Die MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB

Wie jeder andere Stadtteil unserer „Stadt der kurzen Pkw-Wege“ wird auch Birkesdorf von den üblichen Problemen in Sachen Verkehr geplagt: Falschparker an jeder möglichen und unmöglichen Ecke, Raser, Schutzstreifen-Rowdys, schlechte Luft, Lärm und Beton-Blech-Tristesse statt Aufenthalts- und Lebensqualität…

Zusammengefasst: Viel zu viele (viel zu große und übermotorisierte) Autos! Oder um es in CDU-Sprech auszudrücken: „Viel zu wenige Parkplätze, viel zu wenige, viel zu kleine Straßen!“ 😉

Doch Rettung naht! Zumindest in Birkesdorf. Da bin ich genau so optimistisch wie hinsichtlich des Radschnellwegs RS 399n. Der (bzw. der RS Nordtangente) passt übrigens gar nicht mal so schlecht zu dem, was gerade im Bezirksausschuss vorgestellt wurde:

Die Machbarkeitsstudie und Öffentlichkeitsbeteiligung zur Neuordnung und Umgestaltung des Straßenraumes von Nord- und Zollhausstraße zwischen Hovener Straße und Veldener Straße in Düren Birkesdorf
(MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB)
Quelle: Stadt Düren

Was bisher geschah – oder auch nicht…

Es lohnt ein Blick in die Vergangenheit, bevor wir uns die neue Machbarkeitsstudie anschauen. Denn die oben kurz angerissenen Probleme sind nicht wirklich neu. Im Gegenteil sind sie ein Grund dafür, dass schon vor Jahren beschlossen wurde das Dorf grundsätzlich umzubauen. Die zentrale Ortsdurchfahrt Nordstraße-Zollhausstraße stand dabei immer schon im Fokus, denn sie durchtrennt nicht nur das Dorf in sich, sondern auch die wertvolle Verbindung zur Rur. Sie ist und war auch eine zentrale Ursache für mangelnde Aufenthaltsqualität, schlechte Sicherheitsverhältnisse und so weiter. Der dringende Handlungsbedarf ist eigentlich ziemlich alt und allgemein bekannt. Passiert ist bisher trotzdem nicht viel – außer ein bisschen (theoretisches) Tempo 30 und sogenannten „Schutz“streifen, die das genaue Gegenteil von dem bewirken, was sie eigentlich bewirken sollen.

Auf der städtischen Website zur Stadtentwicklung wird das so beschrieben:

Birkesdorf soll attraktiver werden. Wichtige Ziele sind weniger Verkehrsbelastung und mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität im Stadtteil In einem Planungsprozess mit intensiver Bürgerbeteiligung und begleitet von einer interdisziplinären Lenkungsgruppe aus dem Stadtteil wurde von Planungsbüro Dr. Jansen Stadt- und Regionalplanung das Integrierte Stadtteilentwicklungskonzept Birkesdorf erarbeitet und am 19.10.2019 vom Rat der Stadt Düren beschlossen. Das ISEK Birkesdorf stellt die Handlungserfordernisse für den Stadtteil dar und formuliert Handlungsfelder und Maßnahmen. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere räumliche Planungen und Projekte, Beratungsangebote, und Fördermöglichkeiten für Modernisierung und Instandsetzung. Das ISEK ist weiterhin der Handlungsrahmen für Politik, Verwaltung und die Akteure vor Ort. Es ist zudem die Grundlage für die Beantragung von Fördergeldern.

Bereits 2016 wurde eine Rahmenplanung für den Versorgungsschwerpunkt Birkesdorf erarbeitet und in einem Bürgerworkshop im März 2017 diskutiert. In den Akteurs- und Bürgerbeteiligungsveranstaltungen mit Birkesdorferinnen und Birkesdorfern als Experten für ihren Stadtteil wurden 2018 und 2019 in mehreren Veranstaltungen zum Viktoriasportplatz und zum Friedensplatz sowie bei zwei Planungswochenenden in der Festhalle Birkesdorf Ziele entwickelt, die in das Integrierte Stadtteilentwicklungskonzept Eingang gefunden haben.

