Parkraum-Management: Letzte Chance verpasst

Mobilitätswende Düren abgesagt

Düren. Es wird spannend! Wird es spannend? Wohl eher nicht. Denn was da gerade als Vorschläge zur Aktualisierung der Dürener Parkgebührenordnung auf dem Tisch liegt, hat rein gar nichts mit Mobilitätswende zu tun. Und schon gar nicht mir Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik. Im Gegenteil: Es ist ein Ausdruck für das “Weiter so!”, mit dem wir (angeblich) die Wende schaffen wollen.

Eigentlich hätte man Hoffnung haben können, denn im Juni klang es noch so, als ob man sich tatsächlich mal grundsätzlich mit dem Thema Parkraum vs. öffentlicher Raum auseinandersetzen würde. Natürlich nicht aus eigenem Antrieb, sondern nur wegen eines nervigen Bürgerantrags. *Zwinkersmiley* Ab in den zuständigen Fachausschuss damit. Und siehe da:

Die Verwaltungs wird beauftragt, Vorschläge zum künftigen Umgang mit innerstädtischen Parkflächen, Liefer- und Ladezonen auszuarbeiten. Soweit möglich, soll dies auch im Zuge des laufenden Prozesses zur Überarbeitung/Neuaufstellung der Stellplatzsatzung aufgegriffen werden.

Beratungsergebnis über den Beschlussvorschlag: einstimmig beschlossen.

Niederschrift 03/2022 über die Sitzung des Ausschusses für Mobilität, Umwelt und Klimaschutz am 19.05.2022

Das ist jetzt noch nicht wirklich das, was man sich unter einem Konzept vorstellen will, aber immerhin sollen im Jahr 2022 mal ein paar Vorschläge gesammelt werden. Man höre und staune! War ja nicht schon Grundvoraussetzung für die Neuplanung des Schützenplatzes oder so… *Innenstadt-Masterplan-Hüstel* Und es ist ja nicht so, dass wir sämtliche Modal-Split-Veränderungsziele gnadenlos reißen – nicht zuletzt dank unserer nachhaltigen Pkw-Parkplatz-Protegiererei und -Propaganda!

Selbst jetzt, wo uns dank EU-Steuergesetz-Vorgaben der Zaunpfahl von jedem Billig-Parkplatz zuwinkt, erkennen und ergreifen wir nicht die Gunst der Stunde? Nö, wir reagieren nur, weil wir dazu gezwungen werden. Eigentlich haben wir überhaupt keinen Bock darauf die Parkgebühren zu erhöhen und das Pkw-Parken weniger komfortabel und weniger flächendeckend zu gestalten.

Und einen Plan dafür haben wir auch nicht. Denn wir sind ja noch nicht mal selbst davon überzeugt. Klar haben wir irgendwann mal behauptet und beschlossen, dass wir dies und das vorhaben, diese und jene Verkehrsziele bis dann und irgendwann erreichen wollen und so weiter. Aber hey – haben wir im Moment nicht ganz andere, damit in keinster Weise in Verbindung stehende Sorgen? Klimawandel, Energiekrise, Inflation, soziale Spaltung und so weiter? Und überhaupt: Parkplätze in Düren? Ganz heikles Thema. Besser mal die Finger davon lassen, wenn es irgendwie geht.

Stellplatzsatzung, Parkgebührenordnung, Parkraummanagement?

Unter diesen Umständen dürfen wir jetzt schon auf die Überarbeitung der Stellplatzsatzung gespannt sein. So alt ist die ja noch gar nicht. Oktober 2020. Muss man sich auch mal genauer anschauen… Aber heute geht´s ja um die Parkgebühren-(R)evolution. Na dann mal ran an den Speck! Auf ein echtes Parkraumkonzept warten wir wie gesagt bereits seitdem im Rahmen des Innenstadt-Masterplans vor x Jahren das erste Mal über die Umgestaltung des Schützenplatzes gesprochen wurde.

Melk-Kühe oder Sozial-Schmarotzer der Nation?
*Monokelsmiley*

Noch nicht mal Peanuts für die Verkehrswende…

Kurz zusammengefasst: Kein Push!

  • Die Maxime: Pkw-Parken soll weiterhin möglichst billig, komfortabel und flächendeckend verfügbar sein.
  • Parkgebühren werden nicht als verkehrsplanerisches Steuerungsinstrument angesehen.
  • Die Gebühren sollen nur um die steuerlich bedingten Mehrkosten steigen.
  • Für mehr ist kein Willen und kein Mut da. Und keine politische Durchsetzungskraft trotz theoretisch stabiler Mehrheiten pro Verkehrswende. Selbst gesteckte Ziele und Pläne sollen Theorie bleiben. Ein Umdenken oder gar Umsteuern ist nicht Sicht! Paradigmenwechsel? LOL!
  • Um die beiden Varianten kann es nur eine Scheindebatte geben, da sie sich kaum unterscheiden. Diese Debatte wird immerhin einen gewissen Unterhaltungswert haben.

Die konkreten Pläne:

Variante A
Variante B
Zzgl. der vom Amt für Recht und Ordnung vorgeschlagenen Tarife

Drama! Weltuntergang! Tod des innerstädtischen Einzelhandels!

Was heißt das eigentlich pro Stunde?

Veränderung Euro/Stunde in rot.

