Bürgerbegehren gegen die erste Rad-Vorrangroute – ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Oder auch nicht kommt…

Der Kampf der €DU gegen alles, was irgendwie mit Radfahren zu tun hat, geht (erfolgreich) weiter.

Der nächste Akt: Mit freundlicher Unterstützung der €DU wird ein Bürgerbegehren gegen die erste Rad-Vorrangroute in Düren (RVR II von der Aachener Straße nach Lendersdorf) initiiert:


Quelle: Dürener Zeitung, 14.10.2024

RVR II: Aachener Straße – Lendersdorf

Um das direkt mal klarzustellen: Diese Route wurde als erste ausgewählt, da sie diejenige ist, die voraussichtlich am einfachsten bzw. schnellsten und durchgehendsten zu planen und umzusetzen ist. Sie wurde nicht ausgewählt, weil sie die dringendste und notwendigste wäre, oder weil sie den Radverkehr in Düren am besten fördern würde.

Ich gehe davon aus, dass das Ziel der Route auch nicht in einer maximalen Steigerung des Radfahrer-Zahlen liegt. Dazu könnte man sich mal die Pendler-Zahlen aus den Ortschaften in die City anschauen. Muss aber gar nicht sein, ich vermute ja eh nur. Vermutlich will man mit der relativ „unwichtigen“ Route eher mal ein paar Erfahrungen bei der Umsetzung sammeln. Und diese vielleicht auch für die Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung bei den darauf folgenden RVR nutzen.

Gerade weil es auf der RVR II vergleichsweise wenige Maßnahmen gibt, die die heilige Kuh Pkw-Verkehr eklatant beeinträchtigen, ist man wohl auch davon ausgegangen, dass die Planung sogar für Verkehrsfaschisten, die meinen, Verkehr bestünde nur aus Pkw und Lkw, irgendwie akzeptabel sei.

Weit gefehlt! Die Rechnung hat man wohl ohne die €DU gemacht, die die nächste Chance wittert, sich abermals als Anwältin aller Autofahrer und Verächterin aller Verkehrsformen außer des motorisierten Individulaverkehrs zu profilieren.


Samlandweg: Anwohner haben große Angst vor dramatischen Belastungen und Einschränkungen, die ein bisschen Fahrrad-Infrastruktur mit sich bringen könnte!!!

Unverhältnismäßig!

Wahrscheinlich sollte man jetzt mal die „Argumente“ durchgehen, die von den begehrenden Bürgern (drei €DU-Fraktionsmitglieder) ins Feld geführt werden: Zu teuer, kein Mehrwert, Gefahren (auch für den Radverkehr), Belastung und Einschränkungen für Gott und die Welt… Die lasse ich heute aber einfach mal im Raum stehen. Man muss ja nicht jeden Bullshit kommentieren. Die €DU und die Bürgerbegehrenden regen sich ja schließlich auch nicht (niemals) über die horrenden Kosten für Bau und Instandhaltung von Pkw-Infrastruktur auf. Obwohl diese aus Steuer-Mitteln und im schlimmsten Fall aus Anwohner-Gebühren finanziert wurde und wird. Noch weniger regen sie sich über die fortwährende, jahrzehntelange Gängelung und Verunmöglichung von ordentlichem Rad- und Fußverkehr in Düren auf.

Nur so viel zu den Bedenken der Bedenkenden: Wenn ich das richtig verstehe, bemängeln sie „zahlreiche Risiken für den Radverkehr und zusätzliche Belastungen und Einschränkungen für die betroffenen Anund die Landwirtschaft“, stellen darüber hinaus aber hauptsächlich die hohen Kosten und die damit verbundene „Unverhältnismäßigkeit“ in den Vordergrund ihrer Argumentation.

Lustig. Die €DU käme nämlich niemals auf die Idee, die Kosten, die wir alle (ob Autofahrer oder nicht) mit unseren Steuergeldern für Pkw-Infrastruktur und Privilegien bezahlen müssen, in Frage zu stellen. Oder die Kosten der Pkw-Infrastruktur, die wir uns leisten, mit den Ausgaben für andere Verkehrsformen zu vergleichen. Wozu auch, wenn man einen ideologischen Kreuzzug gegen die Mobilitätswende führt, und die Erfahrung gemacht hat, dass Pro-Pkw-Populismus viel besser beim Wahlvieh und in den asozialen Medien verfängt, als irgendwas mit Grün. Und überhaupt: Irgendwas mit „Wende“ und Veränderung ist sowieso nicht mit „Konservatismus“ in Einklang zu bringen.