  • Die Aufenthaltsqualität im Zentrum im Bereich Zollhausstraße und Nordstraße soll durch Maßnahmen der Verkehrsberuhigung und –verlagerung deutlich gesteigert werden, damit Anreize geschaffen werden, das Auto innerhalb des Stadtteils stehen zu lassen, weil es angenehm ist, zu Fuß zu gehen und Rad zu fahren.
  • Es sollen grüne Impulse innerhalb des Stadtteils gesetzt werden, insbesondere  durch den Viktoria Sportpark, einen neu gestalteten Friedensplatz aber auch durch die Freiraumgestaltung der ehemaligen Kreisbahntrasse, im Josef-Vosen-Park und in den Wohnstraßen.
  • Es soll ein umfassender Sanierungs- und Erneuerungsprozess bei den privaten Immobilien angestoßen und durch Beratungs- und Förderangebote unterstützt werden, u. a. um auch die bestehenden Gebäude für junge Familien interessant zu machen.
  • Die sozialen Strukturen und Gefüge sollen stabilisiert werden, die den Stadtteil für eine junge, neue Bevölkerung interessant machen und die Lebensqualität der ortsansässigen Bevölkerung erhalten und verbessern.
Quelle: Website Stadt Düren

Aus der Idee bzw. Notwendigkeit heraus den Stadtteil weiterentwickeln zu müssen, ist das höchst beachtliche Integrierte Stadtteilentwicklungskonzept für ein junges und modernes Birkesdorf (ISEK) entstanden. Eine spannende Lektüre – nicht nur für BirkesdorferX. Alle Achtung welche Maßnahmen dort (grundsätzlich) beschlossen wurden, nachdem ein ausgiebiges Bürgerbeteiligungsverfahren durchgeführt wurde. So stellen wir uns das in Birkesdorf mal zukünftig vor!

Einen guten Eindruck davon, wie Zollhaus- und Nordstraße zukünftig mal aussehen sollen, vermittelt Abbildung 78 auf Seite 143. Ein Shared-Space-Boulevard statt totaler Pkw-Dominanz. Wow! Das haben wir echt beschlossen? Das will unsere Politik? Das ist unser gesellschaftlicher Konsens zur Mobilitätsentwicklung? Sehr gut! Mehr davon!

Insbesondere der Umbau der Hauptachse hat es also in sich. Da ist von Boulevard-ähnlichen Shared-Space-Verkehrsführungen die Rede, von ganz viel Begrünung und Verbesserung der Infrastruktur für den NMIV (nicht motorisierter Individualverkehr).

Status Quo

All das fügt sich aus meiner Sicht nahtlos in das Gesamt-Dürener Verkehrskonzept „Klimafreundliche Mobilität in Düren“ ein. Muss ich jetzt nicht alles wiederkäuen, ist ja im Ratsinfosystem nachzulesen. (Links am Ende dieses Blogeintrags.) Passt auch alles super zum aktuellen Koalitionsvertrag „Zukunft Düren“. Die Parteien geben übrigens sehr gerne Auskunft bei Fragen nach dem aktuellen und beschlossenen Modal Split. Versucht es einfach mal… Viel Glück! 😉

Um bzgl. der aktuellen Machbarkeitsstudie nicht erst noch (wieder) das komplette ISEK lesen zu müssen, hier noch das – nur um ein Gefühl dafür zu bekommen, was Konsens ist. Man traut sich das heutzutage ja kaum noch auszusprechen, aber de facto haben wir mit dem ISEK eigentlich nicht weniger als eine Mobilitätswende in Birkesdorf beschlossen. Genau wie mit dem Klimaschutzteilkonzept. Beides einstimmig im Stadtrat beschlossen – inklusive vorheriger Bürgerbeteiligung.

Klarer geht´s kaum noch. Oder doch? Der zentrale ISEK-Auszug zum Umbau der Hauptachse:

Zielprofil für die Nordstraße/Zollhausstraße

Der zentrale Straßenzug Nordstraße/Zollhausstraße wandelt sich von der bloßen „Durchgangsstraße“ zu einer multifunktionalen, stringent begrünten Straße mit hoher Gestalt- und Aufenthaltsqualität. Die neue „boulevardhafte“ Ausgestaltung mit breiten Bürgersteigen ist gleichermaßen Einkaufsmeile, Treffpunkt, Flanier- und Begegnungsraum mit einem breiten Angebot an Geschäften, (Außen-) Gastronomie und seitlichen kleinen Plätzen, die zum Verweilen einladen. In dieser deutlich veränderten Ausgestaltung wird sie zur stadtteilprägenden, identitätsgebenden und zentralen „Hauptstraße“ und repräsentiert zugleich räumlich und gestalterisch die „neue und belebte Mitte“ von Düren-Birkesdorf.