Klare Sache also: Nur die zwangsverordnete (also nicht politisch gewünschte/gesteuerte) Veränderung wird umgesetzt. Um die “Varianten” wird aber garantiert heftig politisch gerungen, um die ganze Sache nochmal politisch auszuschlachten und zu emotionalisieren. Ganz wichtig! Und natürlich um so zu tun, als würde man tatsächlich aktiv regieren statt nur gezwungenermaßen und eigentlich total ungewollt zu re-agieren. Toll!

Was zahlt man nochmal so ungefähr in unserem Verkehrswende-Vorbild-Land? Beispiel Utrecht:

Quelle: Stadt Utrecht

Folgende Zitate aus der Beschlussvorlage 2022-0203/1 sprechen für sich:

Angedacht ist eine Erhöhung aller Parkgebühren und damit eine Quersubventionierung steuerpflichtiger Flächen durch Mehreinnahmen an nicht steuerpflichtigen Flächen.
Die steuerliche Belastung (Ertragsteuer und Umsatzsteuer) liegt bei 18,55 %. Dies bedeutet, dass die Stadt Düren rd. 355.000 Euro Mehreinnahmen benötigt, um den geplanten Haushalt nicht zu belasten. (…)

Aufgrund des vorhandenen Bezahlsystems in den Parkscheinautomaten kommen nur Beträge in 5- Cent-Schritten in Betracht. Die vorgeschlagenen neuen Tarife sind entsprechend aufgerundet. (…)

Die aufgrund der Änderung des § 2b UStG notwendig gewordene Anpassung der Parkgebühren bedarf aus Sicht des Amtes für Recht und Ordnung einer weiteren Anpassung. Zum einen sind die Beträge zwar auf 5-er Stellen aufgerundet, jedoch belastet die vorgeschlagene Verteilung die Münzkassetten in den Parkscheinautomaten zu stark. Es ist mehr Kleingeld erforderlich, um den gewünschten Tarif zu erreichen. Dies belastet die Geldkassette, die sich nicht selbständig entleeren kann, weil kein Wechselgeld ausgegeben wird. Es ist durchaus möglich, dass sich durch die vorgeschlagenen Beträge (insbesondere 0,20 € bzw. 0,40 €) die Geldkassetten wesentlich schneller füllen und diese öfter entleert werden müssen, was wiederum mit höheren Kosten verbunden ist. Eine Gebührenfestlegung auf runde Eurobeträge bzw. in 0,50 € Schritten schont die Befüllung der Münzkassetten.

Die Gebühren wurden wenigstens in den letzten 5 Jahren nicht mehr angepasst. Die Tarife liegen daher teilweise deutlich unter denjenigen anderer Städte. Eine Anpassung insbesondere der innerstädtischen Tarife erscheint vor diesem Hintergrund angemessen.

Bei der Anpassung der Tarife wurde in den Fokus genommen, dass der Fahrzeugverkehr in der Innenstadt reduziert werden soll. Aus diesem Grund wurde zunächst die Parkdauer von 25 Minuten auf 20 Minuten gekürzt und die Tarifeinheiten von 5 Minuten auf 4 Minuten verringert.

Das Parken auf dem Annakirmesplatz ist mit 1,50 € immer noch sehr preiswert im Verhältnis zu öffentlichen Parkhäusern und anderen Parkmöglichkeiten in der Stadt (Kinoparkhaus 2 € pro Tag, Contiparkhaus 4 € pro Tag). (…)

Beschlussvorlage 2022-0203/1

Verständnisfragen

Mehr braucht man dazu wirklich nicht zu sagen, wenn einem lebenswerte Städte egal sind. 😉 Aber Verständnis-Fragen sind bei mir doch noch offen geblieben:

  • Bei der Tarifanpassung spielt die Reduzierung des Pkw-Verkehrs eine Rolle? Echt jetzt? LOL! Wie nochmal genau? Doch nicht etwa durch die allein der Münzschlitz-Aufrundung geschuldeten paar Cents, oder?
  • Die Tarifeinheiten werden von 5 auf 4 Minuten reduziert? Hä – wo und wann? Habe ich das in den Tabellen übersehen? Und wie dramatisch ändern sich die Tarife dadurch?
  • Bezahlen wir High-Tech-Pkw-Profis nicht eh längst per App und Kreditkarte – dank städtischer Pkw-Verkehr-Förderung neuer und komfortabler Bezahl-Optionen, auf die wir im Jahre 2022 total stolz sind. Freiparken für alles, was angeblich elektrisch unterwegs ist, inklusive (ebenfalls erzwungenermaßen aufgedrängt – “Diesel-Vergleichs-Hüstel*)?

Beschluss folgt demnächst in Ihrem Stadtrat. Parteiübergreifend, denn für Kompromisse sind wir immer alle zu haben! Hauptsache alle (Autofahrer) werden mitgenommen in die schöne neue Welt der innerstädtischen Mobilität der Zukunft… Toll!


Oder einfach mehr von dem hier!


Update, 14.12.2022

Nachdem das ganze Umsatzsteuer-Gedöns doch verschoben wurde, hat auch Düren einen Rückzieher gemacht – und damit nochmal deutlich gemacht, dass Parkgebühren kein verkehrspolitisches Instrument in Düren sind. Außer natürlich sie sind möglichst niedrig und dienen der „Erreichbarkeit der Innenstadt“…

Der Ratsbeschluss zu der BV 2022-0203/1 (3. Änderung der Gebühren-ordnung für Parkschein-automaten) vom 28.09.2022 wird aufgehoben, so dass diese Satzung nicht zum 01.01.2023 in Kraft tritt.

– Stadtrat, 14.12.2022

Dürener Zeitung, 06.12.2022 (Paywall)

Zum Nachlesen und Staunen: