Ständig versuchen wir (Erwachsenen), möglichst wenig Kontakt zur Außenwelt zu haben. Besonders im Winter und an nassen Tagen. So wie die Menschen in tropischen Städten ständig vor der Hitze von klimatisiertem Raum zu klimatisiertem Raum fliehen (müssen!), so versuchen wir so gut wir können, unserer Witterung und Umwelt/Mitwelt auszuweichen.

Quelle: pixabay.de

Und das gelingt uns ziemlich gut, jetzt im Winter oder in heißen Sommern. Manchmal könnte es einem so vorkommen, als bewegten wir uns nur noch von einem geschlossenen Kasten mithilfe eines weiteren, kleineren geschlossenen Kastens zum nächsten, wieder größeren geschlossenen Kasten: Haus-Auto-Schule/Büro-Auto-Supermarkt-Auto-Haus-Auto-Schule-Auto-Haus-Auto-Musikschule-Auto-Oma besuchen-Auto-Haus…

Dabei hätte es so viele Vorteile, wenn wir alle öfters das Rad anstelle des Autos nutzen würden (und nutzen könnten!!!). Und wir würden auf Strecken unter fünf Kilometern, die bei einer vernünftigen Rad-Infrastruktur bequem per Fahrrad zu bewältigen sind, noch nicht einmal Zeit verlieren.

Quelle: Umweltbundesamt

VORTEILE EINES RADPENDLERS

Wahrnehmung
Wie bereits angedeutet, empfinde ich die Wahrnehmung, die ich als Radfahrer von Umwelt, Verkehr, Mitmenschen und mir selber habe, derjenigen, die ich als Autofahrer habe, deutlich „überlegen“. Ich höre viel mehr, da ich nicht in einem geschlossenen Kasten ggf. mit laufendem Radio und mitteilungsbedürftigen „Insassen“ befinde, sondern alles um mich herum ungefiltert mitbekomme.
Ich sehe viel mehr, da ich auf dem Rad höher sitze als im Auto, viel beweglicher bin und einen freien Rundum-Blick habe.
Ich „spüre“ die Straße viel unmittelbarer, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin. Außerdem kann ich die Bewegungen von Fußgängern und Autos viel besser antizipieren, weil ich langsamer (zumindest von der Geschwindigkeit, meistens nicht von Strecke pro Zeit) unterwegs bin und viel mehr Zeit zum Wahrnehmen/Einschätzen/Reagieren habe. Zum Beispiel bei roten Ampeln. (Man glaubt kaum, wie viele Autos und Lkw über Rot fahren!)
So komme ich in der Innenstadt trotz widrigster Umstände immer noch fließender durch als jeder Autofahrer, der von Hindernis zu Hindernis beschleunigt und abbremst, beschleunigt und abbremst, beschleunigt…
Auf dem Rad habe ich auch deutlich schneller und besser Sichtkontakt zu anderen Verkehrsteilnehmern. Das ist insbesondere für Radfahrer und Fußgänger vorteilhaft, hilft aber auch Autofahrern als denjenigen, deren Blickkontakt eher von den Nicht-Motorisierten gesucht wird. Denn schon der kurze Blickkontakt kann immer wieder auftretende, gefährliche Alltags-Situationen total entschärfen.

Rechtzeitiger Sichtkontakt ist schwierig, wenn „Schutzstreifen“ vor Einfahrten ständig zugeparkt sind.

Bewegung
„15 Minuten mit dem Rad zur Schule und zurück würden schon helfen“ ( Zeit online, 28.11.2019)
Wenn ich morgens mit dem Rad zur Arbeit fahre, ist – anders als im Auto – jegliche Müdigkeit ganz schnell verflogen. Ein paar Hundert Meter in die Pedale getreten und der Tag kann kommen. Da bleiben dann sogar noch ein paar Minuten, sich gedanklich zu sortieren und den Tagesablauf nochmal ein wenig durchzugehen. Wenn es der Verkehr denn zulässt… Zu den Vorteilen von „Sich aktiv bewegen“ gegenüber „passiv sitzen im Auto“ muss, denke ich, gar nicht viel gesagt werden. Die liegen ja ziemlich offensichtlich auf der Hand bzw. auf dem Rad. Angemerkt sei hierzu nur, dass es vielen Radpendlern wie mir wahrscheinlich hauptsächlich nicht um Gesundheits-Training und –Prophylaxe geht, wenn wir jeden Tag auf dem Sattel sitzen. Wir wollen eigentlich nur, genau wie als Autofahrer, so schnell, bequem und sicher wie möglich von A nach B!

Flexibilität & „Geschwindigkeit“
Ich muss beruflich und privat oft nicht nur von A nach B und irgendwann wieder zurück nach A, sondern zwischendurch auch noch nach C, D und E. Da hilft mir mein Fahrrad ungemein, da ich in der „Stadt der kurzen Wege“ gemessen an den Streckenlängen überall den allgemeinen Umständen entsprechend „gut“ hinkomme. Und dabei verliere ich gegenüber dem Auto in der Regel auch überhaupt keine Zeit. „Von Tür zu Tür“ ist das Rad zeitmäßig in Innenstadt und angrenzenden Stadtteilen kaum schlagbar.
Ich finde zwar bei weitem noch nicht ausreichend vernünftige Fahrrad-Parkplätze, aber trotzdem gibt es (städtebaulich ungewollt) immer eine Möglichkeit, mein Rad so abzustellen, dass ich quasi direkt vor meinem Ziel (und Startpunkt) parken kann. Ohne damit Andere zu nerven oder irgendwie einzuschränken. Das kann viel Zeit sparen und Nerven schonen.
Je nachdem, was ich transportieren muss, klemme ich den Korb auf´s Rad oder leihe mir zur Not das Lastenrad der Evangelischen Gemeinde aus. Damit bekomme ich im Alltag eigentlich alles bewegt – bis auf sperrige Dinge wie Möbel oder so. (Youtube-Video ;)). Schöpfe ich die Transportmöglichkeiten mit dem Rad voll aus, kann ich die innerstädtischen Fahrten, für die ich das Auto jedes Jahr wirklich benötige, an zwei Händen abzählen.

Immer noch eine Seltenheit im Stadtbild…

Parken
Wie gesagt… Es gibt nicht zu wenige Parkplätze in der Innenstadt, sondern zu viele Autos (und zu wenige Radler)! Denn obwohl es unzählige Parkplätze für Pkw in der Innenstadt gibt, findet man diese in unbeparkter Form als Autofahrer anscheinend nur selten oder nur mit erheblichem Suchaufwand vor. Dieses Problem ist mir als Radler vollkommen fremd. Zwar suche ich oft vergeblich nach einer wirklich vernünftigen, Radlerinteressen angemessenen Abstellanlage, ich finde aber immer im Umkreis von höchstens 50 Metern vom Ziel irgendeinen Platz, an dem ich mein Rad anketten kann, ohne gleichzeitig blöd im Weg zu stehen.
Und dafür zahle ich keinen Cent. Egal, wie lange ich da parke. Und ich bin sogar noch so autofahrerfreundlich und stelle mein Rad bei nicht-vorhandenen Rad-Parkplätzen nicht auf den rechten Fahrbahnrand (soll ja bald verboten werden) oder in eine „Auto“-Parkbucht, sondern suche mir einen anderen Platz.

