Spätestens seitdem die neue Mehrheit im Stadtrat ihren Koalitionsvertrag unterschrieben hat – und damit auch die (verkehrs)politische Richtung für die kommenden fünf Jahre definiert – wird wieder rege öffentlich über das Thema Verkehr/Radverkehr in Düren diskutiert und geschrieben. In den (a)sozialen Medien und in der Lokalpresse.

Grund genug für eine neue Blog-Kategorie. Wenn mein Radler-Padlet schon ein Nickerchen macht, dann doch wenigstens an dieser Stelle der Versuch, das kleine Archiv etwas weiterzuführen.

Nachdem die allgemeine Stimmungslage aus meiner Sicht in den vergangenen Monaten eher verkehrswende-unfreundlich war, habe ich das Gefühl, dass sich der Wind ein wenig dreht. Vielleicht weil das Bewusstsein reift, dass die “Koalition Zukunft” das wirklich ernst meint, was sie da zu Papier gebracht hat und man sich in der Opposition/APO keinen medienwirksamen Star-Anwalt mit schweiß-löslichem Haarfärbemittel leisten kann. *Zwinkersmiley*

Vielleicht aber auch weil sich immer mehr Menschen dem Gedanken öffnen, dass wir tatsächlich umsteuern müssen (und gesellschaftlich wollen), um uns auch in zwanzig Jahren noch vernünftig in unseren Städten bewegen und qualitativ hochwertig aufhalten zu können.

Vielleicht auch beides? Eine Art “positiver Fatalismus” (Weiter so wird nicht funktionieren, eine Verkehrswende ist (leider) unumgänglich.) kombiniert mit echter Eisicht?

Et es wie et es!
Und: Wir haben da eine echte Chance gerade!

Jedenfalls scheint mir die Berichterstattung in letzter Zeit etwas differenzierter zu werden. Und das obwohl/weil jetzt die wirklich “harten”, die Stadt verändernden und hoffentlich für die Zukunft prägenden Dinge auf den Tisch kommen:

  • Faire Neu-Organisation und Umverteilung des Verkehrsraums (und des öffentlichen Raums). Was ist eigentlich mit den Parkplätzen und einem neuen Parkraum-Management-Konzept?
  • Alle überbreiten, vierspurigen Straßen auf zwei Pkw-Spuren reduzieren
  • Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der City
  • Fahrradstraßen
  • Radvorrangrouten-Netz
  • Verbesserter ÖPNV zwischen den Stadtteilen
  • Neubewertung der B399n

Einige Auszüge…

Neue Mehrheit will in Düren Verkehrswende

(…) Paradebeispiel dürfte die neue Verkehrspolitik werden, in der die neue Stadtratsmehrheit ganz im Sinne der Grünen einen Paradigmenwechsel einleiten will, hin zu einer fahrrad- und fußgängerfreundlicheren Stadt, wie Grünen-Sprecher Georg Schmitz ankündigt, mit Maßnahmen, die es in sich haben. (…)

Dürener Nachrichten/Zeitung, 11.11.2020
Dürener Nachrichten/Zeitung, 11.11.2020

Der Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik aber wird noch hitzige Diskussion auslösen. Bei nur noch einer Spur in jeder Fahrtrichtung auf den wichtigsten städtischen Verkehrsachsen dürften Staus programmiert sein. Denn so leicht, wie sich die Zukunfts-Koalitionäre das vorstellen, dürfte vielen Autofahrern der Umstieg aufs Zweirad oder den ÖPNV trotz aller Förderung nicht fallen. Und die Stadt ist bekanntlich auf die Pendler aus dem Umland angewiesen.

Kommentar, Dürener Nachrichten/Zeitung, 11.11.2020
Leserbrief DN/DZ, 11.11.2020

Zum wiederholten Male geben Sie Michael Hess in Ihrer Zeitung den Raum, für eine Petition pro B399n ohne Überarbeitung zu werben. Und das, ohne im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung darauf hinzuweisen, dass der BUND, der Nabu und der VCD (Verkehrsclub Deutschland) sich nicht ohne Grund vehement gegen diese über 30 Jahre alten Pläne aussprechen. Heutzutage würde in Deutschland wohl hoffentlich auch nie- mand mehr ein neues Atomkraftwerk oder ein neues Riesenloch zur Braunkohlegewinnung planen und durchziehen wollen. Au- gen zu und durch scheint die Devise.