Eine signifikante Reduktion des MIV, eine streckenbezogene Geschwindigkeit von Tempo 30 km/h, ein multifunktionaler Mittelstreifen sowie weitere verkehrlich-gestalterische Maßnahmen gewährleisten darüber hinaus ausreichende und sichere Bewegungsflächen für den Fuß- und Radverkehr. Die oben beschriebene Transformation kann nur gelingen, wenn die heutige hohe Kfz-Verkehrsbelastung (~15.000 Kfz/24 Std.) entscheidend abgemindert wird, nichtmotorisierte Verkehre (Radfahrer, Fußgänger) einen adäquaten Bewegungsraum erhalten sowie die Erreichbarkeit aller Ziele in vollem Umfang erhalten bleibt.

Die erforderliche Verkehrsentlastung erfolgt primär durch die Anlage von Kreisverkehren, die Reduktion des Querschnitts, der Geschwindigkeitsdrosselung auf Tempo 30 km/h sowie einer hochwertigen Gestaltung (Begrünung, Materialwahl, Beleuchtung, Möblierung etc.), die den neuen Status der Straße als multifunktionalen Verkehrs- und Erlebnisraum unterstützt.

Für die avisierte MIV-Reduktion bedarf es jedoch einer weiteren Maßnahme. Es ist erforderlich, neben dem Durchgangsverkehr den augenscheinlich hohen Kfz-Binnenverkehr signifikant zu reduzieren, der gleichermaßen den Straßenzug nutzt. Diese Reduktion muss über eine Attraktivierung der umliegenden Wohngebiete für den Fuß- und Radverkehr erfolgen.

Insgesamt betrachtet lässt sich aus der verkehrlichen Perspektive ein zentrales Leitziel ableiten: Eine signifikante Verkehrsentlastung im MIV wird sich nur dann einstellen, wenn sowohl im Bereich der Ortsdurchfahrt als auch in den Wohngebieten selbst sichere und komfortable straßenräumliche Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr geschaffen werden. Erst dann werden die Bürger und Bürgerinnen mehr und mehr bereit sein, sich statt mit dem Autos als Kurzstreckenverkehrsmittel fußläufig oder mit dem Fahrrad zu bewegen. Düren-Birkesdorf bietet funktional alle Möglichkeiten als „Stadt der kurzen Wege“.

Quelle: ISEK Birkesdorf
Quelle: Facebook

Doch leider kam es nicht, wie es kommen sollte, denn aus den ganzen ISEK-Planungen wurde nichts…

Die Enttäuschung…

…war groß, als sich relativ kurz nach Beschluss des ISEK herausstellte, dass dafür vorerst keine Mittel aus dem Städtebau-Förderprogramm bewilligt würden. Erstmal waren andere Stadtteile dran. Angeblich soll aber (irgendwann mal) ein erneuter Anlauf genommen werden, um das ISEK gefördert zu bekommen. Außerdem wurden städtische Eigenmittel „beantragt und bereit gestellt“, um dennoch mit der Umsetzung des Stadtteilentwicklungsprozesses beginnen zu können.

Quelle (bearbeitet): Facebook

Hierfür wurde auch eine ISEK-AG (Lenkungsgruppe) gegründet, die sich anschauen sollte, welche „kleineren Maßnahmen“ trotz Fördermittel-Absage umgesetzt werden könnten. Soweit ich das mitbekommen habe, waren in der AG jedoch nur wirklich kleine Maßnahmen Thema: Ein paar Sitzgelegenheiten hier und da, kleinere Verbesserungen am Skaterpark…

Quelle: Facebook

Das ISEK liegt also erstmal auf Eis, ist aber nach wie vor die verkehrspolitische Leitlinie und (angeblich) noch längst nicht abgeschrieben – auch wenn dieses Jahr kein erneuter Antrag gestellt wurde. Im Gegenteil: Nach Möglichkeit soll es wie beschlossen umgesetzt werden. Je früher, desto besser! Daran ändert ja die Fördermittelabsage nichts.