Die alten Links zum Ratsinfosystem funktionieren nicht mehr. Hier geht´s zum Straßen und Wegekonzept.

Externe Kosten?

Übrigens kommt neben der €DU scheinbar die gesamte Dürener „Verkehrspolitik“ nicht auf die Idee, neben den reinen Infrastruktur-Kosten auch mal die sonstigen (extremen) Kosten in die politische Waagschale zu werfen. Geschweige denn die (gesamtgesellschaftlichen) Vorteile und Nutzen progressiver Veränderungen hin zu mehr Umweltverbund-Verkehr und zukunftsgerichteter städtebaulicher Entwicklung.

Die (vergleichsweise lächerlich geringen) Kosten für Fahrrad-Infrastruktur und die (angeblichen) Belastungen für den Pkw-Verkehr bestimmen immer noch die Debatte. Das Agenda-Setting betreibt die Opposition – wie in Düren so auch in der Bundespolitik…

Freundlich unterstützt wird die Meinungsmache bzgl. der angeblich ach so teuren Fahrradförderung von der Lokalpresse. Zwar wird auch der vergleichsweise kleine Eigenanteil der Stadt (300.000 Euro) in einem Nebensatz hinter dicken Überschriften und der für die meisten undurchdringlichen Paywall erwähnt, der Fokus liegt aber auf den 1,6 Millionen Euro Gesamtkosten. Die machen deutlich mehr Eindruck bei Leuten, die sich niemals für Pkw-Verkehrskosten interessieren würden.



Die Alternativroute

Übrigens ist die RVR II sowieso überflüssig, denn mit dem RurUfer-Radweg gibt es ja schon eine perfekte Route für Radfahrer aller Art. Sollen halt alle auf dem RurUfer-Radweg fahren, wenn sie schon mit dem bescheuerten Fahrrad zur Schule, Arbeit oder sonst wohin fahren müssen (oder wollen). Der Rur-Ufer-Radweg macht im Dunkeln und bei Regen übrigens besonders viel Spaß.


Danke für die Fotos, @JeanVelo & ProRad.



Statt der RVR II sollte besser die eine oder andere Route umgesetzt werden, die wirklich das Potenzial hat, Verkehr zu verändern. Was natürlich absolut realitätsfremd ist, denn
a) müssten ja wieder alle möglichen Gremien und Bürgerschaften beteiligt werden,
b) wären noch viel größere Widerstände zu erwarten und
c) sind nächstes Jahr Kommunalwahlen.

Und momentan hat es nicht den Anschein, als könnte oder wollte irgendeine Partei mit Themen wie Klimaschutz und Mobilitätswende in den Wahlkampf ziehen. Doch nicht in Zeiten, in denen die eigentliche Bedrohung von Stadt und Gesellschaft von Geflüchteten und verschwörerischen und einflussreichen Radfahrer-Geheimbünden ausgeht!

Wir sind nicht gegen Radfahrer“, betonen die €DU-Initiatoren des Bürgerbegehrens im Zeitungsartikel. Wahrscheinlich haben sie auch nichts gegen Ausländer, Klimaschutz, gendergerechte Sprache und so weiter… Egal. Wichtig ist eh nur das große ABER, das Ich-habe-nichts-gegen-Sätze vollendet und nicht selten die wahre Überzeugung ausdrückt.

Eigentlich geht es nämlich gar nicht so sehr um die wenig „Autofahren-Kollateralschaden“ mitbringende RVR II, sondern darum, dem Radverkehr grundsätzlich jegliche gesetzliche „Gleichberechtigung“ kategorisch abzusprechen: „Angesichts der Tatsache, dass in der Stadt noch neun weitere (RVR) geplant sind, bei der ähnliche, aber auch noch weitaus größere Probleme erwartet werden, sind sie (die Bürgerbegehrler) zuversichtlich, die erforderliche Stimmenanzahl gegen die Route II zusammenzubekommen. Das würde Signalwirkung für die Planung der anderen Routen haben, sind sie überzeugt.“ (Quelle: Dürener Zeitung, 14.10.2024)

Das Ziel des Bürgerbegehrens ist also nicht nur der Stopp der RVR II, sondern des gesamten Rad-Vorrangrouten-Konzepts. Und sie könnten Recht haben: Wenn es gelingt, selbst diese RVR, die vergleichsweise wenig „Unannehmlichkeiten“ für ideologisierte Petrolheads mit sich bringt, zu stoppen, was sollte dann noch dem Stopp aller weiteren RVR entgegen stehen? Dass wir uns in Düren (in NRW, im Bund und in Europa) grundsätzliche Ziele für den Verkehrssektor gesetzt haben, ist natürlich irrelevant…


Quelle: Dürener Zeitung, 19.10.2024

Generell erhofft sich die CDU von ihrem Bürgerbegehren eine Signalwirkung, die auch die weiteren im Stadtgebiet geplanten Rad-Vorrang-Routen, die aufgrund zum Teil beengter Verhältnisse nur mit noch weitaus größeren Einschränkungen umsetzbar wären wie in Birkesdorf, stoppen könnte. 

