Das Ende der Geschichte. Fast…

Rückblick

Die unsägliche Saga rund um meine angebliche Fahrt über eine angeblich rote Ampel hat ein Ende gefunden. Vorerst. Zumindest der juristische Teil wurde unlängst mit der mündlichen Verhandlung am Amtsgericht Düren und der daraus resultierenden Einstellung des Verfahrens beendet.

Zur Erinnerung: Die Polizei sah sich genötigt, mich anhand eines Videos anzuzeigen, welches ich selbst eingereicht hatte, um das lebensgefährdende Überholen eines Lkw-Fahrers zu dokumentieren.



Es folgten diverse Widersprüche meinerseits – zuletzt der Widerspruch gegen einen vom Amtsgericht vorgeschlagenen Deal, demnach ich zwar meine Rote-Ampel-Fahrt, die ich nicht begangen habe, zugeben sollte, dafür dann aber eine geringere Strafe bekommen würde. Hiermit sollte die mündliche Verhandlung umgangen werden.



Mündliche Verhandlung – Vorspiel

Zur mündlichen Verhandlung erschien ich bestens vorbereitet. Mein Anwalt hatte mich gebeten, ein Video der Ampel mitzubringen, das den gesamten Ampel-Umlauf in all seinen schönen Schaltungsfacetten zeigt.

Wie sich herausstellte, war ich allerdings der Einzige, der gut vorbereitet in die mündliche Verhandlung ging. Der Richterin lag noch nicht mal das Beweis-Video vor, auf dem das ganze Verfahren fußte. Sie verfügte nur über einige qualitativ miserable Screenshots aus dem Video. Weshalb ihr nicht das gesamte Video zugänglich gemacht wurde, kann ich mir zwar denken, weiß es letztendlich aber nicht.

Mein Anwalt erschien zuerst gar nicht zum Gerichtstermin. Als ich fünf Minuten vor Beginn des Termins telefonisch in der Kanzlei nachfragte, stellte sich heraus, dass der Kanzlei überhaupt keine Ladung zur Hauptverhandlung zugestellt wurde – sechs Wochen nachdem das Mandat übernommen wurde! Mein Anwalt wusste also gar nichts von unserem Termin. Dass meinem Anwalt bis dahin auch noch keine Akteneinsicht gewährt wurde, sei nur am Rande erwähnt. Ich möchte nicht mutmaßen, weshalb das versäumt wurde… Kann ja mal passieren. 🥳

Freundlicherweise unterbrach mein Anwalt spontan seinen Aufbruch in den Urlaub und nahm mit leichter Verspätung doch noch an der Hauptverhandlung teil. Was aus meiner Sicht gar nicht nötig gewesen wäre. Aber was soll´s, konnte ja auch nicht schaden.



Mündliche Verhandlung – Die Entscheidung

Nun waren wir also vollzählig anwesend. Die Richterin, mein Anwalt und ich. Von dem Polizeibeamten, der meinte, mich anzeigen zu müssen, fehlte leider jede Spur. Vielleicht war er zu beschäftigt damit, weitere von Radfahrern eingereichte Beweis-Videos gegen lebensgefährliche Pkw-Chaoten zu sichten, um den Radfahrern irgendwelche Missetaten anzudichten? Reine Mutmaßung!

Die mündliche Verhandlung war eine Sache von ein paar Minuten. Aufgrund der Verzögerung hatte die Richterin eh kaum Zeit – der nächste Fall wartete bereits.

Die Richterin schilderte zuerst, dass sie die polizeiliche Interpretation der Ampelanlage irgendwie (ohne dies näher zu erläutern) nachvollziehen konnte. Nachdem wir ihr sowohl das Original-Beweisvideo (das sie bisher gar nicht kannte) sowie das Video der gesamten Ampelschaltung vorgeführt hatten (inklusive Erläuterung der Funktion der Fahrrad-Ampel), kam sie jedoch schließlich zur Erkenntnis, dass ich nicht über eine rote Ampel gefahren sein konnte. Das Beweisvideo zeigt nämlich eindeutig, dass ich geradeaus unterwegs war und weder die Fahrrad- noch die Auto-Ampel bei Rotlicht befahren hatte. Das war ja auch schwerlich möglich, da die Geradeaus-Ampel für Radfahrer über gar kein Rotlicht-Signal verfügt. (Seltsam, dass dies dem Polizeibeamten, der mich angezeigt hatte, nicht aufgefallen war.)

