Aus meiner ganz persönlichen Radpendlersicht gibt es neben der seit Jahrzehnten vernachlässigten Infrastruktur insbesondere drei Ursachen, die einem das Radfahren in Düren extrem vermiesen. Und nicht nur das. Ich behaupte: Wegen diesen allgegenwärtigen Missständen wird es der Stadt nicht gelingen ihr Ziel zu erreichen, mehr Menschen zum Umstieg vom Pkw auf´s Rad zu motivieren. Düren bleibt Autostadt! 🙁

Falschparker, Eng-Überholer, Raser

Wer diesen Blog kennt, wird gemerkt haben, dass ich mich wiederhole bzw. manche Themen immer wieder benenne. Das liegt nicht daran, dass mir nix Besseres zu schreiben einfallen würde, sondern vielmehr daran, dass es sich aus meiner Sicht um ganz zentrale Probleme handelt. Probleme, die a) weitreichende direkte und indirekte negative Konsequenzen nach sich ziehen und die b) eigentlich relativ leicht in den Griff zu bekommen wären, wenn denn wirklich der Wille dazu da wäre. Und leider auch Probleme, deren Lösung noch längst nicht in Sicht ist…


Falschparker immer und überall!

Miteinander Gutes tun!

Entweder wird nicht an den richtigen Stellen kontrolliert oder es wird viel zu wenig kontrolliert. Oder beides. Definitiv sind die Kontrollen und Sanktionen absolut ineffektiv. Obwohl das Falschparken bereits ein zentrales Thema im Klimaschutz-Teilkonzept (2015) war und das Ordnungsamt dort eine ziemlich fette Klatsche abbekommen hat, hat sich nicht wirklich etwas zum Besseren verändert.

Ganz im Gegenteil: „Ein Prozent weniger Pkw pro Jahr!“ lautete das (inzwischen ziemlich totgeschwiegene) städtische Ziel vor Jahren mal. Erinnert sich noch jemand an die städtischen Ziele 2025 (Modal Shift)? Stattdessen steigen die Zahlen stetig, ohne dass entsprechend konsequent umgesteuert würde.

Parkplatz ist immer und überall!

Für mich hat es den Anschein, als ob die Rosinen-Pickerei bei der Umsetzung – also nur die Maßnahmen umzusetzen, die mit möglichst wenig Aufwand und möglichst wenig negativen Konsequenzen für Autofahrende umgesetzt werden können – das Klimaschutz-Teilkonzept ad absurdum geführt haben.

Was heute zur Folge hat, dass die Probleme nur noch größer geworden sind, also die Maßnahmen zu ihrer Behebung eigentlich nur noch konsequenter und umfänglicher sein müssen. Dass das nicht ungewöhnlich ist bei strukturellen Problemen, die man sehenden Auges vor sich her schiebt, ist jetzt auch nicht gerade eine überraschend neue Erkenntnis.

Doppeltes absolutes Halteverbot. Freie Plätze ein paar Meter weiter.

Aber zurück zu den Falschparkern: Aus meiner Sicht total paradox: Die Standard-Begründung für die Nichterfüllung der hoheitlichen Aufgaben: Personalmangel! *Gähn!* Sorry, aber nicht erst 2015 war längst klar, dass das Ordnungsamt da total unterbesetzt ist. Hätte man vielleicht mal ändern können über all die Jahre? Kann mir keiner erzählen, dass sich solche Stellen nicht selbst refinanzieren bei der Masse an Verstößen. Zumindest so lange, bis sich auch die Autofahrer an die Regeln halten. 😉

Auf den Punkt gebracht: Keine einzige Fahrt durch Düren ohne unzählige der üblichen Falschparker an den üblichen Stellen. Zu den üblichen Stellen gehören leider neben den vielen weniger nervenden auch viele richtig gefährliche. Auch das ist bekannt und wird komplett ignoriert.

Das Thema „Lieferverkehr“ ist nochmal ein ganz eigenständiges im Falschparker-Universum. Sei hier nur nebenbei erwähnt, obwohl es genau so wichtig ist wie private Falschparker oder der anachronistische Richtig-Park-Verkehr.


Schutzstreifen & Abstände komplett ignoriert!

Ignorant und/oder unfähig?

Die unzähligen und ungezählten Falschparker überall in der Stadt verschärfen übrigens noch das zweite große Problem. Denn sie zwingen Radfahrer ständig dazu, sich vom (scheinbar) sicheren Radstreifen in den fließenden Pkw-Verkehr einzufädeln. Außerdem unterbrechen sie oft sehr wichtige Sichtbeziehungen und gefährden dadurch insbesondere Kinder und eingeschränkte Menschen.

Auch die unglaublich vielen Autofahrer, die die neuen Regeln entweder noch nicht kennen (trotz städtischer „Öffentlichkeits-Kampagne“) oder sich einfach nicht daran halten, sind ein großes Problem. Da scheint sich jetzt schon einzuschleichen, was beim Falschparken bereits Standard ist: Das nicht geahndete und grundsätzlich akzeptierte „Kavaliersdelikt“.