Quelle: Dürener Zeitung, 19.10.2024

Was die Planungen der Birkesdorfer Hauptachse betrifft, dürfen wir gespannt sein, wer sich wie gegen die politischen Ziele und Beschlüsse stellen wird. Das könnte ein lustiges Schauspiel werden.

Die Panikattacken, die das Rad-Vorrang-Routen-Konzept bei motonormativ-ideologisierten €DUlern auslöst, kann man allerdings durchaus nachvollziehen. Dreißig Kilometer Fahrradstraßen in Düren?



Undenkbar! Weltuntergang! Nicht mehr erreichbare autofreie Innenstadt! Lastenrad-Zwang für alle!

Andererseits: Der Auf- und Ausbau der Infrastruktur des Umweltverbunds (ÖPNV, Rad, Fuß) ist ja genau das, was €DU & Co. ohne Gegenstimmen in Form unserer Vorschriften, Gesetze, Verkehrs- und Stadtteil-Entwicklungskonzepte und so weiter beschlossen haben. Die Bundes-€DU fordert bekanntlich sogar ein Umsetzungsgesetz für den Nationalen Radverkehrsplan und der radfahrende €DU-Ministerpräsident Hendrik Wüst schwärmt für das Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW, in dem wir uns zur Steigerung des Radverkehrsanteils auf 25% verschrieben haben…

Grundsätzlich ja = Grundsätzlich nein

Bereits 2022 hat die €DU bei der Entscheidung für das Rad-Vorrang-Routen-Konzept (RVRK) klargestellt, dass sie grundsätzlich dagegen ist, auch Radfahrern das Privileg einzuräumen, sicher, schnell und ähnlich bequem wie Autofahrer unterwegs sein zu dürfen. Denn der christdemokratische Glaubenssatz lautet: Radfahrer sollen Umwege „abseits von Hauptverkehrswegen“ fahren, damit die direktesten, sichersten und bequemsten Wege dem Autoverkehr vorbehalten bleiben. Auto, Auto über alles!

Entgegen der Vorgaben aus StVO & Co. bedeutet „Verkehr“ für €DU-Tüpen schließlich ausschließlich Autoverkehr. Allein der Gedanke, dass andere Verkehrsformen – sei es Radverkehr, Fußverkehr oder ÖPNV – auch nur angemessen, geschweige denn „gleichberechtigt“ behandelt werden müssten, widerspricht der „christdemokratischen“ Ideologie fundmental. Aber genau darum geht es beim Rad-Vorrang-Routen-Konzept nun einmal. Den Mut gegen das RVRK zu stimmen, brachte die €DU dann jedoch seltsamerweise nicht auf und enthielt sich damals beim Beschluss:

2022-0159
Konzept für Rad-Vorrang-Routen in der Stadt Düren
Zu Beginn der Diskussion beantragt Herr Geuenich – wie bereits in den beiden Vorberatungen erfolgt – eine getrennte Abstimmung betreffend die Sätze 1 und 2 bzw.
über Satz 3 des Beschlussentwurfs der Vorlage.
Herr Schmitz merkt an, dass Details und Ausbaupläne erst später und mit weiterer Planung beraten und beschlossen werden würden.

Herr Weschke berichtet davon, dass die Vorschläge für Änderungen aus der CDU-Fraktion sowie von ihren Mitgliedern aus den Stadtteilen trotz intensiver Auseinandersetzung mit dem Konzept der Rad-Vorrang-Routen nicht mitberücksichtigt worden seien.

So sollten Radfahrerinnen und Radfahrer ihrer Ansicht nach insbesondere abseits von Hauptverkehrswegen geführt werden. Beim Grundkonzept werde sich nun daher enthalten und bei den jeweiligen anderen Routen
entsprechend einzeln über das Abstimmungsverhalten entschieden. Die hier vorgestellte Route (s. Satz 3 des Beschlussentwurfs der Vorlage) werde heute demnach mitbeschlossen.

Zur Abstimmung liest Bürgermeister Ullrich die beiden nachfolgenden Beschlussentwürfe
zur Vorlage vor und lässt hierüber getrennt abstimmen.

Beschlussentwurf der Vorlage – Sätze 1 und 2:
Die Umsetzung des beiliegenden Konzeptes für Rad-Vorrang-Routen in der Stadt Düren
wird grundsätzlich beschlossen. Das Rad-Vorrang-Routen Konzept bildet die Grundlage
für die weitergehende Radverkehrsplanung in Düren.
Beratungsergebnis über die Sätze 1 und 2 aus dem Beschlussentwurf der Vorlage:
Einstimmig beschlossen bei 21 Enthaltungen der Fraktionen CDU, AfD und FDP


Beschlussentwurf der Vorlage – Satz 3:
Das Fachamt beginnt zunächst mit der planerischen Ausarbeitung der Rad-Vorrang-Route II
zwischen Aachener Straße und dem Ortsteil Lendersdorf.
Beratungsergebnis über Satz 3 aus dem Beschlussentwurf der Vorlage:
Einstimmig beschlossen

Quelle: Niederschrift 4/2022 über die Sitzung des Rates der Stadt Düren am 22.06.2022

Greenwashing

Die €DU-Strategie besteht offensichtlich darin, erstmal den schönen Schein zu wahren (auch wir wollen den Radverkehr irgendwie fördern, wenn es uns opportun erscheint *hüstel*), um dann, wenn es an die tatsächliche Umsetzung geht, in die Fundamental-Opposition zu wechseln. Das Durchwinken „grundsätzlicher“ Beschlüsse lässt alle Möglichkeiten offen, das, was man durch Enthaltung mitgetragen hat, anschließend wieder „grundsätzlich“ in Frage zu stellen. So auch beim Beschluss unseres zentralen Verkehrskonzepts (2016), von dem die €DU heute nichts mehr wissen oder hören will. Denn damals wurde „grundsätzlich“ beschlossen, so etwas wie eine „Mobilitätswende“ in Angriff zu nehmen. Zehn Prozent weniger Pkw-Verkehr bis 2025, dafür ein wenig mehr Rad und ÖPNV auf den Straßen…

Das Klimaschutzteilkonzept soll dabei besonders den Fuß- und Fahrradverkehr als Schwerpunkte berücksichtigen. Neben der Förderung des nichtmotorisierten Verkehrs soll das Teilkonzept alle weiteren geeigneten Maßnahmen zur Verlagerung der Mobilität auf die Verkehrsmittel des Umweltverbundes umfassen.

Quelle: Klimaschutz-Teilkonzept Klimafreundliche Mobilität in Düren

2016-0013
Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ in Düren
Erweiterter Beschlussvorschlag zur Vorlage (wie im Haupt- und Personalausschuss) :
Das anliegende Klimaschutzteilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ wird im Grundsatz beschlossen. Das Klimaschutzteilkonzept dient als Grundlage für weitere Maßnahmen und Aktivitäten der Stadt Düren im Bereich der klimafreundlichen Verkehrsentwicklung.

Beratungsergebnis über diesen erweiterten Beschlussvorschlag zur Vorlage:
Einstimmig beschlossen

Quelle: Niederschrift 01/2016 über die Sitzung des Rates der Stadt Düren am 18.02.2016


In die Hände spielt allen Verkehrsfaschisten, die Verkehr nur als Pkw-Verkehr betrachten, dass es auch innerhalb der mit Ratsmehrheit ausgestatteten „Koalition Zukunft“ genügend Anhänger der Anti-Verkehrswende-Fraktion gibt, die zwar vielleicht noch irgendwie irgendeine (kleine) Veränderung der Verkehrspolitik unterstützen würden, aber sich bei „grundsätzlichen“ Veränderungen doch in dubio pro Pkw positionieren.

So war es bisher ein Leichtes, das Klimaschutz-Teilkonzept Klimafreundliche Mobilität in Düren trotz Ankündigung und Versprechen eben nicht konsequent umzusetzen. Das gleiche Schicksal droht nun dem Konzept für Rad-Vorrang-Routen in der Stadt Düren. Es wird beschlossen, was letztendlich doch nicht umgesetzt werden soll. Man kann das „Realpolitik“ oder „notwendige Kompromisssuche“ nennen. Man könnte aber auch willen- und mutlose Schönfärberei-Nicht-Politik unterstellen.

So oder so sieht es schlecht aus für das einstimmig beschlossene Rad-Vorrang-Routen-Konzept. Momentan muss man wohl davon ausgehen, dass davon wenig bis gar nichts übrig bleiben wird. Genau wie von den Zielen, die wir uns beim Thema Verkehrsentwicklung gesetzt haben…


Quelle: Rad-Vorrang-Routen-Konzept, Stadt Düren