Warum dieser kleine ISEK-Exkurs?

Der Blick auf´s ISEK ist gerade in Bezug auf die aktuelle Machbarkeitsstudie wichtig bzw. unumgänglich. Viele Schritte, die uns im Rahmen der aktuellen Planungen bevorstehen, wurden ja bereits im ISEK-Prozess durchlaufen. Wir brauchen beispielsweise keine lange Diskussion mehr darüber, dass der Pkw-Verkehr deutlich eingeschränkt und unattraktiver gestaltet (also mit allen möglichen Mitteln reduziert) werden muss. Es ist allgemeiner (Kompromiss-)Konsens, dass der öffentliche Raum massiv und nachhaltig (nicht zuletzt auch unter Klimaschutz-Gesichtspunkten) umgestaltet werden muss und dass davon prioritär und grundsätzlich Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV-Nutzer etc. am meisten profitieren müssen.

Bettel-Ampel

Denn genau das ist ja unser Ziel – nicht nur in Birkesdorf: Den MIV-Anteil am Verkehr deutlich senken, um gleichzeitig (und dadurch) die Anteile der weniger Probleme verursachenden Verkehrsformen zu fördern. Eindeutige Hinweise darauf, dass dies (selbst in „konservativen Kreisen“) unser großes Ziel ist, finden sich übrigens auch in allen aktuellen Koalitionsverträgen, im Nationalen Radverkehrsplan, im nordrheinwestfälischen Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz und so weiter und so fort. Mehr gesellschaftlicher Konsens geht eigentlich nicht. Sogar die CDU ist da überall voll mit dabei.

Zahlen für Düren vom Kraftfahrtbundesamt.

Parkraumkonzept!!!

Total einig sind sich alle auch darin, dass es (zuerst?) eines gesamtheitlichen Parkraumkonzeptes für den Stadtteil (und die Stadt) bedarf. Ohne dieses werden wir den Raum für all die schönen, boulevardesquen Umbaumaßnahmen gar nicht haben. Auch das ist Konsens. (Oder Heuchelei…)

Im Masterplan Innenstadt wird ein innerstädtisches Parkraumkonzept sogar als Grundvoraussetzung beim Umbau innerstädtischer Parkplätze wie bspw. Schützenplatz beschrieben… Hat sich nur bisher niemand drum gekümmert. (Aus Gründen.) Doch dank eines wohl begründeten Bürgerantrags *Zwinkersmiley* wird es demnächst wohl so etwas wie ein Konzept für die Innenstadt geben. Die Verwaltung wurde zumindest beauftragt „Vorschläge zum künftigen Umgang mit innerstädtischen Parkflächen, Liefer- und Ladezonen auszuarbeiten. Soweit möglich, soll dies auch im Zuge des laufenden Prozesses zur Überarbeitung/Neuaufstellung der Stellplatzsatzung aufgegriffen werden.“ Siehe hier.

Worauf warten wir also noch? Langsam wird das Versteckspiel rund um die prähistorische Pkw-Parkplatz-Poilitik peinlich und wir müssen mal an den Kern des Pudels ran. Oder nicht? Zum Glück wollen ja alle in die gleiche Richtung und wir müssen uns nur noch über die Ausgestaltung (und Finanzierung) der bereits im Grundsatz klaren Maßnahmen kümmern. Sogar die Bürgerschaft wurde schon voll mitgenommen. Zielerreichung immer voll im Fokus! Modal Shift usw.

Auf die Argumente und Ideologien vs. Quartiersgaragen & Co bin ich schon jetzt gespannt. Die werden die Verfechter von guten Parkraumkonzepten nach Maßgaben von ISEK und Co (also SPD, CDU & Co) garantiert mühelos kontern. Das wird super! Ich parke meine eigene Karre gerne ein paar Minuten von der eigenen Haustür entfernt, wenn meine Straße dafür eine von Parkplätzen befreite Spielstraße o.Ä. würde.