Ich wohne genau auf der zu entlastenden Birkesdorfer Hauptstrasse und mag trotzdem nicht, dass deswegen nicht nur alte Bäume am Gürzenicher See gefällt werden, oder dass die mühevoll verschönte Nordstadt von Rest Düren weg-Ghettoisiert wird, damit ich es hier ruhiger haben werde. Es gibt Alternativen, die nicht nur für unsere Stadt, sondern vor allem auch für unsere Natur und für ein modernes Verkehrskonzept wesentlich sinnvoller sind. Diese sollten ausgearbeitet und bedacht werden, bevor jetzt jetzt schnell schnell wieder Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Leserbrief DN/DZ, 11.11.2020

(…) Nun ist die gegenseitige Rücksichtnahme einer der Eckpfeiler des Straßenverkehrs. Doch viel zu oft bleibt das Hirn bei vielen aus. Leider! Wer ohne Umsicht im laufenden Verkehr die Fahrertür öffnet, riskiert nicht nur einen schweren Unfall, sondern kann auch Menschenleben in Gefahr bringen. Wer mit seinen Griffeln am Radio oder – noch schlimmer – während der Fahrt am Handy fummelt, ebenso!

Zeitung am Sonntag, 15.11.2020

Die Rückkehr der Innenstadtring-Idee
ProRad reagiert auf die Mobilitätspläne der neuen Koalition Zukunft. Win-win-Situation für Rad- und Autofahrer.

DÜREN (…) Warum dann nicht gleich die Idee des Innenstadtrings in Betracht ziehen, den die Radlobbyisten 2019 zur Diskussion gestellt hatten, um den vorhandenen Straßenraum möglichst optimal aufteilen zu können?

Gegen den Uhrzeigersinn

ProRad hatte vorgeschlagen, Hohenzollernstraße, Schenkelstraße, August-Klotz-Straße und Stürtzstraße auf einer Länge von rund 2,2 Kilometern wie in einem Kreisverkehr gegen den Uhrzeigersinn in eine Einbahnstraße mit zwei Fahrspuren für den motorisierten Verkehr und einem durchgängigen Zweirichtungsradweg umzuwandeln. Anders als bei den Plänen der Zukunfts-Koalition stünden also für den Auto- und Lkw-Verkehr weiter zwei Fahrspuren zur Verfügung, halt nur noch in eine Richtung. (…)

Tanja Malchow und Rob Maris von der AG ProRad sprechen von einer „Win-win-Situation“ für den motorisierten wie für den Radverkehr, den auch die Koalition mit ihren Plänen stärken will. „Natürlich müssten einzelne Auto- und Lkw-Fahrer einen längeren Fahrtweg in Kauf nehmen“, räumt Tanja Malchow ein, würden dabei aber kaum Zeit verlieren, weil an den Kreuzungen bei einem Einbahnstraßenring weitaus weniger Ampelphasen benötigt werden, ergänzt Maris. Statt 16 Schnittpunkte bei Fahrtbeziehungen in allen Richtungen würde es nur noch drei geben und damit entsprechend weniger Ampelschaltungen.

„Es geht uns nicht um Brachiallösungen für den Radverkehr. Wir wollen die Verkehrssituation in Düren insgesamt verbessern.“Tanja Malchow, ProRad (…)

ProRad wünscht sich, möglichst schnell mit der neuen Koalition ins Gespräch zu kommen, bevor auf den ersten vierspurigen Straßen Fakten geschaffen werden. „Wir haben ja das gleiche Ziel“, betont Tanja Malchow. Am liebsten würde ProRad dabei dann auch die Radwege in Richtung Innenstadt mit in den Blick nehmen, um ein Gesamtkonzept entwickeln zu können, schließlich hat die Zukunfts-Koalition sich auf die Fahne geschrieben, dass Düren schon binnen der kommenden drei Jahre zur „fahrradfreundlichen Stadt“ werden soll.