Dadurch, dass ich als Radler, der genau so gut mit dem Auto unterwegs sein könnte, keinen Parkplatz wegnehme und auch ein Auto weniger auf den vollen Straße bedeute, tue ich allen anderen Autofahrern etwas Gutes! Irgendwie kommt das zwar leider selten so an (siehe unten), aber als Auto-, Rad-, Fuß- und ÖPNV-Nutzer empfinde das so.
Ich habe noch nicht mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich am Fahrradparkplatz in der Weierstraße parke. Dort gab es ja einen Riesen-Aufschrei, Bürgerbegehren und Proteste gegen ein paar wegfallende „Auto“-Parkplätze… Der gesamte angrenzende Einzelhandel drohte aufgrund dieser drastischen Maßnahme zugrunde zu gehen! Und jetzt stehen da andauernd mehr Räder als jemals Autos hingepasst hätten. Obwohl man ihnen mal eine Überdachung versprochen hatte, die nie gebaut wurde. Und vielleicht konsumieren die armen Radler sogar etwas in der Stadt. Ich wiederhole mich (da gerne).

Guter Tausch: Radparken anstatt Autoparken

Kosten
Die Kosten, die ich für Anschaffung und Betrieb meines Fahrrads hatte/habe, sind doch sehr überschaubar. Gut, ich habe mein aktuelles Rad von einem Freund geschenkt bekommen, der auf E-Bike umgestiegen ist. Aber selbst, wenn ich tausend Euro in ein neues Rad investiert hätte, hätte ich mit einem preis-äquivalenten Auto garantiert weniger Spaß (und mehr Kosten) gehabt. Bei den Anschaffungskosten geht der Punkt eindeutig an das Fahrrad.
Und die laufenden Kosten?
Auto: Kfz-Versicherung und -Steuer, Wartungskosten von Verschleißteilen und sonstige Reparaturen, Inspektionen, TÜV, Benzin, Anwohnerparkausweis und weitere Parkgebühren, Waschstraßen, rapide sinkender Wiederverkaufswert…
Fahrrad: ein bis zwei gute Schlösser, vernünftige Klamotten (die man auch anderweitig nutzen kann), ein bisschen Fahrradausstattung wie Tacho etc., hier und da mal neue Bremsbeläge, Ritzel und Schluppen und vielleicht alle Jahre wieder mal eine professionelle Wartung (wenn mań es nicht selber machen kann oder in die Selbsthilfewerkstatt des Dürener Sozialrads geht). Viel mehr ist da eigentlich nicht.
Ich habe mir noch nie die Kilometer-Preise Auto/Rad ausgerechnet, die so bei mir anfallen. Brauche ich auch gar nicht, denn offensichtlich ist Radfahren für mich auch aus ökonomischer Sicht um ein Vielfaches vernünftiger als Autofahren. Klarer Vorteil!

Umwelt
Dass ich als Radfahrer sehr viel umweltfreundlicher unterwegs bin als im Auto, erklärt sich wohl irgendwie von selbst. Auch wenn es die AFD vielleicht anders sieht.

Quelle: https://www.trendsmap.com/twitter/tweet/1195411729037103106

Zum AFD-Quatsch und zum Umwelt-Aspekt muss man gar nicht mehr viel sagen. Vielleicht nur so viel, dass man als Radler, der darauf verzichtet, unnötig begrenzte, fossile Rohstoffe zu verbrennen, nicht nur Klima und Rohstoffe schützt, sondern sich auch nicht an der krassen Luftverschmutzung in unseren Innenstädten beteiligt.

Ich helfe quasi durch das Radfahrern, die vom Auto verursachten schlechten Folgen für unser aller Gesundheit zu bekämpfen. Gleichzeitig setze ich mich dadurch (ob von mir beabsichtigt oder nicht) dafür ein, dass wir an Fahrverboten herumkommen und die Autos weiter durch unsere Innenstädte tuckern dürfen. Bitte schön, liebe Autofahrer (mich eingeschlossen). Ihr könnt es mir (als Radfahrer) ja danken, indem ihr mich nicht andauernd mit 50 Zentimeter Abstand überholt, mich schneidet, meine Schutzstreifen zuparkt und mir eure Türen in die Fahrt hinein öffnet (…).