B 399n & RS 399n

Dass die sogenannte „Nordumgehung“ B 399n (selbstredend inklusive RS 399n) kommen wird (oder auch nicht) sei hier nur am Rande erwähnt, obwohl die neue „Stadtautobahn“ natürlich direkt und indirekt mit dem ISEK und den neuerlichen Umgestaltungs-Zuckungen zusammenhängt. Nach dem Motto: Mehr Straße = wenigerVerkehr.


Zurück in die Gegenwart…

MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB

Die Machbarkeitsstudie und Öffentlichkeitsbeteiligung zur Neuordnung und Umgestaltung des Straßenraumes von Nord- und Zollhausstraße zwischen Hovener Straße und Veldener Straße in Düren Birkesdorf (MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB)
Quelle: Stadt Düren

Da der Prozess (erneut) erst ziemlich am Anfang steht, gibt der bisherige (veröffentlichte) Stand der Machbarkeitsstudie zum Umbau der Ortsdurchfahrt nicht allzu viele Details her – bspw. zur Finanzierung und zu konkreten Maßnahmen. Das liegt in der Natur der Dinge. Gut, dass wir dank ISEK usw. schon wissen, wo wir hin wollen.

Kleine Kritik bzw Frage, sonst eigentlich nur Gutes (mal wieder)…

Um es vorweg zu nehmen: Das sieht doch (mal wieder) alles ziemlich gut aus. Nicht viel Neues drin, aber auch nichts, was auf den ersten Blick den lokalpolitischen Zielen und Beschlüssen pro Mobilitätswende widerspricht. Ganz im Gegenteil. Aber das ist ja meistens so. Was dann tatsächlich umgesetzt wird, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt als all die einstimmigen Alibi-Beschlüsse, Wahlversprechen und Verwaltungsvorschriften. Bei aller Euphorie wegen dieses neuerlichen Umbau-Anlaufs gönne ich mir ein gewisses Maß an Skepsis.

An dieser Stelle habe ich eigentlich nur eine kleine kritische Anmerkung bzw. Frage.

Quelle: MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB, Stadt Düren

Leider beschreiben die Machbarkeitsstudien-AutorX vod der Aachener Planungsgruppe MWM nicht genau, welche konkreten Konflikte sie im aktuellen Bestand sehen und wer inwiefern Problemverursacher ist. Die Formulierung „Alle Verkehrsteilnehmer haben im Bestand ein Angebot… …aber verursachen gegenseitig erhebliche Konflikte untereinander“ kommt etwas eigenartig rüber – als ob wir von gleichen Bedingungen, Problemlagen und Problemverursachern ausgingen. Dass dem nicht so ist, machen die AutorX selbst und all die täglichen Alltagserfahrungen mehr als klar. Aber mir drängt sich der Eindruck auf, dass dies in der öffentlichen verkehrspolitischen Debatte oftmals gar nicht präsent ist und viel zu selten argumentativ ins Spiel gebracht wird. Ein Schelm, wer dahinter Pkw-Propaganda alter Schule vermutet. *Verschwörungs-Zwinkersmiley*

Bestandsanalyse: Die Problemlage

Offensichtlich geht es erstmal (mal wieder) nur um eine (erneute) Bestandsaufnahme und Vor-Analyse. Bürgerbeteiligung, BzA-Sitzungen etc. folgen erst noch. Ich nehme an, dass all dies auf Basis des oben kurz beschriebenen Konglomerats aus ISEK, KSTK, FaNaG NRW, NRVP 3.0, B 399n- & RS 399n-Planungen etc. geschieht. De facto fangen wir ja nicht ganz bei Null an.

Die aktuelle Bestandsanalyse deckt sich aus meiner Sicht ziemlich gut mit der des ISEK und des KSTK. Die Probleme sind offensichtlich – nicht nur für Leute, die tagtäglich zu Fuß oder mit dem Rad im Dorf unterwegs sind. Die Zahlen sprechen für sich.

