Was sagt die Wissenschaft? Beim Forum Politik zum Thema Radverkehr und kommunale Verkehrswende kam zuerst Thorsten Koska vom Wuppertal Institut zu Wort.
Zitate: Thorsten Koska, Anmerkungen und Hervorhebungen von mir. Die (…) zwischen den Zitaten erspare ich mir an manchen Stellen.
Zitat:
„Der Radverkehr hat eine ganz zentrale Rolle in der kommunalen Verkehrswende. Denn der Radverkehr hat das Potenzial dazu, Städte zu verändern. (…) Davon haben nicht nur die Radfahrer und Radfahrerinnen etwas, sondern alle Bürger.
Wenn wir die Klimaziele einhalten wollen, dann muss der Verkehr ohne CO2 funktionieren. (Allerspätestens bis 2050.) Der (Auto-)Verkehr hat nicht nur das Klimaproblem, der Verkehr hat auch ein Problem mit Luft-Schadstoffen. (…) Der Verkehr macht Lärm und beeinträchtig unsere Lebensqualität. (…)
An den großen, lauten Straßen wohnen außerdem häufig die Leute, die sich keine ruhig gelegene Wohnung leisten können (soziale Frage). Aber es gibt nicht nur die negativen Treiber für eine Verkehrswende, sondern auch veränderte Mobilitätsbedürfnisse.“
Zitatende
Die Menschen wollen heute tendenziell einfach mehr Fahrradfahren (man denke nur an den boomenden Absatz von Pedelecs) oder haben gar kein Auto mehr beziehungsweise machen ihre Führerscheine immer später… Das beobachtet die Verkehrswissenschaft und kommt zu dem Schluss, man brauche drei Säulen, um Verkehr besser zu gestalten:
Weniger. Anders. Besser.
Vermeiden. Verlagern. Verbessern.
Dabei sollten Kommunen zwei Strategien gleichzeitig fahren, so Koska: Push&Pull.
Das „Pull“ ist das attraktiver machen. Fahrrad- und fußgängerfreundliche Konzepte, zusammenhängend gedacht und umgesetzt. „Push“ heißt, dafür zu sorgen, dass Autofahren unattraktiver wird.
Zitat:
„Potenziale des Radverkehrs
Wir können ein kleines bisschen optimistisch sein, denn der Radverkehr wächst. (…) Die Leute fahren nicht nur häufiger mit dem Rad, sie fahren auch länger mit dem Rad.
Wenn wir den Verkehr sinnvoll gestalten, so dass das Radfahren dort funktioniert, sind das Strecken (0-10 km), die man auch tatsächlich mit dem Rad zurücklegen kann, wo man also auch wirklich Strecke machen kann für die Verkehrswende.
Radfahren hält fit.
Radfahren ist auch für die Kommunen (…) kostengünstig. (Eine aktuelle) volkswirtschaftliche Studie zu den Kosten der verschiedenen Verkehrsarten zeigt, das Radverkehr sehr geringe Investitionen hat, wenige Schäden anrichtet und die Unfallrisiken im Verhältnis recht gering sind und dafür aber der Beitrag zur Gesundheitsprävention sehr groß.
Wenn man ins Auto investiert, dann ist das unterm Strich ein Minus-Geschäft, während für den Radverkehr Geld auszugeben für alle Beteiligten ein Gewinn ist.
Deutsche Kommunen geben häufig nicht mehr als 3-5 Euro für den Radverkehr aus. Der nationale Radverkehrsplan vom Bundesverkehrsministerium empfiehlt zwischen 6 und 15 Euro.
(Siehe: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/fahrradverkehr-nationaler-radverkehrsplan.html
Wir erinnern uns: Wir Radfahrende in Düren sind unserer Stadt rund 2,55 Euro wert.)
Radfahren ist beliebt. (…) Wo die Bedingungen gut sind, wird mehr Rad gefahren.“
Zitatende
Anschließend kommt Koska auf den ADFC-Fahrradklima-Test zu sprechen, bei dem Düren den kläglichen 80. Platz (von 106 vergleichsgroßen Städten) mühelos errungen hat.
Zitat:
„Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.“
Zitatende
LOL! Luft nach oben ist gut!
Aber was ist zu tun, wie kommen wir konkret weiter?
Zitat:
„Das A und O ist sicherlich der Straßenraum. Das ist da, wo die RadfahrerInnen unterwegs sind. Diesen Straßenraum anders zu verteilen und für das Radfahren attraktiver zu machen, das ist sicherlich der Kern dafür, Radverkehr insgesamt besser und sicherer zu machen.
Zunächst einmal braucht man dafür ein Radverkehrsnetz. Das muss geplant werden. (…) Und es muss dann vor allen Dingen ein Netz sein, was gebaut und umgesetzt wird und vor allem Lücken im Radnetz geschlossen werden. (…)
Eine konsistente Planung ohne Lücken zu machen, ist ein ganz wichtiger Punkt. (…) Das andere ist, breitere, sicherere und durchgängige Radwege zu schaffen, (…) Fahrradstraßen zu schaffen, (…) geschützte Radwege zu schaffen, die nicht nur vom Fuß-, sondern auch vom Straßenverkehr separiert sind.
Ein ganz wichtiger Punkt ist dann auch, wie werden Kreuzungssituationen gestaltet?“
Zitatende
Thorsten Koska nennt folgende Möglichkeiten, die Kommunen zur Verbesserung ihrer Innenstädte haben. Das gibt es alles schon. Nur halt leider irgendwo anders.
– Fahrradfreundliche Ampeln mit Vorlauf für Radfahrer
– Autos bei Kreuzungen einen Umweg machen lassen, um den Radfahrer auf dem gut sichtbaren Radweg früh zu erkennen
– Grüne Welle für Radfahrer wie in Kopenhagen… Siehe https://www1.wdr.de/wissen/technik/gruene-welle-fuer-radfahrer-102.html
– Rechtsabbiegen mit grünem Pfeil
– Regelverstöße der Kfz „empfindlich bestrafen“
– Bei gefährlichen Verkehrsbehinderungen konsequent abschleppen
– Parkplätze in Stellflächen für Räder umwandeln
– Fahrradfreundliche Beschilderungen
– Online-Portale
– Mängel-Meldesysteme
– Ausrichtung auf Radverkehr in der schulischen Verkehrserziehung
– Firmen dazu bewegen, den Radverkehr zu fördern (Diensträder, Abstell- und Duschmöglichkeiten = weniger Krankheitstage)
– Image-Kampagnen für den Radverkehr
– Aktionstage etc.
– Leihfahrradsysteme
– CarSharing
– Bike&Ride-Anlagen
Durch die Kombination solcher Maßnahmen seien die Menschen nicht mehr zwingend auf´s Auto angewiesen. „Widerstände sind gar nicht so groß, wenn man sie mal ausprobiert“, so Koska. Doch ihm sind natürlich auch die Umsetzungsprobleme bewusst.
Hemmnisse – warum etwas nicht geklappt hat
Zitat:
„Nicht alles können die Kommunen machen, es sind nicht immer genügende Mittel zur Verfügung, gerade in den Städten wurde in den letzten 30 Jahren sehr viel Personal abgebaut für die Verkehrsplanung, das jetzt gebraucht würde, um eine solche Verkehrswende anzupacken,
Es gibt das Problem mit der Mobilitätskultur. Wir sind ein Volk von Autofreunden. Die Politik traut sich dementsprechend häufig nicht. Es gibt ökonomische Interessen, die auch damit verknüpft sind. (…)
Und es gibt eine kurzfristige politische Orientierung manchmal, die eben nicht sieht, dass so eine Verkehrswende, die mehrere Jahrzehnte braucht, es tatsächlich wert ist, angepackt zu werden, und es sich dafür auch lohnt, die Widerstände zu überwinden.
Was kann man also machen?
Den knappen Raum in der Stadt richtig nutzen. Zusammenhängend zu planen, die Radwege als ein Netz planen. Die Mittel effizient einsetzen.
Experimentieren ist ein ganz entscheidender Punkt. Es gibt viele Maßnahmen, die man erstmal temporär ausprobieren kann,“
Zitatende
Beispielsweise mal eine Protected Bike Lane ausprobieren! Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis das Experiment auf der Veldener Straße startet. Komisch, wenn, wie jetzt, beispielsweise Weihnachtsmarkt ist, kann man ganz schnell Tempo 30 einführen und den Autos mal kurz eine Spur wegnehmen. Auf der Veldener Straße streitet man sich darüber, ob die innovative Fahrradmaßnahme 200, 300 oder gar 400m lang ausfallen soll. Ich glaube, das meinte Koska nicht, als er von „zusammenhängend Radwege als Netz planen“ sprach.
Zitat:
„Man ermöglicht damit Mobilität für Alle, denn die Mehrheit sind nicht die Autofahrer. Die Mehrheit hat ein Fahrrad zuhause.
Wie man das schaffen kann?
Natürlich zu einem großen Teil durch zivilgesellschaftliches Engagement.“
Zitatende
Da sind wir BürgerInnen also gefragt. Weil´s Politik und Verwaltung augenscheinlich nicht alleine hinbekommen?!
Bei Gelegenheit folgt Teil II. Die Diskussion
Ein minimaler Vorgeschmack dazu:
https://radfahrn.wordpress.com/2019/10/06/radverkehr-staerken-cdu-spd-guene-sind-sich-einig/
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