Die anfängliche richterliche Skepsis bzgl. der Funktion der roten Ampel für links abbiegende Radfahrer konnten wir schnell zerstreuen. Denn erstens würde eine Linksabbieger-Fahrrad-Ampel fehlen, wenn die besagte für den Geradeaus-Verkehr gelten würde. Und zweitens wäre die rechte Fahrrad-Ampel irgendwie widersinnig, wenn die linke (mit dem Pfeil nach links) die Geradeaus-Signalisierung brächte.

Langer Rede, kurzer Sinn: Wo es keine rote Ampel gibt, kann man auch nicht über eine rote Ampel gefahren sein.

Das Verfahren wird nach Anhörung des Betroffenen nach §47 Abs. 2OWiG eingestellt, weil eine Ahndung nicht geboten erscheint. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse (§§ 46 OWiG, 467 Abs. 1StPO).

Die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen werden aus Billigkeitsgründen der Staatskasse nicht auferlegt (§§ 46 OWiG, 467 Abs. 4StPO).

Beschluss des Amtsgerichts Düren

Einen echten „Freispruch“ schlug mein Anwalt übrigens nicht vor, stattdessen einigte er sich mit der Richterin auf die Einstellung des Verfahrens. Ein Freispruch hätte wohl dazu geführt, dass der Fall eine weitere Runde durch das Amtsgericht hätte drehen müssen, also wieder etliche Wochen bis Monate ins Land gegangen wären. Also nur eine Einstellung des Verfahrens (inklusive Rückzahlung meiner bereits geleisteten Strafzahlung), „weil eine Ahndung nicht geboten erscheint.“ Dass mir statt der Allgemeinheit die Anwaltskosten „aus Billigkeitsgründen“ auferlegt wurden, konnte ich gut vertreten, schließlich werden diese damit von meiner Rechtsschutzversicherung getragen und nicht vom Steuerzahler.



Was bleibt…?

Täter-Opfer-Umkehr

Für mich persönlich blieb die Frage unbeantwortet, weshalb die Polizei überhaupt auf die Idee kam mich anzuzeigen. Statt diesbezüglich zu mutmaßen (ich hätte da die eine oder andere Vermutung), versuche ich dies aber noch auf offiziellem Weg herauszufinden. Ob als formlose Anfrage an die Kreispolizeibehörde oder als Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den verantwortlichen Polizeibeamten, habe ich noch nicht entschieden. Fortsetzung folgt…

Untätige Verantwortliche

Fraglich bleibt außerdem, wann Polizei, Politik und Verwaltung endlich damit anfangen wollen, sich um die wirklichen Rotlicht-Verstöße (nicht nur) an dieser Ampel zu kümmern. Nach wie vor beobachte ich ständig Autofahrer, die sehr bewusst mit voller Absicht über rote Ampeln fahren.

Die Ankündigung der „Koalition Zukunft“, diverse Ampeln mit Rotlicht-Blitzern auszustatten, muss man wohl als genau das verstehen. Nämlich als reine Ankündigung, die nicht umgesetzt wird. Nach dem Motto: „Viel versprechen, aber wenig machen!“ Alles natürlich nur im Namen der Förderung der Verkehrssicherheit! Ein Schelm, wer dahinter motonormative Toleranz gegenüber asozialem Autofahrerverhalten vermutet. 🥳



Unsicherheit für Rad- und Fußverkehr, Freifahrtsschein für Autofahrer

Selbstverständlich wird mein Fall nicht dazu führen, dass sich Polizei, Politik und/oder Verwaltung diese grotesk schlecht gemachte Ampel nochmal angucken werden – erst recht nicht unter dem Aspekt „Verkehrssicherheit“ oder „intuitive Verkehrsführung“. Ist wohl mal wieder Aufgabe der Zivilgesellschaft, sich darum zu kümmern. Oder dort ereignet sich ein so folgenschwerer Unfall, der das Weg-Gucken der Verantwortlichen verunmöglicht – Krokodilstränen inklusive!

Realistisch zu erwarten ist vielleicht, dass die Polizei an dieser Stelle doch mal die ein oder andere Kontrolle durchführt. Aber natürlich nur Kontrollen der Radfahrenden, die sich dort nicht trauen, regelkonform auf die Fahrbahn zu wechseln, sondern aus Selbstschutz auf dem Gehweg weiterfahren. Die müssen dringend sanktioniert werden! Kontrollen des Überholabstands oder der regelmäßigen Rote-Ampel-Fahrten von Autofahrern dürfen wir hingegen nicht erwarten. Schließlich gilt es nicht die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu verbessern, sondern das Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer/Menschen erster Klasse (Autofahrer) weitestgehend weiter zu ermöglichen und es gleichzeitig unter den Teppich zu kehren.