Spiegel an Spiegel…

Mitmenschen
Durch das ständige Radfahren habe ich auch als Autofahrer stets die Sicht des Radlers „an Bord“. Ich empfinde das als großen Vorteil gegenüber den rein auto-sozialisierten Leuten. Für mich selbst von Vorteil, aber besonders auch für diejenigen, denen ich im Verkehr begegne. Bevor ich mich, dem angeborenen Autofahrer-Impuls folgend, noch schnell an einem Radler vorbei quetsche, wird mir klar, dass ich a) damit eh so gut wie keine Zeit gewinne, weil die nächste rote Ampel schon in Sicht ist und b) der Radfahrer genau die Situation erleben müsste, die ich in seiner Rolle selbst jeden Tag erleben muss. Das bringt niemandem irgendeinen Vorteil und erzeugt nur überflüssige Situationen, die einfach nur nerven oder sogar gefährlich sind. Leider wird auch dieses, aus meiner Sicht vollkommen normale (Sozial-)Verhalten von anderen Autofahrern oft als überflüssig, belästigend und unangebracht beurteilt. Wer sich als Autofahrer strikt an die StVO hält und auf Fuß- und Radverkehr angemessen achtet, wird bedrängelt, behupt, belächelt oder beschimpft.
Ich denke, das ist ein sehr grundsätzliches Problem, nämlich dass wir viel zu wenig fuß- und Radperspektive in uns haben, obwohl wir auch als Autofahrer (und vor allem als Planer und Entscheider) gemeinsam am Verkehr teilhaben und ihn zusammen, für ein besseres Miteinander gestalten wollen. So habe ich das zumindest verstanden.
Wenn ich als Radfahrer unterwegs bin, „profitieren“ meine Mitmenschen deutlich mehr von mir, als wenn ich im Auto sitze: Ich stoße keine komischen Klima- und Gesundheits-Killer aus, ich nehme kaum Platz weg und ich halte Autoparkplätze frei, ich bin rücksichtsvoller und weniger gefährdend unterwegs, ich erzeuge keinen Lärm und ich fahre nicht die ganze Zeit Kreise drehend auf Parkplatzsuche durch die Stadt.

Quelle: Fairkehr-Magazin

Pädagogik
Das mag ja jeder sehen und handhaben, wie er will (aus reinen Praktikabilitätsgründen gendere ich nicht mehr). Aber ich möchte meinen Kindern nicht vorleben, dass Autofahren der Standard unserer familiären Mobilität ist. Bei all den Vorteilen, die unsere Räder haben, hätte ich auch ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem, wenn ich stets das Auto zur ersten Wahl erklären würde. Nach dem „ist doch viel bequemer“-Argument würden mir auch schnell die Diskussionsgrundlagen fehlen.

Wie die sogenannten „Helikopter-Mamis und -Papis“ das zuhause immer argumentativ hinkriegen, würde ich mal gerne wissen. Schon in der Grundschule lernen die Kids doch, warum sie am besten mit Fuß und Rad zur Schule kommen sollten, freitags ziehen heutzutage die Mitschüler weltweit für ein besseres Klima durch die Straßen und man selbst wird jeden Morgen mit dem Auto zur Schule gebracht? Wäre mir als Schüler total peinlich! Außer natürlich, wenn es gar nicht anders geht.

Spontane Fahrrad-Klima-Demo

Präsenz
Ein weiterer Vorteil am Radfahren ist aus meiner Sicht die Präsenz auf der Straße. Je mehr Menschen das Fahrrad als Alternative zum Auto für sich entdecken und je mehr Radfahrer auf den Straßen sichtbar sind, desto…