Zentrales Beispiel Parkplätze:

Quelle (bearbeitet): MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB, Stadt Düren

Das darf man sich schon mal auf derZunge zergehen lassen: Von den öffentlichen Parkplätzen auf Zollhaus- und Nordstraße sind gerade mal gut ein Viertel (27,4%) richtlinienkonform. Der absolute Großteil (72,6%) entspricht nicht den offiziellen Vorgaben und führt damit zu genau den Problemen, die uns dazu bewegt haben diese Machbarkeitsstudie, das ISEK usw. zu initiieren: Miserable Verhältnisse für Fußgänger &Radfahrer, schlechte Lebens- und Aufenthaltsqualität. Und da haben wir noch kein Wort über die allgegenwärtigen Falschparker auf West- und Ostseite gesprochen.

Das schreit ja förmlich danach das eindeutig identifizierte Problem endlich an der Wurzel zu packen. Die alleinige Symptombekämpfung ist längst an ihre Grenzen gekommen und hat sich als wirkungslos bis kontraproduktiv herausgestellt. (Ähnliches ließe sich übrigens für das massive Problem mit Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Pkw feststellen. Bzw. wurde bereits so durch das Ordnungsamt, das effektive bauliche Maßnahmen gefordert hat, festgestellt.)

Zu den öffentlichen Parkplätzen gesellen sich noch ca. 400 weitere private Pkw-Stellplätze, sodass wir einen Gesamtbestand von etwa 535 Pkw-Parkplätzen entlang Nord- und Zollhausstr. haben. Ist das ein „guter“ oder „schlechter“ Schnitt bei gut 8.000 EinwohnerX in ganz Birkesdorf?

Wie viel Platz nimmt so ein öffentlicher Parkplatz nochmal weg aus dem öffentlichen Raum und macht ihn für alle außer Parkende unnutzbar? Die Frage ließe sich leicht beantworten. Obwohl – die Mindestmaße sind doch bestimmt schon den heutigen Gegebenheiten angepasst worden. SUV & Co sind zwar total sinnvoll in Innenstädten, sie nehmen aber doch ein bisschen mehr Platz weg als ein Golf II oder so. Dem muss natürlichRechnung getragen werden – seitens der Allgemeinheit. Ich stelle stattdessen aber mal die Gesamtzahl der Bäume auf dem gleichen Stück Dorf in Relation dazu:

Quelle: MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB, Stadt Düren

535 Plätze für parkende Pkw vs. 21 Bäume. An dieser vernichtenden Statistik ändern auch die zusätzlichen 7 (!) Grünbeete nichts. Muss man dazu noch viel sagen in Zeiten von „Paradigmenwechsel in der Verkehrsplanung“? Oder sprechen die Zahlen für sich?

Schilderwald statt Baumbestand.:
Der Bestand an Schildern zur Regelung der Parkplatz-Nutzung dürfte schätzungsweise das Fünffache des Baumbestands ausmachen. Zum Glück schaffen Parkplätze – nicht Bäume – Lebens- und Aufenthaltsqualität. Demnächst auch mit photosynthetisierenden Parkplatz-Schildern!

Positives in der Machbarkeitsstudie

Die Problembeschreibungen in der Machbarkeitsstudie sind ziemlich eindeutig. Zumindest so deutlich, dass klar sein sollte, an welchen Stellen wir den Hebel zur Umgestaltung ansetzen müssen. Außerdem werden einige grundlegende Dinge zur Sprache gebracht, die zwar allgemeiner Konsens bzw rechtliche Vorgabe sind, aber bisher noch nicht mal ansatzweise umgesetzt wurden. Sprich. Der Finger wird mal wieder in die aufgerissene und immer noch nicht behandelte Wunde gelegt. Schon wieder. Autsch!

Sogenannte „Schutz“streifen & echte Fahrrad-Infrastruktur

Anhand von Bildern aus dem aktuellen Bestand und Tabellen aus den offiziellen Regelwerken zeigen die AutorX die teilweise desolate Infrastruktur für den Radverkehr auf Zollhaus- und Nordstraße. Und machen damit unmissverständlich klar, dass dieses Nicht-Angebot all den beschlossenen Grundsätzen und Zielen diametral entgegen läuft. Gleichzeitig präsentieren sie alternative Lösungen, die wir alle schon aus ISEK, KSTK, NRVP 3.0. etc usw kennen – die aber leider bis heute keinen Einzug in unsere lokale Verkehrsplanung gefunden haben. Trotz all der Beschlüsse, Wahlversprechen, Verträge und wohlfeilen politischen Sonntagsreden. Dass sogenannte „Schutz“streifen eigentlich nur in Ausnahmefällen geplant werden sollen (so die amtliche Vorgabe), scheint bei uns seltsamerweise noch gar nicht angekommen zu sein.

