt Düren befasst sich derzeit mit Überlegungen und Prüfungen bezüglich der zukünftigen Gestaltung der innerstädtischen Parkraumsituation. Dabei rückt insbesondere der in der Dürener Innenstadt gelegene Steinweg in den Fokus. Hierbei handelt es sich um eine innerörtliche Gemeindestraße, in der derzeit das Gehwegparken wegen der dort angespannten Parkraumsituation für Anwohner in bestimmten Abschnitten ausdrücklich durch Beschilderung zugelassen ist und auch in weiteren Abschnitten angeordnet werden soll.
Die Verwaltung handelte also genau entgegen dem, was die Ratsmehrheit beantragt hatte, nämlich bei der Abwägung aller Belange die zu Fuß gehenden Menschen mehr zu berücksichtigen. Ich finde es nicht nur unverständlich, sondern mit Blick auf Rollifahrer*innen, Blinde und Menschen mit Rollator geradezu beschämend.
Bereits seit 2009 steht in der Verwaltungsvorschrift zur StVO zum Gehwegparken, dass ein Parken auf Gehwegen nur zugelassen (also angeordnet) werden darf, wenn genügend Platz für den ungehinderten Verkehr von Fußgängern auch mit Kinderwagen oder Rollstuhl – auch im Begegnungsverkehr – bleibt.
Tendenziöses Rechtsgutachten
Wenden wir uns dem Rechtsgutachten für die Stadt Düren zu. Ich finde es absolut tendenziös. Im Steinweg liegt bereits eine „erhebliche Beeinträchtigung“ vor. Bürger haben dann zwar nur einen „Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung“, aber mir scheint es ermessensfehlerhaft zu sein, die Zustände bis auf punktuelle Verbesserungen so zu belassen.
Illegales Parken soll legalisiert werden
In den genannten Straßen gibt es aktuell zwei Situationen: Teilweise ist Gehwegparken angeordnet, teilweise wird illegal geparkt. Die Verwaltung möchte nun das angeordnete Gehwegparken im östlichen Abschnitt beibehalten und den Gehweg im westlichen Teil zum Parken offiziell freigeben. Nur der mittlere Teil soll ein Halteverbot bekommen.
Das Gutachten befasst sich ausführlich mit der Tatsache, dass die Straßenverkehrsbehörde Verkehrszeichen anordnen darf. Und es meint, dass die Behörde ihr Ermessen pflichtgemäß ausübt, wenn es in den Straßen neue Verkehrszeichen 315 aufstellt.
Die Straßenverkehrsbehörde darf Verkehrszeichen anordnen – allerdings muss sie sich dabei an Regeln halten.
Diese sind in §45 der StVO genau beschrieben. Dort werden nämlich erhebliche Grenzen gesetzt, wann Verkehrszeichen aufgestellt werden dürfen. Insbesondere verlangt §45(9) Satz 1, dass Verkehrszeichen nur dort aufgestellt werden dürfen, wo sie zwingend erforderlich sind. Zwingend erforderlich heißt, dass es keine andere Möglichkeit gibt, die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs zu garantieren. Andere Möglichkeiten gibt es hier jedoch, beispielsweise das im Gutachten genannte Szenario 3, nämlich ein einseitiges Halteverbot.
Noch relevanter ist meiner Meinung nach die Beschränkung, die sich aus §45(9) Satz 3 ergibt. Demnach darf nämlich fließender Verkehr nur dann beschränkt werden, wenn eine besondere Gefahrenlage vorliegt. Zum fließenden Verkehr gehört auch der Fußverkehr, das steht sogar im OVerwG-Urteil zum Bremer Verfahren. Durch die geplante Zulassung des Gehwegparkens wird der fließende Fußverkehr definitiv beschränkt, schließlich sollen die Fußgänger doch einfach auf der anderen Seite laufen – das wurde mehrfach in der Diskussion erwähnt.
Verwaltung überschreitet Ermessensspielraum
Erst wenn die gesetzlichen Vorgaben aus §45 StVO berücksichtigt sind, beginnt das Ermessen der Verwaltung. Dies ist weitgehend frei, muss aber pflichtgemäß sein. Dazu gehört auch die Selbstbindung der Verwaltung durch die ermessenslenkende Wirkung der bundesweit gültigen Verwaltungsvorschrift, die einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Willkürverbot verhindern soll.
Es sollte auch nicht einfach ignoriert werden, dass selbst der Bundestag ganz klar beschlossen hat, dass Fußwege für den Fußverkehr freigehalten werden sollen. Von den vielen Diskussionsbeiträgen möchte ich nochmal zwei aufführen: Gemäß STVO müssen Kinder auf dem Fahrrad bis 8 Jahre den Fußweg nutzen, bis 10 Jahre dürfen sie ihn nutzen. Eltern, die ihre Kinder begleiten, dürfen dann ebenfalls mit auf den Fußweg. Wie soll das gehen, wenn wir alle Fußwege zu Parkplätzen machen?
Kein Durchkommen für die Feuerwehr
Außerdem muss man bei den ganzen Parkproblemen auch an die Bewegungsflächen für Feuerwehrfahrzeuge denken, die ja sehr wichtig sind. In vielen Straßen wird durch zu viel Parkflächen die Bewegungsfläche für die Feuerwehr so weit eingeschränkt, dass diese zumindest nicht mehr zügig an den Einsatzort kommt.
Wenn eine Behörde ein neues Verkehrszeichen aufstellt, so richtet es sich als Allgemeinverfügung an alle Verkehrsteilnehmer (also auch an die Fußgänger). Jeder Betroffene darf dagegen Widerspruch einlegen. Lehnt die Behörde den Widerspruch ab, darf er dagegen klagen. Der Gehweg ist eben keine Reserveabstellfläche für immer mehr und immer größere Autos.
Bei der Präsentation des Gutachtens war mehrfach davon die Rede, dass zugunsten von Parkraum entschieden werden könne,
„solange keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt“
Umso wichtiger, dass der ADFC sich mit anderen schwächeren Verkehrsteilnehmern solidarisch zeigt, sonst kommen wir alle unter die Räder.
Michael Obst (ProRad / ADFC Düren)
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