a) angenehmer wird das bisher so kläglich einsame Fahren als Radpendler im Berufsverkehr,
b) angenehmer wird auch für mich das Autofahren, da mehr Platz und Parkplätze zur Verfügung stehen,
c) mehr kann sich auch bei Autofahrern die Einsicht entwickeln, dass Radfahrer Gleichberechtigte sind,
d) eher entwickelt sich auch ein allgemeines Bewusstsein dazu, dass es Unfug ist, wertvolle innerstädtische Flächen mit Parkplätzen dauerhaft zu versiegeln,
e) mehr Gedanken würden wir uns machen, was man mit diesen Flächen alles Gute machen könnte, um die Stadt lebenswerter zu machen,
f) mehr Menschen setzen ein Zeichen, dass „Mobilitäts- und Verkehrswende“ nicht nur leere Worthülsen sein dürfen,
g) mehr stehen Politik und Verwaltung in der Pflicht, die längst angekündigten Maßnahmen zur Verbesserung von nicht-motorisiertem Verkehr auch wirklich umzusetzen!

Critical Mass Düren

NACHTEILE EINES RADPENDLERS

Witterung
Regen macht mir gar nichts aus. Erst wenn es glatt und eisig wird, fängt es an, ungemütlich zu werden. Da nehme ich dann auch gerne mal den Bus oder das Auto.
Im Regen fahren kann sogar Spaß machen, was aber nervt, ist das ständige An- und Ausziehen – auch wenn es schon zum Ritual geworden ist. Dank meiner kurzen Strecken benötige ich noch nicht einmal die (zur Verfügung stehende) Dusch-Möglichkeit am Arbeitsplatz. Witterung und Straßenverhältnisse können tatsächlich zu einem Fahrrad-Nachteil werden. Aber die Tage, an denen Radfahren aus meiner Sicht gar nicht mehr geht, sind im Jahresverlauf doch eher die Ausnahme. Trotzdem tendenziell eher ein Nachteil. Viel schlimmer allerdings ist Gegenwind!

Infrastruktur & Planung
Um nicht alles ständig zu wiederholen, sei an dieser Stelle nur gesagt, dass es eine ganz nach Auto ausgerichtete Infrastruktur Radfahrenden oft nicht leicht macht, sicher, schnell und regelkonform ans Ziel zu kommen. Vieles, was für Autofahrer eine Selbstverständlichkeit ist, steht Radfahrern nicht zur Verfügung – ein echter Nachteil!

– Kein ausreichendes, zusammenhängendes Radwege-Netz.
– Keine eindeutige Wahrnehmbarkeit und Verfügbarkeit von Radwegen.
– Sehr viele schlechte Links-Abbiege-Möglichkeiten.
– Mangelhafte Beschilderung, schlechtes Baustellenmanagement,
– Priorisierung billiger und kontraproduktiver Maßnahmen wie qualitativ schlechter Schutz- und Mehrzweckstreifen.
– Keine räumliche Neuverteilung mit deutlich mehr voneinander getrennten Wegen.
– Zu viel Pkw- und Schwerlast-Verkehr in der Innenstadt.
– Neu geplante Umgehungsstraßen aus Autofahrersicht geplant.
– Unzureichende StVO-Kenntnisse bei Busfahrern.
– Radfahrer abwiegelnde Behörden.
– Fehlende „Fahrrad-Kompetenzen“ und „Fahrrad-Perspektiven“ in den Köpfen.

Alles in Allem ist die derzeitige Verkehrssituation für Fahrradfahrer ein echter Nachteil!

Ankommen
Wie gesagt, ist das Ankommen für mich als Kurzstreckenpendler, der auch noch auf sichere, trockene Parkmöglichkeiten und sogar Duschen zugreifen könnte, überhaupt kein Problem. Für Menschen, die längere Strecken mit dem Rad zur Arbeit fahren wollen, können Hemmnisse beim „Ankommen“ aber schon den Ausschlag geben, dass sie sich doch lieber für´s Auto entscheiden. Ich habe Glück, für Viele bestimmt ein großer Nachteil.

