So, es gibt mal wieder einen neuen Nationalen Radverkehrsplan.

*Gähn*

Und jetzt? Wird der genauso ignoriert wie der alte? Oder ist die Version 3.0 endlich mal Anlass, um richtig loszulegen und zu klotzen anstatt zu kleckern?

Alle folgenden Zitate und Screenshots stammen aus dem Nationalen Radverkehrsplan 3.0.

Quelle Screenshot: BMVI

Dann steigen wir doch mal ein in das Schlaraffenland für Radfahrer: Deutschland 2030 – Fahrradland Nr. 1! Hier mal wieder die hehren Ziele, die nun wie immer maximal-konsequent umgesetzt werden.

Dass unser Fahrradminister Dr. Andy B. Scheuert seine Finger mit im Spiel hat, sollte uns Mut machen und Vertrauen schenken, dass alles in guten Händen ist. Also los, was erwartet uns?

Nationalen Radverkehrsplan 3.0

1 Radfahren ist gesund, günstig und schnell

Regelmäßiges Radfahren verlängert die gesunde Lebenserwartung signifikant. Bereits 30 Minuten tägliches Radfahren senkt beispielsweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um über 50 % und kann Übergewicht sowie auch weiteren typischen Zivilisationskrankheiten wie Diabetes vorbeugen. Der positive Effekt der Bewegung übersteigt deutlich die Belastung durch Schadstoffe – selbst entlang dicht befahrener Straßen.6 Zudem ist es bis zu 70 % kostengünstiger, mit dem Fahrrad zu fahren, als einen Pkw zu nutzen. Damit trägt die Förderung des Radverkehrs auch zu einer sozial gerechteren Mobilität bei. Auf Strecken bis vier Kilometer ist das Fahrrad in städtischen Räumen häu­fig das schnellste Verkehrsmittel. Für ein Pedelec gilt dieser Geschwindigkeits­vorteil sogar auf den ersten neun Kilometern.

2 Nachhaltige Mobilität für attraktivere Städte und Gemeinden

Die Lebensqualität in Städten und Gemeinden bemisst sich neben vielen ande­ren Faktoren an den Grünflächen und der Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums. Vor allem in dicht bebauten Quartieren hat der öffentliche Raum in Zeiten der Pandemie erneut seine Bedeutung als Bewegungs-, Aufenthalts- und Erholungsort bewiesen. Mit geeigneten Maßnahmen und Investitionen in den Radverkehr können Städte und Gemeinden ihre Attraktivität und Aufenthalts­qualität deutlich verbessern und Ressourcen schonen. Fahrradfreundliche Städte gelten als besonders lebenswerte Städte.

Separat geführte Radwege in der Stadt beanspruchen bis 67 % weniger Fläche im Vergleich zu Kfz-Fahrstreifen mit entsprechender Kapazität. Radabstellan­lagen benötigen sogar nur 10 % der Fläche eines Pkw-Stellplatzes.9

Unternehmen profitieren von aktiv mobilen Beschäftigten 3 und hochwertiger Radverkehrsinfrastruktur

Lebensqualität und ein hochwertiges Angebot im Umweltverbund sind auch für die überwiegende Zahl der Unternehmen wichtige Standortfaktoren. Dazu zählt eine durchgängig und auf hohem Niveau ausgebaute Radverkehrsinfra­struktur. Das wird von Unternehmen im Dienstleistungssektor, von Start-ups sowie jungen, gut ausgebildeten Fachkräften besonders geschätzt und ver­schafft Arbeitgebern einen Vorsprung im überregionalen Arbeitsmarkt. Da we­niger Arbeitswege mit dem Auto zurückgelegt werden, können Unternehmen und ihre Beschäftigten Zeit und Parkraum sparen und dazu beitragen, dass Staus vermieden werden. Körperlich aktivere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind belastbarer und leistungsfähiger. Sie haben im Schnitt ein Drittel weniger Krankheitstage.10 So lassen sich jährlich bis zu 2,1 Mrd. Euro Produktionsaus­fälle vermeiden. Zudem wird im Einzelhandel bei Einkäufern mit dem Fahrrad im Durchschnitt 10% mehr umgesetzt.

Radtourismus stärkt ländliche und 4 strukturschwache Regionen

Radreisende, die über Nacht bleiben, gaben 2019 geschätzt durchschnittlich 70 bis 100 Euro pro Tag überwiegend für Hotels und Gastronomie aus.13 Beispiele zeigen, dass mit geeigneter Radinfrastruktur ein Umsatzwachstum bei Hotels und Gaststätten bis zu 40 % möglich ist und die Steuereinnahmen, die Beschäf­tigungsquote und das regionale Image deutlich erhöht werden können. Das fahrradtouristische Aufkommen sowie die Dichte und Qualität touristi­scher, einschließlich gastronomischer Angebote im ländlichen Raum stärken sich dabei wechselseitig. Radtouristinnen und Radtouristen sind in vielen strukturschwachen ländlichen Regionen von großer Bedeutung für die regio­nale Wirtschaftsförderung.

5 Die Fahrradwirtschaft trägt zum Wachstum bei

Der Umsatz beim Handel mit Fahrrädern und Fahrradzubehör hat sich zwi­schen 2013 und 2018 von rund 11 Mrd. Euro auf rund 17 Mrd. Euro erhöht.15 Die Krisenresistenz der Branche zeigt sich z. B. während der COVID-19-Pandemie. Der Fahrradhandel verzeichnet stabile Umsätze trotz des coronabedingten allgemeinen Wirtschaftseinbruchs. Und: Die Branche erwartet ein weiteres Wachstum.16 Auch Umfragen und Zähldaten bestätigen, dass die Menschen verstärkt auf das Fahrrad setzen.

Fahrradindustrie, Fahrradhandel inklusive Servicewerkstätten sowie Fahrrad­dienstleistungen boten 2019 etwa 66.000 lokale und krisenfeste Arbeitsplätze für vielfältige Qualifikationsniveaus.18 Hier besteht ein deutliches Wachstums­potenzial. Hinzu kommen die Märkte für Servicedienstleistungen, Fahrradver­leihsysteme und Fahrradtourismus, die sich bis 2030 verdreifachen könnten. Ein besonderes Potenzial liegt in der meist dezentralen Verteilung der Arbeitsplätze. So sind die vorwiegend handwerklichen Betriebe des Fahrradeinzelhandels und Fahrradhersteller auch außerhalb der großen Ballungsräume angesiedelt.

6 Radverkehr ist Klima- und Umweltschutz

Radfahren ist emissionsfrei und spart Platz. Der Radverkehr trägt damit zum Erreichen der nationalen Umwelt- und Klimaschutzziele sowie nicht zuletzt der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bei. Auch beim Pedelecfahren sind die Emissionen der Herstellung des Akkus nach ungefähr 165 Kilometern beglichen, wenn ein Pedelec statt eines Pkw verwendet wird.19 Die mit dem NRVP 3.0 angestrebte Erhöhung der Wegezahl und -länge mit dem Rad um rund jeweils 50 % kann zu einer Einsparung von 3 bis 4 Mio. t CO2 pro Jahr gegenüber 2017 führen.

In Städten können 14 % der Treibhausgase und Luftschadstoffe reduziert werden, wenn der Radverkehrsanteil um zehn Prozentpunkte zulasten des Pkw erhöht wird.20 Dies führt gleichzeitig zu einer sinkenden Lärmbelastung und Verringe­rung zahlreicher durch den motorisierten Verkehr bedingter physischer und psychischer Folgeerkrankungen.

Nationaler Radverkehrsplan 3.0

Puuuuh – Radfahren scheint ja ziemlich gut zu sein. Für´s Individuum und die Gesellschaft.

Die Leitziele

Nationaler Radverkehrsplan 3.0

Und das alles zu erreichen braucht es:

eine Politik, die offen ist für den Radverkehr und diesen fachübergreifend konsequent und aktiv fördert,

im ganzen Land gut geplante und gebaute Radinfrastruktur,

Menschen, die mit Begeisterung und Spaß sicher mit dem Rad unterwegs sind,

eine stetig wachsende und innovative Fahrradwirtschaft, einen Wirtschaftsverkehr, der stärker aufs Rad setzt. Und Arbeitgeber, die das Fahrrad zum Verkehrsmittel der Wahl für ihre Beschäftigten / für Arbeitswege machen.

Nationaler Radverkehrsplan 3.0

Schon klar. Das wissen die Fahrradinitiativen und ehrenamtlich Aktiven eigentlich schon lange. Die Frage ist wohl eher, ob diejenigen, die dieses Papier verfasst haben (Politik&Verwaltung) das genauso begriffen haben und auch mit entsprechender Haltung dahinter stehen? Ich zumindest kann bisher von konsequenter Gleichberechtigung der Verkehrsarten nicht viel sehen vor Ort.

Fahrrad & Politik

Governance für einen starken Radverkehr

Der Radverkehr ist ein wichtiger Baustein für eine zukunftsfähige, nachhaltige Mobilität. Es bedarf eines politischen und gesellschaftli­chen Paradigmenwechsels, damit sich die gefahrenen Kilometer per Rad in Deutschland bis 2030 gegenüber 2017 mehr als verdoppeln. Ein moderner Rechtsrahmen, der eine aktive Radverkehrsförderung ermög­licht, sowie eine ausreichende Finanzierung sind von zentraler Bedeutung.

Nachhaltige Mobilität muss gelebt werden und beginnt in den Köpfen der Entscheidungsträgerinnen und -träger. Der NRVP 3.0 unterstützt sie dabei, Verkehrspolitik und -planung neu und integriert über einzelne Disziplinen hinweg zu denken, Aus- und Weiterbildung zu erweitern und Netzwerke zum Erfahrungsaustausch intensiv zu nutzen.

Nationaler Radverkehrsplan 3.0

Paradigmenwechsel? LOL! Wie viele Jahre brauchen Politik und Verwaltung eigentlich für den schon längst angekündigten „Paradigmenwechsel“? Bis zum NRVP 7.3? Sorry, ich kann es nicht mehr hören. Nicht solange den neusprechlerischen Versprechen keine Taten folgen.

Insofern macht es auch wenig Sinn, an dieser Stelle weiter in die NRVP3.0-Details einzusteigen. Liest sich zwar alles (mal wieder) super-toll, höchst innovativ, nachhaltig, menschen-, klimafreundlich und so weiter.

Allein – noch fehlt mir ein wenig der Glaube…


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