Dürener Nachrichten/Zeitung, 19.11.2020 mit Link zur ProRad-Seite. Komplettes Dossier zum Innenstadtring-Konzept von ProRad hier.

Hohe Ansprüche

(…) Für die Verkehrswende ist die Lage noch komplizierter. Hier sind zum Beispiel auch Pendler, Handwerker oder Einkaufswillige aus dem Umland betroffen. Auch deren Interessen gilt es zu berücksichtigen.

Für die Verkehrswende sind der erwartbare Nutzen und ein sparsamer Mitteleinsatz von zentraler Bedeutung.(…)

Wegen des erwartbaren geringeren Verkehrsaufkommens (zum Beispiel Umgehungsstraße, Homeoffice) werden nicht mehr alle vier Fahrspuren benötigt. Es sollte aber eine überzeugendere Lösung als die simple Reduzierung auf zwei Spuren gesucht werden. Dass die direkten Anwohner eine Verbesserung benötigen, ist unstrittig. Sie warten leider immer noch auf einen optimierten Verkehrsfluss durch die von der Altkoalition versprochenen angepassten Ampelschaltungen. „Flow“ ist gerade beim Verkehr der intelligente, zukunftsorientierte Ansatz. Für die im Artikel angedachten Planungen in den anderen Stadtbereichen wird hoffentlich ein höherer Nutzen realisiert werden können.

Da Verkehrspolitik vielfältig wirkt, müsste sie Bestandteil einer Gesamtkonzeption zur Stärkung des Standortes – insbesondere der Innenstadt – sein. Wichtig wäre, die Bürgerinnen und Bürger möglichst wenig zu gängeln, zu erziehen und zu bevormunden. Trotz vermehrtem Homeoffice wird auch in Zukunft ein nicht unerheblicher Anteil – zumeist weniger privilegierter Menschen – an ihrem Arbeitsplatz präsent sein müssen. Staus und Ärger sollten in deren Interesse möglichst vermieden werden, sie machen Düren als Standort für potentielle Arbeitgeber auch nicht attraktiver.

Und es ist hoffentlich nicht im Sinne der Dürener Zukunftskoalition, wenn Amazon, Zalando und Co. sich zulasten der Dürener Innenstadt noch stärker etablieren, die Einkaufsmeilen vor der Stadt weitere Kundschaft aus der Innenstadt abziehen oder der direkte Weg an Düren vorbei nach Köln oder Aachen gesucht wird. Letzteres wäre ja auch nicht besonders umweltverträglich.

“Leser schreiben”, Dürener Nachrichten/Zeitung, 19.11.2020

Die Woche im Rückblick

(…) Die neue Koalition „Zukunft Düren“ will die Stadt so schnell wie möglich fahrradfreundlicher machen, besonders breite Straßen wie die August-Klotz-Straße auf zwei Fahrspuren für den motorisierten Verkehr reduzieren, um Platz für sichere Radwege zu schaffen. Das klingt nach programmiertem Stau.

Um den zu verhindern, gewinnt aus meiner Sicht das in dieser Woche noch einmal in Erinnerung gebrachte Innenstadtringkonzept von ProRad durchaus an Charme: Ein 2,2 Kilometer langer Einbahnstraßenring rund um die City bedeutet für den einen oder anderen zwar längere Wege, mit zwei Fahrspuren und deutlich weniger Ampelschaltungen aber sollte der Verkehr am Ende sogar flüssiger fließen als bisher. Und für Radfahrer bliebe Platz genug für einen 2,60 Meter breiten Zweirichtungsradweg.

Wenn es rechtlich keine Totschlagargumente gibt, sollte das Konzept zumindest mal diskutiert, wenn nicht sogar versuchsweise getestet werden. Dann könnte man sehen, ob der Innenstadtring wirklich eine Win-win-Situation darstellt, wie von ProRad behauptet. Da neben der Umprogrammierung von Ampeln und dem Aufstellen neuer Schilder „nur“ Markierungsarbeiten erforderlich wären, sollten sich die Kosten im Rahmen bewegen, schließlich muss auch die Stadt Corona-bedingt den Gürtel in den kommenden Jahren enger schnallen.

Dürener Nachrichten/Zeitung, 21.11.2020

To be continued…