Mentalität
Die allgemeine Mobilitäts-Mentalität „Auto first!“ ist ein großer Nachteil für Radpendler. Im Berufsverkehr scheint das „Recht des Stärkeren“ zu herrschen. Es ist leider genau wie die Experten sagen. Es ist einfach nur menschlich. Der Mensch, in diesem Fall der Autofahrer, nimmt sich den Raum, der ihm städtebaulich und planerisch zur Verfügung gestellt wird und beansprucht ihn für sich. Und dass unsere Straßen offensichtlich seit Jahrzehnten zugunsten der Autos konzipiert und gebaut wurden, sind nunmal die Autos die Dominanten im Verkehr.

Siehe auch: Referat von Prof. Hermann Knoflacher, Institut für Verkehrswissenschaften, TU Wien, an der SES-Fachtagung «Mobilität der Zukunft» vom 21. September 2018.

Das zeigen mir viele Autofahrer ganz bewusst, wenn sie beispielsweise mal wieder nicht akzeptieren wollen, dass ich mit meinem Rad auch etwas Platz auf der Straße brauche, um beispielsweise mal auf die Linksabbieger-Spur zu kommen. Oder wenn sie mich extra eng überholen und schneiden, weil sie es anscheinend nicht ertragen können, in der Tempo 30-Zone hinter mir zu bleiben, während ich 25 km/h auf dem Tacho habe und die nächste Ampel gerade auf Rot springt.

Autofahrer haben grundsätzlich Vorfahrt?

Vieles passiert aber einfach auch nur „nebenbei“ aus Unachtsamkeit, Unwissen und fahrerischer Inkompetenz.
– Weil man gar nicht auf die Idee kommt, vor dem Türöffnen auf Radfahrer zu achten.
– Weil panisch reagiert wird, wenn mal ein Radfahrer „mitten auf der Straße“ unterwegs ist.
– Weil man Kindern auf dem Rad grundsätzlich keinen schützenswerteren Status zumisst.
– Weil Zeitgewinne im minimalen Minuten-Bereich wichtiger sind als die Rücksichtnahme auf Andere.
– Weil viele nicht in der Lage sind, sich mal in die hineinzuversetzen, denen sie ständig auf die Nerven gehen.
– Weil Radfahrer und Fußgänger schon selber auf sich achten müssen, da sie ja ungeschützt sind.
– Weil ja eh jeder weiß, dass alle Radfahrer Chaoten sind. Und wer sich selbst nicht an die Regeln hält, kann das auch von den Anderen nicht erwarten!

Die bei vielen Verkehrsteilnehmern immer noch nicht vorhandene Mentalität eines fairen Miteinanders ist insbesondere für Fuß und Rad ein riesiger Nachteil!

Gesundheit
Solange ich mir die Straße als Radfahrer mit tausenden Autos gleichzeitig teilen muss, kann ich so viel gesundheitsbewusst strampeln, wie ich will. Deren Abgase und sonstigen schmutzigen Hinterlassenschaften machen wahrscheinlich all meine gesundheitlichen und prophylaktischen Bemühungen (so ich denn welche habe) zunichte. Der Gesundheitsfaktor zählt für mich als Innenstadt-Pendler also auf jeden Fall auch zu den Nachteilen.

AUSBLICK
Alles wird gut! In fünf bis zehn Jahren haben wir beachtliche Teile unseres niegelnagelneuen Radverkehrskonzepts bereits umgesetzt. Gemäß dem noch 2020 in Kraft getretenen NRW-Fahrradgesetz. Die Parkplätze in der Innenstadt sind drastisch reduziert und ausgelagert worden. An deren Stellen befinden sich nun Außengastronomie, Bepflanzungen, Sitzgelegenheiten, Spielplätze für Kinder, überdachte Radparkplätze mit E-Ladestationen sowie breite und sichere Rad- und Fußwege.

Quelle: TIM-online, von https://radfahrn.wordpress.com

Der Innenstadtring mit zweispurigem Radweg wird in Betrieb genommen und an die bis dahin entstandenen „Radialverbindungen“, die die Stadtteile durch Fahrradstraßen, Radschnellwege und separierte Radwege mit der Innenstadt verbinden, angliedert.