Hinzu kommen all die, die zwar den Seitenabstand beim Überholen einhalten, das aber dadurch erkaufen, dass sie den Gegenverkehr gefährden und sämtliche durchgestrichenen Linien ignorieren.

Wrong side of the tracks?
Astreiner Seitenabstand!
Linien gelten nicht für Motorisierte! Und mal kurz hinter dem Radfahrer bleiben ist auf gar keinen Fall eine Option!

Aber für Motorisierte sind das ja eh nur freiwillige Optionen, keine Regeln. Außer natürlich für die regelverliebten Taxifahrer, die schon aus Berufsethos immer strikt nach StVO fahren. LOL!

Von polizeilicher Seite gesellt sich neben dem Standard-Argument „Personalmangel“ beim Thema 1.5m-Überholabstand noch eine weitere Begründung für das Nicht-Darum-Kümmern hinzu:

Keine technischen und rechtlichen Möglichkeiten!

Unerschwingliches Hightech-Toolkit für Abstands-Kontrolleure:
Zollstock: 2 Euro
Kreide: 1 Euro
Kamera: 0-300 Euro
Pädagogisches Material: 0 Euro
Mehr Kinder und Senioren, die sicher auf dem Fahrrad unterwegs sein könnten: unbezahlbar!

LOL! Mal ehrlich, Leute. Kann es sein, dass die ganzen Nicht-Kontrollen ausschließlich auf den nicht vorhandenen Paradigmenwechsel in Politik und Verwaltung zurückzuführen ist? Und nicht auf Personal- und Ideenlosigkeit?

Oder wie soll ich mir sonst erklären, dass das, was in Düren kategorisch ausgeschlossen wird, in anderen deutschen Städten schon längst praktiziert wird? Ich spende gerne einen Werkzeugkasten (siehe oben), falls es wirklich daran scheitert.

Trotz Regulierungswahn, neuer StVO und Bußgeldkatalog ist es uns zwar leider immer noch nicht gelungen, da mal ein Abstands-Messgerät zu eichen. Das spricht jetzt auch nicht gerade für den „Paradigmenwechsel“ und die Innovationsfreude und -fähigkeit unseres Innovation Valleys Deutschland. Wir kümmern uns lieber darum, die Attraktivität unserer Parkscheinautomaten zu erhöhen. Toll! Wir setzen halt immer noch die richtigen Prioritäten für die Attraktivierung unserer Innenstädte!

Und was machen Kommunen, in denen die Verantwortlichen nicht nur von „Paradigmenwechsel“ sprechen, sondern diesen für sich beanspruchen und umsetzen? Die schaffen mit einfachsten Mitteln die „beweissichere Dokumentation“, die unsere Polizei kategorisch ausschließt.

Zollstock, Sprühkreide…
Quelle: Polizeidirektion Hannover
Kamera…
Quelle: Polizeidirektion Hannover
Fertig!
Quelle: Polizeidirektion Hannover

Aber hallo? Deutschland ist nun mal nicht Holland und Düren nicht Hannover. Was erwartet Ihr Radfahrer und Fußgänger eigentlich? Doch nicht etwa „angemessene Verhältnismäßigkeiten“, oder? LOL!

Was Pkw auf Schutzstreifen betrifft: Seit der StVO-Novellierung sind die da ein NoGo! Hat sich das bei Polizei und Ordnungsamt eigentlich schon herumgesprochen? Bei sehr vielen Autofahrern offensichtlich noch nicht!

Ordnungsamt übt Vorbildfunktion aus und prüft Fahrrad-Schutzstreifen auf ihre Schutzeigenschaften.

Den Aufwand für Kontrollen, von Schutzstreifen stelle ich mir eigentlich sowohl technisch als auch personell nicht so riesig vor.

Wie war das mit der „Verhältnismäßigkeit“, die unser Fahrradminister Andi B. Scheuert andauernd einfordert? Wenn wir doch den ehrlichen und konsequenten Paradigmenwechsel nicht hinbekommen? Wäre es dann nicht wenigstens verhältnismäßig und fair, Verstöße, die wirklich andauernd und flächendeckend praktiziert werden, für die es neue Regeln und Bußgelder (städtische Einnahmen!) gibt und die gleichzeitig mit relativ geringem technischen und personellen Aufwand zu kontrollieren sind, endlich auch mal zu sanktionieren?

Was genau spricht dagegen? Oder gilt auch hier: Wir werden dem Problem eh niemals beikommen, also kümmern wir uns vorsorglich gar nicht erst darum? Wäre zumindest konsequent und entspräche der allgemeinen toleranten Einstellung bzgl. Pkw-Chaoten. Verkehrspädagogische Präventionsarbeit 4.0! Laissez-faire!


Raser dominieren die Straßen!

Geschwindigkeit=Lebensqualität für Raser. Individuelle Freiheit wird staatlich unterstützt.