Gehwege

Für Gehwege lässt sich im Grunde genau das Gleiche sagen wie für sogenannte „Schutz“streifen: Sie sind auf einer der wichtigsten Gehwegstrecken Birkesdorfs nicht selten nicht minder desolat. Was augenscheinlich und für alle offensichtlich daran liegt, dass für sie einfach kein Platz da ist – wegen all der offiziellen und inoffiziellen Parkplätze, die uns bisher wichtiger waren als Gehwege, die wenigstens den aktuellen Minimal-Standards entsprechen.

Parkraummanagement

Positiv zu erwähnen ist auch, dass das Thema Parkplätze explizit in den Fokus gerückt wird und (erneut) verdeutlicht wird, dass ein neues (bzw. erstmaliges) Parkraumkonzept unabdingbar für eine Umgestaltung der Hauptachse ist. (Siehe oben.)

Prioritätensetzung

Radvorrangrouten-Konzept

Sehr gut – wenn auch absolut normal und nicht anders zu erwarten – ist die Einbeziehung des im Stadtrat beschlossenen Radvorrangrouten-Konzepts. Nicht weil dieses so toll wäre (siehe dazu bspw. die ProRad-Website). Sondern weil hiermit a) noch einmal die grundsätzliche (und von allen mega mit getragene) Entscheidung in den Fokus gerückt wird, dass es grundsätzlich darum geht, den NMIV zu fördern und dem MIV kontraproduktive Privilegien zu entziehen und b) explizit auf die heutigen Standards und verkehrsrechtlichen Vorgaben hingewiesen wird. Damit sollte die Zeit der perversen Todesstreifen und unntzbaren Gehwege endlich vorbei sein. Ich freue mich auf die sachliche Diskussion, wenn es an die konkrete Ausgestaltung unserer hervorragenden Pläne , Beschlüsse und Konsense geht.

Quelle (bearbeitet): MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB, Stadt Düren

ÖPNV

Der ÖPNV kommt zwar noch etwas kurz in der Machbarkeitsstudie, die Probleme werden jedoch benannt: Fehlende Barrierefreiheit (ebenfalls trotz gesetzlicher Vorgabe) zum Beispiel.

ISEK?

Das ISEK ist nicht wirklichThema in der Studie. Kommt bestimmt noch. 😉 Vielleicht im Rahmen der Bürgerbeteiligung…

Grundsätzliche Ziele

Quelle: MuÖzNuUdSvNuZzHSuVSiDB, Stadt Düren

Auch hier nix Neues und nix grundsätzlich Verkehrtes. Warum gibt´s das nicht schon längst? Ach so, wegen der ISEK-Einfrierung…

Zukunft?

Und nun? Obwohl seit Jahrzehnten von Entbürokratisierung und seit Jahren zudem noch von Flexibilisierung und „Umbau“ des Straßenverkehrsrechts etc. die wohlfeile Rede ist, gehe ich davon aus, dass nur eins ziemlich sicher ist: Das dauert! Im besten Fall Jahre, wahrscheinlich eher Jahrzehnte. Vielleicht müssen wir auch in Sternzeit und Lichtjahren denken (B 399n mit RS 399n).

Allerdings ist mindestens ungefähr genau so wahrscheinlich oder unwahrscheinlich, dass mehr oder weniger alles beim Alten bleibt und wir weiter alibimäßig so tun, als könnten wir durch ein bisschen Symptombekämpfung irgendwas von dem erreichen, was wir uns gemeinsam vorgenommen haben.

Der Katnalysator

Dies wäre im Fall Nord- und Zollhausstr. um so fataler, als dass wir „dank“ des maroden Abwasserkanals eh die gesamte Achse aufreißen müssen. Es ergibt sich die wohl einmalige Chance das zwingend Notwendige mit dem allseits Erwünschten *hüstel* zu kombinieren. ISEK light mit Hilfe des Kanalschadens. Ich nehme an, dass deshalb wieder Bewegung in die ganze Sache gekommen ist. Gut so.