Quelle: pixabay.de

Das neue Fahrradparkhaus am fuß- und radfreundlich umgestalteten Bahnhofsviertel erhält eine Erweiterung, da die fahrradfreundlichen Maßnahmen den Bedarf an Stellplätzen stark steigen lassen.

Die Einzelhändler in der Innenstadt verzeichnen unerwartete Umsatzsteigerungen, weil sie Präsentations- und Verkaufsfläche gewonnen haben und die Menschen aufgrund der besseren Aufenthaltsqualität länger in der City verweilen. Auch dass sie nicht mehr ständig aufpassen müssen, ob ihr Park-Ticket schon abgelaufen ist, trägt zur längeren Verweildauer der Menschen bei. Es hat sich ferner gezeigt, dass die Radfahrer – entgegen aller Annahmen – durchaus konsumfreudig und -fähig sind. Schließlich sparen sie ja jedes Mal Geld, das wieder ausgegeben werden kann, wenn sie mit dem Rad in die Stadt fahren.

Quelle: pixabay.de

Dank der deutlich verbesserten Radinfrastruktur und den damit einhergehenden steigenden Fahrradfahrer-Zahlen, ist auch den verbliebenen Autofahrern klar geworden, dass sie aufgrund der vielen Radfahrer (die sie auf den separierten Wegen gar nicht mehr groß stören) auch selber viel flüssiger durch die Stadt kommen.

Quelle: pixabay.de

Durch die verbesserte Qualität des Radwegenetzes und der daraus resultierenden Steigerungen der Radfahrerzahlen sind auch die Schadstoffbelastungen in der City deutlich heruntergegangen. Sehr zur Freude der Diesel-Fahrer, die dank der Radfahrer weiter mit ihren Autos durch die Stadt fahren dürfen.

Durch die stark verbesserte Präsenz und (bauliche) Sichtbarkeit von Radfahrern bei gleichzeitiger Verbesserung des Verkehrs für Autofahrer, hat sich bei diesen das Bewusstsein entwickelt, dass Radfahrer Partner und nicht Gegner im Verkehr sind. Diesen Aspekt haben Stadt und Kreis durch dauerhafte Image-Kampagnen über Jahre hinweg gefördert – nach außen UND nach innen!

Die gesunkenen Unfallzahlen und das deutlich erhöhte subjektive Sicherheitsgefühl haben dazu geführt, dass jeden Morgen weniger Mamis und Papis die Schulwege mit ihren Autos besiedeln. Denn ihre Kinder können jetzt endlich wieder sicher zu Fuß und mit dem Rad zur Schule kommen, ohne sich durch unzählige Eltern-Blechkarossen kämpfen zu müssen.

Arbeitgeber haben den Nutzen des Radfahrens für ihre Mitarbeitenden entdeckt. Beide profitieren von Fahrrad-Leasing-Modellen für Diensträder, guten Abstell- und Umzieh-Möglichkeiten, mehr Lastenrädern in Betrieben uvm.

Dies alles hat zu einem Paradigmenwechsel in Gesellschaft, Politik und Verwaltung geführt. Die Investitionen in den Radverkehr wurden auf 50 Euro pro Kopf und Jahr verzwanzigfacht sowie dauerhaft in den Haushaltsplanungen verankert. Die „Vision“ ein Prozent weniger Autos pro Jahr wurde längst in die Tonne gekloppt und durch die „Vision Zero“ (Null Verkehrstote!) ersetzt.

Die beim Bau der B56n begangenen Fehler konnten zwar leider nicht mehr vollends ausgeräumt werden. Politik und Verwaltung haben dank ihrer neuen Mentalität „Pro Verkehrswende & Umweltverbund“ diese aber eingesehen und aus ihnen gelernt.

Daher wurde die B399n, die drohte, eine weitere Autoschneise durch die Stadt zu schlagen, neu konzipiert und entlang der Maßgaben für eine nachhaltige Verkehrswende angepasst.

Man wird ja wohl noch träumen dürfen…