Beim Thema Raser zeigt sich die absolute und bedingungslose Kapitulation der Behörden gegenüber dem Autofahrer dann vollkommen. Alle wissen, dass andauernd gerast wird und auch die notorischen Stellen wie die Ortsdurchfahrt Birkesdorf sind Polizei und Ordnungsamt bekannt. (Auf das Thema „Zuständigkeiten“ ruhender/fließender Verkehr gehe ich hier nicht ein und verallgemeinere hier extrem unpräzise und verwechsle diese meinetwegen. Darauf kommt´s nämlich gar nicht an…)

Irgendwann blieb dem Ordnungsamt nix Anderes mehr übrig, als das mal systematisch zu überprüfen. Dabei stellte sich heraus, dass sich tatsächlich die meisten Autofahrer nicht an die Regeln halten. Dass also die Regelwidrigkeit der Standard ist, an den wir uns mehr oder weniger gewöhnt haben – je nachdem ob man Gefährder oder Gefährdeter ist.

Das muss man sich echt mal auf der Zunge zergehen lassen: Weit mehr als die Hälfte aller kontrollierten Autofahrer missachten die Höchstgeschwindigkeit. Auf einer echt engen Strecke mit vielen unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern, Geschäften und Ausfahrten entlang der Straße. Eigentlich ein unfassbares Unding in einer „zivilisierten“ Gesellschaft. Man stelle sich solch ein Verhalten mal in anderen Zusammenhängen vor… Aber es geht ja nur um die Gesundheit von Nicht-Autofahrern. Das müssen wir bei der „Verhältnismäßigkeit“ aller Maßnahmen stets beachten! Wer definiert diese Verhältnismäßigkeit eigentlich nochmal genau? Und nach welchen Kriterien?

Und was sagt das Ordnungsamt zu den verheerenden Messergebnissen? Da können wir nix machen! Kontrollen bringen nix, weil trotzdem weitergerast wird. Raser sind nicht lernfähig! Mehr kontrollieren können wir auch nicht. Nachts sowieso nicht. Personalmangel…

Also: Not our business. Da helfen leider nur bauliche Maßnahmen, für die wir wiederum nicht zuständig sind.

Thema beendet bzw. zurück-delegiert an Politik und Verwaltungskollegen aus anderen „Fachämtern“. Sollen die sich damit herumschlagen, wenn in xx Jahren irgendwann mal das ISEK Birkesdorf kommt. Oder auch nicht. Toll!

Oder wir halten es einfach wie bei der B56n: Gebt den vor Empathie nur so strotzenden Autofahrern doch einfach noch ein bisschen Zeit, um sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Denn im Herzen sind sie gut und klug und wissen, dass ihnen die Raserei in der City eigentlich gar keinen Zeitgewinn bringt. Wozu blöde Regeln, wenn sich doch alles als freiwillige Selbstverpflichtung ganz von selbst regelt. Konservativ-neoliberale Verkehrspolitik – sehr fortschrittlich! 😉


Übrigens…

In meinem gesamten Foto-Archiv befindet sich kein einziges Poolnudel-Fahrradfahrer-Bild. Deshalb hier ein Symbolbild, das hoffentlich der Ernsthaftigkeit des Themas „Poolnudeln im Straßenverkehr“ gerecht wird.

…war es dem zuständigen Fachamt sowie der Polizei ein dringendes Anliegen aufgrund all dessen, dem man sich selbst nicht gewachsen sieht, auf einen weiteren, eklatanten Missstand hinzuweisen:

Das Problem der pösen Poolnudel-Pedaltreter!

Sachdienlicher Hinweis aus dem sehr guten PARTEIbedarfs-Shop!

Die müssen jetzt wirklich endlich mal thematisiert werden beim Thema Seitenabstand. Erstens fahren davon wahrlich Myriaden in Düren rum und zweitens sind die total extrem gefährlich für die Allgemeinheit – äh, sorry, Autofahrer! Die könnten gar deren Lack touchieren mit ihren Schaumstoff-Waffen, wenn sie toleriert illegal überholt werden. Kein Vergleich zu den paar Pkw-Chaoten, die ab und zu mal irgendwo gänzlich unverschuldet und aus Versehen falsch parken und fahren. Immer schön verhältnismäßig bleiben, bitte!

Und jetzt?

Haben wir für die kommenden Monate (Jahre?) sowieso erstmal genug mit den Folgen von Corona und Hochwasser am Hut. Außerdem müssen wir uns dringend um die notwendigen stadtweiten Kanal-Sanierungen kümmern. Es geht jetzt also erstmal um das Wiederherstellen. Es wäre fatal, hier und jetzt auch verkehrsplanerisch anzusetzen. Wozu auch? Um die Zukunft kümmern wir uns in der Zukunft…


Links und Zitate…

….gibt es heute nur die aus Hannover. Alles bereits in anderen Blogbeiträgen verlinkt und im Ratsinformationssystem nachzulesen. Viel Spaß beim Stöbern! 😉

Polizei im Einsatz für mehr Sicherheit im Radverkehr, presseportal, 22.6.2021

Polizei kontrolliert den Seitenabstand beim Überholen von Radfahrenden, presseportal, 19.7.2021