Nur heißt das im Umkehrschluss wohl auch: Wenn wir diese Chance verpassen, ist es vorbei mit all den schönen ISEK-Träumen für die zentrale Verkehrsproblemachse. Es glaubt wohl niemand realistisch daran, dass die Straßen nach der Kanalsanierung erneut aufgerissen werden, nachdem irgendwann all das nochmal beschlossen wurde, was eh schon politisch durch ist. So verrückt kann man ja gar nicht sein. Und solche Chancen wie die Kanalgeschichte kann man sich als ISEK-Befürworter auf gar keinen Fall entgehen lassen. Oder?

So oder so steht die Kanal-Sanierung an. Und sie bietet auch Optionen zur Umsetzung von ISEK-Maßnahmen. Das wurde explizit von der Verwaltung in Aussicht gestellt. Muss wohl nur noch politisch beschlossen werden. Also sind keine Probleme in Sicht. *Doppel-Hüstel*

Das Ziel ist eine abschnittweise Erneuerung des Hauptsammlers über einen zunächst geschätzten Zeitraum von 10 Jahren. Synergieeffekte mit den ebenfalls geforderten zukünftigen Planungen an innerörtlichen Verkehrs- und Freianlagen in der Ortsmitte sind zu gegebenem Zeitpunkt im Rahmen der Konzeptstudie zu berücksichtigen.

Stadt Düren, Betriebsausschuss Stadtentwässerung, 07.09.2022

Protected Bike Lane Veldener Straße

Kurz erwähnt sei auch der geschützte Radstreifen, der beidseitig auf der Veldener Straße geplant ist. Dieser bindet die neu gestaltete Ortsmitte Birkesdorfs perfekt an die Innenstadt an. Nicht nur das: Am Knotenpunkt Kino kann die Protected Bike Lane zukünftig wahrscheinlich nahtlos über eine innovative Rad-Brücke (siehe Klimaschutzteilkonzept) an den Radschnellweg RS 399n und den RS Düren-Jülich (Paywall-Artikel- Lesen der Überschrift reicht vollkommen.) angebunden werden. Mit nahtlosem Anschluss an das Qualitäts-Fahrrad-Innovations-Revier. Ein Traum – vermutlich…

Der Veldener Straße hat die Kanalsanierung übel mitgespielt. Für die Zollhaus- und Nordstr. bietet sie unerwartete Chancen für eine echte Neugestaltung.

Fazit

Alles wird gut! Die Machbarkeitsstudie Zollhaus- & Nordstr. wird parallel mit der zum Kanal zwischen Inde- und Hambachsee erstellt. Die Planungen werden zeitgleich (von unseren UrurenkelX) umgesetzt. Zwischenzeitlich wird die B 399n fertig gestellt. Erst nach deren Inbetriebnahme können weitere Maßnahmen in Birkesdorf und der Innenstadt umgesetzt werden. Da dank der B 56n/B 399n-Kombi aber eh kaum noch überflüssiger Pkw-Verkehr in Düren unterwegs ist (Prognose von Straßen.NRW: bis zu 98%), wird auf jegliche weiteren Maßnahmen verzichtet.

Realitäts-Check

Heute habe ich einen Spaziergang die Zollhaus- und Nordstraße einmal rauf und runter gemacht. Es waren weit mehr Fußgänger unterwegs, als ich das sonst (meist aus der Fahrrad-Perspektive) von der Fahrbahn aus wahrnehme.

Allein auf meinem kleinen einmaligen Durchlauf habe ich ca. 15-20 Falschparker gesehen. Einer asozialer als der andere. Kann man leider nicht anders ausdrücken. Kontrollen habe ich keine wahrgenommen. Aber die mobile Knipse. Zur Symptombekämpfung und Daten-Akquise. Ich frage mich wie sich das Ordnungsamt dabei fühlt dort andauernd messen zu müssen, obwohl es der Politik in seiner Rolle als Fachamt längst klar gemacht hat, dass nur bauliche Maßnahmen helfen. Kommen die jetzt endlich?

Was ist wirklich machbar in Birkesdorf?

Symptome statt Ursachen bekämpfen

Links: